BT-Drucksache 16/13405

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege

Vom 18. Juni 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/13405
16. Wahlperiode 17. 06. 2009

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Jan Korte, Christine Lambrecht, Wolfgang Wieland, Dr. Lale
Akgün, Kerstin Andreae, Niels Annen, Ingrid Arndt-Brauer, Rainer Arnold,
Hüseyin-Kenan Aydin, Doris Barnett, Dr. Hans-Peter Bartels, Sören Bartol,
Dr. Dietmar Bartsch, Marieluise Beck (Bremen), Volker Beck (Köln), Cornelia Behm,
Birgitt Bender, Klaus Uwe Benneter, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky, Heidrun Bluhm,
Gerd Bollmann, Alexander Bonde, Willi Brase, Marco Bülow, Eva Bulling-Schröter,
Dr. Martina Bunge, Roland Claus, Dr. Herta Däubler-Gmelin, Sevim Dag˘delen,
Dr. Peter Danckert, Dr. Diether Dehm, Dr. Thea Dückert, Sebastian Edathy, Siegmund
Ehrmann, Dr. Uschi Eid, Dr. Dagmar Enkelmann, Dr. h. c. Gernot Erler, Klaus Ernst,
Hans-Josef Fell, Elke Ferner, Rainer Fornahl, Wolfgang Gehrcke, Kai Gehring, Iris
Gleicke, Katrin Göring-Eckardt, Diana Golze, Renate Gradistanac, Angelika Graf
(Rosenheim), Kerstin Griese, Wolfgang Grotthaus, Dr. Gregor Gysi, Hans- Joachim
Hacker, Heike Hänsel, Michael Hartmann (Wackernheim), Britta Haßelmann, Lutz
Heilmann, Dr. Reinhold Hemker, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Petra Heß,
Peter Hettlich, Stephan Hilsberg, Priska Hinz (Herborn), Cornelia Hirsch, Ulrike
Höfken, Inge Höger, Bärbel Höhn, Dr. Barbara Höll, Dr. Anton Hofreiter, Christel
Humme, Brunhilde Irber, Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Hans-Heinrich
Jordan, Josip Juratovic, Katja Kipping, Ute Koczy, Sylvia Kotting-Uhl, Ernst Kranz,
Jürgen Kucharczyk, Helga Kühn-Mengel, Renate Künast, Fritz Kuhn, Ute Kumpf,
Katrin Kunert, Markus Kurth, Undine Kurth (Quedlinburg), Oskar Lafontaine,
Sibylle Laurischk, Monika Lazar, Michael Leutert, Ulla Lötzer, Dr. Gesine Lötzsch,
Helga Lopez, Anna Lührmann, Nicole Maisch, Lothar Mark, Ulrich Maurer, Dorothee
Menzner, Dr. Matthias Miersch, Kornelia Möller, Jerzy Montag, Kerstin Müller (Köln),
Gesine Multhaupt, Winfried Nachtwei, Andrea Nahles, Kersten Naumann, Wolfgang
Neskovic, Omid Nouripour, Petra Pau, Brigitte Pothmer, Florian Pronold, Bodo
Ramelow, Mechthild Rawert, Steffen Reiche (Cottbus), Maik Reichel, Gerold
Reichenbach, Elke Reinke, Christel Riemann-Hanewinckel, Sönke Rix, René
Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Claudia Roth (Augsburg), Michael Roth
(Heringen), Ortwin Runde, Krista Sager, Manuel Sarrazin, Axel Schäfer (Bochum),
Paul Schäfer (Köln), Elisabeth Scharfenberg, Christine Scheel, Bernd Scheelen,
Dr. Hermann Scheer, Irmingard Schewe-Gerigk, Dr. Gerhard Schick, Dr. Konrad
Schily, Renate Schmidt (Nürnberg), Volker Schneider (Saarbrücken), Dr. Herbert
Schui, Swen Schulz (Spandau), Ewald Schurer, Frank Schwabe, Dr. Angelica

