Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 08.02.2017, Az. 1 BvR 2973/14

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2017, 15982

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

ÖFFENTLICHES RECHT POLITIK VERFASSUNG STRAFRECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) POLITIKER BELEIDIGUNG STRAFTATEN HASS-POSTS MEINUNGSFREIHEIT GRUNDGESETZ HASSVERBRECHEN GRUNDRECHTE RECHTSEXTREMISMUS PERSÖNLICHKEITSRECHT VERFASSUNGSBESCHWERDE

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Strafurteil wegen Beleidigung unter verfehlter Einstufung der inkriminierten Äußerung als Schmähkritik verletzt Meinungsfreiheit des Verurteilten (Art 5 Abs 1 S 1 GG) - hier: Verkennung des Sachbezugs der Äußerung eines Versammlungsleiters über Gegendemonstranten - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

1. Das Urteil des [X.] vom 17. September 2012 - 523 Ds 86/12, 121 Js 769/11 -, das Urteil des [X.] vom 29. April 2014 - 155 [X.]/12, 121 Js 769/11 - und der Beschluss des [X.] vom 26. September 2014 - [X.] RVs 171/14, 85 Ss 1/14 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes.

2. Die Entscheidungen des [X.] und des [X.] werden aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Köln zurückverwiesen.

3. Das [X.] hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.

4. [X.] wird auf 25.000 € (in Worten: fünfundzwanzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

1. Im November 2011 demonstrierten Mitglieder einer im rechten Spektrum einzuordnenden Gruppierung in einem Stadtteil von [X.]. Der Beschwerdeführer war Versammlungsleiter der ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration und bediente sich zur Weitergabe seiner Anordnungen und Informationen eines Lautsprechers. Diese Demonstration war ihrerseits Anlass für zahlreiche Gegendemonstranten, ihre Empörung gegen den Aufzug zu äußern. Zu diesem Zweck war unter anderem auch ein Bundestagsabgeordneter der [X.] [X.]/[X.] vor Ort. Die Gegendemonstranten blockierten den Demonstrationszug und brüllten Parolen wie "Nazis raus", zeigten den Demonstrationsteilnehmern den sogenannten "[X.]" und setzten auch zeitweise Sirenen ein, um die - über den Lautsprecher verbreiteten - Wortbeiträge der Demonstrationsteilnehmer zu stören. Das [X.] hat als wahr unterstellt, dass der Bundestagsabgeordnete an der Gegendemonstration teilgenommen hatte, um die Durchführung des Aufzuges aktiv zu verhindern, er sich bei den vor Ort tätigen Polizeibeamten informiert und den Teilnehmern der Gegendemonstration geraten hatte, die Blockade fortzusetzen, sowie die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung mehrfach wörtlich und sinngemäß als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet hatte. Der Demonstrationszug konnte wegen der Gegendemonstration die geplante Route nicht einschlagen. Es kam zu Gesprächen zwischen dem Beschwerdeführer und den Polizeibeamten. Als der Beschwerdeführer die Versammlungsteilnehmer unter anderem über die Gespräche mit der Polizeiführung informierte, erkannte er den [X.] und äußerte sich über diesen wie folgt:

"Ich sehe hier einen aufgeregten grünen [X.], der Kommandos gibt, der sich hier als Obergauleiter der [X.], die er hier auffordert. Das sind die Kinder von [X.]. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen."

2

Der Bundestagsabgeordnete stellte Strafantrag wegen Beleidigung.

3

2. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 80 €. Der Vergleich mit Funktionären des [X.] durch den Begriff "Obergauleiter der [X.]" stelle die Kundgabe der Missachtung eines demokratisch gewählten [X.] dar. Den Funktionsbegriff "Obergauleiter" habe es zwar im Nationalsozialismus nicht gegeben. Der Begriff stelle jedoch eine Erhöhung eines tatsächlichen Funktionsbegriffes, nämlich "Gauleiter", dar und sei dergestalt zu verstehen, dass sich der Betroffene der Äußerung schlimmer als ein Gauleiter aufgeführt habe. Die Äußerungen seien weder durch eine Wahrnehmung berechtigter Interessen noch durch die Meinungsäußerungsfreiheit, Art. 5 GG, gerechtfertigt. Bei Angelegenheiten von öffentlichem Interesse und dem politischen Meinungskampf gelte dabei eine Vermutung zu Gunsten der Meinungsfreiheit. Bei herabsetzenden Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellten, habe die Meinungsfreiheit aber regelmäßig hinter dem Ehrenschutz zurückzutreten. Nach der engen Definition des [X.] für das Vorliegen einer Schmähung liege eine solche Schmähkritik vor. Die Äußerungen des Beschwerdeführers von einem "Obergauleiter der [X.]" dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners, hier des [X.]. Ein Sachbezug dieser Äußerung sei nicht mehr erkennbar. Der Bundestagsabgeordnete habe sich für die Gegendemonstranten in das [X.] eingemischt. Hier hätte eine sachliche, den [X.] nicht schonende Kritik ansetzen können. Der Beschwerdeführer habe stattdessen auf bloße persönliche Attacken zurückgegriffen. Der Bundestagsabgeordnete werde somit als [X.] "Superfunktionär", mithin als ein gewichtiger Teil eines verbrecherischen Unrechtsregimes bezeichnet. In diesem Zusammenhang seien der Meinungsfreiheit engere Grenzen gesetzt. An der Bewertung der Äußerung als Schmähkritik ändere auch die aufgeheizte Atmosphäre, in der sie gefallen sei, nichts.

