BT-Drucksache 16/8442

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts

Vom 6. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8442
16. Wahlperiode 06. 03. 2008

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Joachim Stünker, Michael Kauch, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Jerzy Montag, Dr. Karl Addicks, Kerstin Andreae, Ingrid Arndt-Brauer, Rainer
Arnold, Sabine Bätzing, Daniel Bahr (Münster), Doris Barnett, Dr. Hans-Peter
Bartels, Sören Bartol, Dr. Dietmar Bartsch, Marieluise Beck (Bremen), Uwe Karl
Beckmeyer, Birgitt Bender, Klaus Uwe Benneter, Dr. Axel Berg, Ute Berg,
Petra Bierwirth, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky, Heidrun Bluhm, Clemens Bollen,
Gerd Bollmann, Alexander Bonde, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), Rainer
Brüderle, Angelika Brunkhorst, Edelgard Bulmahn, Dr. Martina Bunge,
Ulla Burchardt, Martin Burkert, Marion Caspers-Merk, Roland Claus,
Dr. Peter Danckert, Ekin Deligöz, Patrick Döring, Dr. Carl-Christian Dressel,
Dr. Thea Dückert, Garrelt Duin, Mechthild Dyckmans, Sebastian Edathy,
Siegmund Ehrmann, Dr. Uschi Eid, Dr. Dagmar Enkelmann, Petra Ernstberger,
Jörg van Essen, Karin Evers-Meyer, Annette Faße, Hans-Josef Fell, Elke Ferner,
Ulrike Flach, Gabriele Fograscher, Rainer Fornahl, Gabriele Frechen, Dagmar
Freitag, Paul K. Friedhoff, Horst Friedrich (Bayreuth), Kai Gehring, Dr. Edmund
Peter Geisen, Dr. Wolfgang Gerhardt, Iris Gleicke, Günter Gloser, Hans-Michael
Goldmann, Diana Golze, Renate Gradistanac, Angelika Graf (Rosenheim), Dieter
Grasedieck, Monika Griefahn, Kerstin Griese, Gabriele Groneberg, Wolfgang
Grotthaus, Miriam Gruß, Joachim Günther (Plauen), Dr. Gregor Gysi, Hans-
Joachim Hacker, Bettina Hagedorn, Anja Hajduk, Alfred Hartenbach, Nina Hauer,
Heinz-Peter Haustein, Dr. Barbara Hendricks, Bettina Herlitzius, Stephan Hilsberg,
Priska Hinz (Herborn), Bärbel Höhn, Dr. Barbara Höll, Iris Hoffmann (Wismar),
Birgit Homburger, Klaas Hübner, Christel Humme, Johannes Kahrs,
Dr. h. c. Susanne Kastner, Ulrich Kelber, Hellmut Königshaus, Fritz Rudolf Körper,
Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Sylvia
Kotting-Uhl, Rolf Kramer, Anette Kramme, Nicolette Kressl, Volker Kröning,
Dr. Hans-Ulrich Krüger, Jürgen Kucharczyk, Helga Kühn-Mengel, Dr. Uwe Küster,
Ute Kumpf, Katrin Kunert, Oskar Lafontaine, Christine Lambrecht, Christian Lange
(Backnang), Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger, Markus Löning, Gabriele Lösekrug-Möller, Dr. Gesine Lötzsch,
Nicole Maisch, Caren Marks, Katja Mast, Ulrich Maurer, Horst Meierhofer, Dorothee
Menzner, Ulrike Merten, Dr. Matthias Miersch, Kornelia Möller, Jan Mücke,
Detlef Müller (Chemnitz), Kerstin Müller (Köln), Burkhardt Müller-Sönksen,
Gesine Multhaupt, Kersten Naumann, Wolfgang Neskovic, Dirk Niebel, Thomas

Oppermann, Holger Ortel, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Norman Paech,
Detlef Parr, Johannes Pflug, Gisela Piltz, Joachim Poß, Christoph Pries, Mechthild
Rawert, Steffen Reiche (Cottbus), Maik Reichel, Dr. Carola Reimann, Christel
Riemann-Hanewinckel, Jörg Rohde, Karin Roth (Esslingen), Ortwin Runde, Krista
Sager, Frank Schäffler, Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel, Bernd Scheelen,

Drucksache 16/8442 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Irmingard Schewe-Gerigk, Marianne Schieder, Dr. Konrad Schily, Ulla Schmidt
(Aachen), Olaf Scholz, Dr. Herbert Schui, Swen Schulz (Spandau), Marina
Schuster, Dr. Angelica Schwall-Düren, Dr. Martin Schwanholz, Rolf Schwanitz,
Rita Schwarzelühr-Sutter, Dr. Petra Sitte, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Margrit
Spielmann, Frank Spieth, Dr. Max Stadler, Rainder Steenblock, Dieter Steinecke,
Dr. Rainer Stinner, Rolf Stöckel, Silke Stokar von Neuforn, Christoph Strässer,
Hans-Christian Ströbele, Dr. Peter Struck, Jörg Tauss, Jella Teuchner, Franz
Thönnes, Florian Toncar, Hedi Wegener, Petra Weis, Dr. Rainer Wend, Lydia
Westrich, Dr. Margrit Wetzel, Andrea Wicklein, Dr. Dieter Wiefelspütz, Wolfgang
Wieland, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Heidi Wright, Jörn Wunderlich, Martin Zeil,
Sabine Zimmermann, Manfred Zöllmer, Brigitte Zypries

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts

A. Problem

Viele Menschen wollen die Gewissheit haben, dass sie über die Art und Weise
ihrer medizinischen Behandlung selbst bestimmen können, wenn sie infolge
einer Krankheit oder eines Unfalles ihre Entscheidungsfähigkeit verloren haben.
In erster Linie ist es dazu wichtig, alle verfügbaren Kommunikationswege und
Vorsorgemöglichkeiten zu nutzen. Dazu dient die Vorsorgevollmacht, mit der
ein Bevollmächtigter beauftragt wird, im Sinne des Betroffenen zu handeln.
Weiterhin ist ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Arzt und nahestehenden
Personen sinnvoll. Zudem ist vor allem mit der Patientenverfügung ein solcher
Kommunikationsweg eröffnet. Dieser wird von den Bürgerinnen und Bürgern
zunehmend genutzt.

Die Patientenverfügung ist deshalb bereits jetzt in der Praxis von großer Bedeu-
tung für die Verwirklichung des in den Artikeln 1 und 2 des Grundgesetzes ver-
ankerten Selbstbestimmungsrechts jedes Menschen. Fragen der rechtlichen Ver-
bindlichkeit und des Umganges mit Patientenverfügungen werden seit einigen
Jahrzehnten intensiv diskutiert. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
mit seinen Beschlüssen vom 17. März 2003 (BGHZ 154, 205) und vom 8. Juni
2005 (BGHZ 163, 195) die Bedeutung des Selbstbestimmungsrechts bei ärzt-
lichen Maßnahmen und die Verbindlichkeit einer Patientenverfügung bestätigt.
Auch die Bundesärztekammer geht in ihren Grundsätzen zur Sterbebegleitung
vom 7. Mai 2004 sowie in ihren Empfehlungen zum Umgang mit Vorsorgevoll-
macht und Patientenverfügung vom 27. März 2007 von der Verbindlichkeit
einer Patientenverfügung für Ärztinnen und Ärzte und der Beachtung des
Patientenwillens auch nach eingetretener Einwilligungsunfähigkeit bei allen
medizinischen Behandlungen aus.

Dennoch besteht in der Praxis zum Teil noch Verunsicherung im Umgang mit
Patientenverfügungen. Das betrifft insbesondere ihre Bindungswirkung und
Geltung in allen Stadien einer Erkrankung. Bürgerinnen und Bürger fordern die
Achtung ihrer Würde und ihres Selbstbestimmungsrechts bei ärztlichen Behand-

lungen in allen Lebensphasen. Zudem fehlt bislang eine gesetzliche Regelung,
wann besonders schwerwiegende Entscheidungen eines Betreuers oder Bevoll-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8442

mächtigten vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden müssen. Es besteht
also dringender gesetzlicher Handlungsbedarf.

Ziel des Gesetzentwurfs ist es, durch eine gesetzliche Regelung der Patienten-
verfügung für alle Beteiligten mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Es soll sicher-
gestellt werden, dass der das Betreuungsrecht prägende Grundsatz der Achtung
des Selbstbestimmungsrechts entscheidungsunfähiger Menschen auch bei medi-
zinischen Behandlungen beachtet wird.

B. Lösung

Der Entwurf sieht vor:

– Das Rechtsinstitut Patientenverfügung wird im Betreuungsrecht verankert
und die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung eingeführt.

– Die Aufgaben eines Betreuers oder Bevollmächtigten beim Umgang mit
einer Patientenverfügung und bei Feststellung des Patientenwillens werden
geregelt und dabei klargestellt, dass der Wille des Betroffenen unabhängig
von Art und Stadium der Erkrankung zu beachten ist.

– Festlegungen in einer Patientenverfügung, die auf eine verbotene Tötung auf
Verlangen gerichtet sind, bleiben unwirksam.

– Besonders schwerwiegende Entscheidungen eines Betreuers oder Bevoll-
mächtigten über die Einwilligung, Nichteinwilligung oder den Widerruf der
Einwilligung in ärztliche Maßnahmen bedürfen bei Zweifeln über den Pa-
tientenwillen der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts.

– Der Schutz des Betroffenen wird durch verfahrensrechtliche Regelungen
sichergestellt.

C. Alternativen

Keine. Ohne eine gesetzliche Regelung würden die in der Praxis beim Umgang
mit Patientenverfügungen bestehenden Unsicherheiten fortbestehen. Eine ge-
setzliche Regelung, die den Willen des Betroffenen in bestimmten Stadien einer
Erkrankung für unbeachtlich erklärt und anstelle des Entscheidungsrechts des
Betroffenen oder seines Vertreters den ärztlichen Befund zum Maßstab für die
Zulässigkeit der Durchführung einer ärztlichen Maßnahme erhebt („Reich-
weitenbegrenzung“), würde den Kranken zwingen, sich medizinischen Eingrif-
fen zu unterwerfen, die gegen seinen Willen und ungeachtet damit verbundener
gesundheitlicher Risiken durchzuführen wären. Das wäre ein erheblicher Rück-
schritt gegenüber der geltenden Rechtslage und würde massiven rechtlichen Be-
denken begegnen.

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Die vorgeschlagene Regelung zur Genehmigungsbedürftigkeit von Entschei-
dungen eines Betreuers entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
seit dem Jahr 2003 und hat bislang nicht zu einem Anstieg der Genehmigungs-
verfahren geführt. Vor diesem Hintergrund ist auch durch die Erweiterung der
Genehmigungsbedürftigkeit von Entscheidungen des Bevollmächtigten bei
bestimmten ärztlichen Maßnahmen nicht mit einer substantiierbaren Kostenstei-
gerung zu rechnen.
E. Sonstige Kosten

Keine

des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung geben, sofern
dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist.

richtsbarkeit in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und
Stadium einer Erkrankung des Betreuten.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten auch für Bevollmäch-
tigte.“

rungsnummer 315-1, veröffentlichten bereinigten Fassung,
zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:

1. § 67 Abs. 1 Satz 5 wird wie folgt gefasst:

„Die Bestellung ist stets erforderlich, wenn Gegenstand
des Verfahrens die Genehmigung einer Einwilligung des
Drucksache 16/8442 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekannt-
machung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I
S. 738), zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird die Angabe zu § 1901a durch
folgende Angaben ersetzt:

„§ 1901a Patientenverfügung

§ 1901b Schriftliche Betreuungswünsche“.

2. Nach § 1901 wird folgender § 1901a eingefügt:

㤠1901a
Patientenverfügung

(1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den
Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festge-
legt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung
noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen
seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder
ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patien-
tenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen
auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu-
treffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des
Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine
Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen
werden.

(2) Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die
Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die ak-
tuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Be-
treuer unter Beachtung des mutmaßlichen Willens des
Betreuten zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnah-
me nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mut-
maßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu
ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere
mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder
religiöse Überzeugungen, sonstige persönliche Wertvor-
stellungen und das Schmerzempfinden des Betreuten.
Um solche Anhaltspunkte zu ermitteln, soll der Betreuer
nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen

4. § 1904 wird wie folgt gefasst:

㤠1904
Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bei

ärztlichen Maßnahmen

(1) Die Einwilligung des Betreuers in eine Untersu-
chung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung
oder einen ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts, wenn die begründete Ge-
fahr besteht, dass der Betreute auf Grund der Maßnahme
stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesund-
heitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung darf
die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn mit dem
Aufschub Gefahr verbunden ist.

(2) Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Ein-
willigung des Betreuers in eine Untersuchung des
Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen
ärztlichen Eingriff bedarf der Genehmigung des Vor-
mundschaftsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch
angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der
Betreute auf Grund des Unterbleibens oder des Abbruchs
der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger
dauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.

(3) Die Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist zu
erteilen, wenn die Einwilligung, die Nichteinwilligung
oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Be-
treuten entspricht.

