Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.06.2023, Az. 2 BvE 1/17

2. Senat | REWIS RS 2023, 3559

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

PARTEIEN BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT NPD PARTEIENFINANZIERUNG

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Gegenstand

Organklage der NPD gegen Bundestagsbeschluss zur Änderung von Art 21 GG unzulässig - unstatthafter Antragsgegenstand sowie mangelnde Antragsbefugnis - Gegenstandswertfestsetzung


Tenor

1. Der Antrag zu 1. wird verworfen.

2. Der Antrag der Antragstellerin auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt.

3. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 25.000 (in Worten: fünfundzwanzigtausend) [X.] festgesetzt.

Gründe

1

[X.], ob der [X.] als Antragsgegner die Antragstellerin in ihren Rechten aus [X.]. 21 Abs. 1 in Verbindung mit [X.]. 20 Abs. 1 und 2, [X.]. 79 Abs. 3 GG verletzt hat, indem er mit Beschluss zur Änderung des Grundgesetzes vom 22. Juni 2017 in [X.]. 21 Abs. 3 und 4 GG die Möglichkeit geschaffen hat, verfassungsfeindliche [X.]en durch eine Entscheidung des [X.] von der st[X.]tlichen Finanzierung auszuschließen.

2

1. a) Die Fraktionen von [X.] und [X.] brachten am 16. Mai 2017 den "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ([X.]ikel 21)" (BTDrucks 18/12357) sowie den "Entwurf eines Gesetzes zum Ausschluss verfassungsfeindlicher [X.]en von der [X.]enfinanzierung" (BTDrucks 18/12358) in den [X.] ein. Dieser nahm beide Entwürfe in seiner 240. Sitzung am 22. Juni 2017 entsprechend der Beschlussempfehlung des [X.] (BTDrucks 18/12846) mit der jeweils erforderlichen Mehrheit an (vgl. Deutscher [X.], Plenarprotokoll 18/240 vom 22. Juni 2017, S. 24559 ff.).

3

b) Der Bundesrat stimmte in seiner 959. Sitzung am 7. Juli 2017 mit der jeweils erforderlichen Mehrheit zu (vgl. Bundesrat, Plenarprotokoll 959 vom 7. Juli 2017, [X.] f.; [X.] 509/17 , [X.]). Zugleich nahm er einen Antrag aller Länder ([X.] 509/1/17) an, wonach er seine Auffassung bekräftige, dass die Antragstellerin verfassungsfeindliche Ziele verfolge und daher von der st[X.]tlichen [X.]enfinanzierung ausgeschlossen werden müsse (vgl. Bundesrat, Plenarprotokoll 959 vom 7. Juli 2017, [X.]; [X.] 509/17 , I[X.]).

4

c) Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes ([X.]) wurde am 13. Juli 2017 durch den Bundespräsidenten ausgefertigt und am 19. Juli 2017 verkündet ([X.]). Es trat am 20. Juli 2017 in [X.] ([X.]. 2 [X.]). Das Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher [X.]en von der [X.]enfinanzierung ([X.]) wurde am 18. Juli 2017 vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 28. Juli 2017 im [X.] verkündet ([X.]). Es trat am 29. Juli 2017 in [X.] ([X.]. 8 [X.]).

5

2. a) Infolge des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ([X.]. 1 Nr. 2) haben [X.]. 21 Abs. 3 und 4 GG nunmehr folgenden Wortlaut:

(3) [X.]en, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der [X.] zu gefährden, sind von st[X.]tlicher Finanzierung ausgeschlossen. Wird der Ausschluss festgestellt, so entfällt auch eine steuerliche Begünstigung dieser [X.]en und von Zuwendungen an diese [X.]en.

(4) Über die Frage der Verfassungswidrigkeit nach Absatz 2 sowie über den Ausschluss von st[X.]tlicher Finanzierung nach Absatz 3 entscheidet das [X.].

6

b) Das Gesetz zum Ausschluss verfassungsfeindlicher [X.]en von der [X.]enfinanzierung ([X.]. 1) hat vor allem Änderungen des [X.]gesetzes zum Gegenstand.

7

§ 43 Abs. 1 [X.] bestimmt nunmehr:

(1) Der Antrag auf Entscheidung, ob eine [X.] verfassungswidrig ([X.]ikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes) oder von st[X.]tlicher Finanzierung ausgeschlossen ist ([X.]ikel 21 Absatz 3 des Grundgesetzes), kann von dem [X.], dem Bundesrat oder von der Bundesregierung gestellt werden. Der Antrag auf Entscheidung über den Ausschluss von st[X.]tlicher Finanzierung kann hilfsweise zu einem Antrag auf Entscheidung, ob eine [X.] verfassungswidrig ist, gestellt werden.

8

Der neu eingefügte § 46a [X.] lautet:

(1) Erweist sich der Antrag auf Entscheidung gemäß [X.]ikel 21 Absatz 3 des Grundgesetzes als begründet, so stellt das [X.] fest, dass die [X.] für sechs Jahre von der st[X.]tlichen Finanzierung nach § 18 des [X.]engesetzes ausgeschlossen ist. Die Feststellung ist auf [X.] zu erstrecken. Dass eine [X.] die Bestrebungen einer nach Satz 1 von der st[X.]tlichen Finanzierung ausgeschlossenen [X.] als Ersatzpartei an deren Stelle weiter verfolgt oder fortführt, stellt das [X.] entsprechend Satz 1 fest. Die Feststellung erfolgt auf Antrag eines Berechtigten nach § 43 Absatz 1 Satz 1; § 45 ist auf das Verfahren nicht anzuwenden.

