Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.03.2024, Az. 3 StR 474/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2024, 2294

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Tenor

Die Revision der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2019 wird im noch verbliebenen Umfang verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Entscheidungsgründe

1

Das [X.] hat gegen die [X.] die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 3.730.044 € angeordnet. Die beiden Angeklagten hat es unter Freispruch im Übrigen wegen mehrerer Verstöße gegen das [X.] jeweils zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit Urteil vom 30. März 2021 ([X.], 83) hat der Senat die Revisionen der Angeklagten verworfen. Die Entscheidung über die Revision der [X.]n gegen die angeordnete Einziehung des Wertes des aus Tat 1 der Urteilsgründe [X.] in Höhe von 690.699 € sowie über die Kosten ihres Rechtsmittels hat er vorbehalten und ihre weitergehende Revision ebenfalls verworfen. Er hat die anderen Strafsenate des [X.] zu der für die verbleibende Entscheidung bedeutsamen verfahrensrechtlichen Problematik angefragt, ob das Tatgericht die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen kann, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt, und es in einem solchen Fall keines Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 f. StPO bedarf. Nachdem der [X.] für Strafsachen die Rechtsfrage mit Beschluss vom 23. Mai 2023 ([X.], [X.], 161) bejaht hat, bleibt über die Revision der [X.]n in dem vorbehaltenen Umfang zu befinden. Das Rechtsmittel ist auch insoweit unbegründet.

I.

2

Das [X.] hat zu der hier noch bedeutsamen Tat 1 folgende Feststellungen getroffen:

3

Die [X.] stellt in [X.] Waffen her. Im Juni 2005 schloss sie einen Kaufvertrag über 2.020 Sturmgewehre mit der zentralen Beschaffungsstelle der [X.] Regierung. Obwohl die Käuferseite den Vertrag storniert hatte, veranlasste ein für die [X.] tätiger Teamleiter mit Wissen und Wollen des inzwischen rechtskräftig Verurteilten im Januar 2006, beim [X.] eine Genehmigung nach dem [X.] zur Ausfuhr der Gewehre nach [X.] zu beantragen. Der zuständige Sachbearbeiter des Amts erteilte die Genehmigung im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben zum beabsichtigten Endverbleib und die Wirksamkeit der zur Glaubhaftmachung vorgelegten, gezielt erstellten Erklärung, in der als Ziele der Lieferungen - anders als in einer früheren Erklärung - nur noch vom [X.] nicht als problematisch eingestufte [X.] Bundesstaaten genannt waren. Im Folgenden wurden neue Verträge geschlossen und dazu andere Endverbleibserklärungen abgegeben, die durchgängig keine konkreten Bundesstaaten bezeichneten. Darüber ließ der Teamleiter die [X.] Behörden in Unkenntnis, weil sie einen Export nach [X.] mit nur unbestimmt angegebenem Endverbleib nicht genehmigen würden. Die [X.] exportierte die Waffen auf Grundlage der erschlichenen Genehmigung in vier Teillieferungen nach [X.] im Zusammenwirken mit dem für sie als Vertriebsleiter tätigen Verurteilten, der die Ausfuhren deckte und bewusst pflichtwidrig nicht einschritt. In zwei Lieferungen wurden im Mai 2006 insgesamt 1.000 Gewehre ausgeführt, von denen 928 in zwei [X.] Bundesstaaten gelangten, die das [X.] als problematisch einstufte. Die [X.] erzielte aus dem Verkauf dieser Waffen einen Nettoumsatzerlös von 690.699 €.

4

Das [X.] hat das Verfahren gegen den Verurteilten, soweit es die beiden vorgenannten Lieferungen betrifft, im Urteil wegen Verfolgungsverjährung eingestellt. Gegen die [X.] hat es in Höhe des [X.] die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.

II.

5

Die Revision ist im verbliebenen Umfang unbegründet.

6

1. Für die vom [X.] getroffene Einziehungsentscheidung fehlt es nicht an einer Verfahrensvoraussetzung. Das Gericht kann die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt; in einem solchen Fall bedarf es nicht des Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 f. StPO (s. im Einzelnen [X.], Beschluss vom 23. Mai 2023 - [X.], [X.], 161). So liegt es hier.

7

Soweit die [X.] nunmehr vorgebracht hat, der Grundsatz des fairen Verfahrens sei mangels Hinweises des [X.]s auf eine Einziehung im subjektiven Verfahren verletzt, kann dies bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil eine Beanstandung mit dieser Zielrichtung nicht innerhalb der [X.] des § 345 Abs. 1 StPO erhoben worden ist. Unabhängig davon hat das [X.] in dem Beschluss, durch den es die Revisionsführerin als [X.] am Verfahren beteiligt hat, auf die Möglichkeit der Einziehung des Wertes von Taterträgen hingewiesen. Zudem bestand - nach der bis zum 30. Juni 2017 geltenden Gesetzeslage - eine gefestigte Rechtsprechung, wonach in den Fällen der Verjährung und des Freispruchs eine selbständige Anordnung der Einziehung im subjektiven Verfahren in Betracht kommt (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Mai 2023 - [X.], [X.] 2024, 59 Rn. 34 ff. mwN).

