Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.11.2014, Az. 25 W (pat) 79/12

25. Senat | REWIS RS 2014, 1371

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – zur Festsetzung des Gegenstandswerts


Leitsatz

Gegenstandswert im Widerspruchs(beschwerde)verfahren.

Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts im Widerspruchs(beschwerde)verfahren ist das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke am Erhalt seiner Marke maßgeblich (st.Rspr.).

Mangels ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine betragsmäßige Schätzung dieses wirtschaftlichen Interesses ist bei der Festsetzung des Gegenstandswerts von dem in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG normierten Regelwert auszugehen (abw. BPatG Beschluss vom 8. August 2013 - 30 W (pat) 57/11).

Der erkennende Senat hält entgegen der Mehrheit der Marken-Beschwerdesenate des Bundespatentgerichts, die einer BGH-Praxis folgend den Gegenstandswert regelmäßig mit 50.000,-- Euro festsetzen, an seiner Rechtsprechung fest, dieses wirtschaftliche Interesse bei unbenutzten angegriffenen Marken ohne werterhöhende Faktoren in der Form zu bemessen, dass der Ausgangsregelwert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG verfünffacht wird (vgl. Senatsbeschluss vom 9. August 2012 - 25 W (pat) 510/11, BlPMZ 2012, 421 – Gegenstandswert im Widerspruchs- bzw. Widerspruchsbeschwerdeverfahren). Daraus ergibt sich im vorliegenden Verfahren ein Gegenstandswert in Höhe von 20.000,-- Euro.

Bei der Bemessung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren ist auf die Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens abzustellen (Rechtsgedanke des § 40 GKG), und der zu diesem Zeitpunkt gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG normierte Regelwert zu Grunde zu legen.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke ...

hier: Festsetzung des Gegenstandswerts

hat der 25. Senat ([X.]) des [X.] am 13. November 2014 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters [X.] sowie der Richterinnen [X.] und Grote-Bittner

beschlossen:

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000,-- € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 31. Mai 2012 hat die Markenstelle für Klasse 5 des [X.] eine Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke ... und der Gemeinschaftsmarke ... als Widerspruchsmarke verneint und den gegen alle identischen und ähnlichen Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke gerichteten Widerspruch zurückgewiesen. Die dagegen von der Widersprechenden eingelegte Beschwerde hat der Senat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2014 zurückgewiesen, wobei der Widersprechenden die Kosten auferlegt worden sind, die der Inhaberin der angegriffenen Marke aufgrund der mündlichen Verhandlung entstanden sind.

2

Mit Schriftsatz vom 26. Mai 2014 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke sinngemäß beantragt, den Gegenstandswert entsprechend der seit dem [X.] in [X.] beim [X.] üblichen Praxis auf 50.000,-- € festzusetzen. Die bisherige Praxis des [X.], die von niedrigeren [X.]n ausgehe, sei nicht haltbar.

3

Mit Hinweis vom 10./11. Juli 2014 hat der Senat den Beteiligten mitgeteilt, dass er entsprechend den Senatsentscheidungen 25 W (pat) 16/10 vom 8. Februar 2012, ([X.], 1172) und 25 W (pat) 510/11 vom 9. August 2012 ([X.] 2012, 421) beabsichtige daran festzuhalten, ohne werterhöhende Gesichtspunkte als Regelwert den jeweils maßgeblichen Ausgangsregelwert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] zu verfünffachen, woraus sich angesichts des seit 1. August 2013 gültigen [X.] nach § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] in Höhe von 5.000,-- € ein Gegenstandswert von 25.000,-- € ergebe. Den Beteiligten hat der Senat Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen und ggfls. werterhöhende Umstände vorzutragen, wie [X.] eine Benutzungsaufnahme der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke vor Abschluss des [X.]s oder besonders hohe Aufwendungen bei der Entwicklung der angegriffenen Marke.