(4) Eine Genehmigung nach den Absätzen 1 und 2 ist
nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer und behan-
delndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die
Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Ein-
willigung dem Willen des Betreuten entspricht.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für einen Bevoll-
mächtigten. Er kann in eine der in Absatz 1 Satz 1 oder
Absatz 2 genannten Maßnahmen nur einwilligen, nicht
einwilligen oder die Einwilligung widerrufen, wenn die
Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und
schriftlich erteilt ist.“

Artikel 2

Änderung des Gesetzes über die
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge-
3. Der bisherige § 1901a wird § 1901b.
Betreuers in eine Sterilisation (§1905 Abs. 2 des Bürger-
lichen Gesetzbuchs) oder die Genehmigung des Vor-

Birgitt Bender
Klaus Uwe Benneter
Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Karin Binder
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Alexander Bonde
Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)
Rainer Brüderle
Angelika Brunkhorst
Edelgard Bulmahn
Dr. Martina Bunge
Ulla Burchardt

Hans-Josef Fell
Elke Ferner
Ulrike Flach
Gabriele Fograscher
Rainer Fornahl
Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)
Kai Gehring
Dr. Edmund Peter Geisen
Dr. Wolfgang Gerhardt
Iris Gleicke
Günter Gloser
Hans-Michael Goldmann
Diana Golze
Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)

Bärbel Höhn
Dr. Barbara Höll
Iris Hoffmann (Wismar)
Birgit Homburger
Klaas Hübner
Christel Humme
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hellmut Königshaus
Fritz Rudolf Körper
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Sylvia Kotting-Uhl
Rolf Kramer
Anette Kramme
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/8442

mundschaftsgerichts nach Maßgabe des § 1904 Abs. 2
des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist.“

2. § 69d Abs. 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Vor der Entscheidung über eine Genehmigung
nach § 1904 Abs. 1 und 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen
einzuholen. Sachverständiger und ausführender Arzt sol-
len in der Regel nicht personengleich sein. § 68a Satz 3
und 4 gilt entsprechend. Die Genehmigung des Vormund-
schaftsgerichts nach § 1904 Abs. 2 des Bürgerlichen Ge-
setzbuchs wird erst zwei Wochen nach Bekanntgabe an
den Betreuer oder Bevollmächtigten sowie an den Ver-
fahrenspfleger wirksam.“

3. § 69g Abs. 1 Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Die Beschwerde gegen die Bestellung eines Betreuers
von Amts wegen, die Anordnung eines Einwilligungs-

vorbehalts, die Entscheidung, durch die die Bestellung
eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungs-
vorbehalts abgelehnt wird, und die Entscheidung des
Vormundschaftsgerichts über die Genehmigung bei ärzt-
lichen Maßnahmen gemäß § 1904 Abs. 2 des Bürger-
lichen Gesetzbuchs steht unbeschadet des § 20 dem
Ehegatten des Betroffenen, dem Lebenspartner des Be-
troffenen, denjenigen, die mit dem Betroffenen in gerader
Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis
zum dritten Grad verwandt sind sowie der zuständigen
Behörde zu.“

Artikel 3

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 6. März 2008

Joachim Stünker
Michael Kauch
Dr. Lukrezia Jochimsen
Jerzy Montag
Dr. Karl Addicks
Kerstin Andreae
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Sabine Bätzing
Daniel Bahr (Münster)
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Sören Bartol
Dr. Dietmar Bartsch
Marieluise Beck (Bremen)
Uwe Karl Beckmeyer

Roland Claus
Dr. Peter Danckert
Ekin Deligöz
Patrick Döring
Dr. Carl-Christian Dressel
Dr. Thea Dückert
Garrelt Duin
Mechthild Dyckmans
Sebastian Edathy
Siegmund Ehrmann
Dr. Uschi Eid
Dr. Dagmar Enkelmann
Petra Ernstberger
Jörg van Essen
Karin Evers-Meyer
Annette Faße

Kerstin Griese
Gabriele Groneberg
Wolfgang Grotthaus
Miriam Gruß
Joachim Günther (Plauen)
Dr. Gregor Gysi
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Anja Hajduk
Alfred Hartenbach
Nina Hauer
Heinz-Peter Haustein
Dr. Barbara Hendricks
Bettina Herlitzius
Stephan Hilsberg
Priska Hinz (Herborn)
Martin Burkert
Marion Caspers-Merk

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn

Nicolette Kressl
Volker Kröning

Drucksache 16/8442 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Dr. Uwe Küster
Ute Kumpf
Katrin Kunert
Oskar Lafontaine
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Sibylle Laurischk
Harald Leibrecht
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-

Schnarrenberger
Markus Löning
Gabriele Lösekrug-Möller
Dr. Gesine Lötzsch
Nicole Maisch
Caren Marks
Katja Mast
Ulrich Maurer
Horst Meierhofer
Dorothee Menzner
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Kornelia Möller
Jan Mücke
Detlef Müller (Chemnitz)
Kerstin Müller (Köln)
Burkhardt Müller-Sönksen
Gesine Multhaupt
Kersten Naumann
Wolfgang Neskovic
Dirk Niebel

Thomas Oppermann
Holger Ortel
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)
Dr. Norman Paech
Detlef Parr
Johannes Pflug
Gisela Piltz
Joachim Poß
Christoph Pries
Mechthild Rawert
Steffen Reiche (Cottbus)
Maik Reichel
Dr. Carola Reimann
Christel Riemann-Hanewinckel
Jörg Rohde
Karin Roth (Esslingen)
Ortwin Runde
Krista Sager
Frank Schäffler
Elisabeth Scharfenberg
Christine Scheel
Bernd Scheelen
Irmingard Schewe-Gerigk
Marianne Schieder
Dr. Konrad Schily
Ulla Schmidt (Aachen)
Olaf Scholz
Dr. Herbert Schui
Swen Schulz (Spandau)
Marina Schuster
Dr. Angelica Schwall-Düren
Dr. Martin Schwanholz
Rolf Schwanitz

Rita Schwarzelühr-Sutter
Dr. Petra Sitte
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Margrit Spielmann
Frank Spieth
Dr. Max Stadler
Rainder Steenblock
Dieter Steinecke
Dr. Rainer Stinner
Rolf Stöckel
Silke Stokar von Neuforn
Christoph Strässer
Hans-Christian Ströbele
Dr. Peter Struck
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Franz Thönnes
Florian Toncar
Hedi Wegener
Petra Weis
Dr. Rainer Wend
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Dr. Dieter Wiefelspütz
Wolfgang Wieland
Hartfrid Wolff (Rems-Murr)
Heidi Wright
Jörn Wunderlich
Martin Zeil
Sabine Zimmermann
Manfred Zöllmer
Brigitte Zypries

Für die medizinische Behandlung eines Menschen gilt, wie scheiden, die zu Recht nach § 216 des Strafgesetzbuchs ver-

in jeder Lebensphase auch am Lebensende, dass der Patient
entscheidet, ob er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen will.
Der Arzt trägt die Verantwortung für eine fachgerechte

boten ist. Das gilt selbstverständlich auch für Festlegungen
in einer Patientenverfügung: Eine nach § 216 des Strafge-
setzbuchs verbotene Tötung auf Verlangen kann weder von
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/8442

Begründung

A. Allgemeines

1. Ausgangslage

a) Problem

Moderne Möglichkeiten der Krankheitsbehandlung, Lebens-
rettung und Lebensverlängerung werden von vielen Men-
schen dankbar angenommen, da sie ihnen die Lebenszeit
verlängern. Eine umfassende Palliativmedizin sichert auch
bis ans Lebensende eine größtmögliche Lebensqualität.

Die zunehmende Abhängigkeit des Sterbeprozesses von den
medizinischen Möglichkeiten lassen den Tod längst nicht
mehr nur als schicksalhaftes Ereignis erscheinen, sondern als
Ergebnis einer von Menschen getroffenen Entscheidung.
Auch bei Krankheitszuständen, bei denen der Patient noch
vor nicht allzu vielen Jahren verstarb, kann ein Weiterfunk-
tionieren des Organismus aufrechterhalten werden. Viele
Menschen verbinden mit diesen medizinischen Möglichkei-
ten nicht nur größere Erwartungen, sondern auch Befürch-
tungen vor einer Übertherapie, insbesondere im Hinblick auf
eine Sterbens- und Leidensverlängerung. Zu der Angst vor
dem eigenen Tod ist die Angst hinzugekommen, ohne Mög-
lichkeit der Einflussnahme einem hoch technisierten und un-
persönlichen Gesundheitsbetrieb ausgeliefert zu sein, in dem
der Sieg über den Tod ungeachtet der Qualität des erhaltenen
Lebens als Ziel definiert wird.

Eine individuelle, an den Wünschen und Werten des Patien-
ten orientierte Behandlung nimmt den Patienten mit all
seinen Nöten und Sorgen wahr. Das ist eine wesentliche
Grundlage für das Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt
und dem Patienten, das bei schweren Krankheiten und am
Lebensende besonders bedeutsam ist. Obwohl Ärzte ihren
Patienten zur Seite stehen und sie ausführlich beraten, kann
eine medizinische Maßnahme vom Patienten nicht oder
nicht mehr gewünscht sein. Auch Ärzte stehen oft vor
schwierigen Entscheidungen. Die Wünsche und Wertvor-
stellungen des Patienten zu kennen, um eine daran ausge-
richtete Behandlung zu ermöglichen, ist deshalb sowohl für
die Ärzte als auch die Patienten gerade bei schwersten Er-
krankungen und in Grenzsituationen des Lebens von großer
Bedeutung. Kann der Patient in der konkreten Situation nicht
mehr gefragt werden, weil er wegen seiner Krankheit nicht
mehr in der Lage ist, sich einen Willen zu bilden, müssen an-
dere Kommunikationswege genutzt werden. Neben der Vor-
sorgevollmacht ist die Patientenverfügung dafür ein geeig-
netes Instrument. Ärzte, Patienten, ihre Angehörigen und
ihre rechtlichen Vertreter brauchen Klarheit im Umgang mit
Patientenverfügungen, die in der Praxis nicht immer gege-
ben ist.

b) Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit ärztlicher Ein-
griffe

Auf dieser Grundlage entscheidet der Patient eigenständig,
ob er in die Behandlung einwilligt. Die Einwilligung in eine
ärztliche Maßnahme bedarf immer der ärztlichen Aufklä-
rung, es sei denn, dass der Patient darauf ausdrücklich ver-
zichtet hat. Die Ablehnung einer ärztlichen Maßnahme ist
unabhängig von einer ärztlichen Aufklärung wirksam.

Aus dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestim-
mungsrecht des Menschen folgt, dass weder die Krankheit
noch der ärztliche Heilauftrag ein eigenständiges Behand-
lungsrecht des Arztes begründen. Für die Rechtmäßigkeit
eines ärztlichen Eingriffs ist vielmehr die Einwilligung des
Patienten erforderlich. Dabei kommt es nicht darauf an, ob
die Entscheidung des Patienten aus medizinischer Sicht als
vernünftig oder unvernünftig anzusehen ist. Es entspricht der
ständigen Rechtsprechung des für das Arzthaftungsrecht zu-
ständigen VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, dass die
Wahrung der persönlichen Entscheidungsfreiheit des Patien-
ten nicht durch das begrenzt werden darf, was aus ärztlicher
oder objektiver Sicht erforderlich oder sinnvoll wäre (z. B.
Urteil v. 18. März 2003, NJW 2003, 1862 f.). Deshalb muss
die Einwilligung des Patienten vor Beginn der Behandlung
eingeholt werden.

In Notfällen, in denen weder der Patientenwille bekannt noch
ein Vertreter vorhanden ist und die Behandlung keinen Auf-
schub duldet, kann der Arzt medizinisch indizierte Behand-
lungen bis zur Abwendung des Notfalls durchführen. Erteilt
der Patient seine Einwilligung nicht oder widerruft er seine
Einwilligung, ist eine Behandlung oder Weiterbehandlung
rechtswidrig. Sie kann als Körperverletzung strafrechtliche
Sanktionen nach sich ziehen sowie Schadensersatzansprüche
begründen. Andererseits verleiht das Selbstbestimmungs-
recht dem Patienten keinen Anspruch auf eine medizinische
Behandlung, die aus ärztlicher Sicht nicht indiziert ist.

Fragen der ärztlichen Indikation einer Behandlung und der
Einwilligung des Patienten sind daher im Zusammenhang zu
sehen. Für Behandlungen am Lebensende ist dies von beson-
derer Bedeutung: Hat bei einem Patienten der Sterbeprozess
bereits eingesetzt, sind lebensverlängernde Behandlungen in
der Regel nicht mehr medizinisch indiziert; die Behandlung
besteht dann aus Hilfe und Begleitung im Sterbeprozess. Hat
der Sterbeprozess dagegen noch nicht eingesetzt und ist eine
lebenserhaltende Behandlung aus ärztlicher Sicht (noch) in-
diziert, entscheidet der Patient mit seiner Einwilligung oder
Nichteinwilligung darüber, ob die Behandlung vorgenom-
men werden darf.

c) Beibehaltung der strafrechtlichen Grenzen zulässiger
Sterbehilfe

Sowohl die Hilfe und Begleitung im Sterbeprozess als auch
das Recht, einen medizinischen Eingriff ablehnen zu kön-
nen, sind streng von einer Tötung auf Verlangen zu unter-
Untersuchung, Diagnose und Indikation für oder gegen eine
bestimmte Behandlung und klärt den Patienten hierüber auf.

einem einwilligungsfähigen Patienten noch in einer Patien-
tenverfügung wirksam gefordert werden. Die Nichteinwilli-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 8 – Drucksache 16/8442

gung oder der Widerruf einer zuvor erklärten Einwilligung in
eine ärztliche Behandlung sind als rechtsgeschäftsähnliche
Handlungen zu qualifizieren (BGH NJW 80, 1903). Sie sind
als solche den rechtlichen Grenzen unterworfen, die für alle
Willenserklärungen gelten. Dies gilt insbesondere für ge-
setzliche Verbote (§ 134 BGB). Die Rechtsordnung bildet in
ihren Teilbereichen Zivil- und Strafrecht eine Einheit, bei der
die Teilbereiche aufeinander einwirken. Deshalb kann der
Patient vom Arzt keine strafbare Handlung verlangen.

Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist gerade
angesichts der Komplexität moderner Behandlungsmöglich-
keiten in jeder Phase der Behandlung bedeutsam. Der Wille
des Patienten kann zum einen die Art der indizierten Thera-
pie beeinflussen und ist zum anderen entscheidend dafür, ob
die Therapie durchgeführt werden darf oder nicht. Ist der
Patient krankheitsbedingt nicht in der Lage, in der aktuellen
Situation zu entscheiden, muss die Rechtsordnung klare
Maßstäbe bereithalten, wer in einer solchen Situation eine
Entscheidung treffen kann, an welchen Maßstäben diese aus-
zurichten ist und wie diese Entscheidung gegebenenfalls
umgesetzt werden kann.

d) Vorsorge durch eine Patientenverfügung

Patientenverfügungen, in denen für den Fall der Entschei-
dungsunfähigkeit vorsorglich Festlegungen zur Durchfüh-
rung oder Unterlassung bestimmter medizinischer Maßnah-
men in bestimmten Situationen getroffen werden, haben als
Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts zunehmende Bedeu-
tung erlangt. Eine Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2000 ergab,
dass 81 Prozent der Befragten für den Fall ihrer Entschei-
dungsunfähigkeit vorsorgen wollen. Nach einer Schätzung
der Deutschen Hospiz Stiftung aus dem Jahr 2005 haben be-
reits ca. 8,6 Millionen Menschen eine Patientenverfügung
verfasst. Verunsicherungen bestehen in der Praxis insbeson-
dere hinsichtlich der Ausgestaltung und Verbindlichkeit.