Schwall-Düren, Dr. Ilja Seifert, Dr. Petra Sitte, Frank Spieth, Grietje Staffelt, Silke
Stokar von Neuforn, Christoph Strässer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn,
Hans-Christian Ströbele, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Harald Terpe, Dr. h. c. Wolfgang
Thierse, Jürgen Trittin, Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich, Rüdiger Veit, Dr. Marlies
Volkmer, Gerhard Wächter, Andreas Weigel, Gert Weisskirchen (Wiesloch),
Hildegard Wester, Lydia Westrich, Gert Winkelmeier, Josef Philip Winkler,
Waltraud Wolff (Wolmirstedt), Heidi Wright, Jörn Wunderlich, Uta Zapf

Drucksache 16/13405 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege

A. Problem

Durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der
Strafrechtspflege (NS-AufhG) vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501) werden nach § 1
verurteilende strafgerichtliche Entscheidungen aufgehoben, die unter Verstoß ge-
gen elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar 1933 zur Durchset-
zung oder Aufrechterhaltung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes aus
politischen, militärischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen
ergangen sind. Die genannten Entscheidungen betreffen nach § 2 des Gesetzes un-
ter anderem auch solche, die auf den in der Anlage zu § 2 Nummer 3 NS-AufhG
genannten gesetzlichen Vorschriften beruhen. Nicht erfasst werden durch die Re-
gelung Verurteilungen wegen Kriegsverrats nach den §§ 57, 59, 60 des Militärstraf-
gesetzbuches, obgleich sie rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht entsprechen, weil
sie tatbestandlich nicht hinreichend bestimmt sind.

B. Lösung

Der Entwurf schlägt vor, die Strafvorschriften des Militärstrafgesetzbuches
wegen Kriegsverrats ebenfalls in die Anlage zu § 2 Nummer 3 NS-AufhG auf-
zunehmen.

C. Alternativen

Keine

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

Die Ergänzung des Gesetzes kann zu einer geringfügigen Entlastung der öffent-
lichen Haushalte führen, da auch bei Verurteilungen wegen Kriegsverrats eine
Einzelfallprüfung durch die zuständigen Staatsanwaltschaften entbehrlich wird.

E. Kosten

Keine

Dr. Diether Dehm Dr. Barbara Höll Winfried Nachtwei

Dr. Thea Dückert Dr. Anton Hofreiter Andrea Nahles
Sebastian Edathy Christel Humme Kersten Naumann
Siegmund Ehrmann Brunhilde Irber Wolfgang Neskovic
Alexander Bonde Winfried Hermann Nicole Maisch
Willi Brase Petra Heß Lothar Mark
Marco Bülow Peter Hettlich Ulrich Maurer
Eva Bulling-Schröter Stephan Hilsberg Dorothee Menzner
Dr. Martina Bunge Priska Hinz (Herborn) Dr. Matthias Miersch
Roland Claus Cornelia Hirsch Kornelia Möller
Dr. Herta Däubler-Gmelin Ulrike Höfken Jerzy Montag
Sevim Dag˘delen Inge Höger Kerstin Müller (Köln)
Dr. Peter Danckert Bärbel Höhn Gesine Multhaupt
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/13405

Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

In Nummer 26a der Anlage des Gesetzes zur Aufhebung
nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspfle-
ge vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501), das durch Gesetz
vom 23. Juli 2002 (BGBl. I S. 2714) geändert worden ist, wer-
den vor der Angabe „62 bis 65“ die Angabe „57, 59, 60,“ und

nach den Wörtern „des Militärstrafgesetzbuches in den Fassun-
gen der Gesetze vom 16. Juni 1926 (RGBl. I S. 275),“ die
Wörter „26. Mai 1933 (RGBl. I S. 295), 23. November 1934
(RGBl. I S. 1165),“ eingefügt.

