BT-Drucksache 18/6839

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Vom 26. November 2015


Deutscher Bundestag Drucksache 18/6839
18. Wahlperiode 26.11.2015

Antrag
der Abgeordneten Richard Pitterle, Dr. Gerhard Schick, Dr. Sahra
Wagenknecht, Dr. Dietmar Bartsch, Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton
Hofreiter, Jan van Aken, Luise Amtsberg, Kerstin Andreae, Annalena
Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Herbert Behrens,
Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Dr. Franziska Brantner,
Agnieszka Brugger, Christine Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus,
Sevim Dağdelen, Dr. Diether Dehm, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Katharina
Dröge, Harald Ebner, Klaus Ernst, Dr. Thomas Gambke, Matthias Gastel,
Wolfgang Gehrcke, Kai Gehring, Nicole Gohlke, Annette Groth, Dr. Gregor
Gysi, Heike Hänsel, Dr. André Hahn, Anja Hajduk, Britta Haßelmann,
Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger, Bärbel Höhn, Andrej Hunko, Sigrid Hupach,
Dieter Janecek, Ulla Jelpke, Susanna Karawanskij, Kerstin Kassner, Uwe
Kekeritz, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Katja Kipping, Maria
Klein-Schmeink, Tom Koenigs, Jan Korte, Sylvia Kotting-Uhl, Jutta
Krellmann, Oliver Krischer, Stephan Kühn (Dresden), Christian Kühn
(Tübingen), Renate Künast, Katrin Kunert, Markus Kurth, Caren Lay, Monika
Lazar, Sabine Leidig, Steffi Lemke, Ralph Lenkert, Michael Leutert, Stefan
Liebich, Dr. Tobias Lindner, Dr. Gesine Lötzsch, Thomas Lutze, Nicole
Maisch, Peter Meiwald, Birgit Menz, Irene Mihalic, Cornelia Möhring, Niema
Movassat, Norbert Müller, Beate Müller-Gemmeke, Özcan Mutlu,
Dr. Alexander S. Neu, Thomas Nord, Dr. Konstantin von Notz, Omid
Nouripour, Cem Özdemir, Friedrich Ostendorff, Petra Pau, Lisa Paus, Harald
Petzold (Havelland), Brigitte Pothmer, Martina Renner, Tabea Rößner, Claudia
Roth (Augsburg), Corinna Rüffer, Manuel Sarrazin, Elisabeth Scharfenberg,
Ulle Schauws, Michael Schlecht, Dr. Frithjof Schmidt, Kordula Schulz-Asche,
Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Hans-Christian Ströbele, Dr. Kirsten Tackmann, Azize Tank, Frank Tempel,
Dr. Harald Terpe, Markus Tressel, Jürgen Trittin, Dr. Axel Troost, Alexander
Ulrich, Dr. Julia Verlinden, Kathrin Vogler, Doris Wagner, Beate
Walter-Rosenheimer, Harald Weinberg, Katrin Werner, Dr. Valerie Wilms,
Birgit Wöllert, Jörn Wunderlich, Hubertus Zdebel, Pia Zimmermann,
Sabine Zimmermann (Zwickau)

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

Drucksache 18/6839 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Der Bundestag wolle beschließen:

A. Einsetzung

I. Es wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt.

II. Der Untersuchungsausschuss soll aus acht Mitgliedern und entsprechend vielen
Stellvertreterinnen bzw. Stellvertretern bestehen.

B. Auftrag

I. Der Untersuchungsausschuss soll die im Zeitraum von 1999 bis 2012
vollzogene Praxis der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte aufklären.