Fragen der Ausgestaltung, der Verbindlichkeit und der Not-
wendigkeit von Vorgaben für Patientenverfügungen werden
seit einigen Jahrzehnten rechtspolitisch diskutiert. Während
Befürworter der Patientenverfügung die strikte Beachtung
des in der Patientenverfügung niedergelegten Willens for-
dern, vertreten die Gegner solch vorsorgender Verfügungen
die Ansicht, dass eine Patientenverfügung nur als Anhalts-
punkt für die Bestimmung des mutmaßlichen Patientenwil-
lens anzusehen sei. Seit Ende der 90er Jahre werden Patien-
tenverfügungen aber zunehmend anerkannt. Mit seinem
Beschluss vom 17. März 2003 hat der XII. Zivilsenat des
BGH (BGHZ 154, 205) schließlich die Verbindlichkeit des
in einer Patientenverfügung geäußerten Willens bestätigt.
Die Grundsätze und Empfehlungen der Bundesärztekammer
zur ärztlichen Sterbebegleitung (2004) und zum Umgang mit
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung (2007) gehen
gleichfalls von der Verbindlichkeit einer Patientenverfügung
aus. Der Arzt ist an den in einer Patientenverfügung geäußer-
ten Willen gebunden, wenn die anstehende Behandlungs-
situation derjenigen entspricht, die der Patient in der Verfü-
gung beschrieben hat und keine Anhaltspunkte für eine
nachträgliche Willensänderung erkennbar sind.

2. Verfassungsrechtliche Vorgaben

schen gerecht werden und dem Schutz des Lebens und der
Gesundheit des Menschen dienen.

Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen findet seine
Grundlage sowohl in Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes
(Recht auf körperliche Unversehrtheit) als auch in Artikel 2
Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (allge-
meines Persönlichkeitsrecht). Es schließt das Recht zur
Selbstgefährdung bis hin zur Selbstaufgabe und damit auch
auf Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen unabhän-
gig von der ärztlichen Indikation der Behandlung ein:

„Das Erfordernis der Einwilligung auch zu diagnostischen,
zu vorbeugenden und zu Heileingriffen hat seine normative
Wurzel in den grundlegenden Verfassungsprinzipien, die zu
Achtung und Schutz der Würde und der Freiheit des Men-
schen und seines Rechts auf Leben und körperliche Unver-
sehrtheit verpflichten, Artikel 1 Abs. 1, Artikel 2 Abs. 1, 2
Satz 1 GG. (…) Die Bestimmung über seine leiblich-seeli-
sche Integrität gehört zum ureigensten Bereich der Persona-
lität des Menschen. In diesem Bereich ist er aus der Sicht des
Grundgesetzes frei, seine Maßstäbe zu wählen und nach
ihnen zu leben und zu entscheiden. Eben diese Freiheit zur
Selbstbestimmung wird – auch gegenüber der normativen
Regelung ärztlicher Eingriffe zu Heilzwecken – durch Arti-
kel 2 Abs. 2 Satz 1 GG besonders hervorgehoben und ver-
bürgt. Denn auch der zu Heilzwecken vorgenommene Ein-
griff tastet die leibliche und gegebenenfalls auch seelische
Integrität des Menschen an“ (vgl. BVerfGE 52, 131 ff., 173,
175 – abw. Meinung).

Zum Recht auf Selbstbestimmung gehört auch, Entscheidun-
gen für die Zeit zu treffen, in denen man etwa nach einem Un-
fall oder bei schwerer Krankheit nicht mehr entscheidungs-
fähig ist. Das Selbstbestimmungsrecht wäre entscheidend
entwertet, wenn es Festlegungen für zukünftige Konfliktla-
gen, in denen der Patient aktuell nicht mehr entscheiden kann,
nicht umfassen würde. Zu solchen Festlegungen gehören die
Bestimmung einer Person, die anstelle des Patienten entschei-
den soll (Vorsorgevollmacht), sowie konkrete Behandlungs-
entscheidungen, die in einer Patientenverfügung genannt
sind. Das Selbstbestimmungsrecht endet nicht mit dem Ver-
lust der Einwilligungsfähigkeit. Entscheidungen, die im Zu-
stand der Einwilligungsfähigkeit getroffen werden, entfalten
ihre Bindungswirkung auch über den Verlust der Einwilli-
gungsfähigkeit hinaus.

Ein in einer Patientenverfügung zum Ausdruck kommender
Wille ist wie bei einer aktuellen Entscheidung bindend,
wenn

– der Verfasser Festlegungen gerade für diejenige Lebens-
und Behandlungssituation getroffen hat, die nun zu ent-
scheiden ist,

– der Wille nicht auf ein Verhalten gerichtet ist, das einem
gesetzlichen Verbot unterliegt,

– der Wille in der Behandlungssituation noch aktuell ist
und

– keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Patienten-
verfügung durch äußeren Druck oder aufgrund eines Irr-
tums zustande gekommen ist.

Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Mensch bereits im Sterben

Regelungen zu Heilbehandlungen und anderen ärztlichen
Maßnahmen müssen dem Selbstbestimmungsrecht des Men-

liegt und die vom Patienten abgelehnte Heilbehandlung nur
noch den Eintritt des Todes hinauszögern könnte. Der

Drucksache 16/8442 – 9 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Mensch hat während seines gesamten Lebens Anspruch auf
Achtung seines Selbstbestimmungsrechts. Er darf eine Heil-
behandlung auch dann ablehnen, wenn sie seine ohne Be-
handlung zum Tode führende Krankheit besiegen oder den
Eintritt des Todes weit hinausschieben könnte (vgl. auch
Einzelbegründung zu § 1901a Abs. 3 BGB-E).

Das Selbstbestimmungsrecht gilt aber nicht schrankenlos.
Die Rechtsordnung verbietet die Tötung menschlichen Le-
bens. Der Staat ist zum Schutz des Lebens verpflichtet. Da-
mit ist die Tötung auf Verlangen – und nichts anderes ist die
so genannte aktive Sterbehilfe – verboten. Davon strikt zu
unterscheiden ist die Ablehnung einer medizinischen Maß-
nahme oder die Untersagung ihrer Fortführung in einer
Patientenverfügung. Die Achtung dieses Willens in Form
des Unterlassens einer Behandlung, einschließlich ihres Ab-
bruchs, ist in diesen Fällen weder verboten noch ethisch zu
missbilligen, weil die einen Eingriff legitimierende Einwilli-
gung des Betroffenen gerade fehlt. Der Staat hat in diesen
Fällen weder das Recht noch die Pflicht zum Schutze des
Menschen vor sich selbst. Jeder Mensch hat dem Staat ge-
genüber zwar ein Lebensrecht, jedoch keine Lebenspflicht.

Die strafrechtliche Rechtsprechung zieht die Grenze zwi-
schen strafbarer Tötung auf Verlangen und den zulässigen
Formen der Sterbehilfe unter Wahrung des Lebensschutzes
wie des Selbstbestimmungsrechts des Patienten. Sie stützt
sich dabei maßgeblich auf dessen geäußerten oder mutmaß-
lichen Willen. Die gesetzliche Regelung der Patientenverfü-
gung verschiebt diese Grenze nicht, sondern klärt die Beach-
tung des Selbstbestimmungsrechts bei solchen Verfügungen.

Da sich der nicht mehr einwilligungsfähige Patient in der Re-
gel nicht mehr äußern kann, ist ein Dialog zwischen den an
der Behandlung Beteiligten erforderlich, in dem über die
Vornahme ärztlicher Maßnahmen entschieden wird. Dieser
Prozess hat soweit wie möglich die Durchsetzung des zu
einem früheren Zeitpunkt geäußerten Patientenwillens zu
sichern. Gleichzeitig muss er die sich aus Artikel 2 Abs. 2
des Grundgesetzes ergebende Pflicht des Staates umsetzen,
das Leben und die körperliche Unversehrtheit des Menschen
zu schützen. Dies bedeutet keinen Widerspruch. Die staatli-
chen Verpflichtungen richten sich nicht gegen den Menschen
und seine selbstbestimmte Entscheidung, auch wenn diese
sich gegen lebensverlängernde oder gesundheitserhaltende
Maßnahmen richtet. Vielmehr gewährleisten der Dialog zwi-
schen den an der Behandlung Beteiligten und im Konfliktfall
das vormundschaftsgerichtliche Verfahren, dass der Patien-
tenwille sorgfältig ermittelt wird. Damit wird dafür Sorge
getragen, dass das Leben geschützt und eine Heilbehandlung
nicht deshalb unterlassen wird, weil eine Patientenverfügung
nicht der aktuellen Lebens- und Behandlungssituation ent-
spricht, eine nicht mehr aktuelle Patientenverfügung der
Entscheidung zugrunde gelegt oder eine Willensäußerung
beachtet wird, die nicht aus freien Stücken abgegeben wor-
den ist.

3. Geltendes Recht

Patientenverfügungen enthalten Entscheidungen über ge-
wünschte oder abgelehnte ärztliche Maßnahmen für den Fall
der Entscheidungsunfähigkeit des Verfassers. Sie richten
sich an alle am Behandlungsprozess Beteiligten und sind da-

Die Patientenverfügung ist bislang nicht gesetzlich veran-
kert.

a) Behandlungsgrundsätze

Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen ist seit der Auf-
klärung ein hohes Gut. Respekt vor der Autonomie des Pa-
tienten gilt – unabhängig von der jeweiligen Begründung –
als zentrales medizinethisches Prinzip. Teilbereiche der
Selbstbestimmung des Patienten in der Medizin sind u. a. Ver-
traulichkeit, Einwilligung nach Aufklärung, das Recht auf In-
formation und Wahrhaftigkeit durch den Arzt. Dazu gehört
auch die Entscheidungsfreiheit des Patienten gegen eine Be-
handlung, um einem Krankheitsgeschehen bis zum Tod mit
palliativmedizinischer Begleitung seinen Lauf zu lassen. Das
Recht des Patienten, sich für eine solche Änderung des The-
rapieziels auszusprechen, muss deshalb respektiert werden.

Die allgemeinen Grundsätze des Arztrechts sind auf der
Grundlage gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung
anerkannt. Bei den allgemeinen Fragen der Einwilligung des
Betroffenen in Untersuchungen des Gesundheitszustandes,
Heilbehandlungen und ärztliche Eingriffe geht der Entwurf
vom geltenden Recht aus, wie es sich in gefestigter Recht-
sprechung herausgebildet hat. Hierzu wird auf die Begrün-
dung des Entwurfs des Betreuungsgesetzes (Bundestags-
drucksache 11/4528 S. 71 f.) verwiesen, in der ausgeführt
wird, dass nach geltendem Recht eine Untersuchung des Ge-
sundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher
Eingriff nur mit Einwilligung des Betroffenen vorgenommen
werden darf. Weiter heißt es dort: „Das gilt auch dann, wenn
eine Maßnahme nicht mit einem Eingriff in die körperliche
Integrität verbunden ist, da sie jedenfalls das allgemeine Per-
sönlichkeitsrecht des Betroffenen berührt. Im Gegensatz
zum Abschluss des zivilrechtlichen Behandlungsvertrages
kommt es für die Wirksamkeit der Einwilligung nicht auf die
Geschäftsfähigkeit des Betroffenen an, sondern auf die na-
türliche Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Einwilligungs-
fähig ist danach, wer Art, Bedeutung und Tragweite – auch
die Risiken – der Maßnahme zu erfassen und seinen Willen
hiernach zu bestimmen vermag.“

Bei der Frage der Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme
kommt es stets auf die konkrete einzelne Maßnahme an. Ob
der Arzt zu dem Eingriff befugt ist, hängt damit davon ab, ob
der Patient in eine konkrete ärztliche Maßnahme einwilligt.
Gleiches gilt für die Ablehnung der Durchführung oder
Weiterführung einzelner konkreter ärztlicher Maßnahmen.
Hat ein Patient zunächst seine Zustimmung in eine ärztliche
Behandlung erteilt, steht es ihm jederzeit frei, seine einmal
gegebene Zustimmung zu widerrufen. Mit einem Widerruf
nimmt der Patient nicht nur seine zuvor gegebene Einwilli-
gung zurück, sondern lehnt damit auch eine Weiterbehand-
lung ab. Ebenso wie die Weigerung, sich behandeln zu las-
sen, nicht auf ihre Vernünftigkeit hin zu prüfen ist, ist auch
der Widerruf einer Einwilligung ohne Angabe von Gründen
oder unter Angabe von unvernünftigen Gründen möglich.
Eine Behandlungsablehnung bedeutet aber nicht, dass der
Patient vollkommen von jeder Behandlung und Pflege aus-
geschlossen und seinem Schicksal überlassen wird. Lehnt
der Patient beispielsweise eine lebenserhaltende Therapie
mit auch maßgeblich für das Handeln eines Vertreters zur
Wahrnehmung der dem Betroffenen zustehenden Rechte.

ab, tritt die palliativ-medizinische und pflegerische Versor-
gung in den Vordergrund.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 10 – Drucksache 16/8442

Die Tatsache, dass ein Arzt mit Zustimmung des Patienten
zunächst dessen Behandlung übernommen hat, rechtfertigt
eine Behandlung ohne oder gar gegen den Willen des einwil-
ligungsfähigen Patienten nicht. Im Behandlungsrecht ergibt
sich dies weder aus der Pflichtenstellung des Arztes für die
hochrangigen Lebensgüter Leben und Gesundheit noch aus
der Tatsache, dass sich der Patient in der Obhut des Arztes
befindet. Zwar können diese Aspekte eine Garantenstellung
des Arztes begründen, sie erweitern aber Behandlungsbefug-
nis oder Handlungspflichten bezogen auf einen konkreten
ärztlichen Eingriff nicht. Ebenso wenig rechtfertigt allein der
Abschluss eines Behandlungsvertrages als solcher nicht
einen körperlichen Eingriff. Zwischen dem Behandlungsver-
trag (der z. B. bei Aufnahme in ein Krankenhaus abgeschlos-
sen wird) und der Einwilligung in einen konkreten körper-
lichen Eingriff muss schon deshalb unterschieden werden,
weil der Behandlungsvertrag zu einem Zeitpunkt geschlos-
sen werden kann, in dem eine für die Rechtmäßigkeit des
körperlichen Eingriffs erforderliche Einwilligung des Pa-
tienten noch gar nicht erfolgt ist. Zudem setzt der Abschluss
des Behandlungsvertrages Geschäftsfähigkeit voraus.