4

Die Widersprechende hat u. a. ausgeführt, dass bei der Festsetzung des [X.]s eine Verfünffachung des in § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] niedergelegten Wertes an der oberen Grenze des [X.] liege. Als wertmindernder Aspekt sei zu berücksichtigen, dass der Schwerpunkt der Waren der angegriffenen Marke im Bereich der Klassen 29 bis 33 liege, der Widerspruch sich jedoch nur gegen einzelne Produkte der Klasse 5 richte, mithin nur ein ganz geringer Teil der Marke durch den Widerspruch befangen sei. Unter Hinweis auf § 51 Abs. 3 Satz 2 [X.], wonach hinsichtlich des [X.] und Unterlassungsanspruchs auch aus gewerblichen Schutzrechten mangels genügender Anhaltspunkte aus dem Sach- und Streitstand ein Streitwert von 1000,-- € anzunehmen sei, wäre es unverhältnismäßig, den Regelstreitwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] in einem Widerspruchsverfahren zu vervielfachen.

5

Die Inhaberin der angegriffenen Marke ist den Ausführungen der Widersprechenden entgegengetreten und hat u. a. ausgeführt, dass die Anzahl der mit Widerspruch angegriffenen Waren und Dienstleistungen ebenso wie die Anzahl der vom Schutz der jüngeren Marke umfassten Waren und Dienstleistungen für die Bemessung des [X.]s unerheblich sei.

6

Mit weiterem Hinweis vom 25./29. September 2014 hat der Senat den Beteiligten ergänzend mit einer Frist zur Stellungnahme mitgeteilt, dass bei der Festsetzung des [X.] nicht der seit 1. August 2013 nach § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] geltende Ausgangsregelwert in Höhe von 5.000,-- € maßgeblich sein könnte, sondern noch der alte, bis einschließlich 31. Juli 2013 geltende Wert in Höhe von 4.000,-- €, da möglicherweise auf die Umstände (bzw. die Gesetzeslage) zum Zeitpunkt der Anhängigkeit der Beschwerde (7. Juli 2012) abzustellen sei.

7

Auf diesen Hinweis hin haben die Beteiligten keine weitere Stellungnahme abgegeben.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

II.

9

Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke nach § 33 Abs. 1 [X.], den Gegenstandswert für das Löschungsverfahren festzusetzen, ist zulässig. Die Inhaberin der angegriffenen Marke war im Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten, dessen anwaltliche Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 [X.] fällig geworden ist, da das Beschwerdeverfahren mit einer Sach- und Kostenentscheidung seinen Abschluss gefunden hat, woraus sich gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch die Zulässigkeit des Antrags auf Festsetzung des [X.] ergibt.

Da in den markenrechtlichen Verfahren vor dem [X.] für die Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften existieren, ist der Gegenstandswert gemäß § 33 Abs. 1 i. V. m. § 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 [X.] nach billigem Ermessen zu bestimmen. Bei der Festsetzung der Höhe des [X.] ist in ständiger Rechtsprechung im Widerspruchsverfahren nicht das Interesse des Widersprechenden an der Löschung der angegriffenen Marke oder der Wert der Widerspruchsmarke maßgeblich, sondern das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke am Erhalt seiner Marke (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 71 Rdn. 33 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; so wohl auch [X.], 704 - Markenwert). Da in aller Regel mangels jeglichen Vortrags tatsächliche Anhaltspunkte für eine konkrete Schätzung fehlen, ist – so auch vorliegend - von dem in § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] bestimmten Regelwert auszugehen, wobei dieser Wert nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500 000,-- € anzunehmen ist. Bei mit dem Widerspruch angegriffenen unbenutzten Marken geht der Senat entsprechend der früheren, jedenfalls im Zeitraum von 2006 bis 2012 einheitlichen Praxis der weit überwiegenden Mehrheit der [X.] des [X.] nach wie vor davon aus, dass der Gegenstandswert im Hinblick auf die große wirtschaftliche Bedeutung der Markenrechte deutlich über dem jeweiligen Regelwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] festzusetzen ist, und zwar dergestalt, dass dieser normierte Regelwert in der Regel zu verfünffachen ist (vgl. dazu die Senatsentscheidungen 25 W (pat) 16/10 vom 8. Februar 2012, [X.], 1172 – Gegenstandswert in markenrechtlichen Beschwerdeverfahren und 25 W (pat) 510/11 vom 9. August 2012, [X.] 2012, 421 – Gegenstandswert in Widerspruchs- bzw. [X.]).