Artikel 2

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Berlin, den 17. Juni 2009

Jan Korte Dr. h. c. Gernot Erler Dr. Hans-Heinrich Jordan
Christine Lambrecht Klaus Ernst Josip Juratovic
Wolfgang Wieland Hans-Josef Fell Katja Kipping
Dr. Lale Akgün Elke Ferner Ute Koczy
Kerstin Andreae Rainer Fornahl Sylvia Kotting-Uhl
Niels Annen Wolfgang Gehrcke Ernst Kranz
Ingrid Arndt-Brauer Kai Gehring Jürgen Kucharczyk
Rainer Arnold Iris Gleicke Helga Kühn-Mengel
Hüseyin-Kenan Aydin Katrin Göring-Eckardt Renate Künast
Doris Barnett Diana Golze Fritz Kuhn
Dr. Hans-Peter Bartels Renate Gradistanac Ute Kumpf
Sören Bartol Angelika Graf (Rosenheim) Katrin Kunert
Dr. Dietmar Bartsch Kerstin Griese Markus Kurth
Marieluise Beck (Bremen) Wolfgang Grotthaus Undine Kurth (Quedlinburg)
Volker Beck (Köln) Dr. Gregor Gysi Oskar Lafontaine
Cornelia Behm Hans- Joachim Hacker Sibylle Laurischk
Birgitt Bender Heike Hänsel Monika Lazar
Klaus Uwe Benneter Michael Hartmann (Wackernheim) Michael Leutert
Karin Binder Britta Haßelmann Ulla Lötzer
Dr. Lothar Bisky Lutz Heilmann Dr. Gesine Lötzsch
Heidrun Bluhm Dr. Reinhold Hemker Helga Lopez
Gerd Bollmann Bettina Herlitzius Anna Lührmann
Dr. Uschi Eid Ulla Jelpke Omid Nouripour
Dr. Dagmar Enkelmann Dr. Lukrezia Jochimsen Petra Pau

Drucksache 16/13405 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Brigitte Pothmer Christine Scheel Hans-Christian Ströbele
Florian Pronold Bernd Scheelen Dr. Kirsten Tackmann
Bodo Ramelow Dr. Hermann Scheer Dr. Harald Terpe
Mechthild Rawert Irmingard Schewe-Gerigk Dr. h. c. Wolfgang Thierse
Steffen Reiche (Cottbus) Dr. Gerhard Schick Jürgen Trittin
Maik Reichel Dr. Konrad Schily Dr. Axel Troost
Gerold Reichenbach Renate Schmidt (Nürnberg) Alexander Ulrich
Elke Reinke Volker Schneider (Saarbrücken) Rüdiger Veit
Christel Riemann-Hanewinckel Dr. Herbert Schui Dr. Marlies Volkmer
Sönke Rix Swen Schulz (Spandau) Gerhard Wächter
René Röspel Ewald Schurer Andreas Weigel
Dr. Ernst Dieter Rossmann Frank Schwabe Gert Weisskirchen (Wiesloch)
Claudia Roth (Augsburg) Dr. Angelica Schwall-Düren Hildegard Wester
Michael Roth (Heringen) Dr. Ilja Seifert Lydia Westrich
Ortwin Runde Dr. Petra Sitte Gert Winkelmeier
Krista Sager Frank Spieth Josef Philip Winkler
Manuel Sarrazin Grietje Staffelt Waltraud Wolff (Wolmirstedt)
Axel Schäfer (Bochum) Silke Stokar von Neuforn Heidi Wright
Paul Schäfer (Köln) Christoph Strässer Jörn Wunderlich
Elisabeth Scharfenberg Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Uta Zapf

Haltung, die sich diesem Gesetz entzieht, das alles läßt sich 1934 (RGBl. IS. 1165) ist erforderlich, da diese Fassungen

durch abstrakte Normen nicht umschreiben. […] Es gibt im
Grunde keinen Tatbestand des Landesverrats. […] Die Ge-
sinnung, nicht die objektive Tat begründet das Unrecht. […]

bisher nicht in Nummer 26a der Anlage zu § 2 Nummer 3
NS-AufhG bezeichnet werden. Das Militärstrafgesetzbuch
in der Fassung vom 16. Juni 1926 (RGBl. I S. 275) enthielt
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/13405