Nur wenn eine Einwilligung des Betroffenen bzw. des Be-
treuers oder Bevollmächtigten in den ärztlichen Eingriff ge-
geben ist, hat der Arzt ein Behandlungsrecht, von dem er
Gebrauch machen muss, weil er ansonsten die Pflichten ver-
letzt, die sich aus dem Behandlungsvertrag und aus seiner
Garantenstellung ergeben. Eine im Vorfeld einer ärztlichen
Behandlung gegenüber dem Arzt erklärte Einwilligung oder
Nichteinwilligung ist an keine zwingende Form gebunden,
auch mündliche Willensbekundungen sind daher wirksam.
Eine wirksame Einwilligung, nicht aber die Ablehnung einer
Behandlung, setzt zudem eine so umfassende und rechtzeiti-
ge Aufklärung des Patienten voraus, dass dieser aufgrund
seiner persönlichen Fähigkeiten in der Lage ist, Art, Umfang
und Tragweite der Maßnahme und der damit verbundenen
gesundheitlichen Risiken zu ermessen und sich entsprechend
zu entscheiden. Der aufklärende Arzt muss mit dem behan-
delnden Arzt nicht identisch sein. Umfang und Zeitpunkt der
Aufklärung richten sich dabei auch nach der Schwere und
der Dringlichkeit des Eingriffs. Die Einwilligung ist auch
wirksam, wenn der Patient auf die ärztliche Aufklärung ver-
zichtet hat.

Bei der Auslegung einer Einwilligung in eine ärztliche Be-
handlung ist auf die für Willenserklärungen geltenden Rege-
lungen zurückzugreifen (BGH, NJW 1992, 1558, 1559;
NJW 1980, 1903; Zipf, FS Bockelmann, 1979, 585). Glei-
ches gilt für die Auslegung einer Erklärung über die Nicht-
einwilligung oder den Widerruf einer einmal erteilten Ein-
willigung.

b) Wille des Betreuten als Maßstab

Das geltende Betreuungsrecht geht von einem grundsätz-
lichen Willensvorrang des Betreuten auch im Bereich der
Heilbehandlung aus. Ist der Betreute einwilligungsfähig,
trifft er selbst die Entscheidung darüber, ob er in eine Be-
handlung einwilligt oder nicht. Auch wenn ein Betreuer mit
dem Aufgabenkreis „Gesundheitssorge“ bestellt wurde (zum
Beispiel, weil der Betreute nicht mehr in der Lage ist, einen
Behandlungsvertrag abzuschließen), ist in diesem Fall allein

Ist der Betreute dagegen nicht einwilligungsfähig, kann der
Betreuer als gesetzlicher Vertreter trotz der Höchstpersön-
lichkeit der Entscheidung grundsätzlich für den Betreuten in
eine ärztliche Maßnahme einwilligen. Das ist erforderlich,
damit nichteinwilligungsfähige Betreute nicht von einwilli-
gungsbedürftigen ärztlichen Maßnahmen ausgeschlossen
werden. Anderenfalls würde ihre gesundheitliche Versor-
gung und damit letztlich ihr Wohl an ihrer mangelnden Ein-
sichts- oder Urteilsfähigkeit scheitern. In diesen Fällen hat
der Betreuer aber den Wünschen des einwilligungsunfähigen
Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen subjektivem
Wohl nicht widerspricht und dem Betreuer zuzumuten ist.
Das hat zur Folge, „dass der Betreuer den Wunsch des nicht
einwilligungsfähigen Betreuten auch dann zu beachten hat,
wenn dieser darauf gerichtet ist, in der letzten Lebensphase
nicht sämtliche denkbaren lebens-, aber auch schmerzver-
längernden medizinischen Möglichkeiten einzusetzen“
(Bundestagsdrucksache 11/4528 S. 142). Ein generelles
Behandlungsverbot gegen den natürlichen Willen nicht ein-
willigungsfähiger Betreuter sieht das geltende Recht nicht
vor, um zu verhindern, dass ein Betreuter keine ärztliche
Behandlung erhält, weil er „aufgrund seiner psychischen
Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung seine
Behandlungsbedürftigkeit nicht erkennen kann und eine
Behandlung deshalb ablehnt (…). So soll eine lebensnot-
wendige Operation eines Betreuten nicht daran scheitern,
dass dieser sich krankheitsbedingt hiergegen wehrt, weil er
der Auffassung ist, man wolle ihn durch die Operation er-
morden“ (Bundestagsdrucksache 11/ 4528 S. 72). In solchen
Fällen einer krankheitsbedingten Behandlungsuneinsichtig-
keit kann der Betreuer auch entgegen natürlicher und gegen
die Behandlung gerichteter Willensäußerungen des Betreu-
ten in die Behandlung einwilligen; ausgenommen ist aber die
Einwilligung in eine Sterilisation gegen den Willen des Be-
treuten (§ 1905 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

c) Erfordernis der Genehmigung durch das Vormund-
schaftsgericht

Eine Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht ist
nach § 1904 Abs. 1 BGB erforderlich, wenn der Betreute
einwilligungsunfähig ist und der Betreuer seine Einwilli-
gung in besonders gesundheits- oder lebensgefährdende
ärztliche Maßnahmen erklären will. Dagegen gibt es bislang
keine gesetzliche Regelung über die vormundschaftsgericht-
liche Genehmigung, wenn der Betreuer in die Durchführung
solcher besonders folgenschweren Maßnahmen nicht einwil-
ligt oder die Einwilligung widerruft.

Bis zu dem Beschluss des XII. Zivilsenats des Bundesge-
richtshofs vom 17. März 2003 (BGHZ 154, 205) war in der
Rechtsprechung umstritten, ob die Regelung des § 1904
Abs. 1 BGB analog auf diese Fälle angewandt werden darf.
Mit diesem Beschluss hat der Bundesgerichtshof die analoge
Anwendbarkeit der Regelung des § 1904 Abs. 1 BGB ver-
neint. Er hat aber im Wege der Rechtsfortbildung entschie-
den, dass ein Betreuer in eine Beendigung ärztlich angebote-
ner lebensverlängernder Maßnahmen nur mit Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts einwilligen kann. Nach Auffas-
sung des Bundesgerichtshofs bietet ein solches vormund-
schaftsgerichtliches Verfahren einen geeigneten Rahmen für
die Prüfung, ob der Betreuer den in der Patientenverfügung
die Entscheidung des Betreuten maßgebend dafür, ob die Be-
handlung durchgeführt werden darf oder nicht.

geäußerten Willen des Betroffenen erschöpfend ermittelt hat
und um für alle Beteiligten verbindlich festzustellen, dass

Drucksache 16/8442 – 11 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

eine vom Betreuer gewünschte Einstellung der Behandlung
in der vorliegenden Situation auch dem Willen des Betroffe-
nen entspricht. Gleichwohl hält der Bundesgerichtshof eine
gesetzliche Regelung zur vormundschaftsgerichtlichen Prü-
fungszuständigkeit für das Verlangen eines Betreuers nach
Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen für wünschenswert.
Vom Bundesgerichtshof nicht entschieden wurde die Frage,
inwiefern auch für einen Bevollmächtigten das Erfordernis
einer vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung gelten
soll.

Die mit dem Beschluss ebenfalls aufgeworfenen Fragen der
Reichweite und Bindungswirkung einer Patientenverfügung
für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte, Betreuerinnen
und Betreuer und Vorsorgebevollmächtigten machen eine
gesetzliche Regelung zu einigen von der Rechtsprechung
nicht eindeutig oder unterschiedlich gelösten praktisch be-
sonders bedeutsamen Fragen erforderlich. Das betrifft insbe-
sondere die Erforderlichkeit einer Vertreterentscheidung bei
Vorliegen einer Patientenverfügung und die Bindung des
Vertreters an den Patientenwillen in allen Stadien einer Er-
krankung.

d) Forderungen nach einer gesetzlicher Regelung der
Patientenverfügung

Gesetzliche Regelungen zur Patientenverfügung wurden in
der rechtswissenschaftlichen Literatur, vom 63. Deutschen
Juristentag (Verhandlungen des Dreiundsechzigsten Deut-
schen Juristentages, München 2000), in einem vom Bundes-
ministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenen Gutachten
der Akademie für Ethik in der Medizin (Möglichkeiten einer
standardisierten Patientenverfügung, LIT Verlag 2002), von
einer interdisziplinären Arbeitsgruppe der Akademie für
Ethik in der Medizin (Passive und indirekte Sterbehilfe. Eine
praxisorientierte Analyse des Regelungsbedarfs gesetzlicher
Rahmenbedingungen in Deutschland, Göttingen 2003 und
Göttinger Thesen 2006), der Bioethik-Kommission des
Landes Rheinland-Pfalz (Ministerium der Justiz Rhein-
land-Pfalz 2004), der interdisziplinären Arbeitsgruppe des
Bundesjustizministeriums (Bundesministerium der Justiz
2004), im Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Ethik
und Recht der modernen Medizin“ des Deutschen Bundesta-
ges (2004; Bundestagsdrucksache 15/3700), in der Stellung-
nahme des Nationalen Ethikrates (Patientenverfügung – ein
Instrument der Selbstbestimmung; Nationaler Ethikrat 2005)
und vom 66. Deutschen Juristentag (Verhandlungen des
Sechsundsechzigsten Deutschen Juristentages, München
2006) gefordert.

4. Die Lösung des Entwurfs

Der Entwurf sieht vor, die Patientenverfügung als Rechts-
institut im Betreuungsrecht zu verankern. Er beschränkt sich
daher auf Regelungen, die die Berücksichtigung eines für
den Fall der späteren Einwilligungsunfähigkeit geäußerten
Behandlungswillens des Betreuten im Verhältnis zum Be-
treuer oder zu einem Bevollmächtigten betreffen.

Zudem wird festgelegt,

– wer bei aktueller Entscheidungsunfähigkeit des Betroffe-

– wer einer vom Betroffenen in einer Patientenverfügung
getroffenen Entscheidung gegebenenfalls Ausdruck und
Geltung verschaffen soll und

– wann die Entscheidung eines Betreuers oder Bevoll-
mächtigten vom Vormundschaftsgericht genehmigt wer-
den muss.

a) Bindungswirkung einer Patientenverfügung

Der Entwurf schließt sich der Auffassung des Bundesge-
richtshofs zur Verbindlichkeit einer Patientenverfügung an.
Tritt eine in der Patientenverfügung beschriebene Situation
ein, ist es Aufgabe des Betreuers oder Bevollmächtigten zu
prüfen, ob die Festlegungen in der Patientenverfügung auf
die konkrete Lebens- und Behandlungssituation des Betrof-
fenen zutreffen. Ist das der Fall und gibt es keine konkreten
Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene seine Entschei-
dung geändert hat, ist es Aufgabe des Betreuers, dem Be-
handlungswillen des Betroffenen Ausdruck und Geltung zu
verschaffen. Das hat auch der Bundesgerichtshof so gesehen.
Zugleich ist es auch Aufgabe des Arztes und weiterer an der
Behandlung beteiligter Personen, als Adressaten der Patien-
tenverfügung den Behandlungswillen des Patienten genau zu
prüfen (vgl. Empfehlungen der Bundesärztekammer und der
Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer
zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfü-
gung, 2007). Als zusätzliches Erfordernis für eine solche un-
mittelbare Bindungswirkung des in einer Patientenverfü-
gung geäußerten Behandlungswillens fordert der Entwurf,
dass die Willensbekundung schriftlich vorliegt.

Liegen nicht sämtliche dieser Voraussetzungen vor, hat die
Patientenverfügung keine unmittelbare Bindungswirkung.
Dann bedarf es immer einer Entscheidung des Betreuers
über die Einwilligung in die anstehende ärztliche Maßnah-
me, die unter Berücksichtigung des individuell-mutmaß-
lichen Willens des Betreuten zu treffen ist. Zur Feststellung
dieses individuell-mutmaßlichen Willens bedarf es konkre-
ter Anhaltspunkte, die – entsprechend den in gefestigter
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aufgestellten Krite-
rien – ausdrücklich im Gesetz genannt werden (vgl. BGHSt
35, 246, 249; 40, 257). Zudem soll der Betreuer Vertrauens-
personen des Betroffenen – in der Regel werden das die An-
gehörigen sein – Gelegenheit zur Äußerung geben, bevor er
seine Entscheidung trifft. Durch den Dialog mit den Angehö-
rigen und Vertrauten des Betroffenen und gegebenenfalls
dem Pflegeteam wird die Entscheidung des Betreuers und
auch des behandelnden Arztes auf eine umfassende Grund-
lage gestellt.

Ergibt diese Prüfung, dass auch ein mutmaßlicher Wille des
Betroffenen für oder gegen die Behandlung nicht feststellbar
ist, entscheidet der Betreuer nach allgemeinen Grundsätzen
(vgl. unter 3b), also unter Berücksichtigung der Wünsche
und des Wohls des Betreuten. Dies gilt in gleicher Weise
auch für einen Bevollmächtigten. Jederzeit können die in
diesen Dialog einbezogenen Personen, aber auch jeder Dritte
beim Vormundschaftsgericht eine Überprüfung anregen,
wenn sie befürchten, dass der Vertreter nicht im Sinne des
Betroffenen entscheiden will. Zudem wird zum Schutz des
Betroffenen eine vormundschaftsgerichtliche Genehmigung
der Entscheidung des Vertreters eingeführt, wenn Arzt und
nen die Entscheidung über die Durchführung und die
Fortdauer einer ärztlichen Behandlung treffen kann,

Vertreter unterschiedliche Auffassungen darüber haben, wel-
che Entscheidung dem Willen des Betroffenen entspricht.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 12 – Drucksache 16/8442

b) Fürsorge und Selbstbestimmung in allen Lebensphasen

Der Entwurf stellt klar, dass für die Beachtlichkeit des fest-
gestellten Patientenwillens nicht nach Art und Stadium einer
Erkrankung differenziert werden darf. Nur so kann erreicht
werden, dass Fürsorge und Selbstbestimmung einander er-
gänzen können. Fürsorge durch den rechtlichen Vertreter, die
behandelnden Ärzte und Pflegekräfte anzunehmen, schließt
für viele Menschen das Vertrauen und die Gewissheit ein,
auch nach krankheitsbedingtem Verlust der Entscheidungs-
fähigkeit als Mensch mit eigenen Wertvorstellungen und
Wünschen sowie der Bereitschaft, Behandlungsrisiken zu
tragen, ernst genommen zu werden. Auch schwerstkranke
Menschen müssen die Gewissheit haben können, dass ihnen
einerseits medizinisch sinnvolle Maßnahmen nicht vorent-
halten werden und sie andererseits keine Zwangsbehandlun-
gen erdulden müssen.

Ebenso wie der entscheidungsfähige Patient ohne Rücksicht
auf die Art und das Stadium seiner Krankheit selbst über die
Zulässigkeit einer ärztlichen Maßnahme entscheiden kann,
erfordert der das Betreuungsrecht prägende Grundsatz der
Selbstbestimmung, dass auch der festgestellte Wille des ent-
scheidungsunfähigen Betroffenen in allen Lebensphasen zu
beachten ist. Der Entwurf schließt sich damit den Forderun-
gen an, die unter anderem vom 63. und 66. Deutschen Juris-
tentag, dem Nationalen Ethikrat, der interdisziplinären Ar-
beitsgruppe der Akademie für Ethik in der Medizin und der
Bioethik-Kommission des Landes Rheinland-Pfalz (siehe
unter Nummer 3 Buchstabe d) erhoben wurden.

