Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.2022, Az. III ZR 192/21

3. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8437

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EGMR ZIVILPROZESS SCHADENERSATZANSPRUCH

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Gegenstand

Entschädigungsprozess: Umfang der Überprüfbarkeit richterlicher Feststellungen; Höhe der Entschädigung bei Abweichung vom gesetzlichen Regelsatz


Leitsatz

1. Die Verfahrensführung des Richters wird im Entschädigungsprozess nach § 198 GVG - entsprechend den im Amtshaftungsprozess entwickelten Grundsätzen - nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Für "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" gelten insoweit keine Besonderheiten (Bestätigung und Fortführung BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, BGHZ 199, 190 und BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14, BGHZ 204, 184).

2. Im Entschädigungsprozess findet grundsätzlich keine Überprüfung der rechtlichen Überlegungen, die der Richter seiner Entscheidungsfindung zugrunde gelegt hat, auf ihre sachliche Richtigkeit statt, da hier der Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit betroffen ist (Bestätigung und Fortführung BGH, Urteil vom 13. März 2014 - III ZR 91/13, NJW 2014, 1816 und BGH, Urteil vom 13. April 2017 - III ZR 277/16, NJW 2017, 2478).

3. Der Entschädigungsanspruch für immaterielle Nachteile nach § 198 Abs. 2 Satz 3, 4 GVG ist zeitbezogen geltend zu machen, wodurch der Streitgegenstand des Verfahrens festgelegt wird. Macht der Entschädigungskläger für bestimmte Zeiträume zu Unrecht einen Entschädigungsanspruch geltend, so ist sein Antrag insoweit abzuweisen und kann gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht mit anderen Zeiträumen verrechnet werden, für die er nach Auffassung des Gerichts eine geringere Entschädigung fordert, als ihm zusteht.

4. Maßgebend für die Höhe einer vom gesetzlichen Regelsatz (§ 198 Abs. 2 Satz 3 GVG) abweichenden Entschädigung sind gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG die Umstände des Einzelfalles. Auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für die aus der überlangen Verfahrensdauer erwachsenen immateriellen Nachteile festzusetzen, die sich aus dem höheren beziehungsweise niedrigeren Entschädigungssatz nach § 198 Abs. 2 Satz 4 GVG, der sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt, und der festgestellten Verzögerungsdauer ergibt.

Tenor

Auf die Revision des beklagten [X.] wird das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 5. November 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das beklagte Land zur Zahlung eines über 1.200 € nebst Zinsen hierauf hinausgehenden Betrages verurteilt worden ist.

Die Revision des [X.] und das weitergehende Rechtsmittel des Beklagten werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 9/10 und der Beklagte 1/10.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Schadensersatzprozesses, der gegen ihn nach dem Scheitern der so genannten "[X.]", eines zum Zweck der Kapitalanlage gegründeten [X.], geführt wurde.

2

Das unter dem Aktenzeichen [X.] geführte Ausgangsverfahren war Teil eines Gesamtkomplexes von mehr als 4.000 Schadensersatzklagen, die gegen den jetzigen Kläger (im Folgenden auch: [X.]) als damaligem Beklagten seit 2006 bei dem [X.] erhoben und parallel geführt wurden. Der Kläger wurde als Verantwortlicher ("[X.]") des [X.] "[X.]" von Kapitalanlegern, die das investierte Geld verloren hatten, wegen Betruges, Kapitalanlagebetruges und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Sämtliche Verfahren wurden zunächst von der 2. Zivilkammer bearbeitet. Ab 2011 übertrug das Präsidium des [X.] die Hälfte der Verfahren auf die 14. Zivilkammer. Beide Kammern stimmten ihre Vorgehensweise in der Bearbeitung der Verfahren miteinander ab. Sie bestimmten aus zwei "Serien" - der so genannten Hauptserie mit über 4.000 Verfahren und der so genannten [X.].     -Serie mit etwa 280 Verfahren, die Beteiligungen an der [X.] zum Gegenstand hatte - jeweils ein "[X.]", also insgesamt vier Verfahren, die vorrangig gefördert werden sollten. Die restlichen Verfahren der Haupt- und L.           -Serie wurden zu den entsprechenden [X.] ausschließlich zum Zweck der Beweisaufnahme hinzuverbunden. Für die [X.] der Hauptserie und der [X.] holten die Kammern jeweils ein schriftliches Sachverständigengutachten ein, mit dessen Erstellung derselbe Sachverständige beauftragt wurde. In der [X.] bestimmte die 2. Zivilkammer das der vorliegenden Entschädigungsklage zugrundeliegende Ausgangsverfahren [X.] zum [X.], zu dem etwa 140 weitere Verfahren dieser Serie hinzuverbunden wurden.

3

Der Verlauf des Ausgangsverfahrens gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt: Mit der am 28. Dezember 2011 beim [X.] eingereichten Klage zweier Anleger wurde Schadensersatz in Höhe von insgesamt 4.809,13 € sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden begehrt. Die Klage wurde dem jetzigen Kläger und damaligen Beklagten am 27. Februar 2012 zugestellt. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 5. Juni 2013 ordnete die 2. Zivilkammer mit Beschluss vom 3. Juli 2013 von Amts wegen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Konzeption der [X.] an. Mit Beschluss vom 14. Januar 2014 bestellte die Kammer sowohl in dem [X.] der [X.] ([X.]) als auch in dem [X.] der Hauptserie (2 O 1802/07) den Wirtschaftsprüfer und Steuerberater [X.]zum Sachverständigen und erteilte diesem unter dem 27. Januar 2014 den [X.]. In der Folgezeit konnte der vom Sachverständigen zunächst in Aussicht gestellte Fertigstellungszeitpunkt bis Ende März 2015 nicht eingehalten werden, da sich die Notwendigkeit zusätzlicher Arbeiten ergab und der Sachverständige sich einer medizinischen Behandlung unterziehen musste. Darüber hinaus hinderte ihn die schwere Erkrankung eines Familienangehörigen vorübergehend an der Fertigstellung des Gutachtens. Nachdem am 24. Februar 2016 schließlich das Gutachten für die Hauptserie bei Gericht eingegangen war, setzte das [X.] dem Sachverständigen mit Beschluss vom 29. Februar 2016 für die Vorlage des Gutachtens zur [X.] eine Frist bis zum 30. Mai 2016. Der Sachverständige lieferte daraufhin das Gutachten am 31. Mai 2016 bei Gericht ab.

4

Nach entsprechender Fristsetzung nahmen die Parteien zu dem Gutachten bis zum 15. November 2016 Stellung, wobei der [X.] und ein weiterer Beklagter den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnten. Durch Beschluss vom 24. März 2017 wies das [X.] die [X.] als unbegründet zurück. Auf Antrag der Bezirksrevisorin setzte das [X.] mit Beschluss vom 7. Juli 2017 die Sachverständigenvergütung fest.

5

Im [X.] daran wertete das [X.] das in dem [X.] der Hauptserie (2 O 1802/07) erstattete Sachverständigengutachten im Umfang von 600 Seiten sowie beigezogene Unterlagen (knapp 30 Umzugskartons), von den Parteien eingereichte Unterlagen (20 Ordner) und mehrere in einem anderen Verfahren zum Anlagemodell der "[X.]" eingeholte Gutachten aus. Am 16. Oktober 2018 erging sodann ein ergänzender Beweisbeschluss.

6

Der [X.] erhob am 24. Oktober 2017 und am 29. Januar 2019 jeweils eine Verzögerungsrüge in dem Ausgangsverfahren.

7

Am 4. März 2019 erließ das [X.] auch in dem Ausgangsverfahren einen ergänzenden Beweisbeschluss. Diesen formulierte es unter dem 28. Juni 2019 abschließend und setzte dem Sachverständigen für die Übermittlung des Ergänzungsgutachtens eine Frist bis zum 31. August 2020.

8

Mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2019 nahmen die klagenden Anleger ihre Klage zurück. Nachdem der [X.] der Klagerücknahme mit am 5. November 2019 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz zugestimmt hatte, endete das Verfahren durch Schlussurteil über die Kosten vom 20. Dezember 2019, das dem [X.] am 3. Januar 2020 zugestellt wurde.

9

Der Kläger hat geltend gemacht, das Ausgangsverfahren sei von dem [X.] nicht in angemessener [X.] verhandelt und abgeschlossen worden. Bereits die [X.] von sieben Jahren und elf Monaten sei für sich genommen unangemessen lang. In dem [X.]raum vom 1. Juli 2013 bis zum 30. November 2019 sei das Verfahren im Umfang von 77 Monaten rechtsstaatswidrig verzögert worden. Das [X.] hätte keine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen anordnen dürfen. Bei sorgfältiger Auswertung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren hätte das [X.] zu dem Schluss kommen müssen, vom Erlass eines [X.] abzusehen. Der Einwand der Unschlüssigkeit der Klage und die erhobene Verjährungseinrede seien nicht beachtet worden. Davon abgesehen habe es keine verfahrensleitenden Maßnahmen zur Herbeiführung eines zügigen Verfahrensabschlusses getroffen und zeitweise das Verfahren gar nicht betrieben. Die aus seiner Sicht angemessene Entschädigung hat der Kläger in Höhe von 150 € für jeden Monat der Verzögerung beziffert (insgesamt 77 x 150 € = 11.550 €).