Weitere gegenstandswerterhöhende Umstände, wie [X.] eine Benutzungsaufnahme der angegriffenen Marke vor Abschluss des [X.]s oder besonders hohe Aufwendungen für die Entwicklung der Marke, hat die Inhaberin der angegriffenen Marke nicht geltend gemacht, so dass eine weitere Erhöhung des [X.] vorliegend nicht in Betracht kommt.

Bei der Bemessung des [X.] für das Beschwerdeverfahren ist auf die Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens und damit auf die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] und den dort normierten Regelwert abzustellen. Dieser Wert lag zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens am 7. Juli 2012 noch bei 4.000,-- €, so dass sich demzufolge bei einer Verfünffachung dieses Werts ein Gegenstandswert von 20.000,-- € ergibt. Ausgehend davon sind sämtliche in der Beschwerdeinstanz anfallenden Gebühren auf der Grundlage des danach festzusetzenden einheitlichen [X.] zu bemessen, analog § 40 [X.]. Zwar ist in markenrechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem [X.] das Gerichtskostengesetz grundsätzlich nicht (§ 1 [X.] bzw. argumentum e contrario § 1 Abs. 1 Nr. 14 [X.]) bzw. nur in Bezug auf die Auslagen (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 3 [X.]) anwendbar. Gleichwohl ist der in § 40 [X.] formulierte [X.] für die Lösung der Frage, auf welchen Zeitpunkt in gerichtlichen Verfahren bei der [X.] eines Streitgegenstandes abzustellen ist, auch im Rahmen der Gegenstandswertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 i. V. m. § 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 [X.] heranzuziehen. Das [X.] selbst enthält hierzu keine Regelung. Dagegen wird in § 40 [X.] für gerichtliche Verfahren ein allgemeines Prinzip formuliert, nämlich dass für die [X.] der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden, den Rechtszug einleitenden Antragstellung maßgebend ist. Dies bedeutet, dass bei unverändertem Streitgegenstand grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Antragstellung bzw. bei Beschwerden auf den Zeitpunkt des Eingangs der Beschwerdeschrift abzustellen ist (vgl. dazu [X.] [X.], 44. Aufl. § 40 [X.], Rn. 3 und Rn. 5 unter dem Stichwort „[X.]“). Soweit die maßgeblichen Bemessungsvorschriften durch das Gesetz geändert werden, ist es nach Auffassung des Senats folgerichtig, auch diesen Umstand in einem laufenden Beschwerdeverfahren unberücksichtigt zu lassen, sofern das [X.] selbst nichts Abweichendes bestimmt. [X.] (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz) vom 23. Juli 2013, [X.], Seite 2585 ff., durch das gemäß Art. 8 Nr. 12 b der Regelwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] von 4.000,-- auf 5.000,-- € angehoben worden ist, enthält weder in Artikel 8 (Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, [X.], Seite 2688 f.) noch ansonsten Übergangsregelungen, die eine Berücksichtigung der neue Regelwerte bereits in laufenden Verfahren anordnen oder ansonsten notwendig erscheinen lassen würden. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ohne die entsprechende Anwendung des § 40 [X.] mit einer einheitlichen Gegenstandswertfestsetzung für sämtliche im Beschwerdeverfahren anfallenden Gebühren ansonsten unter Umständen für diverse Gebührentatbestände ([X.] Geschäftsgebühr oder Terminsgebühr) unterschiedliche [X.] festzusetzen wären. Eine solche Handhabung erscheint weder sachgerecht noch praktikabel.