Der Entwurf verkennt dabei nicht, dass es im Einzelfall
schwierig oder auch unmöglich sein kann, den Behandlungs-
willen eines entscheidungsunfähigen Patienten festzustellen.
Keine gesetzliche Regelung wird den Beteiligten die im Ein-
zelfall sehr schwer zu treffenden Entscheidungen abnehmen
können. Es kann aber keine gesetzgeberische Lösung sein,
deshalb an die Stelle der Entscheidungshoheit des Patienten
„objektive“ Entscheidungskriterien – wie den ärztlichen Be-
fund über Art oder Stadium einer Erkrankung – zu setzen. Es
kommt vielmehr darauf an, im Zusammenwirken zwischen
Arzt und Vertreter verantwortungsvoll zu prüfen, welche Be-
handlungsentscheidung im Sinne des Betroffenen zu treffen
ist. Dafür gilt es, alle verfügbaren Kommunikationswege zur
Ermittlung des Patientenwillens zu nutzen. Von herausragen-
der Bedeutung ist dabei die vom Betroffenen selbst verfasste
und unterzeichnete Patientenverfügung, die seinen Willen
zum Ausdruck bringt. Zudem ist der Betreuer oder Bevoll-
mächtigte im Behandlungsprozess Kommunikationspartner
für den Arzt. Nicht gerechtfertigt ist es dagegen, den fest-
gestellten Behandlungswillen eines entscheidungsunfähig
gewordenen Kranken zu übergehen und stattdessen den ärzt-
lichen Befund zum Entscheidungsmaßstab für die Zulässig-
keit der Durchführung ärztlicher Eingriffe zu erheben.

c) Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht

Bislang besteht keine gesetzliche Regelung, nach der das
Vormundschaftsgericht vorab Entscheidungen des Betreuers
genehmigen müsste, wenn die Gefahr besteht, dass der Be-
troffene im Falle des Unterbleibens oder des Abbruchs der
Maßnahme stirbt oder einen schweren oder länger dauern-
den gesundheitlichen Schaden erleidet. Der Entwurf erwei-

dem Arzt und Betreuer unterschiedliche Auffassungen über
den Patientenwillen bestehen. Auch Entscheidungen eines
vom Betroffenen Bevollmächtigten bedürfen in gleicher
Weise wie die Entscheidungen eines Betreuers der vormund-
schaftsgerichtlichen Genehmigung.

Zudem bleibt es bei der Regelung des geltenden Rechts, dass
jedermann das Vormundschaftsgericht anrufen kann, um bei
befürchtetem Missbrauchsverdacht eine gerichtliche Kon-
trolle der Entscheidung des Betreuers in Gang zu setzen.

5. Kosten

Die gesetzliche Regelung zur Genehmigungsbedürftigkeit
von Entscheidungen eines Betreuers entspricht der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofs seit dem Jahr 2003 und
hat bislang nicht zu einem Anstieg der Genehmigungsver-
fahren geführt. Vor diesem Hintergrund ist auch durch die
Erweiterung der Genehmigungsbedürftigkeit von Entschei-
dungen des Bevollmächtigten bei bestimmten ärztlichen
Maßnahmen nicht mit einer erheblichen Kostensteigerung
zu rechnen. Kostenbelastungen für die Wirtschaft sowie
Auswirkungen des Gesetzes auf Einzelpreise, auf das Preis-
niveau und insbesondere das Verbraucherpreisniveau sind
nicht zu erwarten.

6. Gesetzgebungszuständigkeit

Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes folgt aus Arti-
kel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes (Bürgerliches Recht,
gerichtliches Verfahren).

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderungen des Bürgerlichen
Gesetzbuchs)

Zu Nummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht)

In die Inhaltsübersicht wird der neu in das BGB eingefügte
§ 1901a eingestellt.

Zu Nummer 2 (Einfügung von § 1901a BGB)

Zu Absatz 1

§ 1901a Abs. 1 BGB-E führt das Rechtsinstitut der Patien-
tenverfügung in das bürgerliche Recht ein. Als Patientenver-
fügungen werden schriftliche Willensbekundungen eines
einwilligungsfähigen Volljährigen mit Entscheidungen über
die Einwilligung oder Nichteinwilligung in noch nicht un-
mittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesund-
heitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe
für den Fall der späteren Einwilligungsunfähigkeit bezeich-
net. Damit wird das Recht eines entscheidungsfähigen Pa-
tienten anerkannt, sein Selbstbestimmungsrecht nicht nur
aktuell, sondern auch durch eine in der Zukunft wirkende
vorausschauende Verfügung auszuüben.

Ebenso wie bei einer aktuell erklärten Einwilligung in eine
ärztliche Maßnahme kommt es auch für die Wirksamkeit der
Festlegungen in einer Patientenverfügung nicht auf die Ge-
schäftsfähigkeit sondern auf die Einwilligungsfähigkeit des
Betroffenen an, da einwilligungsbedürftige ärztliche Maß-
tert das gesetzliche Genehmigungserfordernis auf solche
Entscheidungen des Betreuers, wenn zwischen behandeln-

nahmen in besonderem Maße in die Rechte des Betroffenen
eingreifen. Ausreichend ist die natürliche Einsichts- und

Drucksache 16/8442 – 13 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Steuerungsfähigkeit. Als einwilligungsfähig ist der Betroffe-
ne anzusehen, wenn er Art, Bedeutung, Tragweite und auch
die Risiken der Maßnahme zu erfassen und seinen Willen
hiernach zu bestimmen vermag (vgl. unter Buchstabe A
Nummer 3).

a) Begriff der Patientenverfügung

Nach der Definition der Patientenverfügung in § 1901a
Abs. 1 BGB-E ist es erforderlich, dass die Willensbekundung

– von einem einwilligungsfähigen Volljährigen verfasst
wurde,

– in schriftlicher Form vorliegt und

– eine Entscheidung über die Einwilligung oder Nichtein-
willigung in eine bestimmte, noch nicht unmittelbar be-
vorstehende ärztliche Maßnahme enthält.

Daher sind einige Willensbekundungen im Zusammenhang
mit einer zukünftigen ärztlichen Behandlung vom Begriff
der Patientenverfügung von vornherein nicht umfasst:

Nicht umfasst sind allgemeine Richtlinien für eine künftige
Behandlung (zum Beispiel: „Wenn ich einmal sehr krank
und nicht mehr in der Lage bin, ein für mich erträgliches um-
weltbezogenes Leben zu führen, möchte ich würdevoll ster-
ben dürfen.“) oder Behandlungswünsche, wie zum Beispiel
über die Art und Weise oder den Ort der Behandlung (z. B.
„Ich möchte von Herrn Dr. X im Krankenhaus Y behandelt
werden“). Sie enthalten keine vorweg genommenen Ent-
scheidungen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung
in eine bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende
ärztliche Maßnahme. Solche allgemeinen Richtlinien sind
gleichwohl nicht unbeachtlich. Der Betreuer ist bereits nach
geltendem Recht gehalten, diese Wünsche nach § 1901
Abs. 3 BGB unter Berücksichtigung des Wohls des Betreu-
ten (z. B. Dr. X führt eine schonende neue Operationsmetho-
de nicht durch) zu beachten.

Nicht umfasst sind auch konkrete und situationsbezogene
mündliche Willensbekundungen über die Einwilligung oder
Nichteinwilligung in eine bestimmte, noch nicht unmittelbar
bevorstehende ärztliche Maßnahme. Sie sind keine Patien-
tenverfügungen, weil sie nicht in schriftlicher Form vorlie-
gen.

Nicht vom Begriff der Patientenverfügung erfasst sind auch
solche Entscheidungen des einwilligungsfähigen Betroffe-
nen, die sich auf unmittelbar bevorstehende, also konkret
und zeitnah durchzuführende ärztliche Maßnahmen bezie-
hen. So kann beispielsweise die zeitnahe Einwilligung in
einen mit einer Anästhesie verbundenen ärztlichen Eingriff
nach wie vor auch mündlich erklärt werden. Sie bleibt auch
dann wirksam, wenn der durch die Einwilligung legitimierte
ärztliche Eingriff erst vorgenommen wird, wenn der Patient
durch gegebenenfalls vor dem Eingriff verabreichte Beruhi-
gungsmittel oder anästhesiebedingt nicht mehr einwilli-
gungsfähig ist (z. B. mündliche Einwilligung in eine Opera-
tion am Vortag des Eingriffs).

Von den in einer Patientenverfügung getroffenen Entschei-
dungen über ärztliche Maßnahmen zu unterscheiden sind
auch Maßnahmen der so genannten Basisbetreuung. Für die-
se haben Arzt und Pflegepersonal in jedem Fall zu sorgen.

menschenwürdige Unterbringung, Zuwendung, Körperpfle-
ge, das Lindern von Schmerzen, Atemnot und Übelkeit so-
wie das Stillen von Hunger und Durst auf natürlichem Wege.
Sind zur Ermöglichung oder Aufrechterhaltung von Grund-
funktionen des Organismus wie Atmung, Ernährung und
Ausscheidung jedoch ärztlich Eingriffe erforderlich, ist hier-
für wie für jeden anderen ärztlichen Eingriff die Einwilli-
gung des Patienten erforderlich. In der medizinischen Wis-
senschaft und Praxis wurde von internationalen Gremien die
Frage der Einstufung medizinischer Ernährungsmaßnahmen
(wie die enterale Sondenernährung und die intravenöse Er-
nährung) dahingehend beantwortet, dass diese als Therapie
gelten und insofern hinsichtlich der Indikationsstellung für
die Einleitung und Beendigung anderen Therapieformen
gleichgestellt sind.

b) Schriftform

Die Voraussetzungen der Schriftform sind in § 126 BGB ge-
regelt. Die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung für
eine Patientenverfügung hat vorrangig das Ziel, die Betrof-
fenen vor übereilten oder unüberlegten Festlegungen zu war-
nen. Das erscheint im Hinblick auf die zum Teil weitreichen-
den Folgen der in einer Patientenverfügung getroffenen
Festlegungen für Gesundheit und Leben der Betroffenen
erforderlich. Zudem kann das Formerfordernis auch zur
Klarstellung des von dem Betroffenen Gewollten beitragen.
Während sich der behandelnde Arzt mit einem einwilli-
gungsfähigen Patienten im Dialog Klarheit über dessen auch
mündlich abgegebene Erklärung verschaffen kann, ist dies
mit einem nicht einwilligungsfähigen Patienten nicht mög-
lich. Deshalb wird bewusst in Kauf genommen, dass gewisse
Wertungswidersprüche dadurch entstehen, dass aktuelle Ein-
willigungen oder Nichteinwilligungen in ärztliche Maßnah-
men (z. B. wegen einer am nächsten Tage anstehenden Ope-
ration) keiner Form bedürfen.

c) Widerruf

In § 1901 a Abs.1 Satz 3 BGB-E wird ausdrücklich klarge-
stellt, dass eine Patientenverfügung jederzeit formlos wider-
rufen werden kann. Zwar muss die für die anstehende Be-
handlung maßgebende Festlegung in der Patientenverfügung
in schriftlicher Form vorliegen; dennoch ist der Widerruf der
Patientenverfügung jederzeit ohne Formerfordernisse wirk-
sam. Die Aufhebung eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts
ist vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Regelungen
(z. B. § 2290 Abs. 2, § 2351 BGB) vom Zweck des Form-
zwanges nicht umfasst. Zur Klarstellung wird darauf jedoch
ausdrücklich hingewiesen. Der Widerruf der Patientenver-
fügung kann daher beispielsweise auch mündlich oder durch
nonverbales Verhalten erfolgen; erforderlich ist nur, dass die
Willensänderung hinreichend deutlich zum Ausdruck
kommt.

Wurden behandlungsrelevante Festlegungen in einer schrift-
lichen Patientenverfügung durch den einwilligungsfähigen
Betroffenen im Nachhinein nicht in schriftlicher Form, also
mündlich, abgeändert oder widerrufen, bedarf es in der kon-
kreten Behandlungssituation immer einer Entscheidung des
Betreuers oder Bevollmächtigten des Betroffenen (z. B.
mündliche Änderung der schriftlichen Festlegungen zur
Dazu gehören nach den Grundsätzen der Bundesärztekam-
mer zur ärztlichen Sterbebegleitung vom 7. Mai 2004 eine

künstlichen Ernährung, wenn über das Legen einer PEG-
Sonde zu entscheiden ist).

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 14 – Drucksache 16/8442

d) Beratung und Aktualisierung der Patientenverfügung

Sowohl eine fachkundige Beratung als auch eine regelmäßi-
ge oder beim Auftauchen von schweren Krankheiten erfol-
gende Aktualisierung der Patientenverfügung sind sehr zu
empfehlen. Eine Verknüpfung von Beratung und Aktualisie-
rung mit der Wirksamkeit oder der Verbindlichkeit einer Pa-
tientenverfügung ist aber nicht gerechtfertigt.

Die Einführung einer Beratungspflicht erscheint nicht nötig,
um tatsächlich konkrete Festlegungen in der Patientenverfü-
gung zu erreichen. Es kann durchaus in der Absicht des Ver-
fassers liegen, lediglich allgemeine Richtlinien für künftige
medizinische Behandlungen festzuhalten, die dann als Indiz
für den mutmaßlichen Patientenwillen vom Vertreter zu be-
rücksichtigen sind.

Verzichtet der Verfasser auf eine fachkundige Beratung, trägt
er das Risiko einer fehlenden Bindungswirkung seiner Pa-
tientenverfügung aufgrund nicht hinreichend konkreter For-
mulierungen. So kann die Formulierung „wenn keine Aus-
sicht auf Besserung im Sinne eines für mich erträglichen und
umweltbezogenen Lebens besteht, möchte ich keine lebens-
verlängernden Maßnahmen …“ nach der Regelung von
§ 1901a Abs. 1 BGB-E von vornherein nicht unmittelbar
bindend sein, da es an der Festlegung bestimmter ärztlicher
Maßnahmen und an einer konkreten Beschreibung der An-
wendungssituation fehlt. Darauf wird auch in den Empfeh-
lungen der Bundesärztekammer und der Zentralen Ethik-
kommission bei der Bundesärztekammer zum Umgang mit
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen
Praxis vom 30. März 2007 hingewiesen: Patienten sind
danach häufig erst durch eine fachkundige Beratung in der
Lage, Formulierungen zu finden, die geeignet sind, ihre per-
sönlichen Vorstellungen hinreichend nachvollziehbar und
umsetzbar niederzulegen.

