ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT EINSTWEILIGER RECHTSSCHUTZ BUNDESGERICHTSHOF (BGH) EUROPÄISCHER GERICHTSHOF (EUGH) ÄRZTE HAFTUNG SCHMERZENSGELD MEDIZIN ZUSTELLUNG BRUSTIMPLANTATE PRODUKTHAFTUNG TÜV ABLEHNUNG WEGEN BEFANGENHEIT LADUNGSFÄHIGE ANSCHRIFT EINSTELLUNG DER ZWANGSVOLLSTRECKUNG INDIZIENBEWEIS Hinzufügen
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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung der Medizinprodukterichtlinie: Unmittelbare Haftung eines deutschen TÜV wegen Zertifizierung der fehlerhaften Brust-Silikonimplantate einer französischen Firma; Reichweite von Produktprüfungspflichten i.S.d. Richtlinie für benannte Stellen; Verpflichtung der benannten Stellen zur Sichtung von Geschäftsunterlagen eines Herstellers und/oder unangemeldeten Inspektion des Produktionsbetriebes
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung von Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a) in Verbindung mit Anhang II Nr. 3.3., 4.3., 5.3., 5.4. der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. 1993, L 169, S. 1 ff., zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007, ABl. 2007, L 247, S. 21) vorgelegt:
Ist es Zweck und Intention der Richtlinie, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III zum Schutz aller potentiellen Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Pflichtverletzung den betroffenen Patienten unmittelbar und uneingeschränkt haften kann?
Ergibt sich aus den genannten Nummern des Anhangs II der Richtlinie 93/42/EWG, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht obliegt?
Ergibt sich aus den genannten Nummern des Anhangs II der Richtlinie 93/42/EWG, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der Klasse III eine generelle oder zumindest anlassbezogene Pflicht obliegt, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten und/oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen?
Die Entscheidung über die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.]vom 30. Januar 2014 wird ausgesetzt.
Dem [X.]werden nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung von Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a) in Verbindung mit Anhang II Nr. 3.3., 4.3., 5.3., 5.4. der Richtlinie 93/42/[X.]des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. 1993, L 169, [X.]ff., zuletzt geändert durch die Richtlinie 2007/47/[X.]Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007, ABl. 2007, L 247, S. 21) vorgelegt:
Ist es Zweck und Intention der Richtlinie, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der [X.]zum Schutz aller potentiellen Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Pflichtverletzung den betroffenen Patienten unmittelbar und uneingeschränkt haften kann?
Ergibt sich aus den genannten Nummern des [X.]der Richtlinie 93/42/EWG, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der [X.]eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht obliegt?
Ergibt sich aus den genannten Nummern des [X.]der Richtlinie 93/42/EWG, dass der mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizinprodukten der [X.]eine generelle oder zumindest anlassbezogene Pflicht obliegt, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten und/oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen?
I.
Die Klägerin ließ sich am 1. Dezem[X.]2008 in [X.]Silikonbrustimplantate einsetzen, die von einem in [X.]ansässigen Unternehmen, das zwischenzeitlich in Insolvenz gef[X.]ist, hergestellt worden waren. 2010 stellte die zuständige [X.]Behörde fest, dass bei der Herstellung der Brustimplantate entgegen dem Qualitätsstandard minderwertiges [X.]verwendet wurde. Auf ärztlichen Ratschlag ließ sich die Klägerin daraufhin 2012 ihre Implantate entfernen. Sie begehrt deshalb von der [X.]ein Schmerzensgeld von 40.000 € und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftig entstehende materielle Schäden.
Die Silikonbrustimplantate sind Medizinprodukte, die nach Art. 1 der Richtlinie 2003/12/[X.]vom 3. Februar 2003 zur Neuklassifizierung von Brustimplantaten im Rahmen der Richtlinie 93/42/[X.](ABl. [X.]f.) als Medizinprodukte der [X.]eingestuft werden. Medizinprodukte der [X.]dürfen nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Medizinproduktegesetz nur in den Verkehr gebracht werden, wenn unter anderem ein Konformitätsbewertungsverfahren nach § 37 Abs. 1 MPG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 (vormals § 6 Abs. 1 Nr. 1) [X.](MPV) in Verbindung mit [X.]der Richtlinie 93/42/[X.]durchgeführt worden ist. Bestandteil dieses Konformitätsbewertungsverfahrens ist das Qualitätssicherungssystem, die Prüfung der Produktauslegung und die Überwachung (Nr. 3 bis 5 [X.]der Richtlinie 93/42/EWG). Die förmliche Überprüfung (Audit) des Qualitätssicherungs-systems, die Prüfung der Produktauslegung und die Überwachung werden von einer benannten Stelle durchgeführt, die der Hersteller zu beauftragen hat.