Begründung

A. Allgemeines

Durch § 1 des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialisti-
scher Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege (NS-AufhG)
vom 25. August 1998 (BGBl. I S. 2501) werden verurteilen-
de strafgerichtliche Entscheidungen, die unter Verstoß gegen
elementare Gedanken der Gerechtigkeit nach dem 30. Januar
1933 zur Durchsetzung oder Aufrechterhaltung des national-
sozialistischen Unrechtsregimes aus politischen, militäri-
schen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Grün-
den ergangen sind, aufgehoben. Die Generalklausel des § 1
wird durch die Regelbeispiele des § 2 konkretisiert, um die
deklaratorische Feststellung der Staatsanwaltschaft nach § 6,
dass ein bestimmtes Urteil gemäß § 1 aufgehoben ist, zu er-
leichtern. Aufgehoben sind nach § 2 alle Entscheidungen des
Volksgerichtshofs, der auf Grund der Verordnung über die
Einrichtung von Standgerichten vom 15. Februar 1945
(RGBl. I S. 30) gebildeten Standgerichte sowie alle Ent-
scheidungen, die auf den in der Anlage zu § 2 Nummer 3 ge-
nannten gesetzlichen Vorschriften beruhen. Die Aufnahme
der Vorschriften des Kriegsverrats in die Anlage zu § 2 Num-
mer 3 ist geboten, weil diese Strafvorschriften Ausdruck
rechtsstaatswidrigen nationalsozialistischen Rechtsdenkens
sind.

Der Straftatbestand des Kriegsverrats wurde unter der Herr-
schaft des Nationalsozialismus erweitert und das Strafmaß
generell erhöht. Durch die Änderung des Militärstrafgesetz-
buches (MStGB) vom 23. November 1934 wurde § 58
MStGB mit einer Aufzählung von qualifizierten Tatbestän-
den des Kriegsverrats, welche mit der Todesstrafe bedroht
waren, gestrichen. In § 57 MStGB wurde stattdessen auf den
im Zuge der sogenannten Verratsnovelle vom 24. April 1934
(RGBl. I S. 341) zuvor geänderten § 9lb des Strafgesetzbu-
ches für das Deutsche Reich verwiesen und für den Straftat-
bestand des Kriegsverrats statt Zuchthaus als alleinige Straf-
androhung die Todesstrafe eingeführt (RGBl. I S. 1165). Mit
der Verratsnovelle waren die Vorschriften zum Hoch- und
Landesverrat grundlegend neu gefasst worden, wobei die
Strafbarkeit auf Vorbereitungshandlungen erstreckt, Versuch
und Vollendung weitgehend gleichgestellt und für zehn Tat-
bestände die Todesstrafe neu eingeführt worden war. Die
Verratsnovelle war Ausdruck des völkischen Strafrechtsden-
kens des Nationalsozialismus, deren Ausgangspunkt eine
auf rassischer Artgleichheit begründete Volksgemeinschaft
war, aus der sich der Verräter durch Treubruch ausschließe
(vgl. etwa Roland Freisler, Der Volksverrat. Hoch- und Lan-
desverrat im Lichte des Nationalsozialismus, in: Deutsche
Juristenzeitung 1935, S. 905 ff.). Dabei wandte sich die na-
tionalsozialistische Rechtslehre vom rechtsstaatlichen Be-
stimmtheitsgrundsatz und von deskriptiven Tatbestands-
merkmalen für Strafvorschriften ausdrücklich ab: „Die
Erfordernisse der Treue und Ehre, das innere Gesetz der
Gemeinschaft, und auf der anderen Seite die Gesinnung und

