Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 25.10.2011, Az. VI ZR 93/10

6. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2044

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Gegenstand

Persönlichkeitsschutz im Internet: Unterlassungsanspruch wegen Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerung; Verletzung zumutbarer Prüfpflichten des Hostproviders


Leitsatz

1. Nimmt ein Betroffener einen Hostprovider auf Unterlassung der Verbreitung einer in einem Blog enthaltenen Äußerung eines Dritten in Anspruch, weil diese das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletze, setzt die Störerhaftung des Hostproviders die Verletzung zumutbarer Prüfpflichten voraus.

2. Der Hostprovider ist erst verantwortlich, wenn er Kenntnis von der Verletzung des Persönlichkeitsrechts erlangt. Dies setzt voraus, dass die Beanstandung des Betroffenen so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer bejaht werden kann.

3. Eine Verpflichtung zur Löschung des beanstandeten Eintrags besteht, wenn auf der Grundlage der Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen und einer etwaigen Replik des Betroffenen unter Berücksichtigung etwa zu verlangender Nachweise von einer rechtswidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts auszugehen ist.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 2. März 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 2 erkannt worden ist.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger zu 1 (künftig: Kläger) nimmt die Beklagte zu 2 (künftig: Beklagte) wegen der Verbreitung einer Äußerung, die sich auf der Webseite m….blogspot.com befindet, auf Unterlassung in Anspruch.

2

Der Kläger ist im Immobiliengeschäft tätig. Er war Geschäftsführer einer in [X.] ansässigen GmbH, die nach Abweisung eines Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse im Jahr 2003 aufgelöst wurde. Ferner war er Geschäftsführer einer [X.] Bauträgergesellschaft mit Sitz in [X.]. Nunmehr ist der Kläger Geschäftsführer einer anderen [X.] Gesellschaft.

3

Die Beklagte, die ihren Sitz im Bundesstaat [X.] der [X.] hat, stellt die technische Infrastruktur und den Speicherplatz für die Website www.blogger.com und für die unter www.blogspot.com von Nutzern eingerichteten Weblogs (Blogs), also journal- oder tagebuchartig angelegte Webseiten, zur Verfügung.

4

Ein an dem Rechtsstreit nicht beteiligter Dritter richtete auf der Webseite www.blogspot.com den Blog m...blogspot.com ein. Dort hieß es in einem auf den 2. August 2007 datierten Eintrag unter der Überschrift "Hat [X.] [X.] ein Intelligenzproblem?" unter anderem:

"Apropos Banco S…, im Frühjahr 2000 hat das [X.] Firmen… Visakarte auf Veranlassung seines Steuerberaters!!!, … gesperrt und eingezogen. Begründung: [X.] nützte diese Visa-Karte im Wesentlichen zur Begleichung von [X.] Rechnungen und sei allem Anschein nach ‚manchen Situationen nicht gewachsen.‘ Honi soit qui mal y pense!"

5

Der Kläger verlangt von der [X.], es zu unterlassen, folgende Behauptung zu verbreiten: "[X.] nützte diese Visa-Karte im Wesentlichen zur Begleichung von [X.] Rechnungen", hilfsweise Beseitigung der Äußerung.

6

Das [X.] hat der Klage hinsichtlich dieses Unterlassungsbegehrens stattgegeben, allerdings nur bezogen auf die Verbreitung im Bereich der Bundesrepublik [X.]. Die dagegen gerichtete Berufung der [X.] hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte vollumfängliche Klageabweisung. Hinsichtlich einer Reihe weiterer vom Kläger beanstandeter Äußerungen sowie hinsichtlich der [X.] zu 1 und der Klägerin zu 2 ist die Klage in den Vorinstanzen rechtskräftig abgewiesen worden.

Entscheidungsgründe

I.