Das in [X.]ansässige [X.]beauftragte die Beklagte als benannte Stelle mit den genannten Aufgaben. Die Vertragsparteien vereinbarten die Geltung [X.]Rechts.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte ihren Pflichten als benannter Stelle nicht hinreichend nachgekommen sei. Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte bei dem [X.]vor dem 1. Dezem[X.]2008 jeweils angekündigte Besichtigungen im Novem[X.]1998, Januar 2000, Novem[X.]2000, Februar 2001, Dezem[X.]2001, Novem[X.]2003, Novem[X.]2004 und März 2006 durchführte. Die Beklagte nahm keine Einsicht in die Geschäftsunterlagen und ordnete keine Produktprüfung an. Die Klägerin trägt vor, durch eine Einsicht in Lieferscheine und Rechnungen hätte die Beklagte erkennen können, dass nicht das genehmigte Silikon verarbeitet worden sei.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
II.
Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung von Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a) in Verbindung mit [X.]Nr. 3.3., 4.3., 5.3., 5.4. der Richtlinie 93/42/[X.]des Rates vom 14. Juni 1993 ü[X.]Medizinprodukte ab. Vor der Entscheidung ü[X.]die Revision ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchstabe b), Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.]einzuholen.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte und das [X.]hätten einen rein privatrechtlich zu beurteilenden Vertrag geschlossen. In diesen sei die Klägerin nicht eingebunden gewesen. Die Beklagte hafte nicht unter dem Gesichtspunkt der Pflichtverletzung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Sinn und Zweck der Tätigkeit als benannter Stelle im Auftrag des Herstellers sei nicht der Schutz Dritter. Die [X.]diene nur dazu, die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten zu schaffen. Ein rechtsgeschäftlicher Wille des Herstellers und der benannten Stelle, Dritte in den Schutzbereich ihres Vertrages einzubeziehen, bestehe deshalb nicht. Eine solche Einbeziehung würde zudem zu einer uferlosen Ausweitung der Haftung der benannten Stelle führen. Schließlich sei nicht erkennbar, woraus sich ein berechtigtes Interesse des Herstellerunternehmens an der Einbeziehung der Klägerin in den Schutzbereich des Vertrages ergebe.
Die Beklagte hafte zudem nicht nach [X.]Deliktsrecht. Der [X.]könne nach Sachlage allenfalls der Vorwurf gemacht werden, das [X.]nicht ausreichend überwacht zu haben. Für die Beklagte habe sich a[X.]keine Pflicht zum Handeln im Interesse der Patientinnen ergeben, da die benannte Stelle nicht zum Schutz der Patienten tätig werde. Zudem sei kein Verschulden feststellbar. Der Vorwurf, die Beklagte habe Überwachungspflichten verletzt, sei unberechtigt. Die Beklagte habe regelmäßig angekündigte Besichtigungen durchgeführt. Das reiche aus, soweit kein Verdacht für eine nicht ordnungsgemäße Produktion gegeben sei.
2. Auf das Rechtsverhältnis der Parteien findet [X.]Recht Anwendung.
Das Schuldverhältnis der Parteien beurteilt sich, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat, insgesamt nach [X.]materiellen Recht.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus unerlaubter Handlung nach [X.]Recht beurteilen. Dies folgt aus Art. 40 EGBGB.
Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des [X.]und des Rates ü[X.]das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ([X.]II-VO; ABl. 2007 L 199 S. 40) ist im Streitfall intertemporal noch nicht anwendbar, da das schadensbegründende Ereignis vor dem 11. Januar 2009 eingetreten ist (vgl. Art. 31, 32 [X.]II-VO).
