Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.12.2016, Az. 26 W (pat) 35/14

26. Senat | REWIS RS 2016, 981

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Gegenstandswert im Widerspruchsbeschwerdeverfahren" – Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Interesses des Inhabers der angegriffenen Marke – zum Regelgegenstandswert von 50.000 Euro


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke …

(hier: [X.])

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] am 12. Dezember 2016 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin [X.] sowie [X.] und Schödel

beschlossen:

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Gegen die Eintragung der Wort-/Bildmarke … (…) hat die Widersprechende aus der prioritätsälteren Wortmarke … (…) Widerspruch erhoben. Mit Beschluss vom 24. März 2014 hat die Markenstelle für Klasse 39 des [X.] ([X.]) den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen.

2

Gegen diesen Beschluss hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 3. August 2016 hat der Senat die Beschwerde und den Kostenantrag des Beschwerdegegners zurückgewiesen.

3

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt nunmehr,

4

den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens über den Regelwert von 50.000 € hinaus festzusetzen.

5

Er ist der Ansicht, eine Wertfestsetzung über dem Regelwert von 50.000 € sei angemessen. Bei der jüngeren Marke handele es sich um eine tatsächlich zum betreffenden Zeitpunkt intensiv genutzte Marke, an der der Inhaber ein gesteigertes wirtschaftliches Interesse habe. Sie werde als einzige Marke für den Geschäftsbetrieb des Beschwerdegegners geführt, gebe dessen Geschäftsbezeichnung wieder und sei im [X.] sehr bekannt.

6

Die Widersprechende hat sich zum Gegenstandswert nicht geäußert.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

8

1. Der Antrag des Markeninhabers nach § 33 Abs. 1 RVG, den Gegenstandswert für das [X.] festzusetzen, ist zulässig.

9

Der Inhaber der angegriffenen Marke war in diesem Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten, dessen Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG fällig geworden ist, weil das Beschwerdeverfahren seinen Abschluss gefunden hat, woraus sich gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 RVG auch die Zulässigkeit des Antrags auf Festsetzung des Gegenstandswerts ergibt.

2. Der Antrag auf Festsetzung eines Gegenstandswerts ist jedoch nur in Höhe von 50.000 € begründet.

a) Da in den markenrechtlichen Verfahren vor dem [X.] für die Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften existieren, ist der Gegenstandswert gemäß §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich für die Bestimmung des Gegenstandswertes im Widerspruchsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke an der Aufrechterhaltung seiner Marke ([X.], 704 – Markenwert). Dieses wirtschaftliche Interesse bemisst der [X.] bei unbenutzten Marken regelmäßig mit 50.000 € ([X.]O.).

b) Der erkennende Senat hält mit der Mehrheit der Senate des [X.] einen Regelgegenstandswert von 50.000 € für angemessen (27 W (pat) 14/13, 27 W (pat) 29/13, 27 W (pat) 99/12, 27 W (pat) 29/13, 27 W (pat) 108/10, 27 W (pat) 90/11, 27 W (pat) 34/11, 27 W (pat) 109/11; 28 W (pat) 13/11, 28 W (pat) 36/12, 28 W (pat) 7/12; 29 W (pat) 67/13; 29 W (pat) 59/12, 29 W (pat) 115/11 = [X.], 1174 – Gegenstandswert im Widerspruchsverfahren; 30 W (pat) 113/11, 30 W (pat) 57/11; 26 W (pat) 19/12, 26 W (pat) 516/14; 26 W (pat) 34/13, 26 W (pat) 59/13, 26 W (pat) 573/10, 26 W (pat) 72/11 und 26 W (pat) 47/12).

c) Der Auffassung des 25. Senats (25 W (pat) 79/12 = [X.], 229 – Gegenstandswert im Widerspruchs(beschwerde)verfahren, 25 W (pat) 16/10 = [X.], 1172, 25 W (pat) 510/11 = [X.] 2012, 421; 25 W (pat) 73/04 – [X.], 176 - Gegenstandswert für [X.]), die auch der 24. Senat teilt (24 W (pat) 35/13, 24 W (pat) 25/14), dass bei unbenutzten angegriffenen Marken grundsätzlich der Regelwert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu verfünffachen sei, was im Hinblick auf die Anhängigkeit des vorliegenden Verfahrens nach dem 31. Juli 2013 analog § 40 GKG unter Zugrundelegung des ab dem 1. August 2013 geltenden Regelwertes von 5.000 € insgesamt 25.000 € ausmachen würde, kann sich der Senat nicht anschließen.

aa) Der [X.] hatte schon 2006 die der Entscheidungspraxis des [X.] im [X.] entsprechende Gegenstandswertfestsetzung von 10.000 € ausdrücklich abgelehnt, weil sie für den Normalfall nicht dem wirtschaftlichen Interesse des Inhabers der jüngeren Marke am Bestand des Schutzrechts entspreche ([X.]O.).

bb) Aber auch ein Wert von 25.000 € (bzw. 20.000 € bei Zugrundelegung des bis zum 31. Juli 2013 geltenden Regelwertes von 4.000 €) wird der tatsächlichen Bedeutung eingetragener Marken im Wirtschaftsleben nicht gerecht (so schon 27 W (pat) 75/08).