Das beklagte Land ist dem entgegengetreten. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen zur Tragfähigkeit des Beteiligungssystems sei jedenfalls vertretbar gewesen. Die Bearbeitungszeit durch den Sachverständigen sei angesichts des Umfangs der Begutachtung nicht zu beanstanden. Dies gelte auch für die [X.] der Auswertung des Gutachtens durch das [X.]. Der Kläger habe auch keinen immateriellen Nachteil erlitten, da das Ausgangsverfahren für ihn ohne besondere Bedeutung gewesen sei. Die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG sei widerlegt.

Das [X.] hat das beklagte Land unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung von 6.426,61 € nebst Zinsen zu zahlen, und die Revision zugelassen. Beide Parteien haben gegen das Urteil Revision eingelegt. Der Kläger verfolgt mit der Revision (und inhaltlich identischer, vorsorglich hilfsweise erhobener [X.]revision) den auf Zahlung von 11.550 € nebst Zinsen gerichteten Klageantrag weiter. Das beklagte Land erstrebt mit der Revision die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten hat teilweise Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das beklagte Land zur Zahlung eines über 1.200 € nebst Zinsen hierauf hinausgehenden Betrages verurteilt worden ist. Die Revision des [X.] ist unbegründet.

I.

Die Revisionen sind zulässig.

Im Tenor der angefochtenen Entscheidung wurde die Revisionszulassung uneingeschränkt ausgesprochen. Den Entscheidungsgründen lässt sich nicht mit der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit entnehmen, dass das [X.] die Revision nur eingeschränkt zulassen wollte. Das [X.] hat die Revision vielmehr gemäß § 201 Abs. 2 Satz 3 [X.] i.V.m. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zur Klärung der Frage zugelassen, ob bei der Beurteilung der Dauer eines [X.] in einem "Massenverfahren" Besonderheiten hinsichtlich Anspruchsgrund und -höhe zu beachten seien. Den Entscheidungsgründen lässt sich auch nicht entnehmen, dass das [X.] nur dem Beklagten Gelegenheit zur Überprüfung des Urteils geben wollte (vgl. Senat, Urteil vom 14. November 2013 - [X.], [X.], 87 Rn. 8 [X.]). Im Übrigen wäre angesichts der zusätzlich eingelegten Anschlussrevision des [X.] das Urteil auch dann auf Rechtsfehler zu seinem Nachteil zu überprüfen, wenn man den Gründen eine Beschränkung der Revisionszulassung für das beklagte Land entnehmen wollte.

II.

Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung (veröffentlicht in BeckRS 2021, 33442) im Wesentlichen ausgeführt:

Die zulässige Klage sei teilweise begründet. Dem Kläger stehe gegen das beklagte Land gemäß § 198 Abs. 1 [X.] ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 6.426,61 € zu.

Das Verfahren sei durch die Beweisaufnahme nicht unangemessen verzögert worden. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens von Amts wegen sei gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO prozessual zulässig gewesen. Die Schlüssigkeit der Klage sei im [X.] ebenso wenig wie der Eintritt der Verjährung zu überprüfen, da die Beurteilung dieser Fragen zu dem privilegierten Kernbereich der richterlichen Tätigkeit des Ausgangsgerichts zur Schaffung einer Entscheidungsgrundlage gehöre. Dem Kläger sei auch nicht darin zu folgen, dass sämtliche Tatsachen- und Rechtsfragen bereits geklärt gewesen seien. Der Verweis auf in anderen Verfahren eingeholte Gutachten und ergangene Urteile sei insoweit unbehelflich, weil das Ausgangsgericht weder an die [X.] anderer Gerichte noch an die Entscheidungsgrundlagen aus anderen Verfahren gebunden sei, sondern in Ausübung richterlicher Unabhängigkeit selbst darüber zu befinden habe, welche Behauptungen es für streitig und beweisbedürftig erachte.

Die Beanstandung des [X.], das Ausgangsgericht habe keine hinreichenden Maßnahmen zur Verfahrensförderung ergriffen, sei nur zum Teil berechtigt. In dem [X.]raum vom 7. Juli 2017 bis zum 4. März 2019 sei es zu einer unangemessenen Verfahrensverzögerung von acht Monaten gekommen. Darüber hinaus sei keine Überlänge festzustellen.

Den ersten Verfahrensabschnitt bis zur Durchführung der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2013 rüge der Kläger selbst nicht als verzögert. Die [X.]spanne zwischen Erlass des [X.] vom 3. Juli 2013 bis zur Bestellung des Sachverständigen durch Beschluss vom 14. Januar 2014 sei ebenfalls nicht unangemessen lang gewesen. Die Suche nach einem geeigneten Sachverständigen sei aufgrund der Komplexität und des Umfangs des [X.] anspruchsvoll gewesen. Es seien keine [X.]räume festzustellen, in denen das [X.] das Verfahren nicht gefördert habe.

Ebenso wenig sei der [X.] bis zum 31. Mai 2016 unangemessen lang gewesen. Insbesondere lasse sich eine unangemessene Verfahrensdauer nicht daraus herleiten, dass das [X.] dem Sachverständigen für die Fertigstellung des Gutachtens nicht von Anfang an eine Frist gesetzt habe. Die bis zum 14. Oktober 2016 geltende Fassung des § 411 Abs. 1 ZPO habe eine Fristsetzung nicht zwingend vorgeschrieben. Das Unterlassen einer Fristsetzung könne daher nur dann zu einer Zurechnung des verzögernden Verhaltens eines Sachverständigen führen, wenn das Gericht diesem gegenüber eine unvertretbare Nachsicht walten lasse (Hinweis auf Senat, Urteil vom 4. November 2010 - [X.], [X.], 286 Rn. 22 [Amtshaftung]). Das sei vorliegend nicht festzustellen. Vielmehr habe das [X.] ausreichende Anstrengungen unternommen, den Sachverständigen zu einem zeitnahen Abschluss der Begutachtung anzuhalten.

Zutreffend rüge der Kläger allerdings, dass das [X.] nach Eingang des Gutachtens am 31. Mai 2016 nicht zügig genug die Ergänzungsbegutachtung vorangetrieben habe. Bis zum Erlass des [X.] vom 7. Juli 2017 seien zwar noch keine unvertretbaren Liegezeiten festzustellen. Danach sei das Verfahren jedoch bis zum Erlass des ergänzenden [X.] vom 4. März 2019 im Umfang von acht Monaten unangemessen lang gewesen, wobei eine Kompensation dieser Überlänge bis zur [X.] nicht mehr eingetreten sei. Die äußerste Grenze für die vertretbare Auswertungszeit des Gutachtens liege - gerechnet ab der letzten inhaltlich verfahrensfördernden Handlung vom 7. Juli 2017 - bei (aufgerundet) zwölf Monaten. Tatsächlich habe das [X.] jedoch ab dem 7. Juli 2017 insgesamt 20 Monate benötigt.

Dem Kläger sei durch die unangemessene Verfahrensdauer nach der nicht widerlegten Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 [X.] ein immaterieller Nachteil entstanden. Hierfür stehe ihm eine Entschädigung in Höhe von 6.426,61 € zu. Eine anderweitige Wiedergutmachung als die Entschädigung in Geld sei vorliegend nicht ausreichend. Aufgrund der besonderen Umstände des Falles sei der in § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] vorgesehene Regelsatz gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] zu erhöhen. In einem ersten Schritt sei zunächst nur das Ausgangsverfahren zu betrachten. Wegen dessen herausragender Bedeutung für den Kläger als Pilotverfahren für eine Vielzahl von Verfahren sowie wegen dessen rufschädigenden Charakters auf Grund der gegen den Kläger in dem Ausgangsverfahren erhobenen (deliktsrechtlichen) Vorwürfe sei der Regelsatz zu verdoppeln (insgesamt 1.600 € = 8 x 200 €). In einem zweiten Schritt sei die Zahl der hinzuverbundenen Verfahren zu berücksichtigen. Hierdurch hätten sich die Belastung des [X.] und damit die Bedeutung, die das Pilotverfahren für ihn gehabt habe, erhöht. Dabei sei allerdings zu bedenken, dass bei einer Vielzahl gleichgerichteter Schadensersatzforderungen die zusätzliche Belastung mit jedem weiteren Verfahren abnehme. Daher sei es unbillig, dem Kläger für jedes weitere Verfahren [X.]eils den Regelsatz zuzusprechen. Diesem Umstand werde dadurch Rechnung getragen, dass die 140 mit dem Pilotverfahren verbundenen Verfahren zu sieben "[X.]" zu je 20 Verfahren zusammengefasst würden und nur für das erste Verfahrensbündel der Regelsatz, für die folgenden Verfahrensbündel hingegen [X.]eils nur 95 % des für das vorangegangene Paket angesetzten Wertes veranschlagt werde (insgesamt 4.826,61 €). Anhand dieser Berechnungsmethode werde gewährleistet, dass nach § 198 [X.] zuzusprechende Entschädigungsbeträge auch im Fall von Massenverfahren im Vergleich mit der Rechtsprechung zum Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 [X.]) sowie mit der Rechtsprechung des [X.] verhältnismäßig seien.

