Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2017, Az. VII ZR 36/14

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 9236

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[X.]:[X.]:BGH:2017:220617UVIIZR36.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VII ZR 36/14
Verkündet am:

22. Juni 2017

Boppel,

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.]/[X.] Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a) in Verbindung mit [X.] Nr. 3.3., 4.3., 5.3., 5.4.; [X.] § 6 Abs. 2 Satz 1
Die Bestimmungen des [X.] der [X.]/[X.] des Rates vom 14.
Juni
1993 über Medizinprodukte in der durch die Verordnung ([X.]) Nr.
1882/2003 des [X.] und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung in Verbindung mit ihrem Art. 11 Abs. 1 und 10 sowie Art. 16 Abs. 6 sind dahin auszulegen, dass der benannten Stelle keine generelle Pflicht obliegt, unangemeldete Inspektionen durchzuführen, Produkte zu prüfen und/oder Geschäftsunterlagen des -
2
-

Herstellers zu sichten. Liegen jedoch Hinweise darauf vor, dass ein Medizinprodukt die Anforderungen der [X.]/[X.] in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung möglicherweise nicht erfüllt, muss die benannte Stelle alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihren Verpflichtungen aus Art. 16 Abs. 6 dieser Richtlinie und den Abschnitten 3.2., 3.3., 4.1. bis 4.3. und 5.1. des [X.] der Richtlinie nachzukommen (im
Anschluss an [X.], [X.], 1161).
BGH, Urteil vom 22. Juni 2017 -
VII ZR 36/14 -
OLG Zweibrücken

[X.]
-
3
-

Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22.
Juni
2017 durch [X.]
Eick, [X.]
Kartzke und Prof.
Dr.
Jurgeleit und die Richterinnen [X.] und Sacher
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 30.
Januar
2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ließ sich am 1.
Dezember
2008 in [X.] Silikonbrustimplantate einsetzen, die von einem in [X.] ansässigen Unternehmen, das zwischenzeitlich in Insolvenz gefallen ist, hergestellt worden waren. 2010 stellte die zuständige [X.] Behörde fest, dass bei der Herstellung der Brustimplantate entgegen dem Qualitätsstandard minder-wertiges [X.] verwendet wurde. Auf ärztlichen Ratschlag ließ sich die Klägerin daraufhin 2012 ihre Implantate entfernen. Sie begehrt deshalb von der Beklagten ein Schmerzensgeld nicht unter
40.000

Ersatzpflicht für künftig entstehende materielle Schäden.
1
-
4
-

Die Silikonbrustimplantate sind
Medizinprodukte, die nach
Art.
1 der Richtlinie 2003/12/[X.] der Kommission vom 3.
Februar
2003
zur Neuklassifizierung von Brustimplantaten im Rahmen der [X.]/[X.] ([X.].
2003 L
28 S. 43 f.) als Medizinprodukte der [X.] eingestuft werden. Medizinprodukte der Klasse
III dürfen nach §
6
Abs.
2
Satz
1
Medizinproduktegesetz nur in den Verkehr gebracht werden, wenn unter anderem ein Konformitätsbewertungsverfahren nach §
37
Abs.
1
[X.], § 7 Abs. 1 Nr. 1 (vormals § 6 Abs. 1 Nr. 1) [X.] ([X.]) in Verbindung mit [X.] der [X.]/[X.] durchgeführt worden ist. Bestandteil dieses Konformitätsbewertungsverfahrens ist das Qualitätssicherungssystem, die Prüfung der Produktauslegung
und die Überwachung (Nr.
3 bis
5 [X.] der [X.]/[X.]). Die förmliche Überprüfung (Audit) des Qualitätssicherungssystems, die Prüfung der Produktauslegung und die Überwachung werden von einer sogenannten benannten Stelle durchgeführt, die der Hersteller zu beauftragen hat.
Der
in [X.] ansässige Hersteller
beauftragte die Beklagte als benannte Stelle mit den genannten Aufgaben. Die Vertragsparteien vereinbarten
die Geltung [X.] Rechts.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Beklagte ihren Pflichten als benannter Stelle nicht hinreichend nachgekommen sei. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte bei dem Hersteller
vor dem 1.
Dezember
2008 jeweils angekündigte Besichtigungen im November
1998, Januar
2000, November
2000, Februar
2001, Dezember
2001, November
2003, November
2004 und März
2006 durchführte. Die Beklagte nahm keine regelmäßige Einsicht in die Geschäftsunterlagen und ordnete keine Produktprüfung an. Die Klägerin trägt vor, durch eine Einsicht in Lieferscheine 2
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-