8

2. Die Voraussetzungen für die Einziehung des Wertes von Taterträgen bei der [X.]n nach § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 73c Satz 1, § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB sind gegeben.

9

Diese Vorschriften in der Fassung des [X.] vom 13. April 2017 ([X.] I S. 872) sind gemäß Art. 316h Satz 1 [X.] auch rückwirkend bei Entscheidungen über die Einziehung des [X.] oder dessen Wertes wegen einer Tat anwendbar, die vor dem 1. Juli 2017 begangen wurde. Dies ist mit den im Rechtsstaatsprinzip und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar, auch soweit § 76a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 2 sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des [X.] vom 13. April 2017 in Fällen für anwendbar erklärt werden, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung eingetreten war (s. [X.], Beschluss vom 10. Februar 2021 - 2 BvL 8/19, [X.]E 156, 354 Rn. 102).

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen handelte der Verurteilte für die [X.], die durch die Ausfuhr von Gütern aufgrund [X.] Genehmigung nach dem [X.] den Erlös von 690.699 € erzielte. Dieser kann nicht mehr gegenständlich eingezogen werden (vgl. dazu vertiefend bereits [X.], Urteil vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, [X.], 83 Rn. 56 ff.). Dass der [X.]n ein entsprechender Betrag tatsächlich zufloss, ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil. Bereits zu Beginn der Feststellungen zum Sachverhalt ist dargelegt, dass die [X.] aus den gesamten Kleinwaffengeschäften mit [X.] in den Jahren 2006 bis 2011 Umsatzerlöse von 10.853.029 € erzielte, davon 3.730.044 € netto aus dem Verkauf von Waffen und Zubehörteilen aus den - vor dem [X.] - verfahrensgegenständlichen Taten. Von diesem Erlös sind im Folgenden im Rahmen einer tabellarischen Aufstellung 690.699 € den hier in Rede stehenden Ausfuhren im Mai 2006 zugeordnet worden. Dementsprechend hat das [X.] in der Begründung der Einziehungsentscheidung darauf zurückgegriffen, dass die [X.] durch die Taten die jeweiligen Umsatzerlöse (netto) aus dem Verkauf der Waffen und Zubehörteile erlangte. Unter den hier gegebenen Umständen ist es dabei nicht verpflichtet gewesen, die Zahlungsmodalitäten im Einzelnen darzustellen.

Der Ahndung der vom Verurteilten begangenen Ausfuhr der hier noch zu beurteilenden Güter aufgrund [X.] Genehmigung (§ 18 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 9 [X.] in der Fassung vom 6. Juni 2013, § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 8 [X.] in der zur Tatzeit geltenden Fassung, § 13 Abs. 1 StGB; s. auch [X.], Urteil vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, [X.] 2022, 34 Rn. 18, 48 f.) steht die Strafverfolgungsverjährung nach § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4, § 78c Abs. 3 Satz 2 StGB entgegen. Ebenso wenig wie in Bezug auf die bereits rechtskräftig angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen hat es hinsichtlich des hier in Rede stehenden Betrages für das [X.] Anlass gegeben, einen Ausschluss der Einziehung nach § 73e Abs. 2 StGB zu erörtern oder von dem einzuziehenden Betrag Aufwendungen im Sinne des § 73d Abs. 1 Satz 1 StGB abzuziehen (vgl. näher [X.], Urteil vom 30. März 2021 - 3 StR 474/19, [X.], 83 Rn. 61 ff.).

3. Da die Revision der [X.]n insgesamt erfolglos geblieben ist, hat diese die Kosten ihres gesamten Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Schäfer     

      

Paul     

      

Anstötz

      

Erbguth     

      

Kreicker     

      

Meta

3 StR 474/19

19.03.2024

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 12. Januar 2023, Az: 3 StR 474/19, Vorlagebeschluss

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.03.2024, Az. 3 StR 474/19 (REWIS RS 2024, 2294)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 2294


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 3 StR 474/19

Bundesgerichtshof, 3 StR 474/19, 19.03.2024.

Bundesgerichtshof, 3 StR 474/19, 12.01.2023.

Bundesgerichtshof, 3 StR 474/19, 10.08.2021.

Bundesgerichtshof, 3 StR 474/19, 30.03.2021.


Az. 5 ARs 28/21

Bundesgerichtshof, 5 ARs 28/21, 20.01.2022.


Az. 2 ARs 405/21

Bundesgerichtshof, 2 ARs 405/21, 23.06.2022.


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