7

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.], 490 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Das [X.] habe die Anwendbarkeit [X.] materiellen Rechts zu Recht und mit zutreffender Begründung aus Art. 40 [X.]BGB hergeleitet. Bezüglich der Verbreitung des Satzes "[X.] nützte diese Visa-Karte im Wesentlichen zur Begleichung von Sex-Club-Rechnungen…" auf der von der [X.]n "gehosteten" Seite bestehe ein Unterlassungsanspruch des [X.] gegen die [X.] als Störerin. Die [X.] habe nicht vorgetragen, dass die in dem Beitrag erwähnte Visa-Karte der [X.] zur Begleichung einer Sex-Club-Rechnung verwendet worden sei. Der Kläger habe bestritten, jemals Sex-Club-Rechnungen mit Visa-Karte beglichen zu haben, und vorgetragen, dass die [X.] der Firma [X.] niemals eine Kreditkarte ausgestellt habe. Diese Aussage sei hinreichend bestimmt. Der Kläger bringe damit zum Ausdruck, dass es keine Anhaltspunkte für die verbreitete Behauptung gebe, sondern dass es sich um eine freie Erfindung handele. Weitere Ausführungen zu einem nicht geschehenen Ereignis könne eine [X.] naturgemäß nicht machen. Diese Erklärung des [X.] habe die [X.] veranlassen müssen, in eine Prüfung einzutreten, ob die unzweifelhaft ehrenrührige Behauptung zutreffe, und, sofern dies nicht zu klären gewesen sei, den Betreiber zur Löschung der Passage zu veranlassen. Da die [X.] abgesehen von der Weiterleitung der Beanstandung nichts unternommen habe, um den Verfasser zur Löschung zu veranlassen, und da sie auch weder dargetan noch bewiesen habe, dass die Tatsachenbehauptung zutreffend gewesen sei, sei sie insoweit ihrer Pflicht als technische Verbreiterin nicht nachgekommen. Dass ihr ein Handeln nicht zumutbar oder möglich gewesen wäre, habe sie selbst nicht behauptet. Daher bestehe insoweit ein Unterlassungsanspruch des [X.].

II.

8

Über die Revision der [X.]n ist, da der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten war, durch Versäumnisurteil zu entscheiden, das aber inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags beruht (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81).

9

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat allerdings zu Recht die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte angenommen, die in jedem Verfahrensabschnitt, auch im Revisionsverfahren, von Amts wegen zu prüfen ist (Senatsurteile vom 29. März 2011 - [X.], [X.], 900 Rn. 6; vom 29. Juni 2010 - [X.], [X.], 137 Rn. 10; [X.], Urteile vom 28. November 2002 - [X.], [X.]Z 153, 82, 84 ff.; vom 19. April 2007 - [X.], [X.]Z 172, 119 Rn. 16 - [X.]-Versteigerung II).

Zur Entscheidung über Klagen wegen Persönlichkeitsbeeinträchtigungen durch im [X.] abrufbare [X.]en sind die [X.] Gerichte nach § 32 ZPO international zuständig, wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann. Dies ist dann anzunehmen, wenn eine Kenntnisnahme der beanstandeten Meldung nach den Umständen des konkreten Falls im Inland erheblich näher liegt als es aufgrund der bloßen Abrufbarkeit des Angebots der Fall wäre und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch eine Kenntnisnahme von der Meldung (auch) im Inland eintreten würde (Senatsurteile vom 29. März 2011 - [X.], aaO Rn. 8 ff.; vom 2. März 2010 - [X.], [X.]Z 184, 313 Rn. 16 ff.). Nach diesen Kriterien bestimmt sich der für die internationale Zuständigkeit maßgebliche Erfolgsort auch dann, wenn gegen den [X.] als Störer geklagt wird, ungeachtet der eventuell strengeren Voraussetzungen für dessen Haftung (dazu nachfolgend).