und Rechnungen hätte die Beklagte erkennen können, dass nicht das genehmigte Silikon verarbeitet worden sei.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom
Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klage-begehren weiter.
Mit Beschluss vom 9. April 2015 hat der Senat dem [X.] nach Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung von Art. 11 Abs. 1 Buchstabe a)
in Verbindung mit [X.] Nummer 3.3., 4.3., 5.3., 5.4. der [X.]/[X.] des Rates vom 14.
Juni
1993 über Medizinprodukte ([X.]. 1993, [X.], Seite 1 ff.) vorgelegt
([X.], 2737):
Ist es Zweck und Intention der Richtlinie, dass die mit dem Audit des Qualitätssicherungssystems, der Prüfung der Produkt-auslegung und der Überwachung beauftragte benannte Stelle bei Medizinprodukten der Klasse
III zum Schutz aller potentiellen Patienten tätig wird und deshalb bei schuldhafter Pflichtverletzung den betroffenen Patienten unmittelbar und uneingeschränkt haften kann?
Ergibt sich aus den genannten Nummern des [X.] der [X.]/[X.], dass der mit dem Audit des Qualitäts-sicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizin-produkten der [X.] eine generelle oder zumindest anlassbezogene Produktprüfungspflicht obliegt?
Ergibt sich aus den genannten Nummern des [X.] der [X.]/[X.], dass der mit dem Audit des Qualitäts-5
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sicherungssystems, der Prüfung der Produktauslegung und der Überwachung beauftragten benannten Stelle bei Medizin-produkten der [X.] eine generelle oder zumindest anlass-bezogene Pflicht obliegt, Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten und/oder unangemeldete Inspektionen durchzuführen?
Der [X.] hat mit Urteil vom 16.
Februar
2017 ([X.]/15 S. 14 f.) die Fragen wie folgt beantwortet
([X.], 1161):
1. Die Bestimmungen des [X.] der [X.]/[X.] des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte in der durch die Verordnung ([X.]) Nr. 1882/2003 des [X.] und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung in Verbindung mit ihrem Art. 11 Abs. 1 und 10 sowie Art. 16 Abs. 6 sind dahin
auszulegen, dass der benannten Stelle keine generelle Pflicht obliegt, unangemeldete Inspektionen durchzuführen, Produkte zu prüfen und/oder Geschäftsunterlagen des Herstellers zu sichten. Liegen jedoch Hinweise darauf vor, dass ein Medizinprodukt die Anforderungen der [X.] in der durch die Verordnung Nr.
1882/2003 geänderten Fassung möglicherweise nicht erfüllt, muss die benannte Stelle alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um ihren Verpflichtungen aus Art. 16 Abs. 6 dieser Richtlinie und den Abschnitten 3.2., 3.3., 4.1.
bis 4.3.
und 5.1.
des [X.] der Richtlinie nachzu-kommen.
2. Die [X.] in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die benannte 7
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Stelle im Rahmen des Verfahrens der [X.]-Konformitätserklärung zum Schutz der Endempfänger der Medizinprodukte tätig wird. Die Voraussetzungen, unter denen eine von einer benannten Stelle begangene schuldhafte Verletzung der ihr im Rahmen dieses Verfahrens gemäß dieser Richtlinie obliegenden Pflichten ihre Haftung gegenüber den [X.] begründen kann, unterliegen vorbehaltlich der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität dem nationalen Recht.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Beklagte und das [X.] hätten einen rein privatrechtlich zu beurteilenden Vertrag geschlossen. In diesen sei die Klägerin nicht eingebunden gewesen. Die Beklagte hafte nicht unter dem Gesichtspunkt der Pflichtverletzung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Sinn und Zweck der Tätigkeit als benannter Stelle im Auftrag des Herstellers sei nicht der Schutz Dritter. Die [X.] diene nur dazu, die Voraus-setzungen für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten zu schaffen. Ein 8
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rechtsgeschäftlicher Wille des Herstellers und der benannten Stelle, Dritte in den Schutzbereich ihres Vertrages einzubeziehen, bestehe deshalb nicht. Eine solche Einbeziehung würde zudem zu einer uferlosen Ausweitung der Haftung der benannten Stelle führen. Schließlich sei nicht erkennbar, woraus sich ein berechtigtes Interesse des [X.]s an der Einbeziehung der Klägerin in den Schutzbereich des Vertrages ergebe.
Die Beklagte hafte zudem nicht nach [X.] Deliktsrecht. Der Beklagten könne nach Sachlage allenfalls der Vorwurf gemacht werden, das [X.] nicht ausreichend überwacht zu haben. Für die Beklagte habe sich aber keine Pflicht zum Handeln im Interesse der Patientinnen ergeben, da die benannte Stelle nicht zum Schutz der Patienten tätig werde. Zudem sei kein Verschulden feststellbar. Der Vorwurf, die Beklagte habe Überwachungspflichten verletzt, sei unberechtigt. Die Beklagte habe regel-mäßig angekündigte Besichtigungen durchgeführt. Das reiche aus, soweit kein Verdacht für eine nicht ordnungsgemäße Produktion gegeben sei. Vor Dezember 2011 hätten sich entsprechende Verdachtsmomente für die Beklagte nicht ergeben.