Bei diesen sogenannten Cum-Ex-Geschäften wurde mittels Leerverkäufen eine
Situation herbeigeführt, in der eine Aktie rechtlich gesehen für eine kurze Zeit
scheinbar mehrere Eigentümerinnen und Eigentümer hatte. Der Zeitraum
wurde dabei so gewählt, dass in ihn die Auszahlung der Dividende fiel. Dies
führte dazu, dass für eine nur einmal an die Finanzbehörden abgeführte
Kapitalertragsteuer mehrere Steuerbescheinigungen ausgestellt wurden und die
Kapitalertragsteuer hierdurch mehrfach auf die Einkommensteuer bzw.
Körperschaftsteuer bei den verschiedenen Eigentümerinnen bzw. Eigentümern
der Aktie angerechnet werden konnte. Damit wurde eine Belastung durch
Kapitalertragsteuer an anderen Stellen des Steuersystems mehrfach entlastend
berücksichtigt, obwohl es die entsprechende Belastung tatsächlich nur einmal
gegeben hatte.

Der Untersuchungsausschuss soll die Ursachen der Entstehung der Cum-Ex-
Geschäfte und ihre Entwicklung untersuchen. Er soll klären, ob und wenn ja,
wann – rechtzeitig – geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen wurden, ob diese
ausreichten und wer gegebenenfalls jeweils die Verantwortung für die nicht
erfolgte Unterbindung der Cum-Ex-Geschäfte trug.

II. Der Ausschuss soll dabei die Fragen klären,

1. wie es dazu kommen konnte, dass die Cum-Ex-Geschäfte über zehn Jahre lang
nicht unterbunden wurden;

2. in welcher Höhe es im Zeitraum von 1999 bis 2012 durch diese Praxis zu einem
Schaden für die Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler kam;

3. welche Stellen und welche Personen auf der staatlichen Seite nicht rechtzeitig
die notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um Cum-Ex-Geschäfte zu
unterbinden, und damit für den entstandenen Schaden einerseits formal und
andererseits tatsächlich mitverantwortlich sind;

4. ob und wenn ja, von wem es Einflussnahmen mit dem Ziel gab, das Modell der
Cum-Ex-Geschäfte nicht oder nicht gänzlich abzuschaffen;

5. ob und wenn ja, in welchem Umfang sich Kreditinstitute des öffentlichen
Sektors (Landesbanken, Sparkassen und Förderbanken) an den
Geschäftsgestaltungen beteiligt haben und ob dies gegebenenfalls auf eigene
oder auf Rechnung ihrer Kundinnen und Kunden erfolgte, wie es
gegebenenfalls zu einer solchen Beteiligung an diesen Geschäften kommen
konnte und ob die öffentlichen Eigentümerinnen und Eigentümer der Banken
bzw. die entsprechenden Aufsichtsgremien gegebenenfalls hiervon Kenntnis
erhielten;

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6839
6. ob die getroffenen und/oder geplanten Maßnahmen zur Reduzierung des für die
Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eingetretenen Schadens
effektiv und hinreichend sind;

7. ob ausreichend Vorkehrungen getroffen und/oder geplant worden sind, um
ähnliche Gestaltungen, z. B. beim Dividendenstripping künftig wesentlich
frühzeitiger zu erkennen und unterbinden zu können;

8. ob, bezogen auf die erfolgten oder ähnlichen Gestaltungen im Bereich der
Kapitalertragsteuer, strukturelle Defizite in der Zusammenarbeit von Bund und
Ländern im Bereich der Finanzverwaltung bestehen, die es erforderlich
machen, den Vollzug der Steuergesetze durch Änderung der entsprechenden
Gesetze bzw. des Grundgesetzes grundlegend zu verändern.

Berlin, den 26. November 2015

Richard Pitterle
Dr. Gerhard Schick
Dr. Sahra Wagenknecht
Dr. Dietmar Bartsch
Katrin Göring-Eckardt
Dr. Anton Hofreiter
Jan van Aken
Luise Amtsberg
Kerstin Andreae
Annalena Baerbock
Marieluise Beck (Bremen)
Volker Beck (Köln)
Herbert Behrens
Karin Binder
Matthias W. Birkwald
Heidrun Bluhm
Dr. Franziska Brantner
Agnieszka Brugger
Christine Buchholz
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Sevim Dağdelen
Dr. Diether Dehm
Ekin Deligöz
Katja Dörner
Katharina Dröge
Harald Ebner
Klaus Ernst
Dr. Thomas Gambke
Matthias Gastel
Wolfgang Gehrcke
Kai Gehring
Nicole Gohlke
Annette Groth
Dr. Gregor Gysi
Heike Hänsel
Dr. André Hahn
Dr. Gesine Lötzsch
Thomas Lutze
Nicole Maisch