III.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Die Ausführungen des [X.]s zum Anspruchsgrund sind allerdings im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) [X.] aus § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt die unangemessene Dauer eines Gerichtsverfahrens voraus.

aa) Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Diese in § 198 Absatz 1 Satz 2 [X.] genannten Kriterien sind zwar beson[X.] bedeutsam, jedoch nur beispielhaft ("insbesondere") und nicht abschließend zu verstehen. Weitere gewichtige Beurteilungskriterien sind die Verfahrensführung durch das Gericht sowie die zur Verfahrensbeschleunigung gegenläufigen Rechtsgüter. Darunter fallen vor allem die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gewährleistung der inhaltlichen Richtigkeit von Entscheidungen sowie die Grundsätze der richterlichen Unabhängigkeit und des gesetzlichen Richters. Dadurch wird sichergestellt, dass die Verfahrensbeschleunigung nicht zum Selbstzweck wird (st. Rspr.; zB Senat, Urteile vom 14. November 2013 - [X.], [X.], 87 Rn. 25, 33; vom 13. Februar 2014 - [X.], NJW 2014, 1183 Rn. 26; vom 12. Februar 2015 - [X.], [X.], 184 Rn. 24 f und vom 13. April 2017 - [X.], NJW 2017, 2478 Rn. 16).

bb) Dem Gericht muss in jedem Fall eine ausreichende Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehen, die der Schwierigkeit und Komplexität der Rechtssache angemessen Rechnung trägt. Abgesehen von zwingenden gesetzlichen Vorgaben besteht ein Ermessen des verantwortlichen Richters hinsichtlich der Verfahrensgestaltung. Zur Ausübung seiner verfahrensgestaltenden Befugnisse ist ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zuzubilligen. Der [X.] hat keinen Anspruch auf eine optimale Verfahrensförderung. Demgemäß wird die Verfahrensführung des Richters im nachfolgenden [X.] - entsprechend den vom Senat im Amtshaftungsprozess entwickelten Grundsätzen (vgl. Urteil vom 4. November 2010 - [X.], [X.], 286 Rn. 14) - nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit überprüft. Letztere darf nur verneint werden, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Rechtspflege das richterliche Verhalten nicht mehr verständlich ist. Dabei ist darauf abzustellen, wie das Ausgangsgericht die Lage aus seiner Sicht ex ante einschätzen durfte. [X.] ist es, wenn ein entscheidungsreifes Verfahren nicht mehr gefördert wird und sich die "Tätigkeit" des Gerichts auf ein Liegenlassen der Akten beschränkt. Eine nach der [X.]eiligen Prozessordnung vertretbare Verfahrensleitung begründet dagegen auch dann keinen Entschädigungsanspruch, wenn sie zu einer Verlängerung des Gerichtsverfahrens geführt hat (st. Rspr.; siehe nur Senat, Urteile vom 5. Dezember 2013 - [X.], [X.], 190 Rn. 45 f; vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 26, 32 und vom 13. April 2017 aaO; [X.]. [X.]).

Im [X.] findet, wie der Senat bereits mehrfach ausgesprochen hat (Urteile vom 13. März 2014 - [X.], NJW 2014, 1816 Rn. 34 und vom 13. April 2017 aaO Rn. 16), keine Überprüfung der rechtlichen Überlegungen statt, die [X.] seiner Entscheidungsfindung zugrunde gelegt hat. Da hier der Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit betroffen ist, darf die Rechtsauffassung des Richters - abgesehen von aus der ex ante-Perspektive eklatanten Rechtsanwendungsfehlern - im [X.] grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden. Die Grenze zwischen Angemessenheit der Verfahrensdauer und Richtigkeit der Rechtsanwendung darf nicht verwischt werden. Denn in dem Bewusstsein, dass richterliche Entscheidungen fehlerhaft sein können, stellen die Verfahrensordnungen dem [X.] gerade Rechtsmittel zur Verfügung, die der Überprüfung und Korrektur von Entscheidungen dienen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine richterliche Entscheidung nicht selten auf der Grundlage eines Bewertungs- und Abwägungsprozesses getroffen wird, der je nach Gewichtung einzelner Kriterien an[X.] ausfallen kann. Aus diesem Grund kann nicht jede (tat-)richterliche Entscheidung, welche für rechtsfehlerhaft gehalten wird, als Verletzung der Verfahrensgarantie angesehen werden. Der [X.] kann daher regelmäßig nicht damit gehört werden, dass die Einholung eines Gutachtens überflüssig gewesen sei und die Klage bei zutreffender rechtlicher Würdigung durch die erste Instanz schon nach dem ersten Termin hätte abgewiesen werden können und müssen (vgl. [X.], [X.] aus § 198 [X.], 2018, [X.] ff; [X.], [X.] 2015, 151, 152; [X.] in Festschrift [X.], 2014, [X.], 555; [X.]. [X.], 485, 488).

cc) Soweit die Revision des [X.] die Vertretbarkeit als Maßstab für die Beurteilung der richterlichen Verfahrensführung im [X.] insbesondere bei "Pilotverfahren" im Zusammenhang mit Massenverfahren für verfehlt erachtet, überzeugt dies nicht. Die dargestellten Grundsätze zu den Grenzen der richterlichen Verfahrensführung anhand des Maßstabs der Vertretbarkeit wi[X.]prechen weder dem Wortlaut noch dem Zweck des § 198 Abs. 1 [X.]. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es nach § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf die Umstände des Einzelfalles an, wozu insbesondere auch die Verfahrensführung durch das Gericht gehört. Die zwischen § 839 [X.] und § 198 [X.] bestehenden dogmatischen Unterschiede rechtfertigen keinen divergierenden Maßstab bei der Überprüfung der Angemessenheit der Verfahrensdauer. Denn es geht in beiden Fällen um dasselbe verfassungsrechtliche Spannungsverhältnis zwischen dem Gebot effektiven Rechtsschutzes und der richterlichen Unabhängigkeit. Diesbezüglich einen unterschiedlichen Prüfungsmaßstab anzulegen, wäre wi[X.]prüchlich (vgl. [X.] aaO S. 174, 179). Durch die nur eingeschränkte Überprüfbarkeit der richterlichen Verfahrensführung auf ihre Vertretbarkeit wird dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes auf der einen Seite und dem Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit auf der anderen Seite ausgewogen Rechnung getragen. Die Auslegung und Anwendung der Entschädigungsregelung des § 198 [X.] darf nicht dazu führen, dass gerichtliche Verfahren auf Kosten der inhaltlichen Richtigkeit der getroffenen Entscheidung vorschnell beendet werden. Für "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren" gelten insoweit keine Besonderheiten.

b) Ein Verfahren dauert unangemessen lang im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.], wenn eine insbesondere an den Merkmalen des § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] (Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter) ausgerichtete und den Gestaltungsspielraum der Gerichte bei der Verfahrensführung beachtende Gewichtung und Abwägung aller bedeutsamen Umstände des Einzelfalles ergibt, dass die aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 6 Abs. 1 [X.] folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener [X.] zum Abschluss zu bringen, verletzt ist. Die Verfahrensdauer muss insgesamt eine Grenze überschreiten, die sich für den Betroffenen als sachlich nicht mehr gerechtfertigt oder unverhältnismäßig darstellt (Senat, Urteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 36 ff; vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 35 ff und vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 27; [X.]. [X.]). Dabei ist stets in den Blick zu nehmen, dass sich mit zunehmender Verfahrensdauer die gerichtliche Pflicht verdichtet, sich nachhaltig um eine Förderung und Beendigung des Verfahrens zu bemühen (vgl. nur Senat, Urteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 11; vom 14. November 2013 aaO Rn. 30; vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 41; vom 23. Januar 2014 aaO Rn. 37 und vom 12. Februar 2015 aaO).

c) Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer hat der Tatrichter einen Beurteilungsspielraum. Das Revisionsgericht ist darauf beschränkt zu überprüfen, ob das [X.] den rechtlichen Rahmen verkannt beziehungsweise Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senat, Urteile vom 14. November 2013 aaO Rn. 34 und vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 28).

d) Nach diesen Maßstäben hält die Beurteilung des [X.]s, das Ausgangsverfahren weise im Umfang von acht Monaten eine unangemessene Dauer auf, den Angriffen der Revisionen der Parteien im Ergebnis stand.

aa) Allerdings beträgt die Gesamtdauer des [X.] als maßgeblicher Bezugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit entgegen der Auffassung des [X.]s nicht sieben Jahre und zehneinhalb Monate, sondern - wie die Revision des Beklagten zu Recht rügt - lediglich sieben Jahre und acht Monate. Das Ausgangsverfahren für den jetzigen Kläger und damaligen Beklagten begann mit Zustellung der Klageschrift am 27. Februar 2012 (vgl. [X.], [X.] wegen unangemessener Verfahrensdauer nach §§ 198 ff. [X.], 2020, [X.] f). Es war aber nicht erst mit Rechtskraft der Kostenentscheidung, sondern bereits mit der Zustimmung des jetzigen [X.] zur Klagerücknahme beendet.