Denn das wirtschaftliche Interesse am Schutz der angegriffenen Marke umfasst die Kosten für die Entwicklung und die Eintragung der Marke, die bereits insgesamt einen Betrag von 50.000 € und mehr ausmachen können, insbesondere, wenn man externe Beratung in Anspruch nimmt oder die Markenentwicklung Drittfirmen überlässt. Ferner kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke auch darauf richtet, Umsatzausfälle zu vermeiden, die durch die Verzögerung des Vertriebs der Marke zu befürchten sind.

Auch wenn die vom 25. Senat angesprochene Möglichkeit besteht, dass es sich nur um [X.] handelt, kann dieser Umstand nicht als einziger wirtschaftlicher Hintergrund einer Markenanmeldung unterstellt werden. Es muss vielmehr unter Berücksichtigung aller möglichen Fallgestaltungen ein angemessener Mittelwert gefunden werden, der auch steigende Kosten einbezieht und für einen längeren Zeitraum gelten kann. Letztlich stellt eine Verfünffachung des gesetzlichen [X.] ebenso eine Schätzung dieses Mittelwertes dar wie eine Verzehnfachung. Im Hinblick darauf, dass der [X.] schon seit fast 10 Jahren einen Regelwert von 50.000 € ansetzt und sich das wirtschaftliche Interesse des Markeninhabers am Schutz der angegriffenen Marke nicht instanzabhängig steigert, sondern der Verfahrenswert derselbe bleibt (vgl. 27 W (pat) 29/13; [X.]/Rhonke, [X.], 3. Aufl., § 71 Rdnr. 29), erscheint unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen ein Regelgegenstandswert von 50.000 € angemessen.

Soweit der 25. Senat seine gegenteilige Rechtsauffassung darauf stützt, dass die Vorschriften für den Gegenstandswert im Instanzenzug voneinander abweichen, weil die für den [X.] anzuwendende Vorschrift des § 51 Abs. 1 GKG weder einen Regelgegenstandswert noch eine Wertobergrenze enthalte, wie dies in der für das [X.] maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der Fall sei, hat der [X.] kürzlich klargestellt, dass auch für die Gegenstandswertfestsetzung im Rechtsbeschwerdeverfahren die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist (Beschl. v. 30. Juli 2015 – I ZB 61/13 zur Gegenvorstellung gegen den Streitwertbeschluss, juris Rdnr. 6; a. [X.], [X.] 2016, 229, 231, der § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG für maßgeblich hält).

cc) Soweit mit der Festsetzung des Regelgegenstandswertes auf 50.000 € die Kostenbelastung steigt bzw. bereits gestiegen ist, dürfte dies gerade im Fall von [X.], Unternehmen treffen, die sich diese Kosten leisten können. Für den seltenen Fall, dass ein bedürftiger Privatmann oder ein finanzschwacher Kleinunternehmer höhere als die bei einem Regelwert von 25.000 € anfallenden Anwaltskosten nicht aufbringen kann, besteht die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe nach § 81a [X.] zu beantragen. § 81a [X.] ist durch das Gesetz zur Änderung des [X.] vom 31. August 2013 ([X.] I S. 3533) eingefügt worden und ist seit dem 1. Januar 2014 in [X.], auch wenn diese Regelung nur die Rechtsprechung des [X.] seit dem Jahre 2008 umsetzt, wonach Prozesskostenhilfe auch in markenrechtlichen Verfahren zu gewähren sei ([X.], 88 Rdnr. 9 ff. – [X.]; [X.], 270 Rdnr. 26 – [X.]II).

Eine deutliche Überteuerung des Verfahrens durch den höheren Regelwert von 50.000 € ist auch deshalb nicht erkennbar, weil die Verdoppelung des Gegenstandswertes nur einen unterproportionalen Anstieg, aber nicht die Verdoppelung der Kosten zur Folge hat. Hinzu kommt, dass die vom 24. und 25. Senat befürwortete restriktive Gegenstandswertfestsetzung den Druck von Seiten der Rechts- und Patentanwälte auf ihre Mandanten zum Abschluss den Nachteil ausgleichender Honorarvereinbarungen erhöht (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2015, 96) und so zum Gegenteil der beabsichtigten Kostendeckelung führt.

c) Eine Erhöhung dieses Regelgegenstandswertes von 50.000 € kommt nicht in Betracht. Denn der Beschwerdegegner hat keine konkreten gegenstandswerterhöhenden Umstände vorgetragen.

Seine Behauptung, die jüngere Marke sei intensiv genutzt worden, an ihr habe der Inhaber ein gesteigertes wirtschaftliches Interesse, weil sie als einzige Marke für den Geschäftsbetrieb des Beschwerdegegners geführt werde, dessen Geschäftsbezeichnung wiedergebe und im [X.] sehr bekannt sei, hat er weder konkretisiert noch belegt.

[X.]

Das Verfahren über den Antrag auf Gegenstandswertfestsetzung ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG)

IV.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes ist nach § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.

Meta

26 W (pat) 35/14

12.12.2016

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.12.2016, Az. 26 W (pat) 35/14 (REWIS RS 2016, 981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 981

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