II.
Das
hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Zertifizierungs-
und Prüfauftrag des Herstellers an die Beklagte zwischen den Vertragsparteien ein privatrechtliches Schuldverhältnis begründet (BPatGE 52, 136, 139, juris Rn.
12; [X.]/Wagner, [X.], 2.
Aufl., Einführung Rn.
31 und 11
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-

§
15 Rn.
1; [X.]/Pauge/Steinmeyer/[X.], Gesamtes Medizinrecht, 2.
Aufl., § 6 [X.] Rn. 2).
2. [X.] beurteilt sich insgesamt nach [X.] materiellem
Recht.
a) Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus unerlaubter Handlung beurteilen sich nach [X.] Recht. Dies folgt aus Art.
40
[X.]BGB.
Die Verordnung ([X.]) Nr. 864/2007 des [X.] und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht ([X.]; [X.]. [X.]) ist im Streitfall intertemporal noch nicht anwendbar, da das schadensbegründende Ereignis vor dem 11.
Januar
2009 eingetreten ist (vgl. Art. 31, 32 [X.]).
Nach der Art.
40 Abs. 1 [X.]BGB vorgehenden Sonderanknüpfung des Art.
40 Abs.
2 [X.]BGB ist
[X.] Recht als Recht des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts von Klägerin und Beklagter zur Zeit des [X.] anwendbar. Die Anwendbarkeit [X.] Rechts ergäbe sich im Übrigen auch aus Art.
40 Abs.
1 Satz
2 [X.]BGB. Eine wesentlich engere Verbindung zu einem ausländischen Recht im Sinne des Art. 41 [X.]BGB, die dessen Anwendbarkeit zur Folge hätte, besteht im Streitfall nicht.
b) Vertragliche Ansprüche, die aus dem zwischen der Beklagten und dem Hersteller geschlossenen Vertrag über das Konformitätsbewertungsverfahren resultieren, beurteilen sich kraft ausdrücklicher Rechtswahl nach [X.] Recht. Dies folgt aus Art.
27 Abs. 1 [X.]BGB.
Die Verordnung ([X.]) Nr. 593/2008 des [X.] und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse 14
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-

anzuwendende Recht ([X.] I-VO, [X.]. [X.], berichtigt
[X.]. 2009 L 309 [X.]) ist im Streitfall intertemporal nicht anwendbar, da sie gemäß Art. 28 nur auf Verträge angewandt wird, die ab dem 17. Dezember 2009 geschlossen worden sind. Auf Verträge, die -
wie der hier einschlägige Vertrag
-
davor geschlossen wurden, sind weiterhin die Bestimmungen der Art.
27 bis 34 [X.]BGB anzuwenden.
c) Da [X.] Recht sowohl auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung als auch auf vertragliche Ansprüche aus dem genannten Vertrag anwendbar ist, bedarf es im Streitfall keiner Entscheidung, ob die Einbeziehung von [X.] in den Schutzbereich eines Vertrags sich internationalprivatrechtlich nach dem [X.] beurteilt (vgl. [X.]/[X.], 4.
Aufl., Art.
32
[X.]BGB Rn. 24 m.w.N.) oder ob insoweit das [X.] (vgl. [X.], [X.] 2009, 293, 297)
maßgebend ist.
3. Der revisionsrechtlichen Nachprüfung hält die Annahme des Berufungsgerichts stand, dass die Beklagte keine Pflichten nach [X.] der [X.]/[X.] verletzt hat und deswegen eine Haftung der Beklagten aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder aus § 823 BGB ausscheidet.
a) Der benannten Stelle sind nach [X.] der [X.]/[X.] folgende Pflichten zugewiesen:
[X.]) Vor dem Inverkehrbringen des Medizinprodukts ist die benannte Stelle in die Bewertung des von dem Hersteller einzureichenden Qualitäts-sicherungssystems eingebunden (Nr. 3.3. [X.] der [X.]/[X.]). Sie hat eine förmliche Überprüfung des Qualitätssicherungssystems (Audit) durchzuführen. Zusätzlich hat der Hersteller eine Produktauslegungsdoku-20
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mentation vorzulegen, die die benannte Stelle nach Nr. 4.3. der [X.]/[X.] zu prüfen hat.