Nach § 198 Abs. 6 Nr. 1 [X.] erfasst der Begriff des Gerichtsverfahrens alle Verfahrensstadien von der Einleitung bis zur rechtskräftigen Entscheidung, wobei über den Wortlaut der Vorschrift hinaus neben den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die anderweitige Erledigung des Verfahrens tritt, wenn aus prozessualen Gründen eine förmliche Entscheidung nicht (mehr) geboten ist. Das Gesetz geht von einem an der Hauptsache orientierten Begriff des Gerichtsverfahrens aus, so dass - von der Ausnahme des eröffneten Insolvenzverfahrens abgesehen - nicht jeder einzelne Antrag oder jedes einzelne Gesuch als gesondertes Gerichtsverfahren anzusehen ist (Senat, Urteile vom 5. Dezember 2013 aaO Rn. 20 f und vom 13. April 2017 aaO Rn. 11).

Nach Klagerücknahme durch die Anleger mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2019 war im Ausgangsverfahren eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr veranlasst. Da bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hatte, war für die Wirksamkeit der Klagerücknahme gemäß § 269 Abs. 1 ZPO die Einwilligung des [X.]s erforderlich, wobei die Möglichkeit bestand, diese gemäß § 269 Abs. 2 Satz 4 ZPO fiktiv herbeizuführen. Maßgebend für die Berechnung der [X.] ist vorliegend, dass der Kläger seine Zustimmung mit einem am 5. November 2019 beim [X.] eingegangenen Schriftsatz erklärte. Die entschädigungsrelevante Dauer des [X.] beträgt somit sieben Jahre und acht Monate (27. Februar 2012 bis 5. November 2019).

bb) Die Würdigung des [X.]s, dass die Verfahrensdauer bis zur Verkündung des [X.] vom 3. Juli 2013 nicht unangemessen sei, wird von der Revision des [X.] nicht angegriffen und lässt auch sonst Rechtsfehler nicht erkennen.

cc) Ebenso hält die Würdigung des [X.]s, dass die Verfahrensdauer bis zum Eingang des Sachverständigengutachtens bei Gericht am 31. Mai 2016 nicht zu beanstanden sei, der rechtlichen Überprüfung stand.

(1) Zutreffend hat das [X.] es abgelehnt, im [X.] die Erforderlichkeit der angeordneten Beweisaufnahme zu überprüfen. Da die Anordnung einer Beweisaufnahme darauf gerichtet ist, die Grundlagen für die Sachentscheidung zu gewinnen, betrifft sie den Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit (vgl. Senat, Urteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 13). Dementsprechend oblag die Beurteilung der [X.] und der Frage, ob eine Beweisaufnahme über die der [X.] zugrundeliegenden Tatsachenbehauptungen zu einer schnelleren Beendigung des [X.] hätte führen können, allein dem Ausgangsgericht. Im Hinblick auf den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit war es dem [X.] im [X.] verwehrt, seine eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Ausgangsgerichts zu setzen. Aus demselben Grund hatte das [X.] auch nicht zu überprüfen, ob das Ausgangsgericht die Beweisaufnahme durch Auswertung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft sowie der bereits in anderen Zivilverfahren eingeholten Gutachten hätte vermeiden oder in ihrem Umfang reduzieren können. Erst recht war das [X.] nicht zur Einholung einer amtlichen Auskunft gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darüber verpflichtet, ob das [X.] vor Erlass des [X.] die Schlüssigkeit der Klage und die Verjährung der [X.] (hinreichend) geprüft habe. Die gegenteilige Auffassung des [X.] verkennt das Wesen der gemäß Art. 97 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantierten richterlichen Unabhängigkeit grundlegend.

(2) Die Beauftragung desselben Sachverständigen mit der Erstellung sowohl des Gutachtens zur Hauptserie als auch des Gutachtens zur [X.] hat das [X.] zu Recht nicht beanstandet. Insoweit übte das [X.] ebenfalls zumindest in vertretbarer Weise seine verfahrensgestaltenden Befugnisse aus. Wie auch die Revision des [X.] nicht verkennt, war es nur durch die gemeinsame Begutachtung in beiden Pilotverfahren möglich, die ganze "Fallbreite" der zahlreichen Schadensersatzklagen gegen den Kläger abzudecken. Zur Bewältigung solcher Massenverfahren ist nicht nur die Auswahl und vorrangige Betreibung von "Musterverfahren" oder "Pilotverfahren", sondern auch die gemeinsame Begutachtung inhaltlich zusammenhängender Pilotverfahren regelmäßig vernünftig und zweckmäßig, um dadurch Synergieeffekte zu erzielen und Rechtsfragen von zentraler Bedeutung verfahrensübergreifend auf prozessökonomische Weise zu klären (vgl. Senat, Urteil vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 32 f). Die Entscheidung, ein "Pilotverfahren" durchzuführen, gehört ebenso zu den verfahrensgestaltenden Befugnissen eines Gerichts wie die Beauftragung desselben Sachverständigen in vergleichbar gelagerten Verfahren.

Soweit die Revision des [X.] meint, das Ausgangsverfahren sei durch die Anordnung der gemeinsamen Begutachtung im Umfang von zwei Jahren unangemessen verzögert worden, trifft dies bereits im Ansatz nicht zu. Nach den Feststellungen des [X.]s hat der Sachverständige das Gutachten zur Hauptserie rund zwei Jahre nach seiner Beauftragung fertiggestellt. Diese [X.] kam zugleich der Begutachtung im Ausgangsverfahren zugute. Die Revision des [X.] räumt selbst ein, dass durch die einheitliche Begutachtung Synergieeffekte erzielt worden seien, weil das Gutachten zur L.     -Serie aus dem Gutachten zur Hauptserie entwickelt worden sei. Ohne diese Synergieeffekte wäre es dem Sachverständigen angesichts des Umfangs und der Komplexität des [X.] schwerlich möglich gewesen, dem [X.] das Gutachten zur [X.] nur rund drei Monate nach Fertigstellung des Gutachtens zur Hauptserie zuzuleiten.

(3) Die Würdigung des [X.]s, die Erstellungsdauer des Gutachtens durch den Sachverständigen S.     habe das Verfahren nicht unangemessen verzögert, ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern.

(a) Durch einen Sachverständigen verursachte [X.] führen nur dann zu einer Entschädigungspflicht nach § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.], wenn das Verhalten des Sachverständigen dem Ausgangsgericht zugerechnet werden kann. Für den Entschädigungsanspruch kommt es zwar auf ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten des mit der Sache befassten Richters oder eines sonstigen Angehörigen der Justiz - an[X.] als bei der Amtshaftung - nicht an (Senat, Urteil vom 7. November 2019 - [X.], [X.], 20 Rn. 22). Das ändert jedoch nichts daran, dass der gemäß § 198 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu ersetzende Nachteil durch [X.] verursacht worden sein muss, die im Verantwortungsbereich des in Anspruch genommenen Rechtsträgers begründet liegen (vgl. Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, BT-Drucks. 17/3802, S. 18 f). Für Nachteile, die durch außerhalb des [X.] des Staates eingetretene [X.] entstanden sind, wird keine Entschädigung geleistet. Die Tätigkeit von Sachverständigen unterliegt nicht dem staatlichen Verantwortungsbereich. Das gilt unabhängig davon, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen erfolgt. Die Anordnung der Begutachtung von Amts wegen (zB nach § 144 Abs. 1 ZPO) gewährt dem Gericht keine größeren Einflussmöglichkeiten auf die Tätigkeit des Sachverständigen. Daher wird eine unangemessene [X.] dem staatlichen Verantwortungsbereich nur dann zugeordnet, wenn das Gericht gegenüber einem säumigen Sachverständigen sich unangemessen nachsichtig gezeigt und von der Ergreifung der ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Maßnahmen abgesehen hat, um diesen zu einer zügigen Begutachtung anzuhalten (BT-Drucks. 17/3802 aaO, S. 18; [X.]/[X.], [X.], § 839 Rn. 1297 [Stand: 1. November 2022]; [X.] aaO S. 97 f [X.]; [X.], [X.] 2015, 151, 154; [X.]. [X.], 2554, 2558; siehe auch Senat, Urteil vom 4. November 2010 aaO Rn. 22 zum Amtshaftungsprozess).