Danach ist die internationale Zuständigkeit der [X.] Gerichte gegeben. Der Kläger hat im Streitfall spätestens zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen deutlichen Inlandsbezug des beanstandeten Blogs schlüssig vorgetragen. Maßgebend ist der Inlandsbezug der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten des [X.]. Insoweit ist auf den Inhalt des beanstandeten Blogs abzustellen. Dieser richtet sich vorrangig an auf [X.] und in [X.] ansässige Personen, die - etwa als "Residenten" oder "Immobilienbesitzer" - einen Bezug zu [X.] und Interesse an den in der [X.] angekündigten "Insiderinfos" und "Fakten" haben. Der Blogeintrag vom 2. August 2007, der die angegriffene Äußerung enthält, ist in [X.] abgefasst und der Kläger ist unter Angabe seines Wohnorts in [X.] mit vollem Namen genannt. In dem Blogeintrag wird auch die angeblich fortdauernde Geschäftstätigkeit des [X.] in [X.] angesprochen.

2. Das Berufungsgericht geht zu Recht von der Anwendbarkeit [X.] materiellen Rechts aus. Die richtige Anwendung des [X.] Internationalen Privatrechts ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsurteil vom 15. Juli 2008 - [X.], [X.]Z 177, 237 Rn. 8 [X.]; [X.], Urteil vom 2. Oktober 1997 - [X.], [X.]Z 136, 380, 386; [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 293 Rn. 9 ff.).

a) Das anwendbare Recht bestimmt sich nach den Art. 40 ff. [X.]BGB. Denn außervertragliche Schuldverhältnisse aus der Verletzung der Persönlichkeitsrechte sind nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. g der Verordnung ([X.]) Nr. 864/2007 des [X.] und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ([X.]) vom Anwendungsbereich der [X.] ausgenommen (vgl. dazu [X.]/[X.], 5. Aufl., Art. 1 [X.] Rn. 43). Auch § 3 [X.], dessen kollisionsrechtlicher Charakter streitig ist (vgl. Senat, Vorabentscheidungsersuchen vom 10. November 2009 - [X.], [X.], 226 Rn. 31 ff. [X.]), greift nicht ein. Denn die [X.] hat ihren Sitz nicht in dem Geltungsbereich der [X.][X.] und 89/552/[X.], sondern in den [X.] (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., Art. 9 [X.] [X.]. [X.] Rn. 71).

b) Maßgebend ist Art. 40 [X.]BGB, dem auch der Persönlichkeitsschutz einschließlich sich daraus herleitender Unterlassungsansprüche unterfällt (vgl. [X.]/[X.], 5. Aufl., Art. 40 [X.]BGB Rn. 85, und die Begründung des zugrunde liegenden Gesetzentwurfs BT-Drucks. 14/343, [X.]). Im Streitfall ergibt sich die Anwendbarkeit [X.] Rechts jedenfalls daraus, dass der Kläger sein Bestimmungsrecht zugunsten [X.] Rechts gemäß Art. 40 Abs. 1 Satz 2 [X.]BGB in der Klageschrift ausgeübt hat.

aa) Dem Kläger stand ein Bestimmungsrecht nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 [X.]BGB zu. Nach den von den [X.]en nicht angegriffenen Feststellungen des [X.]s, auf die das Berufungsurteil Bezug nimmt, liegt der nach Art. 40 Abs. 1 Satz 2 [X.]BGB maßgebliche Erfolgsort in [X.]. Der Kläger, der in [X.] wohnt und Geschäfte betreibt, ist hier in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen; hier kollidiert sein Interesse an der Unterlassung der ehrverletzenden [X.] mit dem Interesse des Bloggers daran, ein [X.] Publikum über die behaupteten Machenschaften des [X.] zu informieren. Daran ist auch im Fall der Klage gegen den [X.] anzuknüpfen.

bb) Den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanzen ist auch eine Ausübung des Bestimmungsrechts durch den Kläger zu entnehmen. Im Streitfall hat der Kläger sich in der Klageschrift vom 8. Juli 2008 auf [X.] Rechtsnormen berufen und auch auf den vorgerichtlichen Schriftwechsel verwiesen. Dazu gehört das Anwaltsschreiben vom 8. Februar 2008 (Anlage [X.] zur Klageschrift vom 8. Juli 2008), auf das im Tatbestand des Berufungsurteils Bezug genommen wird. In dem Schreiben bezieht sich der Kläger auf [X.] Recht und widerspricht der E-Mail der [X.]n zu 1 vom 7. Februar 2008, in der sie für die [X.] zu 2 die Auffassung vertreten hat, nur Recht der [X.] sei anwendbar. Danach hat der Kläger bereits mit der Klageschrift klar zum Ausdruck gebracht, dass [X.] Recht zur Anwendung kommen soll.

3. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann nach [X.]m Recht (§ 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG) ein Unterlassungsanspruch des [X.] gegen die [X.] nicht bejaht werden.

a) Allerdings ist die [X.] nicht bereits nach § 10 Satz 1 [X.] von der Verantwortlichkeit für den Inhalt der von ihr betriebenen Website befreit. Sie hält zwar als Diensteanbieter nach § 2 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 1 [X.] Telemedien im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] zur Nutzung bereit. Sie unterhält die Website www.blogger.com und speichert die unter [X.] eingerichteten Blogs, journal- oder tagebuchartige Webseiten mit chronologisch sortierten Beiträgen des "Bloggers" (vgl. [X.] in jurisPK-[X.]recht, 2. Aufl., [X.]. 1.7 Rn. 34), zum Zwecke des Abrufs. Die [X.] fungiert damit als [X.] (vgl. Art. 14 - "Hosting" - der Richtlinie 2000/31/[X.] des [X.] und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt). Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 [X.] gilt aber nicht für Unterlassungsansprüche (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 27. März 2007 - [X.], [X.], 1004 Rn. 7 - Meinungsforum; vom 30. Juni 2009 - [X.], [X.], 1417 Rn. 17 - Domainverpächter; [X.], Urteile vom 19. April 2007 - [X.], [X.]Z 172, 119 Rn. 19 - [X.]-Versteigerung II; vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, [X.], 152 Rn. 26 - Kinderhochstühle im [X.]). Wie sich aus § 7 Abs. 2 Satz 2 [X.] und dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Regelung ergibt, betrifft § 10 [X.] lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung (vgl. Senatsurteil vom 27. März 2007 - [X.], aaO; [X.], Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, [X.]Z 158, 236, 245 ff. - [X.]-Versteigerung I, zur Vorgängerregelung des § 11 Teledienstegesetz).

b) Die [X.] trifft aber hinsichtlich des vom Kläger beanstandeten Eintrags nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit, weil sie ihn weder verfasst noch sich seinen Inhalt zu Eigen gemacht hat. Sie kann lediglich als Störerin in Anspruch genommen werden, weil sie die technischen Möglichkeiten des Blogs zur Verfügung gestellt hat.

aa) Als Störer ist verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 13 f. - Domainverpächter; [X.], Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, [X.]Z 158, 236, 251 - [X.]-Versteigerung I; Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, aaO Rn. 45 - Kinderhochstühle im [X.]; Urteil vom 17. August 2011 - [X.], zur [X.] in [X.]Z bestimmt, Rn. 20 - [X.]). Indem die [X.] die Website [X.] betreibt, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern eingerichteten Webseiten bereitstellt und den Abruf dieser Webseiten über das [X.] ermöglicht, trägt sie willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen.

bb) Die Störerhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten voraus; deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch [X.] nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. Senatsurteil vom 30. Juni 2009 - [X.], aaO Rn. 18 - Domainverpächter; [X.], Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, [X.]Z 158, 236, 251 - [X.]-Versteigerung I; vom 30. April 2008 - [X.], [X.], 702 Rn. 50 - [X.]-Versteigerung III; Urteil vom 17. August 2011 - [X.], aaO Rn. 20 - [X.], jeweils [X.]).

c) Unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen gelten für die Inanspruchnahme des [X.]s unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung für das Persönlichkeitsrecht verletzende Blogs die folgenden Maßstäbe.