bb) Nach dem Inverkehrbringen des Medizinprodukts hat nach Nr. 5.1. Anhang
II der [X.]/[X.] eine Überwachung des Qualitäts-sicherungssystems zu erfolgen. Die Pflichten der benannten
Stelle im Rahmen der Überwachung sind in Nr. 5.3. und 5.4. [X.] der [X.]/[X.] geregelt. Danach führt die benannte Stelle regelmäßig die erforderlichen Inspektionen und Bewertungen durch, um sich davon zu überzeugen, dass der Hersteller das genehmigte Qualitätssicherungssystem anwendet.
Darüber hinaus kann die benannte Stelle unangemeldete Besichtigungen beim Hersteller durchführen und erforderlichenfalls Prüfungen zur Kontrolle des ordnungsgemäßen Funktionierens des Qualitätssicherungssystems durch-führen oder durchführen lassen. Diese Pflicht, die eine Produktprüfung und die Sichtung der Geschäftsunterlagen des Herstellers umfassen kann, besteht aber nicht generell, sondern nur, wenn Hinweise vorliegen, dass das Medizinprodukt den
Anforderungen der [X.]/[X.]
in der durch die Verordnung Nr.
1882/2003 geänderten Fassung nicht genügt ([X.],
[X.], 1161).

b) Die vor dem Inverkehrbringen der Silikonbrustimplantate bestehenden Pflichten hat die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin nicht verletzt.
c) Die Beklagte hat die nach dem Inverkehrbringen der Silikon-brustimplantate bestehenden Pflichten ebenfalls nicht verletzt.
[X.]) Die Beklagte hat das Qualitätssicherungssystem unstreitig durch regelmäßige -
angekündigte
-
Inspektionen und Bewertungen überwacht und 24
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sich davon überzeugt, dass der Hersteller
das Qualitätssicherungssystem anwendet. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der
[X.] Hersteller ein System der Vertuschung geschaffen, um die [X.]n Behörden und die Beklagte darüber zu täuschen, dass sie [X.] zur Befüllung der Implantate verwendete. Vor den regelmäßigen Inspektionen stellte der [X.] Hersteller
den Herstellungsprozess jeweils um und legte den Kontrolleuren der Beklagten nur eine Dokumentation über die Verwendung des genehmigten
Silikons vor.
bb) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte vor Dezember 2008 keinen Anlass, unangemeldete Inspektionen durch-zuführen, Brustimplantate zu prüfen oder die Geschäftsunterlagen des [X.]n Herstellers zu prüfen.
(1) Die in einem Artikel des "Handelsblatts"
vom 12. Juli 2013 genannte Warnung der [X.]n
Aufsichtsbehörde aus dem [X.], die sich auf mit Kochsalzlösung gefüllte Brustimplantate und nicht auf Silikon-brustimplantate bezog,
ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts -
auf der Grundlage des unstreitigen Parteivortrags
-
der Beklagten erst im [X.] bekannt geworden. Soweit die Revision mit Schriftsatz vom 2.
Juni
2017 unter Bezugnahme auf eine Zeugenaussage in dem in [X.] geführten Strafverfahren vorträgt, die [X.] Aufsichtsbehörde habe ihre Warnung auf ihrer Internetseite im [X.] veröffentlicht, wo sie für die Beklagte ohne weiteres einsehbar gewesen sei, ist das neuer Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen ist (§
559 Abs.
1 Satz
1
ZPO).
(2) Der
in dem oben genannten Presseartikel
weiter erwähnte Bericht
britischer Aufsichtsbehörden aus Dezember 2000 hatte nach den Fest-29
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stellungen des Berufungsgerichts -
auf der Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens
-
die wissenschaftliche Frage nach alternativen Füll-materialien (hier: Sojaöl) zum Gegenstand. Die Zuverlässigkeit des [X.]n Herstellers war nicht Gegenstand des Berichts.
Die insoweit -
außerhalb der Revisionsbegründungsfrist
-
erhobene Verfahrensrüge der Revision hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet
(§ 564 ZPO).
(3) Soweit die Revision mit Schriftsatz vom 2.
Juni
2017 unter Bezugnahme auf einen Bericht der [X.]n Aufsichtsbehörde vom 1.
Dezember 2012 ([X.], 36 ff., 83 ff.) vorträgt, es habe aufgrund der Ein-richtung eines besonderen Meldeblatts für die Brustimplantate
ab 2002 festgestanden, dass der
[X.] Hersteller einer besonderen Über-wachung bedurft hätte, handelt es sich ebenfalls um neuen Vortrag, der in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen ist. Zwar hat die
Klägerin den genannten Bericht in der Tatsacheninstanz zur Akte gereicht, jedoch ohne diesen inhaltlich auszuwerten. Damit hat die Klägerin ihrer Darlegungslast
nicht genügt.
(4) Soweit die Revision meint, dass bereits die potentielle hohe Gefährlichkeit von [X.] als Medizinprodukte der höchsten Risikoklasse, insbesondere die leichte Austauschbarkeit des Silikons und die Unauffälligkeit eines solchen Austauschs, objektiver Anhaltspunkt
für mögliche Herstellerverfehlungen sei, teilt der Senat das nicht. Es handelt sich allein um ein abstraktes Gefährdungspotential, das nach dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] selbst bei Medizinprodukten der höchsten Risikoklasse