(b) Nach diesen Maßstäben ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass in dem [X.]raum, in welchem das [X.] die Erstellung des Gutachtens abgewartet hat, keine entschädigungsrechtlich relevante Liegezeit zu sehen ist. Angesichts der Komplexität des [X.] (Klärung schwieriger betriebswirtschaftlicher Fragen im Rahmen eines [X.], Vielzahl von Beiakten) war die vom [X.] ursprünglich zugestandene Bearbeitungsdauer von 14 Monaten nicht unangemessen. Nach den Feststellungen des [X.]s hat das [X.] auch ausreichende Anstrengungen unternommen, um den Sachverständigen zu einer zeitnahen Begutachtung anzuhalten. Für die Überschreitung der ursprünglich avisierten [X.] lagen [X.] vor (erhöhter Begutachtungsaufwand auf Grund nachgereichter Unterlagen der klagenden Anleger, Erkrankung des Sachverständigen). Auf die durch die schwerwiegende Erkrankung eines nahen Familienangehörigen des Sachverständigen verursachte Verzögerung der Begutachtung hat das [X.] schließlich mit einer durch Beschluss vom 29. Februar 2016 erfolgten angemessenen Fristsetzung nach § 411 Abs. 1 ZPO reagiert.

Der Einwand der Revision des [X.], das [X.] hätte dem Sachverständigen für die Fertigstellung des Gutachtens von Anfang an eine Frist setzen müssen, ist nicht berechtigt. Es trifft zwar zu, dass dem Gericht die verzögerte Erstattung eines Sachverständigengutachtens aufgrund des Unterlassens einer Fristsetzung gemäß § 411 Abs. 1 ZPO zuzurechnen sein kann ([X.]/Lückemann, ZPO, 34. Aufl., § 198 [X.] Rn. 3 [X.]). Das [X.] ist aber zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend angesichts der Verständigung zwischen dem [X.] und dem Sachverständigen über die voraussichtliche Bearbeitungsdauer eine sofortige Fristsetzung nicht geboten war. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass es gemäß § 411 Abs. 1 ZPO in der bis zum 14. Oktober 2016 geltenden Fassung im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts lag, dem Sachverständigen für die Erstellung eines Gutachtens eine Frist zu setzen. Davon abgesehen vermag das Unterlassen einer Fristsetzung für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens eine unangemessene Verfahrensdauer dann nicht zu begründen, wenn für die Verzögerung - wie hier - sachgerechte Gründe vorliegen, so dass auch bei einer Fristsetzung nicht mit einer schnelleren Erstattung des Gutachtens zu rechnen gewesen wäre (vgl. [X.], 136 Rn. 41 [X.]).

Soweit die Revision des [X.] geltend macht, das [X.] habe nicht angemessen auf den ungewöhnlichen Begutachtungsaufwand von 8.000 Arbeitsstunden reagiert, hat das [X.] diesen Einwand zu Recht als unsubstantiiert zurückgewiesen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen ([X.] 65 ff).

dd) Schließlich ist auch nicht zu beanstanden, dass das [X.] die Verfahrensdauer nach Eingang des Sachverständigengutachtens am 31. Mai 2016 im Umfang von acht Monaten als überlang beurteilt hat.

(1) Der Einwand der Revision des [X.], das [X.] habe bei der Beurteilung der Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch, die Festsetzung der Sachverständigenvergütung und die Auswertung des Sachverständigengutachtens unberücksichtigt gelassen, dass sich die gerichtliche Pflicht zur Förderung und Beendigung des Verfahrens mit zunehmender Verfahrensdauer verdichte, trifft nicht zu. Dieser Gesichtspunkt wird in dem angegriffenen Urteil mehrfach und insbesondere - auch unter Berufung auf die Senatsrechtsprechung (Urteile vom 4. November 2010 aaO Rn. 11, 14 sowie vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 27) - in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beurteilung der vorgenannten [X.] berücksichtigt und angemessen gewürdigt (zB [X.] 69 Abs. 4; [X.] 74 f).

(2) Vergeblich wendet sich die Revision des beklagten [X.] gegen die Wertung des [X.]s, die nach der Entscheidung über die Sachverständigenvergütung vom 7. Juli 2017 erfolgte und mit dem ergänzenden Beweisbeschluss vom 4. März 2019 endende Auswertung des Sachverständigengutachtens sei im Umfang von acht Monaten (bezogen auf einen [X.]raum von 20 Monaten) überlang gewesen. Das [X.] hat diese Feststellung unter Berücksichtigung und angemessener Abwägung aller für die Beurteilung der Verfahrensdauer wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei getroffen.

(a) Der überdurchschnittlichen Komplexität des [X.] hat das [X.] dadurch Rechnung getragen, dass es dem [X.] für die Auswertung des Sachverständigengutachtens eine ausgiebige Vorbereitungs- und Bearbeitungszeit von zwölf Monaten zugebilligt hat. Den [X.]raum von zwölf Monaten hat das [X.] durch einen Vergleich zum einen mit der vierzehnmonatigen Dauer des Verfahrensabschnitts von der Klagezustellung bis zur Terminsverfügung vom 8. Mai 2013 und zum anderen mit der den Parteien für die Stellungnahme zu dem Sachverständigengutachten eingeräumten Frist von fünfeinhalb Monaten ermittelt. Es habe dem [X.] grundsätzlich möglich sein müssen, das Gutachten innerhalb [X.]elben [X.] wie die Parteien auszuwerten, wobei für die Auswertung der umfangreichen Stellungnahmen der Parteien allerdings eine zusätzliche [X.]spanne anzusetzen sei. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen tatrichterlicher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Entgegen der Auffassung der Revision des beklagten [X.] hat das [X.] mit der Feststellung, das [X.] sei in der Phase der Auswertung des Gutachtens durch andere Verfahren - mit Ausnahme des [X.] der Hauptserie - nicht nennenswert belastet und abgelenkt gewesen, nicht in gehörswidriger Weise "unterstellt", dass die 2. Zivilkammer des [X.]s während der Auswertung des Gutachtens außer den beiden Pilotverfahren zur "[X.]" keine anderen Verfahren zu bearbeiten gehabt habe. Die Feststellung zielte darauf ab, dass die 2. Zivilkammer in der [X.] nicht mehr wie zuvor im Rahmen des ersten Verfahrensabschnitts mit der verfahrenstechnischen Bewältigung der Vielzahl der zur Haupt- und zur [X.] gehörenden Verfahren belastet gewesen sei. Aus diesem Zusammenhang folgt, dass sich die "anderen Verfahren" nicht auf den gesamten Kammerbestand, sondern lediglich auf die übrigen Verfahren der Haupt- und der L.     -Serie beziehen, die zu den beiden Pilotverfahren zwecks gemeinsamer Beweisaufnahme hinzuverbunden worden waren. Davon abgesehen hat das [X.] dem Umstand, dass das [X.] neben dem Ausgangsverfahren noch andere Verfahren zu bearbeiten hatte, hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass es dem [X.] für die Auswertung des Gutachtens die beträchtliche Bearbeitungszeit von zwölf Monaten zugebilligt hat. Aus dem Gesamtzusammenhang der von der Revision beanstandeten Formulierungen (zB [X.] 73 Abs. 2, 80 Abs. 2, 81 Abs. 4, 82 Abs. 1, 3, 86 Abs. 2) mit dem übrigen Urteilsinhalt ergibt sich somit lediglich, dass das [X.] angesichts der beträchtlichen Verfahrensdauer gehalten war, seine Tätigkeit auf die beiden Pilotverfahren zu konzentrieren und "zuvör[X.]t" die eingegangenen Gutachten auszuwerten. Dass daneben keine weiteren Verfahren zu bearbeiten waren, folgt daraus nicht. [X.] wurde lediglich eine "akute Belastung" mit anderen Verfahren.

(b) Die Auffassung des [X.]s, dass das Ausgangsverfahren als Pilotverfahren von ungefähr 140 Verfahren für den Kläger von besonderer Bedeutung gewesen sei, an dessen zügigem Abschluss er wegen drohender Rufschädigung sowie im Hinblick auf sein fortgeschrittenes Alter ein hohes Interesse gehabt habe, stellt ebenfalls eine vertretbare tatrichterliche Würdigung dar.

Der Einwand der Revision des Beklagten, das Ausgangsverfahren sei für den Kläger bedeutungslos gewesen, da bei dem [X.] gegen ihn seinerzeit Rechtsstreitigkeiten anhängig gewesen seien, in denen er auf Zahlung von insgesamt 92.057.381,17 € in Anspruch genommen worden sei, wovon mehr als 80.000.000 € auf die Hauptserie entfallen seien, so dass es für den Kläger ohne Belang gewesen sei, zusätzlich auf die Zahlung von "weniger als 10.000.000 €" in der L.        -Serie in Anspruch genommen zu werden, ist verfehlt. Die von der Revision angeführten Größenordnungen belegen vielmehr, dass die in der L.      -Serie gegen den Kläger geltend gemachten Forderungen in ihrer Summe beträchtlich waren und der Ausgang des [X.] der L.          -Serie daher für die wirtschaftlichen Verhältnisse des [X.] von erheblicher Bedeutung war. Der Umstand, dass gegen ihn daneben eine weitere Verfahrensserie mit einer noch viel höheren [X.] anhängig war, ändert daran nichts.

