Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.08.2015, Az. 26 W (pat) 34/13

26. Senat | REWIS RS 2015, 6716

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Gegenstandswert - zur Zulässigkeit – zur Festsetzung des Gegenstandswertes


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke …

(hier: [X.])

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 13. August 2015 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Hermann

beschlossen:

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke … (…) hat der Widersprechende aus der prioritätsälteren Wort-/Bildmarke … (…) Widerspruch erhoben. Mit Beschlüssen vom 21. Juni 2012 und 15. Januar 2013, letzterer ergangen im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 24 des [X.] ([X.]) den Widerspruch mangels hinreichender Glaubhaftmachung der von der Markeninhaberin bestrittenen Benutzung der Widerspruchsmarke zurückgewiesen.

2

Gegen diese Beschlüsse hat der Widersprechende Beschwerde eingelegt und [X.] vorgelegt. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 hat der Senat die Beschwerde des Widersprechenden zurückgewiesen und ihm die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt. Die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sei für Waren der Klasse 25 nicht hinreichend glaubhaft gemacht und im Übrigen liege Unähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Waren und Dienstleistungen vor.

3

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt nunmehr,

4

den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf 100.000 € festzusetzen.

5

Sie ist der Ansicht, der Regelwert betrage bereits 50.000 € ([X.], 704). Vorliegend seien jedoch anderweitige Anhaltspunkte gegeben, die einen Gegenstandswert von 100.000 € rechtfertigten, da der Widersprechende unter offensichtlichem Rechtsmissbrauch das Verfahren über volle fünf Jahre rechtshängig gehalten und damit das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers über einen entsprechenden Zeitraum geschmälert habe.

6

Der Widersprechende beantragt,

7

den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf 20.000 € festzusetzen.

8

Zur Begründung verweist er auf die Entscheidung des [X.] W (pat) 73/04 ([X.] 2007, 45 f.), wonach im markenrechtlichen [X.] der nach billigem Ermessen zu bestimmende Gegenstandswert im Regelfall 20.000 € betrage. Er vertritt die Auffassung, die von der Markeninhaberin beantragte Anhebung auf den fünffachen Betrag liege außerhalb des billigen Ermessens.

9

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag der Markeninhaberin nach § 33 Abs. 1 [X.], den Gegenstandswert für das [X.] festzusetzen, ist zulässig.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke war in diesem Verfahren durch einen Patentanwalt vertreten, dessen Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 [X.] fällig geworden ist, weil das Beschwerdeverfahren mit einer Sach- und Kostenentscheidung seinen Abschluss gefunden hat, woraus sich gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch die Zulässigkeit des Antrags auf Festsetzung des [X.] ergibt.

Zwar gelten die vorgenannten Bestimmungen unmittelbar nur für die Festsetzung des [X.] für die Kostenberechnung von Rechtsanwälten. In [X.], in denen Patentanwälte tätig geworden sind, kann jedoch der Gegenstandswert entsprechend den vorstehenden Bestimmungen des [X.] auch auf Antrag eines ausschließlich durch Patentanwälte vertretenen Verfahrensbeteiligten festgesetzt werden ([X.]E 41, 6 - Kostenfestsetzung in [X.]; [X.], 65 - P-Plus; 26 W (pat) 573/10).

2. Der Antrag auf Festsetzung eines [X.] ist jedoch nur in Höhe von 50.000 € begründet.

a) Da in den markenrechtlichen Verfahren vor dem [X.] für die Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften existieren, ist der Gegenstandswert gemäß. §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 [X.] nach billigem Ermessen zu bestimmen.

aa) Maßgeblich für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Widerspruchsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke an der Aufrechterhaltung seiner Marke ([X.], 704 – Markenwert). Dieses wirtschaftliche Interesse bemisst der [X.] bei unbenutzten Marken regelmäßig mit 50.000 € ([X.] a. a. O.).

bb) Der erkennende Senat hält ebenfalls seit geraumer Zeit mit der Mehrheit der Senate des [X.] (27 W (pat) 99/12, 27 W (pat) 29/13, 27 W (pat) 108/10, 27 W (pat) 90/11, 27 W (pat) 34/11, 27 W (pat) 109/11; 28 W (pat) 13/11, 28 W (pat) 36/12, 28 W (pat) 7/12; 29 W (pat) 59/12, 29 W (pat) 115/11 = GRUR 2012, 1174 – Gegenstandswert im Widerspruchsverfahren; 30 W (pat) 113/11, 30 W (pat) 57/11) einen Regelgegenstandswert von 50.000 € für angemessen (26 W (pat) 573/10, 26 W (pat) 72/11 und 26 W (pat) 47/12).

cc) Der Auffassung des 25. Senats (25 W (pat) 79/12 = [X.], 229 – Gegenstandswert im Widerspruchs(beschwerde)verfahren, 25 W (pat) 16/10 = GRUR 2012, 1172, 25 W (pat) 510/11 = [X.] 2012, 421; 25 W (pat) 73/04 – [X.], 176 - Gegenstandswert für [X.]), die auch der 24. Senat teilt (24 W (pat) 25/14), dass bei unbenutzten angegriffenen Marken grundsätzlich der Regelwert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 [X.] zu verfünffachen sei, was im Hinblick auf die Anhängigkeit des Verfahrens vor dem 31. Juli 2013 analog § 40 GKG unter Zugrundelegung des bis zum 31. Juli 2013 geltenden Regelwertes von 4.000 € insgesamt 20.000 € ausmachen würde, kann sich der Senat nicht anschließen.