aa) Ein [X.] ist nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der [X.] auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. [X.] ein Betroffener den [X.] auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hin, kann der [X.] als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, [X.]Z 158, 236, 252 - [X.]-Versteigerung I; Urteil vom 19. April 2007 - [X.], [X.]Z 172, 119 - [X.]-Versteigerung II; Urteil vom 12. Juli 2007 - [X.], [X.]Z 173, 188 Rn. 43 - Jugendgefährdende Medien bei [X.]; Urteil vom 17. August 2011 - [X.], aaO Rn. 26 - [X.]). Diese Erwägungen stehen im Einklang mit den Maßstäben, die der [X.] und der [X.] hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Betreibern eines [X.]-Marktplatzes für Markenrechtsverletzungen aufgestellt haben (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2011 - [X.]/09, [X.] 2011, 754 - [X.]/[X.]; [X.], Urteil vom 17. August 2011 - [X.], aaO Rn. 22 ff. - [X.]).

bb) Allerdings wird sich bei der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten eine Rechtsverletzung nicht stets ohne weiteres feststellen lassen. Sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 [X.] und dem durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 [X.] geschützten Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, die richtig oder falsch sein kann, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen erforderlich. Hiernach ergeben sich für den Provider regelmäßig folgende Pflichten:

Ein Tätigwerden des [X.]s ist nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptungen des Betroffenen unschwer - das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung - bejaht werden kann. Dabei hängt das Ausmaß des insoweit vom Provider zu verlangenden Prüfungsaufwandes von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere vom Gewicht der angezeigten Rechtsverletzungen auf der einen und den Erkenntnismöglichkeiten des Providers auf der anderen Seite.

Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung des Betroffenen an den für den Blog Verantwortlichen zur Stellungnahme weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, dem Betroffenen dies mitzuteilen und gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er gegebenenfalls erforderliche Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich aus der Stellungnahme des Betroffenen oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des für den Blog Verantwortlichen eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.

d) Danach kann ein Unterlassungsanspruch des [X.] derzeit nicht bejaht werden.

Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger habe hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei der beanstandeten Mitteilung betreffend die Verwendung der Visakarte um eine freie Erfindung handelte, so dass die [X.] in eine Prüfung habe eintreten müssen.

Dies hat die [X.] indes zunächst getan, indem sie über die [X.] zu 1 in einen Schriftwechsel eintrat. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts widersprach der Kläger dem Angebot der [X.]n zu 1 vom 7. Februar 2008, die Abmahnung des [X.] an den Blogger weiterzuleiten, unter dem 8. Februar 2008 und erteilte der Klägervertreter erst nach Klageerhebung durch Schreiben vom 11. Dezember 2008 gegenüber den [X.]n die Erlaubnis zur Weiterleitung an den Blogger, was die [X.] unverzüglich veranlasste. Hinsichtlich des weiteren Verlaufs stellt das Berufungsgericht lediglich fest, dass die Seiten weiterhin abrufbar blieben.

Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die [X.]en weiter hätten vortragen können und vorgetragen hätten, wenn sie die oben dargestellten Maßstäbe zu dem der [X.]n obliegenden Prüfungsvorgang in den Blick genommen hätten. Hierzu ist ihnen nunmehr rechtliches Gehör zu gewähren.

[X.]

Die Sache ist demnach an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses - eventuell nach ergänzendem Tatsachenvortrag der [X.]en - die noch notwendigen Feststellungen treffen kann. Gegebenenfalls wird auch die Frage einer bestehenden Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr zu prüfen sein (vgl. dazu [X.], Urteil vom 17. August 2011 - [X.], aaO Rn. 37 ff. - [X.]). Für den Fall, dass das Berufungsgericht erneut zu einer Verurteilung der [X.]n gelangt, wird es die Ausführungen der Revision zur Fassung des Unterlassungsausspruchs in Erwägung ziehen müssen.

[X.]                                                     Zoll                                         Wellner

                          Diederichsen                                       [X.]

Meta

VI ZR 93/10

25.10.2011

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 2. März 2010, Az: 7 U 70/09, Urteil

§ 32 ZPO, Art 40 Abs 1 S 2 BGBEG, § 823 Abs 1 BGB, § 1004 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 25.10.2011, Az. VI ZR 93/10 (REWIS RS 2011, 2044)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2044

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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