Nach der Art. 40 Abs. 1 EGBGB vorgehenden Sonderanknüpfung des Art. 40 Abs. 2 EGBGB ist [X.]Recht als Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts von Klägerin und Beklagter zur Zeit des [X.]anwendbar. Die Anwendbarkeit [X.]Rechts ergäbe sich im Übrigen auch aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Eine wesentlich engere Verbindung zu einem ausländischen Recht im Sinne des Art. 41 EGBGB, die dessen Anwendbarkeit zur Folge hätte, besteht im Streitfall nicht.
b) Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich vertragliche Ansprüche, die aus dem zwischen der [X.]und dem Hersteller geschlossenen Vertrag ü[X.]das Konformitätsbewertungsverfahren resultieren, kraft ausdrücklicher Rechtswahl nach [X.]Recht beurteilen. Dies folgt aus Art. 27 Abs. 1 EGBGB.
Die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des [X.]und des Rates ü[X.]das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 17. Juni 2008 ([X.]I-VO, ABl. 2008 L 177 S. 6, ber. ABl. [X.]309 S. 87) ist im Streitfall intertemporal nicht anwendbar, da sie gemäß Art. 28 nur auf Verträge angewandt wird, die ab dem 17. Dezem[X.]2009 geschlossen worden sind. Auf Verträge, die - wie der hier einschlägige Vertrag - davor geschlossen wurden, sind weiterhin die Bestimmungen der Art. 27 bis 34 EGBGB anzuwenden.
c) Da [X.]Recht sowohl auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung als auch auf vertragliche Ansprüche aus dem genannten Vertrag anwendbar ist, bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob die Einbeziehung von [X.]in den Schutzbereich eines Vertrags sich internationalprivatrechtlich nach dem [X.]beurteilt (vgl. MünchKommBGB/Spellenberg, 4. Aufl., Art. 32 EGBGB Rn. 24 m.w.N.) oder ob insoweit das [X.](vgl. Dutta, [X.]2009, 293, 297) maßgebend ist.
3. Für die Entscheidung des Rechtsstreits nach [X.]Recht kommt es maßgeblich darauf an, zu welchem Zweck eine benannte Stelle in das Konformitätsbewertungsverfahren einbezogen wird (a, b), und welche Pflichten der benannten Stelle im Rahmen dieses Verfahrens auferlegt sind (c).
a) Eine deliktsrechtliche Haftung der [X.]kann sich wegen Verletzung eines Schutzgesetzes aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 2 Satz 1, § 37 Abs. 1 MPG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 (früher § 6 Abs. 1 Nr. 1) MPV, [X.]der Richtlinie 93/42/[X.]ergeben. Das setzt voraus, dass § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.]als Schutzgesetz angesehen werden kann.
aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]ist eine Norm als Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzge[X.]bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Deshalb reicht es nicht aus, dass der [X.]durch Befolgung der Norm als ihr Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Zudem muss die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Sinne des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheinen, wobei in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, geprüft werden muss, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktsrechtliche Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit [X.]damit zu Gunsten des Geschädigten gegebenen Beweiserleichterungen zu knüpfen (BGH, Urteile vom 13. Dezem[X.]2011 - XI ZR 51/10, BGHZ 192, 90 Rn. 21; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 Rn. 26).
bb) Misst man § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.]an diesen Maßstäben, ist festzustellen:
Das Medizinproduktegesetz dient der Umsetzung der Richtlinie 93/42/[X.](Spickhoff/Lücker, Medizinrecht, 2. Aufl., Vorbemerkung [X.]Rn. 3; [X.]in Rehmann/Wagner, MPG, 2. Aufl., Einführung Rn. 2).