Anja Hajduk
Britta Haßelmann
Dr. Rosemarie Hein
Inge Höger
Bärbel Höhn
Andrej Hunko
Sigrid Hupach
Dieter Janecek
Ulla Jelpke
Susanna Karawanskij
Kerstin Kassner
Uwe Kekeritz
Katja Keul
Sven-Christian Kindler
Katja Kipping
Maria Klein-Schmeink
Tom Koenigs
Jan Korte
Sylvia Kotting-Uhl
Jutta Krellmann
Oliver Krischer
Stephan Kühn (Dresden)
Christian Kühn (Tübingen)
Renate Künast
Katrin Kunert
Markus Kurth
Caren Lay
Monika Lazar
Sabine Leidig
Steffi Lemke
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Stefan Liebich
Dr. Tobias Lindner
Michael Schlecht
Dr. Frithjof Schmidt
Kordula Schulz-Asche
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn

Drucksache 18/6839 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode

Peter Meiwald
Birgit Menz
Irene Mihalic
Cornelia Möhring
Niema Movassat
Norbert Müller
Beate Müller-Gemmeke
Özcan Mutlu
Dr. Alexander S. Neu
Thomas Nord
Dr. Konstantin von Notz
Omid Nouripour
Cem Özdemir
Friedrich Ostendorff
Petra Pau
Lisa Paus
Harald Petzold (Havelland)
Brigitte Pothmer
Martina Renner
Tabea Rößner
Claudia Roth (Augsburg)
Corinna Rüffer
Manuel Sarrazin
Elisabeth Scharfenberg
Ulle Schauws
Hans-Christian Ströbele
Dr. Kirsten Tackmann
Azize Tank
Frank Tempel
Dr. Harald Terpe
Markus Tressel
Jürgen Trittin
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Dr. Julia Verlinden
Kathrin Vogler
Doris Wagner
Beate Walter-Rosenheimer
Harald Weinberg
Katrin Werner
Dr. Valerie Wilms
Birgit Wöllert
Jörn Wunderlich
Hubertus Zdebel
Pia Zimmermann
Sabine Zimmermann (Zwickau)

Begründung

Bei der Steuergestaltung der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte kam es zur Erstattung von zuvor nicht gezahlter
Steuer. Es entstand dabei ein erheblicher Schaden für die Gemeinschaft der Steuerzahlerinnen und
Steuerzahler, den Experten bzw. Expertinnen auf etwa zwölf Milliarden Euro schätzen. Damit handelt es sich
um den größten Skandal im Steuerbereich in der Geschichte der Bundesrepublik. Profiteure und Profiteurinnen
waren die Finanzbranche und reiche Anleger und Anlegerinnen, die diese Möglichkeit gezielt ausnutzten. Es
besteht daher ein hohes Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit, wie es dazu kommen konnte, dass diese Praxis
entstehen konnte und es über zehn Jahre dauerte bis die Politik die Möglichkeit dazu beseitigte.

Zu diesem Zweck haben die Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundestag
beantragt (Bundestagsdrucksache 18/3735), eine Sonderermittlerin oder einen Sonderermittler des Bundes
einzusetzen, um den Vorgang und die Hintergründe untersuchen zu lassen. Der Antrag wurde von den
Fraktionen der CDU/CSU und der SPD abgelehnt (Plenarprotokoll 18/124).

Die Einsetzung einer Ermittlungsbeauftragten oder eines Ermittlungsbeauftragten im Rahmen eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist nach § 10 PUAG ein Recht, das auch einer Minderheit im
Untersuchungsausschuss zusteht. Daher soll für die Aufklärung dieses gigantischen Steuerskandals zu Lasten
der Allgemeinheit ein Untersuchungsausschuss eingerichtet und von diesem eine Ermittlungsbeauftragte oder
ein Ermittlungsbeauftragter mit der Aufklärung beauftragt werden.

Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de

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