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34
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-

nicht ausreicht, um die benannte Stelle als verpflichtet anzusehen, besondere Überwachungsmaßnahmen einzuleiten.
(5) Soweit die Revision meint, der Klägerin müsse durch [X.] an das Berufungsgericht Gelegenheit gegeben werden, ergänzend vorzutragen, weil die Instanzgerichte
die Frage einer [X.] Überwachungspflicht nicht für erheblich erachtet haben, ist das unzutreffend. Die Instanzgerichte haben sich nicht nur mit der Frage aus-einandergesetzt, ob zugunsten der Klägerin eine Anspruchsgrundlage besteht, sondern eingehend erörtert, warum die Beklagte keinen Anlass hatte, vor Dezember
2008 eine unangemeldete Inspektion durchzuführen, in diesem Zusammenhang die Geschäftsunterlagen des [X.]n Herstellers zu sichten und eine Produktprüfung vorzunehmen.
4. Da eine Haftung der Beklagten mangels Pflichtverletzung ausscheidet, kann dahin gestellt bleiben, ob zugunsten der Klägerin grundsätzlich das [X.] mit Schutzwirkung zugunsten Dritter oder §
823
BGB Anwendung findet (zum Diskussionsstand siehe [X.], StoffR
2017, 96; [X.], [X.] 2017, 42; [X.], [X.], 462; [X.], NJW
2017, 1146; [X.], [X.] 2017, 299; [X.], [X.] 2016, 43; [X.], LMK
2017, 389314).
Der Senat weist darauf hin, dass nach dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 16. Februar 2017 aus der [X.]/[X.] selbst sich keine zivilrechtliche Haftung der benannten Stelle ergibt ([X.], 1161 Rn.
56). Das schließt allerdings die Anwendung anderer Regelungen der vertraglichen oder außervertraglichen Haftung nach [X.] Recht nicht aus, sofern diese auf anderen Grundlagen -
etwa Verschulden -
beruhen ([X.], 1161 Rn. 58
f.).
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-
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-

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Eick
Kartzke
Jurgeleit

[X.]

Sacher
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.03.2013 -
6 O 304/12 -

OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 30.01.2014 -
4 [X.] -

38

Meta

VII ZR 36/14

22.06.2017

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2017, Az. VII ZR 36/14 (REWIS RS 2017, 9236)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 9236

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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