§ 6 Abs. 2 Satz 1 [X.]stellt in Verbindung mit § 37 Abs. 1 MPG, § 7 Abs. 1 Nr. 1 [X.]sicher, dass Medizinprodukte der (höchsten Risiko-) [X.]nur in den Verkehr gelangen, wenn die Voraussetzungen des Konformitätsbewertungsverfahrens nach [X.]zur Richtlinie 93/42/[X.]gegeben sind. Für die Frage, ob § 6 Abs. 2 Satz 1 [X.]als Schutzgesetz anzusehen ist, kommt es deshalb nach dem Prinzip der richtlinienkonformen Auslegung (EuGH, NJW 2006, 2465 Rn. 108 ff.; BGH, Urteile vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 20; vom 21. Dezem[X.]2011 - VIII ZR 70/08, BGHZ 192, 148 Rn. 24) wesentlich auf Inhalt und Zweck der Richtlinie 93/42/[X.]im Allgemeinen und speziell unter Berücksichtigung von deren [X.]an. In Abs. 5 der Erwägungen der Richtlinie 93/42/[X.]wird ausgeführt, dass Medizinprodukte für Patienten, Anwender und Dritte einen hochgradigen Schutz bieten müssen. Die Verbesserung des in den Mitgliedsstaaten erreichten Schutzniveaus "ist eines der wesentlichen Ziele dieser Richtlinie". Speziell für das Konformitätsbewertungsverfahren heißt es dazu in der Mitteilung der [X.]an den Rat und das [X.]ü[X.]Medizinprodukte vom 2. Juli 2003 (KOM[2003] 386, S. 16):
"Die Konformitätsbewertung ist eine Grundvoraussetzung für das Vertrauen in die Fähigkeit des Regulierungssystems, Patienten und Bürger zu schützen. Es müssen alle nur erdenklichen Bemühungen zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus unternommen werden. Mängel bei der Konformitätsbewertung stellen die Glaubwürdigkeit des vorhandenen Regulierungssystems und die Fähigkeit der Behörden zum wirksamen Schutz der öffentlichen Gesundheit in Frage, selbst wenn nur eine geringe Zahl spezifischer Produkte betroffen ist."
Auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass der Schutz der Patienten vor Gesundheitsbeeinträchtigungen und Körperverletzungen eines der wesentlichen Ziele der Richtlinie 93/42/[X.]darstellt. Es ist deshalb möglich, dass die Richtlinie einen Rechtsschutz, wie ihn die Klägerin gegen die Beklagte in Anspruch nimmt, beabsichtigt (bejahend: Rott/Glinski, [X.]2015, 192, 204; [X.]in Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag, 2. Aufl., MPG, § 6 Rn. 9).
b) Das durch die Rechtsprechung entwickelte [X.]mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Danach wird ein Dritter in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des [X.]besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BGH, Urteile vom 28. Januar 2015 - XII ZR 201/13, [X.]2015, 254 Rn. 14; vom 9. Okto[X.]2014 - III ZR 68/14, NJW 2014, 3580 Rn. 24). Für die an § 242 BGB ausgerichtete Auslegung des Vertrages ist von wesentlicher Bedeutung, welche Zwecke die Richtlinie 93/42/[X.]allgemein mit dem Konformitätsbewertungsverfahren und insbesondere durch die Einbeziehung der benannten Stelle mittels eines privatrechtlichen Vertrages mit dem Hersteller verfolgt. Diese Zwecke sind Grundlage der Bewertung des [X.]und deshalb Ausgangspunkt für eine ergänzende Vertragsauslegung.
c) Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB oder aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter setzt des Weiteren einen Verstoß gegen das Schutzgesetz oder eine Vertragspflichtverletzung voraus.
aa) Der benannten Stelle sind nach [X.]der Richtlinie 93/42/[X.]folgende Pflichten zugewiesen:
Vor dem Inverkehrbringen des Medizinprodukts ist die benannte Stelle zunächst in die Bewertung des von dem Hersteller einzureichenden Qualitätssicherungssystems eingebunden (Nr. 3.3. [X.]der Richtlinie 93/42/EWG). Sie hat eine förmliche Überprüfung des Qualitätssicherungssystems (Audit) durchzuführen. Zusätzlich hat der Hersteller eine Produktauslegungsdokumentation vorzulegen, die die benannte Stelle nach Nr. 4.3. der Richtlinie 93/42/[X.]zu prüfen hat.