aaa) Der [X.] hatte schon 2006 die der Entscheidungspraxis des [X.] im [X.] entsprechende Gegenstandswertfestsetzung von 10.000 € ausdrücklich abgelehnt, weil sie für den Normalfall nicht dem wirtschaftlichen Interesse des Inhabers der jüngeren Marke am Bestand des Schutzrechts entspreche ([X.] a. a. O.).

bbb) Aber auch der vom Widersprechenden beantragte Wert von 20.000 € (bzw. 25.000 € bei Zugrundelegung des seit dem 1. August 2013 geltenden Regelwertes von 5.000 €) wird der tatsächlichen Bedeutung eingetragener Marken im Wirtschaftsleben nicht gerecht (so schon 27 W (pat) 75/08).

Denn das wirtschaftliche Interesse am Schutz der angegriffenen Marke umfasst die Kosten für die Entwicklung und die Eintragung der Marke, die bereits insgesamt einen Betrag von 50.000 € und mehr ausmachen können, insbesondere, wenn man externe Beratung in Anspruch nimmt oder die Markenentwicklung Drittfirmen überlässt. Ferner kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke auch darauf richtet, Umsatzausfälle zu vermeiden, die durch die Verzögerung des Vertriebs der Marke zu befürchten sind. Auch wenn die vom 25. Senat angesprochene Möglichkeit besteht, dass es sich nur um [X.] handelt, kann dieser Umstand nicht als einziger wirtschaftlicher Hintergrund einer Markenanmeldung unterstellt werden. Es muss vielmehr unter Berücksichtigung aller möglichen Fallgestaltungen ein angemessener Mittelwert gefunden werden, der auch steigende Kosten einbezieht und für einen längeren Zeitraum gelten kann. Letztlich stellt eine Verfünffachung des gesetzlichen [X.] ebenso eine Schätzung dieses Mittelwertes dar wie eine Verzehnfachung. Im Hinblick darauf, dass der [X.] schon seit fast 10 Jahren einen Regelwert von 50.000 € ansetzt und sich das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Schutz der angegriffenen Marke nicht instanzabhängig steigert, sondern der Verfahrenswert derselbe bleibt (vgl. [X.]/Rhonke, [X.], 3. Aufl., § 71 Rdnr. 29), erscheint unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ein Regelgegenstandswert von 50.000 € angemessen.

ccc) Soweit damit die Kostenbelastung steigt bzw. bereits gestiegen ist, dürfte dies gerade im Fall von [X.], Unternehmen treffen, die sich diese Kosten leisten können. Für den seltenen Fall, dass ein bedürftiger Privatmann oder ein finanzschwacher Kleinunternehmer höhere als die bei einem Regelwert von 25.000 € anfallenden Anwaltskosten nicht aufbringen kann, besteht die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe nach § 81a [X.] zu beantragen. § 81a [X.] ist durch das Gesetz zur Änderung des [X.] vom 31. August 2013 ([X.] I S. 3533) eingefügt worden und ist seit dem 1. Januar 2014 in [X.], auch wenn diese Regelung nur die Rechtsprechung des [X.] seit dem Jahre 2008 umsetzt, wonach Prozesskostenhilfe auch in markenrechtlichen Verfahren zu gewähren sei ([X.], 88 Rdnr. 9 ff. – [X.]; [X.], 270 Rdnr. 26 – [X.]II).

Eine deutliche Überteuerung des Verfahrens durch den höheren Regelwert von 50.000 € ist nicht erkennbar, denn die Verdoppelung des Gegenstandswertes hat nur einen unterproportionalen Anstieg, aber nicht die Verdoppelung der Kosten zur Folge. Hinzu kommt, dass die vom 24. und 25. Senat befürwortete restriktive Gegenstandswertfestsetzung den Druck von Seiten der Rechts- und Patentanwälte auf ihre Mandanten zum Abschluss den Nachteil ausgleichender Honorarvereinbarungen erhöht (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2015, 96) und so zum Gegenteil der beabsichtigten Kostendeckelung führt.

b) Eine Erhöhung dieses Regelgegenstandswertes von 50.000 € auf die von der Markeninhaberin beantragten 100.000 € kommt nicht in Betracht. Denn die Beschwerdegegnerin hat keine konkreten gegenstandswerterhöhenden Umstände, wie z. B. eine Benutzungsaufnahme vor Abschluss des [X.]s oder besonders hohe Aufwendungen für die Entwicklung der Marke, vorgetragen. Soweit sie den beantragten höheren Gegenstandswert damit begründet, dass der Widersprechende unter offensichtlichem Rechtsmissbrauch das Verfahren über volle fünf Jahre rechtshängig gehalten und damit das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers über einen entsprechenden Zeitraum geschmälert habe, ist darauf hinzuweisen, dass gerade auch solche – nicht immer konkret bezifferbaren – verzögerungsbedingten Umsatzausfälle bei der Bildung des Regelgegenstandswertes berücksichtigt worden sind. Ohne substantiierte Darlegung und Glaubhaftmachung weit darüber hinausgehender Umsatzverluste ist eine Erhöhung des Regelgegenstandswertes nicht zu rechtfertigen.

3. Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 [X.] unanfechtbar.

Meta

26 W (pat) 34/13

13.08.2015

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.08.2015, Az. 26 W (pat) 34/13 (REWIS RS 2015, 6716)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6716

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