(c) Dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten hat das [X.] für den vom 7. Juli 2017 bis zum 4. März 2019 dauernden Verfahrensabschnitt zu Recht keine entschädigungsrechtliche Bedeutung beigemessen. Soweit die Revision des Beklagten geltend macht, dass die Parteien des [X.] durch Fristverlängerungsanträge, Einwände gegen den Beweisbeschluss sowie Ablehnungsgesuche erheblich zur Verfahrensdauer beigetragen hätten und dieses Verhalten nicht dem [X.] zugerechnet werden könne, sind andere [X.] betroffen, für die das [X.] gerade keine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt hat. Den umfangreichen Stellungnahmen der Parteien zu dem Sachverständigengutachten hat das [X.] bei Bemessung der dem [X.] zugebilligten Bearbeitungszeit von zwölf Monaten ausreichend Rechnung getragen.

(d) Die weitere Rüge der Revision des Beklagten, das [X.] habe rechtsfehlerhaft angenommen, das [X.] hätte nach Eingang der Gutachten in den beiden Pilotverfahren (am 24. Februar 2016 und 31. Mai 2016) nicht vorrangig das Pilotverfahren der Hauptserie (2 O 1802/07) bearbeiten dürfen, sondern gleichrangig das Pilotverfahren der L.            -Serie ([X.]) bearbeiten müssen, greift ebenfalls nicht durch.

Sofern der Arbeitsanfall die alsbaldige Bearbeitung und Terminierung sämtlicher zur Entscheidung anstehender Fälle nicht zulässt, muss das Gericht zwangsläufig eine zeitliche Reihenfolge festlegen ([X.], NJW 2013, 3630 Rn. 32). Zu diesem Zweck wird ihm - wie oben bereits ausgeführt - ein weiter Gestaltungsspielraum zugebilligt, der es ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeit der einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zu tragen und darüber zu entscheiden, wann es welches Verfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise fördern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu erforderlich sind. Die beson[X.] intensive Befassung mit einem in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht schwierig erscheinenden Verfahren führt zwangsläufig dazu, dass während dieser [X.] die Förderung [X.] zugewiesener Verfahren vorübergehend zurückstehen muss (Senat, Urteil vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 33).

Von diesen Grundsätzen ist auch das [X.] ausgegangen. Es hat ausdrücklich festgestellt, dass es aufgrund des unmittelbaren Zusammenhangs zwischen den Verfahren der Haupt- und der L.        -Serie nicht ermessensfehlerhaft oder sachfremd gewesen sei, dass sich das [X.] zunächst der Auswertung des in dem Pilotverfahren der Hauptserie eingeholten Gutachtens zugewandt habe ([X.] 84 Abs. 3). Angesichts dieser Feststellung kann keine Rede davon sein, dass das [X.] die vorrangige Auswertung des in dem Pilotverfahren der Hauptserie eingeholten Gutachtens für unvertretbar gehalten habe.

(e) An[X.] als die Revision des Beklagten meint, ist der Umstand, dass der Kläger erstmals am 24. Oktober 2017 eine Verzögerungsrüge erhoben hat, für die Beurteilung der Verfahrensdauer ohne Bedeutung.

Für den in § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] bestimmten [X.]punkt ist maßgeblich, wann ein Betroffener erstmals Anhaltspunkte dafür hat, dass das Ausgangsverfahren keinen angemessen zügigen Fortgang nimmt. Auf ein rein subjektives Empfinden des Verfahrensbeteiligten kommt es hierbei nicht an. Vielmehr müssen objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtungsweise geeignet sind, zu einer unangemessenen Verfahrensdauer zu führen, ohne dass ein allzu strenger Maßstab angelegt werden darf (Senat, Urteil vom 26. November 2020 - [X.]/20, [X.], 377 Rn. 21 [X.]). Wird die Verzögerungsrüge wirksam erhoben, so ist es grundsätzlich unerheblich, wann sie nach dem in § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 [X.] bestimmten [X.]punkt eingelegt worden ist. Das Entschädigungsgericht hat dann die Angemessenheit der Verfahrensdauer insgesamt zu überprüfen und bei Vorliegen einer Überlänge den Betroffenen vollständig zu entschädigen (Senat aaO Rn. 23). Dass der Kläger die Verzögerungsrüge verfrüht oder rechtsmissbräuchlich verspätet eingelegt hat, ist angesichts der Feststellung des [X.]s, dass im Rügezeitpunkt aus Sicht des [X.] seit rund drei Monaten eine Untätigkeit des [X.]s vorgelegen habe, auszuschließen.

e) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 [X.] widerleglich vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass das beklagte Land diese Vermutung nicht gemäß § 292 Satz 1 ZPO widerlegt hat.

Als immaterielle Folgen eines überlangen Verfahrens kommen neben der "seelischen Unbill" durch die lange Verfahrensdauer vor allem körperliche Beeinträchtigungen oder Rufschädigungen und - in Sorge- oder Umgangsrechtsstreitigkeiten - die Entfremdung eines Kindes von einem Elternteil in Betracht (Senat, Urteile vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 39 [X.] und vom 13. April 2017 aaO Rn. 19). Die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der von dem Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat. Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen eines immateriellen Nachteils trägt der Beklagte, dem allerdings, da es sich um einen Negativbeweis handelt, die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zugutekommen können (Senat, Urteile vom 12. Februar 2015 aaO Rn. 41 und vom 13. April 2017 aaO Rn. 21; [X.]. [X.]).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das [X.] zu Recht einen immateriellen Nachteil des [X.] bejaht. Nach den in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen hat der Kläger seiner sekundären Darlegungslast durch den bereits im Rahmen seiner Verzögerungsrüge vom 24. Oktober 2017 gehaltenen und im Entschädigungsverfahren vertieften Vortrag genügt. Darin hat er auf das existenzgefährdende Ausmaß der gegen ihn in der [X.] geltend gemachten Ansprüche, die mit der überlangen Verfahrensdauer einhergehenden physischen und psychischen Belastungen und sein fortgeschrittenes Alter von damals 70 beziehungsweise 72 Jahren hingewiesen und zudem geltend gemacht, dass er aufgrund des gegen ihn erhobenen Vorwurfs des [X.] einen Rufschaden erlitten habe, der durch die sich ständig wiederholende Medienberichterstattung fortwährend vertieft werde und ihn zusätzlich in seiner beruflichen und wirtschaftlichen Existenz bedrohe.

Weiter ist das [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass das beklagte Land die Vermutung eines immateriellen Nachteils des [X.] nicht durch den Vortrag widerlegt hat, dass das Ausgangsverfahren für den Kläger angesichts des in dem [X.] "[X.]" insgesamt gegen ihn geltend gemachten Betrages von 92.057.381,17 € bedeutungslos gewesen sei. Insoweit hat das [X.] zutreffend ausgeführt, dass das Ausgangsverfahren als richtungsweisendes Pilotverfahren für den Kläger von entscheidender Bedeutung gewesen sei und sich das beklagte Land für seine Auffassung nicht auf das Senatsurteil vom 12. Februar 2015 (aaO Rn. 43) berufen könne, weil in dem dort zugrundeliegenden Sachverhalt nicht die Verfahrensdauer eines [X.], sondern eines aus dem Gesamtkomplex "[X.]" zufällig "gegriffenen" Verfahrens zu beurteilen gewesen sei.

Die Revision des Beklagten dringt auch nicht mit dem Einwand durch, dass eine etwaige Verfahrensverzögerung sich jedenfalls nicht zum Nachteil des [X.] ausgewirkt habe, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass der um acht Monate frühere Erlass des ergänzenden [X.] zu einer Abkürzung des [X.] geführt hätte; insoweit sei weder vom [X.] festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die Klage in diesem Fall zu einem früheren [X.]punkt zurückgenommen worden wäre. Die Frage, wie sich ein überlanges Verfahren ausgewirkt hat, ist nicht anhand eines hypothetischen, sondern allein anhand des tatsächlichen Kausalverlaufs zu beurteilen ([X.], 151 Rn. 38).