4

3. Auf die Berufung des Beschwerdeführers änderte das [X.] das amtsgerichtliche Urteil mit Urteil vom 29. April 2014 hinsichtlich des Strafmaßes ab. Es verwarnte den Beschwerdeführer und behielt sich die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 60 € vor. Bei der Auslegung des Begriffes "Obergauleiter der [X.]" verweist das [X.] im Wesentlichen auf die Ausführungen des Amtsgerichts und ergänzt diese um Ausführungen zur [X.] ([X.]). Der Vergleich mit den Funktionären und Organisationen des [X.] zeige, dass es dem Beschwerdeführer nicht primär um die öffentliche Kritik an dem Verhalten des [X.] gegangen sei, der aus Sicht des Beschwerdeführers seine Kompetenzen überschritten habe, indem er versucht habe, Einfluss auf den Verlauf der genehmigten Demonstration zu nehmen, sondern vorrangig um das Aufstellen eines ehrverletzenden Werturteils über den Geschädigten. Durch die verwendeten Begriffe dränge sich auf, dass der Beschwerdeführer den Geschädigten "in die rechte Ecke" stellen und damit verächtlich machen und herabwürdigen wollte. Dies werde noch verstärkt durch die weitere Formulierung "Das sind die Kinder von [X.]. Das ist dieselbe Ideologie, die haben genauso angefangen." Damit stelle der Beschwerdeführer einen weiteren eindeutigen Bezug zum [X.] Unrechtsstaat und die diesen repräsentierende Person her.

5

Dem Beschwerdeführer komme nicht der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB zugute. Denn die insoweit vorzunehmende Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen des Ehrschutzes einerseits und des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG andererseits führe nicht zu einem Überwiegen der Meinungsfreiheit. Die Kammer verkenne nicht, dass die Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen öffentlicher und politischer Meinungsbildung erfolgt seien und an das Verhalten des Geschädigten anknüpften. Angesichts des zugrunde liegenden Sachverhaltes erschienen sie aber nicht mehr angemessen. Der Beschwerdeführer habe sich aber nicht darauf beschränkt, das Verhalten des Geschädigten zu kritisieren. Die Äußerungen dienten ersichtlich der bloßen Diffamierung des politischen Gegners. Ein Sachbezug sei nicht mehr erkennbar, außer dass der Beschwerdeführer davon spreche, dass ein grüner Bundestagsabgeordneter Kommandos gebe. Dies hätte der Beschwerdeführer auch in scharfer Form kritisieren dürfen. Der Beschwerdeführer greife aber stattdessen auf persönliche Attacken zurück.

6

Der Beschwerdeführer habe auch kein "Recht zum Gegenschlag". Wer dadurch Kritik auf sich lenke, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der Politik betont Stellung beziehe, müsse unter Umständen eine scharfe übersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. [X.] Äußerungen seien danach im Rahmen einer öffentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung dienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von der Gegenseite geäußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht unverhältnismäßig erschienen und noch als adäquate Reaktion auf den vorangegangenen Vorgang verstanden werden könnten. Selbst wenn man als wahr unterstelle, dass der Geschädigte die Teilnehmer der vom Beschwerdeführer durchgeführten Veranstaltung als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" bezeichnet habe, könne sich der Beschwerdeführer nicht erfolgreich auf das "Recht zum Gegenschlag" berufen. Der persönliche Angriff des Beschwerdeführers stelle keine adäquate Reaktion dar, zumal eine vorausgegangene Beleidigung nicht thematisiert worden sei. Es fehle also jeglicher Bezug zu der - unterstellt - getätigten Äußerung des Geschädigten.

7

4. Das [X.] verwarf die Revision des Beschwerdeführers als unbegründet.

8

5. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Urteile des Amtsgerichts und des [X.]s und den Beschluss des [X.]s und rügt die Verletzung seiner Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und des Willkürverbots, Art. 3 Abs. 1 GG.

9

6. Dem [X.] wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Von einer Stellungnahme wurde abgesehen. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem [X.] vor.

Die Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.] zur Entscheidung angenommen. Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]).

1. Das [X.] hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. [X.] 61, 1 <7 ff.>; 90, 241 <246 ff.>; 93, 266 <292 ff.>). Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit bei Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. [X.] 82, 43 <50 ff.>; 85, 23 <30 ff.>; 93, 266 <292 ff.>).