Soweit die Praxis der Mehrheit der [X.] seit etwa zwei Jahren einer Rechtsprechung des [X.]s folgend bei entsprechenden [X.] dahin geht, regelmäßig einen Gegenstandswert von 50.000,-- € festzusetzen (vgl. u. a. [X.] Beschluss vom 14. März 2012 – 29 W (pat) 115/11, [X.], 1174 – Gegenstandswert im Widerspruchsverfahren und [X.] Beschlüsse vom 4. Juli 2012 - 26 W (pat) 72/11, vom 22. Mai 2012 – 27 W (pat) 108/10, vom 21. Januar 2013 – 28 W (pat) 13/11, vom 8. August 2013 – 30 W (pat) 113/11, vom 8. August 2013 - 30 W (pat) 57/11, vom 16. April 2014 – 26 W (pat) 573/10 und 26 W (pat) 47/12, vom 17. Februar 2014 - 27 W (pat) 99/12, vom 29. Juli 2014 – 27 W (pat) 29/13, vom 5. Februar 2014 – 28 W (pat) 36/12, vom 30. Juli 2014 – 28 W (pat) 7/12 und vom 21. Mai 2014 – 29 W (pat) 59/12), wäre die allein folgerichtige Konsequenz, dass diese Senate nunmehr nach der Erhöhung des [X.] um 25 % gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] zum 1. August 2013 von 4.000,-- auf 5.000,-- €, auch den Gegenstandswert bei [X.] im Regelfall bei einer Anhängigkeit des Verfahrens nach dem 1. August 2013 entsprechend anheben. Der erkennende Senat will damit allerdings nicht für eine weitere Anhebung der [X.] werben, da er bereits den bei unbenutzten angegriffenen Marken angenommenen Gegenstandswert in Höhe von 50.000,-- € für unangemessen hoch hält. Einen solchen Gegenstandswert erreicht man bei dem bis 1. August 2013 geltenden Ausgangswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] a. F. in Höhe von 4.000,-- € dann, wenn dieser Betrag mit 12,5 multipliziert wird. Diese Praxis entfernt sehr weit vom normierten Regelwert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] und misst diesem kaum mehr die erforderliche Relevanz bei. Sie orientiert sich vielmehr ausschließlich an einer nicht mit Argumenten untermauerten Praxis des [X.]s, die zudem auf der abweichenden „regelwertfreien“ gesetzlichen Grundlage des § 51 Abs. 1 [X.] beruht.

Soweit in einer Entscheidung des [X.] zum Gegenstandswert in Bezug auf ein Beschwerdeverfahren betreffend eine Kostenentscheidung der Markenstelle des [X.] ausgeführt wird, dass der Regelwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] in den markenrechtlichen Widerspruchs- bzw. [X.] keine Anwendung finde, weil dieser nur bei nicht bezifferbaren nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten gelte und bei solchen, bei denen – anders als von dem Senat in dem dortigen Verfahren angenommen – genügende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlten ([X.], Beschluss vom 8. August 2013 - 30 W (pat) 57/11), kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Zwar stellt eine unter Geltung des Markengesetzes eingetragene Marke ein selbständiges, frei veräußerbares und durch Belastung oder Lizenzierung verwertbares [X.] dar, worauf die vorstehende Entscheidung des 30. Senats bei der Bemessung des [X.] u. a. abstellt. Gleichwohl ergeben sich allein daraus keine ausreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkte für eine konkrete Bezifferung oder auch nur eine annäherungsweise betragsmäßige Schätzung, da es – soweit ersichtlich – keine standartisierten oder gar taxmäßigen Vergütungen zur Veräußerung oder Lizensierung von Markenrechten gibt. Dies ist angesichts der Vielzahl von Bewertungsfaktoren, die je nach konkretem Einzelfall extrem unterschiedlich sein können, auch nicht verwunderlich. Der wirtschaftliche Hintergrund von Markenanmeldungen, aus dem im jeweiligen Fall unter Umständen Rückschlüsse in Bezug auf das für die Gegenstandswertfestsetzung maßgebliche wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Erhalt seiner eingetragenen und dann mit dem Widerspruch angegriffenen Marke gezogen werden könnten, ist im Übrigen nach der Erfahrung des Senats in den allerwenigsten Fällen – so auch im vorliegenden Verfahren - auch nur ansatzweise ersichtlich und beschränkt sich im Regelfall letztlich auf die Höhe der beim Patentamt gezahlten Gebühren für die Markenanmeldung und die ggfls. gezahlte Erinnerungs- bzw. [X.]. Soweit in der vorgenannten Entscheidung des 30. Senats ausgeführt wird, dass der Senat aufgrund seiner jahrelangen Befassung mit markenrechtlichen Sachverhalten den Schätzbetrag in Höhe von 50.000,-- € im Regelfall für angemessen hält, teilt der erkennende Senat diese Einschätzung nicht.