Zum anderen hängt die Wirksamkeit der Ablehnung einer
ärztlichen Maßnahme nicht von einer ärztlichen Beratung
und Aufklärung ab. Dies muss auch für entsprechende Ent-
scheidungen in einer Patientenverfügung gelten. Dagegen
bedarf die Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme immer
der ärztlichen Aufklärung um wirksam zu sein, es sei denn,
dass der Patient darauf ausdrücklich verzichtet hat. Auch das
muss für Festlegungen in einer Patientenverfügung gelten:
Soweit eine Patientenverfügung eine Einwilligung in eine
ärztliche Maßnahme enthält, ist diese nur wirksam mit vor-
angegangener ärztlicher Aufklärung oder bei erklärtem Auf-
klärungsverzicht. Enthält eine Patientenverfügung keinen
ausdrücklich erklärten Verzicht auf eine ärztliche Auf-
klärung, ist die Patientenverfügung in diesen Fällen nur als
Indiz für den mutmaßlichen Willen zu werten. Es bedarf
dann immer einer Entscheidung des Betreuers oder des
Bevollmächtigten über die Zulässigkeit des ärztlichen Ein-
griffs.

Eine Aktualisierungspflicht als Wirksamkeitsvoraussetzung
für eine Patientenverfügung sieht der Entwurf nicht vor, weil
allein der Zeitraum zwischen der Errichtung oder der letzten
Änderung oder Bestätigung der Patientenverfügung und dem
Behandlungszeitpunkt nicht die Schlussfolgerung rechtfer-
tigt, dass die abgegebenen Erklärungen nicht mehr gelten

– Zum einen sind individuelle Lebens- und Krankheitsver-
läufe so verschieden, dass eine notwendigerweise allge-
mein geltende Aktualisierungsfrist im Einzelfall nicht
wesentlich weiterhelfen würde. Der zeitliche Abstand im
Leben eines Menschen, der in jungen Jahren eine Patien-
tenverfügung verfasst und kurze Zeit darauf im Beruf
steht und familiäre Pflichten übernimmt, kann sich gänz-
lich anders beurteilen als der gleiche Zeitraum im Leben
eines sehr viel älteren Menschen, der auf ein erfülltes Le-
ben und auf Erfahrungen im Umgang mit verschiedenen
Krankheiten zurückblicken kann.

– Hinzu kämen erhebliche Rechtsunsicherheiten, weil zum
Zeitpunkt der Behandlung immer geprüft werden müsste,
ob der Verfasser bis zum Fristablauf noch entscheidungs-
fähig war, um seine Patientenverfügung bestätigen oder
aktualisieren zu können. Davon hinge die Wirksamkeit
der getroffenen Festlegungen ab. Betrachtet man bei-
spielsweise den oft jahrelangen Verlauf einer Demenz
mit ganz unterschiedlichen Verlaufsphasen, wird sich
rückwirkend in vielen Fällen nicht mehr beurteilen las-
sen, ob der Verfasser vor Fristablauf noch einwilligungs-
fähig war oder nicht.

Auch ohne eine Aktualisierungspflicht muss natürlich im-
mer und insbesondere bei größeren Abständen zwischen der
Errichtung oder letzten Bestätigung der Patientenverfügung
und dem Behandlungszeitpunkt sorgfältig geprüft werden,
ob der Verfasser zwischenzeitlich seine Festlegungen durch
einen jederzeit und formlos möglichen Widerruf zurückge-
nommen oder geändert hat.

Der Entwurf schreibt aus den genannten Gründen keine
Pflicht zur ärztlichen oder anderen fachkundigen Beratung
oder zu einer regelmäßigen Aktualisierung der Patientenver-
fügung als Wirksamkeitsvoraussetzung fest.

e) Bindungswirkung der Patientenverfügung

Enthält die schriftliche Patientenverfügung eine Entschei-
dung über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in be-
stimmte Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heil-
behandlungen oder ärztliche Eingriffe, die auf die konkret
eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, ist
eine Einwilligung des Betreuers in die anstehende ärztliche
Behandlung nicht erforderlich, da der Betreute diese Ent-
scheidung bereits selbst getroffen hat und diese für den Be-
treuer bindend ist. Diese gesetzliche Klarstellung ist erfor-
derlich, weil zum Teil Rechtslehre und Rechtsprechung auch
Patientenverfügungen, welche die konkrete Behandlungs-
situation betreffen, nur als ein Indiz für den Patientenwil-
len ansehen. Das wird dem das Betreuungsrecht prägenden
Grundsatz der Erforderlichkeit nicht gerecht.

Dennoch hat der Betreuer auch in diesen Fällen eine wich-
tige Aufgabe: Er hat in diesen Fällen nach § 1901a Abs. 1
Satz 1 BGB-E zu prüfen, ob die Patientenverfügung auf die
aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, ob sie
für diese Situation eine Entscheidung über die anstehende
ärztliche Maßnahme enthält und ob sie noch dem Willen des
Patienten entspricht. Diese Prüfung umfasst alle Gesichts-
punkte, die sich aus der aktuellen Lebens- und Behandlungs-
situation des Betroffenen ergeben. Das schließt auch die
sollen. Die Festlegung einer bestimmten Aktualisierungs-
frist, würde dagegen erhebliche Probleme aufwerfen:

Prüfung ein, ob das aktuelle Verhalten des nicht mehr ent-
scheidungsfähigen Patienten konkrete Anhaltspunkte dafür

Drucksache 16/8442 – 15 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zeigt, dass er unter den gegebenen Umständen den zuvor
schriftlich geäußerten Willen nicht mehr gelten lassen will
und ob der Betroffene bei seinen Festlegungen diese Lebens-
situation mitbedacht hat. Solche konkreten Anhaltspunkte
können sich z. B. aus situativ spontanem Verhalten des Pa-
tienten gegenüber vorzunehmenden oder zu unterlassenden
ärztlichen Maßnahmen, nicht jedoch bei unwillkürlichen,
rein körperlichen Reflexen ergeben. Diese Prüfung kann ins-
besondere bei Demenzerkrankungen von Bedeutung sein.
Der Dialog zwischen Arzt und Pflegeteam einerseits und Be-
treuer bzw. Bevollmächtigtem und den Angehörigen ande-
rerseits gewinnt in solchen Situationen eine entscheidende
Bedeutung.

Ergibt diese Prüfung, dass sich die Sachlage nachträglich so
erheblich geändert hat, dass die frühere selbstverantwortlich
getroffene Entscheidung eben diese aktuelle Lebenssituation
nicht umfasst, kann der Betreuer von den getroffenen Festle-
gungen abweichen. In allen anderen Fällen ist mit dem Bun-
desgerichtshof (Beschluss des XII. Zivilsenats vom 17. März
2003, a. a. O.) daran festzuhalten, dass die Willensbekun-
dung des Betroffenen für oder gegen bestimmte medizini-
sche Maßnahmen vom Betreuer nicht durch einen Rückgriff
auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen korrigiert
werden darf. Es muss vermieden werden, dass die in eigen-
verantwortlichem Zustand getroffene Entscheidung unter
spekulativer Berufung darauf unterlaufen wird, dass der Pa-
tient vielleicht in der konkreten Situation doch etwas anderes
gewollt hätte.

Der häufig diskutierte Fall eines offensichtlich lebensfrohen
Demenzkranken, der an einer Lungenentzündung erkrankt
und in seiner Patientenverfügung festgelegt hat, „Wenn ich
einmal dement bin, will ich keine lebenserhaltenden Maß-
nahmen“, ist davon jedoch zu unterscheiden. Solche Äuße-
rungen können von vornherein keine unmittelbare Bin-
dungswirkung haben, weil sie keine hinreichend konkrete
Behandlungsentscheidung in einer bestimmten Krankheits-
situation enthalten (siehe auch Ausführungen zum Begriff
der Patientenverfügung unter Buchstabe a). Sie geben für
sich allein keinen Aufschluss darüber, ob beispielsweise eine
Behandlung mit Antibiotika erfolgen soll oder nicht. Des-
halb können derart allgemeine Willensbekundungen nur als
ein Indiz in die vom Betreuer oder Bevollmächtigten vor-
zunehmende Prüfung des mutmaßlichen Willens mit ein-
bezogen werden (siehe Ausführungen zu § 1901a Abs. 2
BGB-E).

Hat sich der Betreuer dagegen von der Einschlägigkeit und
Wirksamkeit der Patientenverfügung überzeugt, achtet er
darauf, dass der Betroffene entsprechend seinem Willen be-
handelt wird. Hat der Patient die Entscheidung bereits selbst
getroffen, ist es daher Aufgabe des Betreuers, dieser Ent-
scheidung – wie es in dem Beschluss des Bundesgerichts-
hofs vom 17. März 2003 (a. a. O.) heißt – „Ausdruck und
Geltung zu verschaffen“. Darüber hinaus bleibt die Tätigkeit
eines Betreuers in diesen Fällen weiterhin notwendig für alle
anderen in der Patientenverfügung nicht vorweg getroffenen
Erklärungen und Entscheidungen. Das betrifft z. B. die Aus-
wahl des Arztes oder Krankenhauses sowie die vermögens-
rechtliche Seite der Behandlung.

Selbstverständlich kann in der Verfügung aber auch festge-

Bevollmächtigte oder Betreuer immer die Entscheidung über
die Behandlung zu treffen hat, und welchen Ermessensspiel-
raum er bei seiner Entscheidung hat.

Im Entwurf nicht ausdrücklich zu regeln war die Aufgabe
des Arztes und weiterer an der Behandlung beteiligter Perso-
nen (zum Beispiel Pflegepersonal), im Rahmen ihrer Verant-
wortung zu prüfen, ob und welchen Behandlungswillen der
Patient geäußert hat, ob er eine Entscheidung über die an-
stehende Behandlung getroffen hat oder ob es dafür der Ent-
scheidung des Betreuers oder Bevollmächtigten bedarf. In
den Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zen-
tralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer zum
Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in
der ärztlichen Praxis vom 30. März 2007 wird aber aus-
drücklich darauf hingewiesen, dass Adressat der Patienten-
verfügung jede an der Behandlung und Betreuung beteiligte
Person sein kann, die entsprechend ihrer Verantwortung in
die vorzunehmenden Prüfungen eingebunden ist.

Zu Absatz 2

§ 1901a Abs. 2 BGB-E regelt die Aufgaben des Betreuers in
den Fällen, in denen die Patientenverfügung keine Entschei-
dungen über die Einwilligung in bestimmte ärztliche Maß-
nahmen enthält, die auf die anstehende konkrete Behand-
lungssituation zutreffen. Das kann der Fall sein, wenn

– Festlegungen in einer schriftlichen Patientenverfügung
nicht auf die anstehende konkrete Lebens- und Behand-
lungssituation zutreffen,

– die Willensbekundung nicht schriftlich vorliegt, unab-
hängig davon, ob die mündlich oder in anderer Weise ge-
äußerten Entscheidungen über die Einwilligung in eine
Behandlung auf die konkrete Behandlungssituation zu-
treffen; das gilt sowohl, wenn die Willensbekundung
nicht schriftlich abgefasst wurde als auch, wenn behand-
lungsrelevante schriftliche Willensbekundungen später
mündlich ganz oder teilweise abgeändert oder widerrufen
wurden, oder

– in der Patientenverfügung festgelegt wurde, dass die Ver-
fügung nicht unmittelbar gelten soll, sondern der Bevoll-
mächtigte oder Betreuer die Entscheidung über die Be-
handlung zu treffen hat.

In diesen Fällen ist es Aufgabe des Betreuers zu prüfen, ob
zumindest ein mutmaßlicher Behandlungswille des Betreu-
ten feststellbar ist, und unter Beachtung dieses Willens an
Stelle des Betreuten über die Einwilligung in eine medizini-
sche oder pflegerische Behandlung zu entscheiden, also auch
dann, wenn eine konkret behandlungsbezogene frühere
mündliche Äußerung des Betreuten vorliegt.

Zur Feststellung des mutmaßlichen Willens bedarf es indivi-
dueller, konkreter, aussagekräftiger Anhaltspunkte. Als sol-
che hat der Bundesgerichtshof (vgl. BGHSt 35, 246, 249; 40,
257) insbesondere frühere mündliche oder schriftliche
Äußerungen des Patienten, seine religiöse Überzeugung, sei-
ne sonstigen persönlichen Wertvorstellungen, seine altersbe-
dingte Lebenserwartung oder das Erleiden von Schmerzen
angenommen. Der Entwurf greift in § 1901a Abs. 2 Satz 2
legt werden, dass die Patientenverfügung trotz konkreter
Entscheidungen nicht unmittelbar gelten soll, sondern der

BGB-E die wesentlichen Kriterien dieser Rechtsprechung
zur Ermittlung des mutmaßlichen Willens auf.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 16 – Drucksache 16/8442

In der konkreten Situation der Ermittlung des mutmaßlichen
Willens sind insbesondere Aussagen von nahen Angehöri-
gen und Vertrauenspersonen hilfreich. Deshalb soll der Be-
treuer diesen in § 1901a Abs. 2 Satz 3 BGB–E genannten
Personen Gelegenheit zur Äußerung geben, wenn dies ohne
erhebliche zeitliche Verzögerung möglich ist. Die Entschei-
dung des Betreuers und auch des behandelnden Arztes wird
damit auf eine umfassendere Grundlage gestellt.

Nahe Angehörige sind neben engen Verwandten (Kinder, El-
tern) und Ehegatten oder Lebenspartnern, bei denen es allein
auf das Bestehen der familienrechtlichen Verbindung an-
kommt, alle diejenigen Angehörigen, die in einem tatsäch-
lichen persönlichen Näheverhältnis zu dem Betroffenen ste-
hen. Der Grad der Verwandtschaft oder Schwägerschaft ist
insoweit unerheblich. Zudem sollen Vertrauenspersonen des
Betroffenen einbezogen werden. Damit wird auch eine Ein-
beziehung beispielsweise von Pflegekindern, Pflegeeltern
oder Lebensgefährten, aber auch engen Freunden oder Seel-
sorgern ermöglicht. Der Betreuer soll Erkenntnisse dieser
nahe stehenden Personen nutzen, um seine Entscheidung auf
eine fundierte Grundlage zu stellen. Auch die Entscheidung
des behandelnden Arztes wird dadurch erleichtert.