2. Soweit das [X.] dem Kläger eine Entschädigung für immaterielle Nachteile in Höhe von 6.426,61 € zugesprochen hat, hält das angefochtene Urteil einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Allerdings ist das [X.] ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der gesetzliche Regelsatz (§ 198 Abs. 2 Satz 3 [X.]) gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] zu erhöhen ist.

aa) § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] sieht zur Bemessung der Höhe der Entschädigung für immaterielle Nachteile einen Regelsatz in Höhe von 1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung vor. Ist dieser Betrag nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen. Mit der Pauschalierung in § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] unter Verzicht auf einen einzelfallbezogenen Nachweis sollen Streitigkeiten über die Höhe der Entschädigung, die eine zusätzliche und unnötige Belastung für die Gerichte bedeuten würden, vermieden und zugleich eine zügige Erledigung der Entschädigungsansprüche im Interesse der Betroffenen ermöglicht werden. Im Hinblick auf den eine Verfahrensvereinfachung anstrebenden Gesetzeszweck ist der Tatrichter nur bei Vorliegen besonderer Umstände gehalten, von dem normierten [X.] aus [X.] abzuweichen. Es stünde mit dem Sinn der Pauschalierung nicht in Einklang, wenn die mit der Natur eines Verfahrens typischerweise einhergehenden Folgen einer überlangen Verfahrensdauer - wie zum Beispiel eine besondere emotionale Betroffenheit - stets als eine Besonderheit angesehen würden, die eine Abweichung vom [X.] rechtfertigt. Vielmehr muss sich das zu beurteilende Verfahren durch eine oder mehrere entschädigungsrelevante Besonderheiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von anderen Verfahren dieser Art abheben, so dass die konkreten Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer die [X.] als unbillig erscheinen lassen. Eine solche sich von anderen Verfahren abhebende entschädigungsrelevante Besonderheit kann sich aus der herausragenden Bedeutung des [X.] für die Verfahrensbeteiligten und den damit korrespondierenden - über die verfahrenstypischen Folgen hinausgehenden - nachteiligen Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer ergeben (Senat, Urteil vom 6. Mai 2021 - [X.], [X.], 14 Rn. 17 ff m. zahlr. w.N.).

bb) Die Prüfung einer Abweichung vom gesetzlichen [X.] aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles obliegt grundsätzlich dem Tatrichter, der über die [X.] entscheidet. Bei der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter den unbestimmten Rechtsbegriff der Unbilligkeit gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] hat das Revisionsgericht den tatrichterlichen Beurteilungsspielraum zu respektieren und ist in seiner Prüfung darauf beschränkt, ob der rechtliche Rahmen verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen worden sind (Senat aaO Rn. 20 [X.]).

cc) Auf der Grundlage dieser Maßgaben ist die Auffassung des [X.]s, dass der Regelsatz vorliegend gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] zu erhöhen sei, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden.

Dabei hat das [X.] in vertretbarer tatrichterlicher Würdigung auf den für den Kläger wegen des gegen ihn erhobenen Betrugsvorwurfs rufschädigenden Charakter des [X.] abgestellt, der durch die fortwährende Medienberichterstattung eine Breitenwirkung entfaltet und den Kläger in seiner Berufsausübung als Rechtsanwalt beeinträchtigt habe. Auch ist es zumindest vertretbar zu berücksichtigen, dass sich dem Kläger aufgrund seines fortgeschrittenen Alters kaum noch die Möglichkeit bieten wird, sich beruflich zu rehabilitieren. Der Revision des Beklagten ist zwar zuzugeben, dass der [X.]raum der überlangen Verfahrensdauer von acht Monaten im Verhältnis zur gesamten Verfahrensdauer von sieben Jahren und acht Monaten vergleichsweise kurz ist; er ist aber lang genug, um zu einer Vertiefung der Rufschädigung des [X.] mit beizutragen.

Insbesondere ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Charakter des [X.] als Pilotverfahren in einem umfangreichen [X.] nicht nur dessen besondere Bedeutung für den Kläger, sondern darüber hinaus auch eine entschädigungsrelevante Besonderheit begründet, durch die sich das Ausgangsverfahren von anderen Verfahren abhebt, so dass die Auswirkungen der überlangen Verfahrensdauer die [X.] als unbillig erscheinen lassen. Der Charakter des [X.] als Pilotverfahren führt dazu, dass dessen Überlänge zugleich auch eine unangemessene Verzögerung der hinzuverbundenen Verfahren bewirkt. Diese Auswirkung der überlangen Verfahrensdauer des [X.] auf immerhin rund 140 Verfahren lässt es angezeigt erscheinen, den Regelsatz angemessen zu erhöhen. Die Frage, ob und gegebenenfalls wie dieser Umstand in den Entschädigungsverfahren zu berücksichtigen ist, die der Kläger in den zu dem Ausgangsverfahren hinzuverbundenen Rechtsstreiten angestrengt hat, betrifft nicht das vorliegend zu beurteilende Verfahren und braucht daher hier nicht vertieft zu werden.

b) Die Bemessung der konkreten Entschädigungshöhe durch Verdoppelung des Regelsatzes in einem "ersten Schritt" und Festsetzung von gesonderten Entschädigungsbeträgen für die zum Zweck der Beweisaufnahme hinzuverbundenen, zu "[X.]" zusammengefassten Verfahren in einem "zweiten Schritt" ist indessen in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

aa) Die Revision des beklagten [X.] rügt mit Erfolg, dass das [X.] dem Kläger unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO mehr zugesprochen hat, als er beantragt hat.

(1) Die Vorschrift des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verbietet dem Gericht, die durch den Klageantrag gezogenen Grenzen zu überschreiten, und dem Kläger mehr zuzusprechen, als er beantragt hat. Es entspricht dem Rechtsschutzzweck des Zivilprozesses, es den Parteien zu überlassen, durch ihre Anträge das "[X.]" zu bestimmen und dem Gericht dadurch die Grenzen für seine Entscheidung zu setzen. Maßgebend ist der Streitgegenstand, der nicht nur den Klageantrag, sondern auch den Klagegrund (Lebenssachverhalt) umfasst, aus dem der Kläger die von ihm begehrte Rechtsfolge ableitet (vgl. [X.]/[X.]/[X.], ZPO, 19. Aufl., § 308 Rn. 1; MüKoZPO/[X.], 6. Aufl., § 308 Rn. 1; siehe auch Senat, Urteil vom 18. Juni 2015 - [X.], [X.], 2411 Rn. 11; [X.], Urteil vom 21. November 2017 - [X.]/15, NJW 2018, 1259 Rn. 17 f [[X.]eils zum Streitgegenstandsbegriff]).

(2) Die [X.] nach § 198 [X.] ist eine auf Zahlung gerichtete Leistungsklage. Soweit die Höhe des [X.] maßgeblich durch die Dauer der Verzögerung bestimmt wird (§ 198 Abs. 2 Satz 3 und 4 [X.]), ist es dem [X.] zuzumuten, sich auf die Annahme einer bestimmten Dauer der Verzögerung festzulegen und seinen Antrag danach auszurichten (vgl. [X.], 393 Rn. 52 und 259, 499 Rn. 47 sowie [X.], Urteil vom 6. Juni 2018 - [X.], juris Rn. 54).

Will der Kläger einen vom [X.] des § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] ("1.200 € für jedes Jahr der Verzögerung") abweichenden [X.] (§ 198 Abs. 2 Satz 4 [X.]) oder den [X.] nur als Mindestbetrag geltend machen, kann er sich darauf beschränken, einen unbezifferten Klageantrag zu stellen (Senat, Urteil vom 23. Januar 2014 - [X.], [X.]Z 200, 20 Rn. 56). Der Kläger kann aber auch einen bestimmten (monatlichen/jährlichen) [X.] verlangen. In diesem Fall muss er seinen Klageantrag gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO konkret beziffern. Das Gericht darf ihm dann keinen höheren [X.] zuerkennen (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 1989 - [X.], NJW-RR 1990, 380 [[X.]]).

(3) Im Streitfall hat der Kläger unter Annahme einer sachwidrigen Verfahrensverzögerung von 77 Monaten für jeden Monat der Verzögerung eine betragsmäßig bestimmte Entschädigung in Höhe von 150 € beantragt (insgesamt 11.550 €). Von der Möglichkeit, einen unbezifferten Klageantrag zu stellen, hat er keinen Gebrauch gemacht. Er hat damit den Streitgegenstand und den Entscheidungsumfang des Gerichts gemäß § 308 Abs. 1 ZPO verbindlich festgelegt.

Der Antrag des [X.] kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen wollte und es sich bei den von ihm genannten Beträgen lediglich um eine Größenordnung der geltend gemachten Entschädigung (etwa einen Mindestbetrag) handeln sollte. Eine solche Auslegung kommt nur in Betracht, wenn der Klagebegründung ein entsprechender Parteiwille eindeutig zu entnehmen ist ([X.]/[X.]/[X.] aaO Rn. 4 [X.]; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 308 Rn. 24). Das ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr hat der Kläger in der Klageschrift und in weiteren Schriftsätzen stets eine konkret bezifferte Entschädigung von 150 € für jeden Monat der Verzögerung beantragt, ohne die Bemessung der Entschädigungshöhe in das Ermessen des Gerichts zu stellen.

Davon abweichend hat das [X.] dem Kläger für die festgestellte Verzögerung von acht Monaten eine Entschädigung von 6.421,61 € zugesprochen, das heißt für jeden Monat der Verzögerung einen Betrag von 803,33 €. Darin liegt ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. [X.], Beschluss vom 16. Mai 2017 - [X.], NJW 2017, 2561 Rn. 11 [konkret beziffertes Schmerzensgeld]).