Abgesehen davon, dass der 30. Senat in der vorstehend zitierten Entscheidung die tatsächlichen Grundlagen für den von ihm gewonnenen Schätzbetrag in Höhe von 50.000,-- € nicht angibt, so dass insoweit ein sachliche Auseinandersetzung mit dieser Schätzung nicht möglich ist, widerspricht dies auch der Erfahrung des erkennenden Senats. Sofern über den wirtschaftlichen Hintergrund von Markenanmeldungen überhaupt etwas bekannt wird, ist nicht selten zu erfahren, dass es sich um [X.] handelt, um für den Fall entsprechender Produktentwicklungen in der Zukunft „markenmäßig gerüstet zu sein“. Dabei wird sich kein wirtschaftlich und rational handelndes Unternehmen bei der Notwendigkeit der Kennzeichnung neuer Produkte auf eine einzige noch nicht rechtsbeständige Marke verlassen, sondern wird insoweit vielmehr regelmäßig ein gewisses Markenportfolio bereithalten. Insofern ist auch das teilweise bemühte Argument, dass das wirtschaftliche Interesse am Schutz einer angegriffenen Marke u. a. auch das Interesse an der Vermeidung von [X.] umfasst (vgl. [X.] Beschluss vom 14. März 2012 – 29 W (pat) 115/11, [X.], 1174, 1176 - Gegenstandswert im Widerspruchsverfahren), nicht stichhaltig. Abgesehen von der unterschiedlichen Gesetzeslage für die Festsetzung der [X.] im Beschwerde- und [X.] (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 71 Rn. 30) ist auch die Spruchpraxis des [X.]s, der in den [X.] seit circa 12 Jahren pauschal und stets ohne jede Begründung und deshalb auch nicht nachvollziehbar einen Gegenstandswert von 50.000,-- € festsetzt, für den erkennenden Senat kein Grund von seiner langjährigen Praxis und der in dieser Kontinuität stehenden Bemessung des [X.] in der vorliegenden Sache abzurücken.