Ob erhebliche zeitliche Verzögerungen vorliegen, die der
Einholung von Äußerungen entgegenstehen, ist in Abhän-
gigkeit von der Dringlichkeit des vorzunehmenden Eingriffs,
der Notwendigkeit aufwändiger Personen- oder Anschrif-
tenermittlungen und der Erreichbarkeit der genannten Perso-
nen zu beurteilen. Zudem sollte der Betreuer von der Betei-
ligung einzelner Personen absehen, wenn dies dem erklärten
oder erkennbaren Willen des Betroffenen widerspricht. Er
hat bei Beratungen mit Dritten auch den Willen des Patienten
zur Weitergabe persönlicher krankheitsrelevanter Daten zu
achten.

Kann ein auf die Durchführung, die Nichteinleitung oder die
Beendigung einer ärztlichen Maßnahme gerichteter Wille
des Betreuten auch nach Ausschöpfung aller verfügbaren Er-
kenntnisse nicht festgestellt werden, gebietet es das hohe
Rechtsgut auf Leben, entsprechend dem Wohl des Betreuten
zu entscheiden und dabei dem Schutz seines Lebens Vorrang
einzuräumen.

Zu Absatz 3

a) Beachtung in jedem Krankheitsstadium

§ 1901a Abs. 3 BGB-E stellt klar, dass es für die Beachtung
und Durchsetzung des Patientenwillens nicht auf Art und
Stadium der Erkrankung ankommt. Ebenso wie der in der
aktuellen Situation entscheidungsfähige Patient ohne Rück-
sicht auf die Art und den Verlauf seiner Erkrankung selbst
darüber befinden kann, ob und ggf. welche ärztlichen Maß-
nahmen an ihm vorgenommen werden dürfen, ist es Ausfluss
seines verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungs-
rechts, eine solche Entscheidung auch im Voraus für den Fall
seiner Entscheidungsunfähigkeit treffen und von seinem
Vertreter die Durchsetzung seines Willens erwarten zu kön-
nen.

Das steht auch im Einklang mit dem Beschluss des 1. Straf-
senats des Bundesgerichtshofs vom 13. September 1994
(BGHSt 40, 257):

lässigkeit einer ärztlichen Behandlung oder Maßnahme auch
dann maßgebend, wenn der Sterbevorgang noch nicht einge-
setzt hat. Der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme
ist danach bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck
der allgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf
körperliche Unversehrtheit grundsätzlich zulässig – passive
Sterbehilfe im weiteren Sinne. Für den Fall, dass kein aus-
drücklich erklärter Wille in Bezug auf die ärztliche Behand-
lung oder Maßnahme vorliegt, ist der mutmaßliche Wille des
Patienten zu ermitteln, wie er sich nach sorgfältiger Abwä-
gung aller Umstände darstellt. Frühere mündliche oder
schriftliche Äußerungen sind bei Ermittlung des mutmaß-
lichen Patientenwillens zu berücksichtigen.

Im konkreten Fall – in dem keine Patientenverfügung vorlag
und es um die Einstellung der künstlichen Ernährung bei
einer Demenzpatientin ging – haben diese Vorgaben dazu
geführt, dass die beiden Angeklagten aufgrund des festge-
stellten mutmaßlichen, auf einen Behandlungsabbruch ge-
richteten Willens der Patientin freigesprochen wurden (vgl.
die nach Zurückverweisung durch BGHSt 40, 257 notwen-
dig gewordene erneute Entscheidung des LG Kempten –
2 KS 13 Js 12155/93).

Das Kriterium des unumkehrbar tödlichen Verlaufs des
Grundleidens für die Beachtlichkeit des Patientenwillens
wird in der Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesge-
richtshofs nicht aufgestellt. Soweit der XII. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs (BGHZ 154, 205) die Entscheidung in-
soweit anders interpretiert hat, handelt es sich nach vorherr-
schender Ansicht in der strafrechtlichen Literatur um ein
Missverständnis (vgl. nur Verrel, Gutachten zum 66. Deut-
schen Juristentag 2006, C 43: „Fehlinterpretation von
BGHSt 40, 257“; Höfling/Rixen JZ 2003, 891, 894: „fehler-
haft rezipiert“; Salinger, MedR 2004, 237, 240: „das Kemp-
tener Urteil in sein Gegenteil verkehrend“; Kutzer, FPR
2004, 683, 686: Strafsenat hat „eine solche starre Grenze
nicht gefordert“; Holzhauer, ZPR 2004, 41, 42: Abkehr vom
Kemptener Urteil; im Ergebnis ebenso Tröndle/Fischer,
StGB 54. Aufl., vor § 211 Rn. 27; Lackner/Kühl, StGB,
25. Aufl., vor § 211 Rn. 8; Otto, NJW 2006, 2217; Ingelfinger,
JZ 2006, 821, 828; Spickhoff, JZ 2003, 739, 740). Diese Ein-
schätzung wird dadurch bestätigt, dass von Seiten der Straf-
senate des BGH nach der Kempten-Entscheidung in einem
späteren Urteil aus dem Jahr 2001 (Entscheidung des 5. Se-
nats vom 7. Februar 2001) nochmals ausdrücklich darauf
hingewiesen wurde, dass dem Gesichtspunkt der Patienten-
autonomie eine „ständig zunehmende Bedeutung“ beige-
messen werde (BGHSt 46, 279, 284).

Im Übrigen hat der XII. Zivilsenats des BGH in seinem
nachfolgenden Beschluss vom 8. Juni 2005 (BGHZ 163,
195) nunmehr selbst zumindest mittelbar zu erkennen gege-
ben, dass das Recht des Patienten, Behandlungen abzuleh-
nen, nicht vom Stadium seiner Erkrankung abhängt:

„Die mit Hilfe einer Magensonde durchgeführte künstliche
Ernährung ist ein Eingriff in die körperliche Integrität, der
deshalb der Einwilligung des Patienten bedarf (vgl. Senats-
beschluss BGHZ 154, 205 = FamRZ 2003, 748, 750). Eine
gegen den erklärten Willen des Patienten durchgeführte
künstliche Ernährung ist folglich eine rechtswidrige Hand-
lung, deren Unterlassung der Patient analog § 1004 Abs. 1
Nach dieser Entscheidung (so genannte Kempten-Entschei-
dung) ist der Wille des Patienten für die Beurteilung der Zu-

Satz 2 in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB verlangen kann.
Dies gilt auch dann, wenn die begehrte Unterlassung – wie

Drucksache 16/8442 – 17 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

hier – zum Tode des Patienten führen würde. Das Recht des
Patienten zur Bestimmung über seinen Körper macht
Zwangsbehandlungen, auch wenn sie lebenserhaltend wir-
ken, unzulässig (Senatsbeschluss a. a. O. 751).“

Zu ergänzen ist, dass eine solche Zwangsbehandlung nicht
nur nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten unzulässig wäre,
sondern auch strafrechtlich grundsätzlich als Körperverlet-
zung einzustufen wäre.

b) Mehrheitsmeinung der Enquete-Kommission

Nicht gefolgt werden kann deshalb auch den Empfehlungen
des Zwischenberichts der Enquete-Kommission „Ethik
und Recht der modernen Medizin“ (Bundestagsdrucksache
15/3700), nach denen die Wirksamkeit einer Patientenverfü-
gung mit Willensäußerungen zum Verzicht auf lebens-
erhaltende Maßnahmen davon abhängen soll, dass ein irre-
versibler Verlauf des Grundleidens vorliegt und dieses
Grundleiden trotz medizinischer Behandlung nach ärztlicher
Erkenntnis zum Tode führen wird. Damit bestünde ein mit
dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen nicht zu ver-
einbarender Behandlungszwang außerhalb der empfohlenen
„Reichweite“ sowohl bei entgegenstehenden schriftlichen
oder mündlichen situationsbezogenen Willensäußerungen
als auch bei festgestellten konkreten Anhaltspunkten für
einen entgegenstehenden mutmaßlichen Patientenwillen.

Es ist anerkannt – auch von der Enquete-Kommission – dass
jeder Mensch das Recht hat, über die Zulässigkeit von Ein-
griffen in seine körperliche Integrität selbst zu bestimmen,
ärztliche Behandlungen also abzulehnen, und zwar auch
dann, wenn sie lebensrettend sein können. Damit ist fraglich,
warum einem Menschen dieses Recht genommen werden
darf, sobald er entscheidungsunfähig geworden ist und an
einer Krankheit außerhalb der „Reichweite“ leidet, seine
Auffassung und seinen Behandlungswillen zuvor aber in ei-
ner Patientenverfügung mitgeteilt hat. Die dafür angeführte
Begründung – dass der Mensch in existenziellen Situationen
häufig anders entscheidet, als er das zuvor vorausgesehen
hätte – überzeugt nicht: Dasselbe müsste dann für Situatio-
nen gelten, in denen die Krankheit einen unumkehrbar tödli-
chen Verlauf genommen hat, eine medizinische Behandlung
aber noch indiziert ist. Wenn jemand weiß, dass eine be-
stimmte Behandlung sein Leben verlängern, wenn auch den
Tod nicht längerfristig besiegen kann, steht er vor einer ähn-
lichen existenziellen Entscheidung. Die Schutzpflicht des
Staates für das Leben richtet sich nicht danach, wie lange ein
Mensch noch zu leben hat. Wenn jemand nicht zum Aus-
druck gebracht hat, dass er eine bestimmte Behandlung nicht
wünscht, muss das Leben eines „dem Tode Geweihten“ im
Grundsatz genauso geschützt werden wie das Leben eines
Menschen, der keine zwingend zum alsbaldigen Tode füh-
rende Krankheit hat.

Auch dem Vertreter würde damit das Entscheidungsrecht
über die Zulässigkeit eines ärztlichen Eingriffs außerhalb der
festgelegten Reichweite genommen. Bereits nach geltendem
Recht ist aber nicht der ärztliche Befund sondern der indivi-
duell-mutmaßliche Wille des Patienten Entscheidungsmaß-
stab für die Vertreterentscheidung. Für den Bevollmächtig-
ten ergibt sich dies aus § 665 BGB, für den Betreuer aus
§ 1901 Abs. 2 und 3 BGB, wonach Maßstab des Betreuer-

Er darf gerade nicht seine eigenen Vorstellungen oder die
Vorstellungen der Allgemeinheit oder allein den ärztlichen
Befund zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Das hat
der Gesetzgeber durch die geltenden Regelungen des Be-
treuungsrechts (§ 1901 Abs. 2 und 3 BGB) gerade abge-
lehnt, um einem rechtlich betreuten Menschen ein größt-
mögliches Maß an Selbstbestimmung zu erhalten und damit
auch den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu genügen.

Beschränkt man das Recht des Patienten und seines Vertre-
ters, eine Behandlung abzulehnen, auf bestimmte Stadien
einer Erkrankung, bedeutet das letztlich, dass dem Arzt
neben seiner Verantwortung für die fachgerechte Unter-
suchung, Diagnose und Indikation auch ein eigenständiges
Behandlungsrecht eingeräumt wird. Bejaht man eine Be-
handlungspflicht außerhalb einer bestimmten „Reichweite“
des Patientenwillens, zwingt man den Patienten nicht nur,
sich einem medizinischen Eingriff zu unterziehen, dem er
sich nicht unterziehen will, sondern man zwingt ihn auch, die
Risiken dieses Eingriffs zu tragen, die er nicht tragen will.
Auch eine ärztliche Aufklärung des Vertreters verlöre ihren
Sinn, weil auch ihm das Recht genommen würde, nach Ab-
wägung der Chancen und Risiken des Eingriffs eine Ent-
scheidung für oder gegen die Behandlung des Betreuten zu
treffen.

Das jeder Entscheidung für oder gegen einen ärztlichen Ein-
griff innewohnende Risiko kann durch eine Missachtung des
Selbstbestimmungsrechts des Patienten nicht vermieden
werden: Es gibt Fälle mit schlechter Prognose, die sich uner-
wartet zum Guten wenden und umgekehrt Fälle mit guten
Aussichten auf Heilung oder Besserung, die sich unerwartet
zum Schlechten wenden. Das Risiko einer möglichen Fehl-
einschätzung darf deshalb nicht als Argument dafür benutzt
werden, sich über den Patientenwillen hinwegzusetzen. Die
Abwägung zwischen Chancen und Risiken eines Eingriffs
und die darauf basierende Behandlungsentscheidung muss
deshalb demjenigen überlassen bleiben, der die Risiken der
Entscheidung zu tragen hat – dem Patienten selbst oder sei-
nem Vertreter, der den festgestellten Behandlungswillen des
Betroffenen respektiert.

Neben diesen grundsätzlichen Bedenken ist es äußerst zwei-
felhaft, ob mit den unbestimmten Rechtsbegriffen zur Be-
schreibung der „Reichweitenbegrenzung“ den Ärzten und
Vertretern eine sichere Einschätzung möglich ist, ob der
Patientenwille beachtet werden darf oder ob der Patient den
Eingriff gegen seinen Willen erdulden muss. Wenn fest-
stellbar wäre, dass das Grundleiden irreversibel ist und trotz
einer denkbaren medizinischen Behandlung zum Tode führ-
te, wird zudem oft schon die ärztliche Indikation der Maß-
nahme zweifelhaft sein. Eine sichere ärztliche Todesprogno-
se trotz Behandlung dürfte bei vielen Erkrankungen nicht
möglich sein. Für den Fall einer eintretenden Einwilligungs-
unfähigkeit wären dann im Gegensatz zu einwilligungs-
fähigen Patienten beispielsweise Chemotherapien, Dialysen,
Transplantationen und andere Operationen zwangsweise
durchzuführen. Völlig unklar wäre, wie Arzt und Betreuer zu
entscheiden hätten, wenn der zwangsweise durchzuführende
Eingriff selbst mit lebens- oder erheblich gesundheitsgefähr-
denden Risiken und Nebenwirkungen (z. B. schwere Opera-
tionen, Transplantationen, Amputationen) verbunden ist.
handelns das subjektive Wohl des Betreuten ist. Der Vertre-
ter muss deshalb aus der Sicht des Betroffenen entscheiden.

Für demente und komatöse Betroffene hätte das zur Folge,
dass sie in jedem Fall zwangsweise zu ernähren, zu beatmen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 18 – Drucksache 16/8442

mit Flüssigkeit zu versorgen, an Herz-Lungen-Maschinen
anzuschließen wären, und darüber hinaus, dass Begleitkom-
plikationen, die nicht von vornherein lebensbedrohlich sind,
auch gegen den Willen des Patienten zu behandeln wären. So
wird beispielsweise nicht selten festgelegt, dass bei beglei-
tend zum Grundleiden eintretenden Lungenentzündungen,
Hirnblutungen und ähnlichem keine kurative Therapie erfol-
gen soll, sondern das Therapieziel hin zu einer ausschließlich
palliativmedizinischen Zielsetzung geändert werden soll.