(4) Dem Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO steht nicht entgegen, dass die vom Kläger geltend gemachte Klageforderung über den ihm vom [X.] zugesprochenen [X.] hinausgeht. [X.] für immaterielle Nachteile nach § 198 Abs. 2 Satz 3 beziehungsweise Satz 4 [X.] ist - wie oben ausgeführt - zeitbezogen geltend zu machen, wodurch der Streitgegenstand des Verfahrens festgelegt wird. Macht der [X.] - wie hier - für bestimmte [X.]räume zu Unrecht einen Entschädigungsanspruch geltend, so ist sein Antrag insoweit abzuweisen und kann gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht mit anderen [X.]räumen verrechnet werden, für die er nach Auffassung des Gerichts eine geringere Entschädigung fordert, als ihm zusteht (vgl. [X.], Urteil vom 7. November 1989 aaO [[X.]]; Beschluss vom 11. November 2015 - [X.], NJW 2016, 322 Rn. 24 [Unterhalt]).

(5) Soweit das [X.] in einem "zweiten Schritt" die lediglich zum Zweck der gemeinsamen Beweisaufnahme verbundenen Verfahren zu sieben "[X.]" zusammengefasst und je Bündel eine konkrete Entschädigungssumme zuerkannt hat, hat es zudem nicht beachtet, dass der Kläger insoweit im vorliegenden "Pilotverfahren" keine Entschädigung geltend gemacht hat. Der zusätzlich ausgeurteilte Betrag von 4.826,61 € war daher nicht vom Streitgegenstand umfasst.

(6) Der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist auch nicht dadurch geheilt worden, dass der Kläger die Zurückweisung der Revision des Beklagten beantragt und sich dadurch die Entscheidung des Berufungsgerichts zu Eigen gemacht hat. Denn insoweit handelt es sich um eine Klageerweiterung, die im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zulässig ist (st. Rspr; zB Senat, Urteil vom 4. August 2022 - [X.], NJW-RR 2022, 1288 Rn. 11; [X.], Urteile vom 16. November 1989 - [X.], NJW-RR 1990, 997, 998 sowie vom 18. Dezember 2019 - [X.], NJW-RR 2020, 353 Rn. 26; [X.]. [X.]).

bb) Darüber hinaus sind die Erwägungen, auf die das [X.] die Bemessung der Entschädigungshöhe gestützt hat, von Rechtsfehlern beeinflusst.

(1) Die Bemessung der Entschädigungshöhe ist grundsätzlich Sache des nach § 201 Abs. 2 Satz 1 [X.] i.V.m. § 287 ZPO beson[X.] frei gestellten Tatrichters (vgl. Senat, Urteil vom 23. Januar 2014 aaO). Sie ist vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen, ob die Festsetzung Rechtsfehler enthält, insbesondere ob das Gericht alle für die Bemessung der Entschädigung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen hat (vgl. [X.], Urteile vom 5. Juni 2018 - [X.], NJW 2019, 430 Rn. 12 und vom 28. Januar 2020 - [X.], [X.], 281 Rn. 35).

(2) Maßgebend für die Höhe einer vom gesetzlichen Regelsatz nach § 198 Abs. 2 Satz 3 [X.] abweichenden Entschädigung sind gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] die Umstände des Einzelfalles. Dazu zählen neben den in § 198 Abs. 1 Satz 2 [X.] genannten Umständen die Dauer der Überlänge im Verhältnis zur gesamten Verfahrensdauer und die nachteiligen Auswirkungen der Überlänge. Dabei geht es nicht um eine isolierte Betrachtung einzelner Umstände, sondern um eine Würdigung der Gesamtumstände (Senat, Urteil vom 6. Mai 2021 aaO Rn. 19). Auf der Grundlage dieser Gesamtbetrachtung ist eine einheitliche Entschädigung für die aus der überlangen Verfahrensdauer erwachsenen immateriellen Nachteile festzusetzen, die sich aus dem höheren beziehungsweise niedrigeren Entschädigungssatz nach § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.], der sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln lässt, und der festgestellten Verzögerungsdauer ergibt (siehe auch [X.], Beschluss vom 6. Juli 1955 - [X.] 1/55, [X.]Z 18, 149, 154, 156 sowie vom 15. Februar 2022 - [X.], NJW 2022, 1953 Rn. 13 [[X.]eils zur Schmerzensgeldbemessung]).

(3) Diesen Grundsätzen wird das angegriffene Urteil nicht gerecht.

(a) Das [X.] hat nicht alle für die Bemessung der Entschädigung wesentlichen Umstände berücksichtigt und angemessen abgewogen. Es hat im Ausgangspunkt zwar zutreffend die Bedeutung des [X.] als Pilotverfahren und die durch die überlange Verfahrensdauer hervorgerufene Vertiefung der Rufschädigung des [X.] gewürdigt. Hingegen hat es die im Verhältnis zur gesamten Verfahrensdauer vergleichsweise kurze Dauer der Überlänge von acht Monaten bei der Bemessung der Entschädigungshöhe unberücksichtigt gelassen.

(b) Darüber hinaus hat das [X.] die Bedeutung des [X.] für den Kläger allein anhand der Zahl der hinzuverbundenen Verfahren, nicht jedoch auch anhand der Summe der gegen ihn in diesen Verfahren geltend gemachten Forderungen beurteilt, die es überdies auch nicht konkret festgestellt hat. Das führt zu einer rechtsfehlerhaften Überbetonung der Zahl der hinzuverbundenen Verfahren gegenüber der finanziellen Belastung des [X.], die gerade aus der Summe der gegen ihn geltend gemachten Forderungen erwächst.

(c) Zudem weicht das [X.] von dem Grundsatz ab, im Rahmen einer Gesamtwürdigung eine einheitliche Entschädigung zu bestimmen, indem es zur Ermittlung der Entschädigungshöhe gesondert errechnete Teilbeträge für verschiedene "Bündel" hinzuverbundener Verfahren aufaddiert. Die Festsetzung der Bemessungsparameter ("Bündel" zu je 20 Verfahren, Degressionswert von 5 %) ist nicht nachvollziehbar. Das Urteil lässt insoweit jede Begründung vermissen. Das hat zur Folge, dass die Bemessungsparameter beliebig "gegriffen" wirken und damit die gesamte Berechnung letztlich willkürlich erscheint.

IV.

Das angefochtene Urteil ist demnach im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das beklagte Land zur Zahlung eines über 1.200 € nebst Zinsen hierauf hinausgehenden Betrages verurteilt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO).

Der Senat kann gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil diese aufgrund des festgestellten Sachverhalts zur Endentscheidung reif ist, keine weiteren tatsächlichen Feststellungen erfordert und eine weitere Verhandlung in der Tatsacheninstanz nicht mehr geboten ist (vgl. Senat, Urteil vom 8. Oktober 1953 - [X.]/51, [X.]Z 10, 350, 358 [zu dem inhaltsgleichen § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO aF]; [X.], Beschluss vom 4. August 2021 - [X.]/21, NJW-RR 2021, 1647 Rn. 10 [X.]; MüKoZPO/[X.], 6. Aufl., § 563 Rn. 20). Auch wenn das [X.] die Höhe der in der L.        -Serie gegen den Kläger insgesamt geltend gemachten Forderungen nicht exakt festgestellt hat, kann auch dem Sachvortrag des beklagten [X.] eine Größenordnung zumindest im siebenstelligen Bereich entnommen werden. Dies reicht zusammen mit den vom [X.] festgestellten Umständen für die Würdigung aus, dass gemäß § 198 Abs. 2 Satz 4 [X.] die Erhöhung des Regelsatzes jedenfalls um die von dem Kläger beantragten 50 € für jeden Monat der Verzögerung angemessen ist. Folglich hat das angegriffene Urteil Bestand, soweit das beklagte Land zur Zahlung einer Entschädigung von 1.200 € nebst Zinsen an den Kläger verurteilt worden ist. Da das [X.] dem Kläger unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO mehr als beantragt zuerkannt hat, bedurfte es des Ausspruchs einer weitergehenden Klageabweisung nicht.

[X.]     

      

[X.]     

      

Kessen

      

Herr     

      

Liepin     

      

Meta

III ZR 192/21

15.12.2022

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 5. November 2021, Az: 4 EK 23/20, Urteil

§ 198 Abs 1 S 2 GVG, § 198 Abs 2 S 3 GVG, § 198 Abs 2 S 4 GVG, § 308 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.2022, Az. III ZR 192/21 (REWIS RS 2022, 8437)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8437 WM 2023, 236 REWIS RS 2022, 8437 MDR 2023, 249-251 REWIS RS 2022, 8437 MDR 2023, 344 REWIS RS 2022, 8437 NJW 2023, 1578 REWIS RS 2022, 8437

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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