Die vorgenannte Entscheidung des 30. Senats ([X.], Beschluss vom 8. August 2013 - 30 W (pat) 57/11), bei der es um die Gegenstandswertfestsetzung in einem die Kostenentscheidung eines patentamtlichen Widerspruchsverfahren betreffenden Beschwerdeverfahrens ging, veranschaulicht im Übrigen die im Vergleich zu früher (bis zum [X.] lagen die von den [X.]n des [X.] in den Widerspruchs- und [X.] regelmäßig festgesetzten Gegenstandswert noch einheitlich bei 10.000,-- €) deutlich gestiegene Kostenbelastung bzw. das erheblich gestiegene Kostenrisiko der Verfahrensbeteiligten in den Widerspruchsverfahren. Dies beträgt für das patentamtliche Verfahren mit anwaltlicher Vertretung bei einem Gegenstandswert in Höhe von 50.000,-- € bereits nach den bis 31. Juli 2013 maßgeblichen niedrigeren [X.] 2.500,-- € für die Kosten des eigenen Anwalts. Im Beschwerdeverfahren mit mündlichen Verhandlung fallen dann eine 1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 1.359,80 € und eine 1,2-Terminsgebühr in Höhe von 1.255,20 € an, so dass hier das Kostenrisiko mit den Pauschalen und der Umsatzsteuer auf deutlich über 3.100,-- € steigt. Bei den aktuellen, seit 1. August 2013 geltenden [X.] liegt das Risiko sogar noch höher. Für das patentamtliche Verfahren liegt das Risiko bei circa 2.800,-- €. Für das Beschwerdeverfahren mit mündlicher Verhandlung fallen eine 1,3-Geschäftsgebühr in Höhe von 1.511,90 € und eine 1,2-Terminsgebühr in Höhe von 1.395,60 € an, so dass hier das Kostenrisiko mit den Pauschalen und der Umsatzsteuer auf circa 3.500,-- € steigt. Somit liegt die Gesamtkostenbelastung für das patentamtliche und das patentgerichtliche Verfahren aktuell in Bezug auf den eigenen Anwalt bei insgesamt circa 6.300,-- €. Bei einer Kostenauferlegung in Bezug auf die Kosten des anwaltlich vertretenen [X.] für beide Instanzen verdoppelt sich das Kostenrisiko bzw. die Kostenbelastung auf circa 12.600,-- €. Bei einem Gegenstandswert von 25.000,-- € beträgt das entsprechende Kostenrisiko bzw. die Kostenbelastung zwar auch bereits 4.250,-- € bzw. 8.500,-- €. Damit ist dieses Kostenrisiko gegenüber dem bei einem angenommenen Gegenstandswert von 50.000,-- € gleichwohl deutlich geringer. Hinzu kommen jeweils noch die überschaubaren weiteren Kostenbelastungen durch die [X.] in Höhe von 200,-- € und durch die [X.] in Höhe von 150,-- €, sofern ein patentamtliches Erinnerungsverfahren durchzuführen war.

Insgesamt zeigen die vorstehenden Zahlen, dass die Widerspruchs- und [X.] mit steigender Höhe der [X.] und damit steigender Kostenbelastung sich zunehmend von dem ursprünglichen gesetzgeberischen Zweck und Ideal entfernen, den Beteiligten ein schnelles und im Wesentlichen an der [X.] orientiertes und deshalb im Vergleich zum Verletzungsprozess einfacheres und auch deutlich kostengünstigeres Verfahren zur Klärung markenrechtlicher Kollisionen (regelmäßig vor der Benutzungsaufnahme einer jüngeren Marke) zur Verfügung zu stellen. Dass dieser gesetzgeberische Zweck, der auch in den sehr niedrigen Gebühren für die Erinnerung vor dem Patentamt und die Beschwerde vor dem [X.] in Höhe von aktuell 150,-- bzw. 200,-- € zum Ausdruck kommt, durch unangemessen hohe [X.] und den daraus folgenden entsprechend hohen Anwaltskosten konterkariert wird, ergibt sich aus dem vorstehend dargestellten Zahlenwerk ohne Weiteres. Angesichts der inflationären Tendenzen beim Gegenstandswert (Verfünffachung des Werts von 2006 bis 2012) und der dadurch bedingten gestiegenen Kostenbelastung für die Beteiligten ist es auch wenig überraschend, dass das Instrument des markenrechtlichen Widerspruchsverfahrens zur Klärung von streitigen Kollisionslagen von den Markeninhabern zunehmend zurückhaltend genutzt wird. Die durchschnittliche Zahl der [X.] beim [X.] pro Jahr war in den Jahren 1995 bis 2004 etwa um einen Faktor 3 und in den Jahren 2005 bis 2008 etwa um einen Faktor 2 höher als in der jüngeren Vergangenheit der Jahre 2009 bis 2013, wohingegen die Zahl der Verfahren zu Fragen der absoluten Schutzfähigkeit bezogen auf den Zeitraum von 1995 bis 2012 (mit Ausnahme der Jahre 2001 bis 2004 mit um circa 40 % höheren Entscheidungszahlen) nahezu konstant geblieben ist. Der erkennende Senat hält es für außerordentlich bedauerlich, dass das markenrechtliche Widerspruchsverfahren als wertvolles Instrument der „Regulierung“ und „Vorabklärung“ vor einem tatsächlichen Aufeinandertreffen der Marken im Markt wohl nicht zuletzt auch aufgrund des signifikant gestiegenen Kostenaufwands zunehmend ungenutzt bleibt.