Würde sich der behandelnde Arzt in diesen Konstellationen
über den Patientenwillen hinwegsetzen, wie dies nach Auf-
fassung der Enquete-Kommission offenbar geboten er-
scheint, könnte nicht einmal das Risiko strafrechtlicher Ver-
folgung des Arztes ausgeschlossen werden. Zumindest
invasive Behandlungsmethoden bedürfen grundsätzlich der
wirksamen Einwilligung durch den Patienten, um nicht als
Körperverletzung gewertet zu werden.

Zutreffend wird deshalb auch in den Empfehlungen der Bun-
desärztekammer und der Zentralen Ethikkommission bei der
Bundesärztekammer zum Umgang mit Vorsorgevollmacht
und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis vom 30. März
2007 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass weder die Auto-
nomie noch die Gewissensfreiheit den Arzt zu Eingriffen in
die körperliche Integrität eines Menschen oder deren Fortset-
zung berechtigen, die von dessen erklärter oder mutmaßlicher
Einwilligung nicht oder nicht mehr getragen werden.

Zu Absatz 4

§ 1901a Abs. 4 BGB-E stellt klar, dass die Aufgaben eines
Bevollmächtigten bei der Beachtung und Durchsetzung einer
Patientenverfügung denen eines Betreuers entsprechen.

Zu Nummer 3 (§ 1901b BGB)

Es handelt sich um eine Folgeänderung der Einfügung eines
neuen § 1901a BGB.

Zu Nummer 4 (Änderung von § 1904 BGB)

a) Regelungsbedarf

Bisher fehlt eine gesetzliche Regelung dazu, ob und ggf.
wann eine Nichteinwilligung oder ein Widerruf der Einwil-
ligung des Betreuers in ärztlich indizierte Maßnahmen einer
vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf, wenn
die begründete Gefahr besteht, dass das Unterbleiben oder
der Abbruch der Maßnahme dazu führt, dass der Betreute
stirbt oder einen schweren und länger dauernden gesundheit-
lichen Schaden erleidet. Das können u. a. eine Operation, die
künstliche Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr, die z. B. durch
die Speiseröhre (Magensonde) oder Bauchdecke (PEG) in
den Magen oder intravenös gegeben wird, die maschinelle
Beatmung, die Dialyse, die Bekämpfung einer zusätzlich
auftretenden Krankheit (Lungenentzündung, Infektion u. a.)
sowie Maßnahmen der Reanimation sein.

§ 1904 BGB ist in der geltenden Fassung auf diese Fälle we-
der unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Die Rege-
lung bezieht sich auf Einwilligungen in ärztliche Maßnah-
men, die darauf gerichtet sind, dem Betreuten Leben und
Gesundheit zu erhalten, aber das Risiko des tödlichen Miss-
lingens mit sich bringen. Dagegen tritt bei dem Unterlassen

ein schwerer und länger dauernder gesundheitlicher Schaden
des Betreuten als Folge des Behandlungsverzichts krank-
heitsbedingt ein. Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat in seinem Beschluss vom 17. März 2003 (a. a. O.) im
Wege der Rechtsfortbildung entschieden, dass der Betreuer
das Vormundschaftsgericht auch in solchen Konfliktfällen
einschalten muss, in denen er die Einwilligung in eine ärzt-
licherseits angebotene lebenserhaltende Maßnahme nicht er-
teilt, und hat dem Gesetzgeber insoweit eine gesetzliche Re-
gelung nahegelegt.

Mit der Neuregelung wird § 1904 BGB insgesamt klarer ge-
fasst. Der Anwendungsbereich wird erweitert, indem die
grundsätzlich genehmigungspflichtigen Entscheidungen des
Betreuers auf die Fälle erweitert werden, in denen die Nicht-
einwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreu-
ers zum Tod oder zu schweren und länger andauernden
Schäden des Betreuten führen kann. Von der Genehmigungs-
pflicht ausgenommen werden die Entscheidungen des Be-
treuers nur in den Fällen, in denen zwischen Arzt und Be-
treuer übereinstimmende Auffassungen über den konkret
behandlungsbezogenen individuell-mutmaßlichen Patien-
tenwillen bestehen.

Zu Absatz 1

§ 1904 Abs. 1 BGB bleibt unverändert.

Zu Absatz 2

§ 1904 Abs. 2 BGB-E regelt die Genehmigungspflicht von
Entscheidungen des Betreuers, wenn dieser in bestimmte
medizinisch angezeigte Maßnahmen entsprechend dem mut-
maßlichen Willen des Betreuten nicht einwilligen oder eine
früher erteilte Einwilligung widerrufen will. Erfasst sind
Entscheidungen des Betreuers über die Nichteinwilligung
oder den Widerruf der Einwilligung, wenn das Unterbleiben
oder der Abbruch der Maßnahme die begründete Gefahr des
Todes oder des Eintritts schwerer und länger dauernder
Schäden des Betreuten in sich birgt. Ob eine solche begrün-
dete Gefahr besteht, beurteilt sich nach den gleichen Maßstä-
ben wie nach Absatz 1 (vgl. Bundestagsdrucksache 11/4528
S. 140 bis 142). Soweit ein dringendes Bedürfnis für ein un-
verzügliches Einschreiten des Gerichts besteht, welches ein
Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet,
können vorläufige Anordnungen nach allgemeinen Grund-
sätzen ergehen (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage,
§ 19 Rn. 30). Für Anordnungen des Beschwerdegerichts fin-
det § 24 Abs. 3 FGG Anwendung.

Zu Absatz 3

Absatz 3 regelt, dass das Vormundschaftsgericht bei der Ent-
scheidung über die Rechtmäßigkeit der Erteilung der Einwil-
ligung nach Absatz 1 und über die Nichterteilung oder den
Widerruf der Einwilligung nach Absatz 2 die Entscheidung
des Betreuers zum Schutz des Betreuten dahingehend zu
überprüfen hat, ob diese Entscheidung tatsächlich dem er-
mittelten individuell-mutmaßlichen Patientenwillen ent-
spricht. Die für die Feststellung des mutmaßlichen Willens
in § 1901a Abs. 2 BGB-E genannten Anhaltspunkte sind
auch für die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts he-
ranzuziehen. Das Vormundschaftsgericht hat die Genehmi-
oder dem Abbruch lebenserhaltender oder anderer zur Erhal-
tung der Gesundheit erforderlicher Maßnahmen der Tod oder

gung zu erteilen, wenn die Entscheidung des Betreuers dem
Patientenwillen entspricht.

Drucksache 16/8442 – 19 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu Absatz 4

Die Entscheidung des Betreuers bedarf keiner Genehmi-
gung, wenn Arzt und Betreuer keinen Zweifel daran haben,
dass die Entscheidung über die Einwilligung, die Nichtein-
willigung oder den Widerruf der Einwilligung dem Patien-
tenwillen entspricht. Die Pflicht, dieses Einvernehmen zu
dokumentieren, ergibt sich aus dem ärztlichen Berufsrecht
(vgl. insoweit die standesrechtlichen Vorschriften, unter an-
derem in § 10 der Musterberufsordnung für die deutschen
Ärztinnen und Ärzte).

Bei unterschiedlichen Auffassungen oder bei Zweifeln des
behandelnden Arztes und des Betreuers über den Behand-
lungswillen des Betreuten dient die Einschaltung des Vor-
mundschaftsgerichts zum Schutz des Betreuten der Kontrol-
le, ob die Entscheidung des Betreuers über die Einwilligung
nach Absatz 1 und über die Ablehnung oder den Widerruf
der Einwilligung nach Absatz 2 tatsächlich dem ermittelten
individuell- mutmaßlichen Patientenwillen entspricht. Dage-
gen ist eine Einschaltung des Vormundschaftsgerichts zur
Überprüfung der Betreuerentscheidung nicht geboten, wenn
Arzt und Betreuer keine Zweifel am Behandlungswillen des
Betreuten haben: Zum einen sichert in diesen Fällen bereits
das erforderliche Einvernehmen zwischen behandelndem
Arzt und Betreuer, dass eine wechselseitige Kontrolle der
Entscheidungsfindung stattfindet. Zum anderen entbehrt ein
generalisierender Missbrauchsverdacht gegen den behan-
delnden Arzt und den Betreuer jeder Grundlage. Einer den-
noch in Ausnahmefällen nicht gänzlich auszuschließenden
Missbrauchsgefahr durch rechtsmissbräuchliches Zusam-
menwirken von behandelndem Arzt und Betreuer zum
Nachteil des Betreuten wird dadurch wirksam begegnet, dass
jeder Dritte, insbesondere der Ehegatte, Lebenspartner, Ver-
wandte oder benannte Vertrauenspersonen, aufgrund des
Amtsermittlungsprinzips im Verfahren der Freiwilligen Ge-
richtsbarkeit jederzeit eine vormundschaftsgerichtliche Kon-
trolle der Betreuerentscheidung in Gang setzen kann. Außer-
dem geht auch vom Strafrecht eine wirksame Prävention
aus; denn bei zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für
ein sachfremdes oder gar kollusives Zusammenwirken müs-
sen Arzt und Betreuer mit einem strafrechtlichen Ermitt-
lungsverfahren wegen eines Körperverletzungs- oder gar
Tötungsdelikts rechnen.

Liegt kein Verdacht auf einen Missbrauch vor, soll die Um-
setzung des Patientenwillens aber nicht durch ein – sich ggf.
durch mehrere Instanzen hinziehendes – vormundschaftsge-
richtliches Verfahren belastet werden. Die Durchsetzung des
Patientenwillens würde erheblich verzögert oder gar unmög-
lich gemacht, da für die Dauer des Verfahrens die in Rede
stehenden Maßnahmen in der Regel zunächst nicht eingelei-
tet werden können oder eingeleitet oder fortgeführt werden
müssten und damit massiv in das Selbstbestimmungsrecht
des Betroffenen eingegriffen würde. Das gilt sowohl für die
Einwilligung des Betreuers in eine Maßnahme nach § 1904
Abs. 1 als auch die Nichteinwilligung oder den Widerruf der
Einwilligung nach Absatz 2.

Zu Absatz 5

§ 1904 Abs. 5 BGB-E regelt die Zustimmungsbedürftigkeit
entsprechender Entscheidungen des Bevollmächtigten. Vor-

Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 ausdrücklich
umfasst sind. Dies ist nach geltendem Recht bereits Voraus-
setzung für die Einwilligung in ärztliche Maßnahmen, die
mit erheblicher Gesundheits- oder Lebensgefahr für den
Betroffenen verbunden sind, und wird nunmehr auf die
Nichteinwilligung oder den Widerruf einer Einwilligung in
derartige Maßnahmen erstreckt. Ebenso wie die Entschei-
dungen eines Betreuers bedürfen auch die Entscheidungen
eines Bevollmächtigten der vormundschaftsgerichtlichen
Genehmigung, wenn zwischen Bevollmächtigtem und Arzt
unterschiedliche Auffassungen oder Zweifel über den Be-
handlungswillen des Betreuten bestehen. Wie im geltenden
Recht bleibt es damit bei einer gleichen „Kontrolldichte“ für
Betreuer und Bevollmächtigten.

Zu Artikel 2 (Änderung des Gesetzes über die Frei-
willige Gerichtsbarkeit)

Zu Nummer 1 (Änderung von § 67 Abs. 1 Satz 5 FGG)

§ 67 will den Schutz der Rechte des Betroffenen stärken und
die Wahrung seiner Belange im Verfahren gewährleisten.
Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Genehmigung
des Vormundschaftsgerichts in den Fällen des § 1904 Abs. 2
BGB wird in Absatz 1 Satz 5 der Vorschrift die Bestellung
eines Verfahrenspflegers zwingend vorgeschrieben.

Zu Nummer 2 (Änderung von § 69d Abs. 2 FGG)

§ 69d regelt, welche besonderen Verfahrensvorschriften bei
der Erteilung von vormundschaftsgerichtlichen Genehmi-
gungen zu beachten sind. In Absatz 2 sind im Einzelnen die
Ermittlungen für eine Genehmigung nach § 1904 BGB gere-
gelt, an denen auch unter Berücksichtigung der geänderten
Fassung der Vorschrift festgehalten wird. Das Gericht hat da-
nach ein Sachverständigengutachten einzuholen sowie die
Beteiligten nach Maßgabe des § 68a Satz 3 und – bei ent-
sprechenden Anhaltspunkten – nach Satz 4 anzuhören. Dass
sich das Gericht im Übrigen von dem Betroffenen selbst
einen Eindruck zu verschaffen hat, folgt aus § 69d Abs. 1
Satz 2.

Die Änderungen in Absatz 2 Satz 1 sind daher notwendige
verfahrensrechtliche Folgeänderungen.

In Absatz 2 Satz 4 wird von dem allgemeinen Grundsatz in
Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, wonach die Ver-
fügung des Gerichts mit Bekanntgabe an den jeweiligen Be-
teiligten wirksam wird, insofern abgewichen, als die Wirk-
samkeit der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts nach
§ 1904 Abs. 2 BGB-E erst zwei Wochen nach Bekanntgabe
an den Betreuer oder Bevollmächtigten sowie den Verfah-
renspfleger eintritt. Da die bei einer Genehmigung des
Gerichts in den Abbruch oder die Nichteinleitung lebenser-
haltender oder -verlängernder Maßnahmen gebotenen ärzt-
lichen Handlungen regelmäßig nicht reversibel sind, kann
nur so ein effektiver Rechtsschutz für die am Verfahren for-
mell und materiell Beteiligten gewährleistet werden.

Zu Nummer 3 (Änderung von § 69g Abs. 1 Satz 1 FGG)

Allgemein regelt § 20 die Befugnis zur Einlegung der Be-
schwerde. § 69g Abs. 1 enthält ebenso wie Absatz 2 eine
Sonderregelung, die den Kreis der Beschwerdeberechtigten
aussetzung für die Entscheidung eines Bevollmächtigten ist
zunächst, dass die Vollmacht schriftlich erteilt wurde und

in bestimmten Fällen ergänzt. Um dem Genehmigungserfor-
dernis nach § 1904 Abs. 2 BGB-E auch verfahrensrechtlich

Drucksache 16/8442 destag – 16. Wahlperiode

– 20 – Deutscher Bun

die angemessene Bedeutung zukommen zu lassen und um
den notwendigen „Gleichklang“ zu § 69d herzustellen, ist
§ 69g Abs. 1 Satz 1 um diese Fallkonstellation erweitert
worden.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Das Gesetz soll so schnell wie möglich in Kraft treten, um
die Rechtssicherheit für die beteiligten Patienten, Betreuer,
Bevollmächtigten, aber auch Ärzte zu erhöhen.

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