Nach dem Inverkehrbringen des Medizinprodukts hat nach Nr. 5.1. [X.]der Richtlinie 93/42/[X.]eine Überwachung des Qualitätssicherungssystems zu erfolgen. Die Pflichten der benannten Stelle im Rahmen der Überwachung sind in Nr. 5.3. und 5.4. [X.]der Richtlinie 93/42/[X.]geregelt. Danach führt die benannte Stelle regelmäßig die erforderlichen Inspektionen und Bewertungen durch, um sich davon zu überzeugen, dass der Hersteller das genehmigte Qualitätssicherungssystem anwendet. Darü[X.]hinaus kann die benannte Stelle unangemeldete Besichtigungen beim Hersteller durchführen und erforderlichenfalls Prüfungen zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Funktionierens des Qualitätssicherungssystems durchführen oder durchführen lassen.
bb) Der [X.]kann nicht zweifelsfrei feststellen, welchen konkreten Inhalt diese Pflichten bei Medizinprodukten der [X.]haben. Insbesondere stellt sich die Frage, ob sich aus den vorstehend genannten Bestimmungen des [X.]der Richtlinie 93/42/[X.]eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht ergibt. Außerdem stellt sich die Frage, ob eine generelle oder zumindest anlassbezogene Pflicht besteht, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten und/oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen.
Dazu heißt es in der Mitteilung der [X.]an den Rat und das [X.]ü[X.]Medizinprodukte vom 2. Juli 2003 (KOM[2003] 386, 17):
"Will ein Hersteller die Konformitätserklärung für Produkte der Klassen [X.]und [X.]auf der Grundlage eines vollständigen Qualitätssicherungssystems abgeben, so müssen sich die benannten Stellen nicht nur vom Vorliegen einer vollständigen technischen Dokumentation überzeugen, …, sondern auch von der richtigen Anwendung des Qualitätssicherungssystems des Herstellers und der Richtigkeit und Angemessenheit der Angaben."
Nach diesen Ausführungen könnten im Konformitätsbewertungsverfahren bloße Besichtigungen, wie von der [X.]ausschließlich nach vorhergehender Anmeldung durchgeführt, nicht ausreichen, um die Anforderungen von [X.]der Richtlinie 93/42/[X.]zu erfüllen. Damit könnte einhergehen, dass sich die Beklagte in Nr. 6.1 ihrer Prüf- und Zertifizierungsordnung, die Bestandteil des Vertrages mit dem [X.]war, die Befugnis zu Kontrollprüfungen des Produkts vorbehalten hat.
4. Da der Gerichtshof der [X.]noch keine Gelegenheit hatte, zu den aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen, sind ihm diese zur Auslegung der Richtlinie 93/42/[X.]vorzulegen.
Eick Kartzke Jurgeleit
Graßnack Sacher
Meta
09.04.2015
Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat
EuGH-Vorlage
Sachgebiet: ZR
vorgehend OLG Zweibrücken, 30. Januar 2014, Az: 4 U 66/13, Urteil
Art 11 Abs 1 Buchst a Anh 2 Nr 3.3 EWGRL 42/93, Art 11 Abs 1 Buchst a Anh 2 Nr 4.3 EWGRL 42/93, Art 11 Abs 1 Buchst a Anh 2 Nr 5.3 EWGRL 42/93, Art 11 Abs 1 Buchst a Anh 2 Nr 5.4 EWGRL 42/93, § 6 Abs 2 S 1 MPG, Art 267 AEUV, § 157 BGB, § 242 BGB, § 823 Abs 2 BGB, Art 40 BGBEG
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, EuGH-Vorlage vom 09.04.2015, Az. VII ZR 36/14 (REWIS RS 2015, 12907)
Papierfundstellen: NJW 2016, 1022 NJW 2017, 2617 WM 2016, 1198 REWIS RS 2015, 12907
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
VII ZR 36/14 (Bundesgerichtshof)
VII ZR 36/14 (Bundesgerichtshof)
Auslegung der Medizinprodukterichtlinie: Reichweite der Produktprüfungspflichten der benannten Stelle
VII ZR 36/14 (Bundesgerichtshof)
VII ZR 151/18 (Bundesgerichtshof)
Haftung der vom Hersteller fehlerhafter Silikonbrustimplantate beauftragten Benannten Stelle gegenüber Patientinnen: Haftung nach den Grundsätzen …
Unbegründeter Schadensersatzanspruch wegen Operationskosten für den Einsatz von Silikonbrustimplantaten und deren Entfernung aufgrund einer Empfehlung …