Ausgehend von den Ausführungen zur wirtschaftlichen Bedeutung von Markenrechten am Beginn der Entscheidungsgründe ist es allerdings auch nicht gerechtfertigt, von der Verfünffachung des jeweils maßgeblichen und auch derzeit noch relativ geringen [X.] nach § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] Abstand zu nehmen und den Gegenstandswert im [X.] aktuell unterhalb dieser Grenze festzusetzen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob eine geringe Anzahl der mit Widerspruch angegriffenen Waren und Dienstleistungen oder ein Teilwiderspruch bei der Bestimmung des [X.]s zu berücksichtigende mindernde Faktoren darstellen. Denn entgegen dem Vortrag der Widersprechenden ist der Widerspruch nicht gegen einige wenige Waren und Dienstleistungen oder beschränkt gegen einzelne Waren, etwa der Klasse 5 der angegriffenen Marke erhoben worden, sondern gegen alle identischen und ähnlichen Waren und Dienstleistungen (vgl. Widerspruch vom 29. März 2010), was nach ständiger Spruchpraxis als unbeschränkter Widerspruch auszulegen ist (vgl. [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 42 Rn. 47).

Ferner besteht im Hinblick auf die hier für das Widerspruchsverfahren maßgebliche gesetzliche Regelung des § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] und dem dort festgelegten [X.] kein Anlass für eine wertende Heranziehung des sehr speziellen Regelstreitwertes von 1.000,-- € für den [X.] und Unterlassungsanspruch nach § 51 Abs. 3 Satz 2 [X.]. Der Streitwert eines Unterlassungsanspruch wegen Verletzung einer Marke bestimmt sich nicht nach den Vorschriften des § 51 Abs. 2 und 3 [X.], die nur bei Ansprüchen nach dem UWG gelten, sondern nach § 51 Abs. 1 Halbsatz 2 [X.] i. V. m. § 3 ZPO, wobei dieser Streitwert nach billigem Ermessen – und anders als nach § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] - ohne Berücksichtigung eines [X.] zu bestimmen ist (vgl. [X.], [X.], 44. Aufl. 2014, [X.] § 51 Rn. 3 und 8; [X.]/[X.], Streitwert Kommentar, 13. Aufl. 2011, Rn. 2777). Dies gilt entsprechend für die Festsetzung des Streitwerts in [X.] nach § 51 Abs. 1 Halbsatz 1 [X.] (siehe dazu [X.], [X.], 704 – Markenwert), wobei der [X.] seit mehr als 10 Jahren den Gegenstandswert in diesen Verfahren regelmäßig - und soweit ersichtlich niemals darunter – auf 50.000,-- € festsetzt (siehe dazu auch [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 90 Rn. 22).

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass in Bezug auf die Entscheidung über die Festsetzung des [X.] gemäß § 33 Abs. 4 Satz 3 [X.] eine Rechtsbeschwerdemöglichkeit nicht eröffnet ist und die Festsetzung deshalb nicht anfechtbar ist (vgl. dazu auch [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., § 71 Rn. 24; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 71 Rn. 31). Da die Rechtsbeschwerde bereits unstatthaft ist, kommt auch eine nicht zugelassene Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 [X.] nicht in Betracht.

Meta

25 W (pat) 79/12

13.11.2014

Bundespatentgericht 25. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.11.2014, Az. 25 W (pat) 79/12 (REWIS RS 2014, 1371)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1371

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