2. Die Verfassungsbeschwerde ist danach zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] offensichtlich begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.

a) Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung des [X.] Werturteile und Tatsachenbehauptungen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen (vgl. [X.] 85, 1 <15>). Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist allerdings nicht vorbehaltlos gewährt. Es findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die hier von den Gerichten angewandten Vorschriften der §§ 185, 193 StGB gehören. Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften sind Sache der Fachgerichte, die hierbei das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen müssen, damit dessen wertsetzender Gehalt auch bei der Rechtsanwendung gewahrt bleibt (vgl. [X.] 7, 198 <205 ff.>; 120, 180 <199 f.>; stRspr). Dies verlangt grundsätzlich eine Abwägung zwischen der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits (vgl. [X.] 99, 185 <196 f.>; 114, 339 <348>). Das Ergebnis der Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben und hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. [X.] 85, 1 <16>; 99, 185 <196 f.>).

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt, sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf; insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. [X.] 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>). Einen Sonderfall bilden hingegen herabsetzende Äußerungen, die sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen. Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird (vgl. [X.] 82, 43 <51>; 90, 241 <248>; 93, 266 <294>). Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden (vgl. [X.] 93, 266 <294>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 29. Juni 2016 - 1 BvR 2646/15 -, juris). Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern - jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik - die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. [X.] 82, 272 <283 f.>; 85, 1 <16>; 93, 266 <294>). Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. [X.] 93, 266 <294>). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

Das [X.] ist auf eine Nachprüfung begrenzt, ob die Fachgerichte die Grundrechte ausreichend beachtet haben (vgl. [X.] 93, 266 <296 f.>; 101, 361 <388>). Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind auch dann verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird mit der Folge, dass sie dann nicht im selben Maß am Schutz des Grundrechts teilnimmt wie Äußerungen, die als Werturteil ohne beleidigenden oder [X.] Charakter anzusehen sind (vgl. [X.] 85, 1 <14>; 93, 266 <294>).

b) Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Entscheidungen nicht.

aa) Amtsgericht und [X.] ordnen - vom [X.] nicht beanstandet - die Äußerung des Beschwerdeführers in verfassungsrechtlich nicht mehr tragbarer Weise als Schmähkritik ein und unterlassen die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen. Die angegriffenen Entscheidungen verkennen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Äußerung auch das Handeln des Geschädigten kommentierte, der sich maßgeblich an der Blockade der vom Beschwerdeführer als Versammlungsleiter angemeldeten Versammlung beteiligte und die Teilnehmenden auch seinerseits - wie die Gerichte als wahr unterstellt haben - als "braune Truppe" und "rechtsextreme Idioten" beschimpft hatte. Es ging dem Beschwerdeführer nicht ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des Geschädigten. Bereits die unzutreffende Einordnung verkennt Bedeutung und Tragweite der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Meinungsfreiheit.

bb) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf diesem Fehler, da es an einer Abwägung fehlt. Wie diese Abwägung ausgeht und ob sie zu einem Freispruch oder erneut zu einer Verurteilung des Beschwerdeführers führt, ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben. Bei erneuter Befassung wird auf der einen Seite das [X.] des Geschädigten, der aktiv eine Demonstration verhindern wollte, wie auf der anderen Seite das schwere Gewicht einer Ehrverletzung zu berücksichtigen sein, das in einem individuell adressierten Vergleich mit Funktionsträgern des [X.] Unrechtsregimes liegt.

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehlern. Es ist nicht auszuschließen, dass das [X.] bei erneuter Befassung zu einer anderen Entscheidung in der Sache kommen wird.

3. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers folgt aus § 34a Abs. 2 [X.]. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

1 BvR 2973/14

08.02.2017

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Köln, 26. September 2014, Az: III-1 RVs 171/14 85 Ss 1/14, Beschluss

Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 14 Abs 1 RVG, § 37 Abs 2 S 2 RVG, § 185 StGB, § 193 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 08.02.2017, Az. 1 BvR 2973/14 (REWIS RS 2017, 15982)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 1460 REWIS RS 2017, 15982

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 BvR 2646/15 (Bundesverfassungsgericht)

Teilweise stattgebender Kammerbeschluss: Einstufung einer Äußerung als Schmähkritik nur unter strengen Voraussetzungen - hier: Verletzung …


1 BvR 2249/19 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: Strafurteil wegen Beleidigung verletzt bei verfehlter Annahme von Schmähkritik durch das Fachgericht das …


1 BvR 362/18 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrechtliche Verurteilung wegen ehrverletzender Äußerungen - hier: …


1 BvR 1954/17 (Bundesverfassungsgericht)

Stattgebender Kammerbeschluss: Zu den Voraussetzungen an die gerichtlichen Untersagung einer Äußerung als "Schmähkritik" - hier: …


1 BvR 2397/19 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die strafrechtliche Verurteilung wegen ehrbeeinträchtigender Äußerungen - hier: Verurteilung …


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.