sierung verzichtet werden. Gerade auf diesem Gebiet muß
das tatbestandliche Denken von Grund aus überwunden wer-
den.“ (Georg Dahm, Verbrechen und Verrat, in: Zeitschrift
für die gesamte Staatswissenschaft 1935, S. 289, 291, 306).
Ein so verstandenes Gesetzesrecht ist mit dem rechtsstaatlich
gebotenen Grundsatz der Bestimmtheit von Strafgesetzen
unvereinbar, denn danach soll jeder Einzelne „vorhersehen
können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht
ist“ (BVerfGE 73, 206, 234 ff.; ständige Rechtsprechung).
Die Verratsnovelle wurde daher bereits durch das Kontroll-
ratsgesetz Nr. 1 betreffend die Aufhebung von NS-Recht
vom 20. September 1945 von den Alliierten als „Gesetz
politischer Natur oder Ausnahmegesetz, auf welche das
Nazi-Regime beruhte“, aufgehoben (Amtsblatt des Alliier-
ten Kontrollrats 1945, S. 6). Das rechtswissenschaftliche
Schrifttum wertet sie heute als typisch nationalsozialistisch
und rechtsstaatswidrig (s. Georg Werle, Justiz-Strafrecht
und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich,
1989, S. 110 m. w. N., 134).

Die fehlende rechtsstaatliche Bestimmtheit der Straf-
vorschriften des Kriegsverrats wird auch durch neuere
Untersuchungen zur Urteilspraxis belegt. Sie zeigen, dass
Soldaten – und auch Zivilisten – für ganz unterschiedliche
Handlungen wegen Kriegsverrats zum Tode verurteilt wur-
den: für politischen Widerstand, für die Hilfe für verfolgte
Juden oder für Unbotmäßigkeiten gegenüber Vorgesetzten.
Der unbestimmte Tatbestand des Kriegsverrats hat sich als
Instrument der NS-Justiz erwiesen, um nahezu jedwedes
politisch missliebige abweichende Verhalten als „Verrat“ zu
brandmarken und mit dem Tode bestrafen zu können (vgl.
Wolfram Wette/Detlef Vogel (Hrsg.), Das letzte Tabu.
NS-Militärjustiz und „Kriegsverrat“, 2007.)

Nachdem die Tatbestände des Hoch- und Landesverrats be-
reits bei Erlass dieses Gesetzes 1998 in Nummer 26 der An-
lage zu § 2 Nummer 3 aufgenommen wurden, ist nun auch
der Tatbestand des Kriegsverrats mit Blick auf seinen rechts-
staatswidrigen Charakter dort aufzunehmen.

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1

In Nummer 26a der Anlage zu § 2 Nummer 3 NS-AufhG
werden die §§ 57, 59, 60 MStGB eingefügt. Die Feststellung
der Aufhebung einer Verurteilung wegen Kriegsverrats
(§ 57), der Verabredung eines Kriegsverrats (§ 59) und der
Nichtanzeige eines Kriegsvenrats (§ 60) bedarf dann keiner
Einzelfallprüfung durch die zuständigen Staatsanwaltschaf-
ten mehr.

Die Aufnahme der Fassungen des Militärstrafgesetzbuches
vom 26. Mai 1933 (RGBl. I S. 295) und vom 23. November
Ist es richtig, daß Hochverrat und Landesverrat echte
Verratsdelikte darstellen, so muß auf die erschöpfende Typi-

die §§ 57 bis 60 zum Kriegsverrat sowie den in Nummer 26a
der Anlage zu § 2 Nummer 3 aufgeführten § 112 (Zwei-

Drucksache 16/1340 destag – 16. Wahlperiode
5 – 6 – Deutscher Bun

kampf unter Kameraden). Im Ersten Titel des Zweiten Teils
des Militärstrafgesetzbuches wurde Abschnitt VIa (Zwei-
kampf unter Kameraden, §§ 112 bis 112f) des Militärstrafge-
setzbuches mit der Fassung vom 26. Mai 1933 gestrichen
und stattdessen § 112 MStGB eingefügt. Mit der Fassung
vom 23. November 1934 wurde der zuvor als Qualifikations-
tatbestand mit der Strafandrohung des Todes geltende § 58
MStGB gestrichen und gleichzeitig für den „Kriegsverrat“
nach § 57 MStGB generell die Todesstrafe eingeführt.

Zu Artikel 2

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.

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