Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2018, Az. I ZR 154/16

1. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 1415

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Gegenstand

Revisionsentscheidung zur wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit von Werbeblockern im Internet: Anhörungsrüge zum Schutzbereich der Pressefreiheit


Tenor

Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 19. April 2018 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe

1

I. Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Das rechtliche Gehör der Klägerin ist im Streitfall nicht verletzt.

2

1. Die Klägerin rügt vergeblich, der [X.] habe sich mit dem Vortrag der Klägerin zum Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht auseinandergesetzt. Der [X.] hat ausgeführt, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG schütze die Eigenständigkeit der Presse von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht unter Einschluss des Anzeigenteils eines Presseorgans ([X.]surteil Rn. 37). Die Beanstandung der Klägerin, der [X.] habe nicht berücksichtigt, dass sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch auf den Inhalt einer Anzeige beziehe und diese Vorschrift zugleich die Institution der Presse schütze, ist danach gegenstandslos.

3

2. Ohne Erfolg macht die Anhörungsrüge geltend, der [X.] habe ein Interesse der Internetnutzer, von aufdringlicher Werbung verschont zu bleiben, zu Unrecht in die Abwägung eingestellt, weil die Vornahme solcher Werbung durch die Klägerin nicht festgestellt sei und zudem sämtliche Werbung unabhängig davon blockiert werde, ob sie den von der [X.] zu 1 aufgestellten Kriterien entspreche. Die Schaltung aufdringlicher Werbung habe die Klägerin durchgängig in Abrede gestellt.

4

Der [X.] hat - entsprechend den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts, gegen deren Berücksichtigung auch die Anhörungsrüge nichts vorbringt - zugrunde gelegt, dass die Beklagte zu 1 Unternehmen die Möglichkeit anbietet, ihre Werbung von der Blockade durch Aufnahme in eine sogenannte Whitelist ausnehmen zu lassen, sofern diese Werbung die von der [X.] zu 1 gestellten Anforderungen an eine "akzeptable Werbung" erfüllt und die Unternehmen die Beklagte zu 1 am Umsatz beteiligen ([X.]surteil Rn. 4). Der [X.] hat weiter die Feststellungen des Berufungsgerichts zugrunde gelegt, die Klägerin und ihre Tochtergesellschaften hätten mit der [X.] zu 1 keine [X.] getroffen, weshalb sämtliche Werbung auf ihren Internetseiten durch den Einsatz des Werbeblockers blockiert werde ([X.]surteil Rn. 5).

5

Mit diesen Feststellungen stehen die weiteren Erwägungen des [X.]s im Einklang. Im Rahmen der Abwägung hat der [X.] das Interesse der Internetnutzer berücksichtigt, von - zumal aufdringlicher - Werbung verschont zu bleiben ([X.]surteil Rn. 38). Mit dieser Formulierung ist zum Ausdruck gebracht, dass sich dieses Interesse nicht allein auf die Fernhaltung aufdringlicher Werbung beschränkt, sondern jegliche Werbung erfassen kann. Zugleich hat der [X.] offengelassen, ob dieses Interesse grundrechtlichen Schutz genießt ([X.]surteil Rn. 38). Wenn der [X.] sodann im Rahmen der Gesamtabwägung ausführt, dass ein Nutzer keinen Anspruch darauf habe, von vornherein vor aufdringlicher Werbung verschont zu werden, wenn er freiwillig ein werbefinanziertes Angebot in Anspruch nimmt ([X.]surteil Rn. 41), ist offenkundig, dass diese Erwägung erst recht für den Fall gilt, dass Werbung - wie von der Klägerin geltend gemacht - nicht aufdringlich ist.

6

3. Die Anhörungsrüge macht vergeblich geltend, der [X.] habe Vortrag der Klägerin übergangen, nach dem es keine technischen Abwehrmöglichkeiten gegen die Verwendung eines [X.] gebe.

7

Nach den im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts verfügt die Klägerin über eine technische Funktion, mit deren Hilfe Nutzer, die Werbeblocker einsetzen, von der Wahrnehmung kostenloser redaktioneller Inhalte ausgeschlossen werden können, sowie über die Möglichkeit, durch Einführung von [X.] für Einnahmen zu sorgen ([X.]surteil Rn. 39). Auf diese Umstände beziehen sich die Aussagen des [X.]s, die Klägerin müsse sich der Herausforderung stellen, Maßnahmen zu entwickeln, mit deren Hilfe Medienunternehmen den negativen Auswirkungen der Handlungen eines Wettbewerbers entgegenwirken können ([X.]surteil Rn. 39) und die Klägerin sei auch als grundrechtlich nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG privilegiertes Medienunternehmen gehalten, sich zur Abwehr der vom Einsatz des Programms der [X.] zu 1 ausgehenden wettbewerblichen Beeinträchtigung eigener wettbewerblicher Mittel zu bedienen ([X.]surteil Rn. 41).

8

4. Mit ihrem Vorbringen, eine Bezahlschranke sowie das Aussperren von Nutzern eines Werbeblockers seien nicht geeignet, die Bereitstellung kostenloser werbefinanzierter Inhalte zu erhalten, zeigt die Anhörungsrüge keine Verletzung rechtlichen Gehörs auf.

9

II. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Löffler     

      

Schwonke

      

Feddersen     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZR 154/16

21.11.2018

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 19. April 2018, Az: I ZR 154/16, Urteil

Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 S 2 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 2 Abs 1 Nr 1 UWG, § 2 Abs 1 Nr 3 UWG, § 3 Abs 1 UWG, § 4 Nr 4 UWG, § 4a Abs 1 UWG, § 4a Abs 2 UWG, § 8 Abs 3 Nr 1 UWG, § 321a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 21.11.2018, Az. I ZR 154/16 (REWIS RS 2018, 1415)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 1390-1392 REWIS RS 2018, 1415


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 921/19

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 921/19, 22.08.2019.


Az. I ZR 154/16

Bundesgerichtshof, I ZR 154/16, 21.11.2018.

Bundesgerichtshof, I ZR 154/16, 19.04.2018.


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