(2) Beantragt einer der Antragsberechtigten spätestens sechs Monate vor Ablauf der Frist nach Absatz 1 Satz 1 ihre Verlängerung, bleibt die [X.] bis zur Entscheidung über diesen Antrag von st[X.]tlicher Finanzierung ausgeschlossen. § 45 ist auf das Verfahren nicht anzuwenden. Das [X.] kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Für die Entscheidung gilt Absatz 1 entsprechend. Erneute [X.] sind statthaft.

9

Die Antragstellerin hat mit Antragsschrift vom 13. September 2017 beantragt, festzustellen, dass der Antragsgegner durch den Beschluss von [X.]. 1 [X.] ihre Rechte aus [X.]. 21 Abs. 1 in Verbindung mit [X.]. 20 Abs. 1, 2 und [X.]. 79 Abs. 3 GG verletzt hat.

1. Der Antrag sei zulässig.

a) Es liege ein tauglicher Antragsgegenstand vor. Der antragsgegenständliche Gesetzesbeschluss stelle eine rechtserhebliche Maßnahme des Antragsgegners im Rahmen eines Rechtsverhältnisses dar, welches sich allein nach Verfassungsrecht beurteile.

b) Die Antragsbefugnis folge aus [X.]. 21 Abs. 1 in Verbindung mit [X.]. 20 Abs. 1 und 2, [X.]. 79 Abs. 3 GG. Die Antragstellerin sei durch den Gesetzesbeschluss in ihrem - [X.] des Demokratieprinzips bildenden und gemäß [X.]. 79 Abs. 3 GG daher unabänderlichen - organschaftlichen Recht auf [X.] der politischen [X.]en unmittelbar gefährdet.

[X.]) Bereits aus der Begründung des Gesetzentwurfs gehe hervor, dass es sich um eine "[X.]" handele. Dieser Charakter sei auch in den Plenardebatten des Antragsgegners und des Bundesrates hervorgehoben worden. Der Abgeordnete [X.] habe in der Sitzung des Antragsgegners vom 22. Juni 2017 erklärt, mit dem Gesetz werde die Grundlage dafür geschaffen, der Antragstellerin die Finanzierung zu entziehen. Die Abgeordnete [X.] habe in derselben Sitzung zu Protokoll gegeben, dass es sich um eine "[X.]" handele. Die Ministerpräsidentin des [X.] habe in der Sitzung des Bundesrates am 7. Juli 2017 ausgeführt, der Bundesrat bekräftige seine Auffassung, dass die Antragstellerin von der st[X.]tlichen [X.]enfinanzierung ausgeschlossen werden müsse. Auch der Sachverständige Professor [X.] habe in seiner schriftlichen Stellungnahme zum Gesetzentwurf festgestellt, dass das Verfahren allein dazu dienen dürfte, die Antragstellerin von der st[X.]tlichen Finanzierung abzuschneiden.

bb) Die Antragstellerin sei in ihren organschaftlichen Rechten unmittelbar gefährdet. Eine Verletzung stehe kurz bevor. Der Bundesrat habe in seiner Sitzung am 7. Juli 2017 die Einleitung eines [X.]finanzierungsausschlussverfahrens gegen die Antragstellerin beschlossen. Die alsbaldige Stellung eines entsprechenden Antrags sei reine Formsache.

2. Der Antrag sei auch begründet.

a) Der Grundsatz der [X.] der politischen [X.]en bilde eines der [X.]elemente des Demokratieprinzips und werde daher von der Ewigkeitsgarantie des [X.]. 79 Abs. 3 GG umfasst.

b) Der antragsgegenständliche Gesetzesbeschluss stelle einen schwerwiegenden Eingriff in die [X.] der politischen [X.]en dar. Der Ausschluss von der st[X.]tlichen [X.]enfinanzierung schwäche in erheblicher Weise die Fähigkeit der betroffenen [X.]en, an der Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Dies gelte insbesondere für kleine [X.]en, die mangels Potentialität keine Aussicht auf Durchsetzung ihrer Ziele hätten.

c) Eine Rechtfertigung dieses Eingriffs scheitere bereits daran, dass die in [X.]. 79 Abs. 3 in Verbindung mit [X.]. 20 Abs. 1 und 2 GG niedergelegten Grundsätze nicht berührt werden dürften. Jedenfalls seien die vom Antragsgegner im Gesetzgebungsverfahren vorgebrachten Argumente zur Rechtfertigung der Regelung ungeeignet.

[X.]) Bei dem Grundsatz der "wehrhaften Demokratie" handele es sich lediglich um einen von [X.]. 79 Abs. 3 GG nicht geschützten Sammelbegriff für die im Grundgesetz niedergelegten Vorschiften des präventiven Verfassungsschutzes. Zudem bestehe gegenüber politischen [X.]en mit fehlender Potentialität von vornherein keine Notwendigkeit, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen.

bb) Das Argument, es sei unerträglich, wenn eine "verfassungsfeindliche" [X.] st[X.]tliche Gelder erhalte, sei ein rein politisches. Eine politische [X.] treffe von Rechts wegen weder eine Pflicht noch eine Obliegenheit zur Verfassungskonformität.

cc) Die Zulässigkeit des Ausschlusses "verfassungsfeindlicher" [X.]en von der st[X.]tlichen Finanzierung ergebe sich auch nicht daraus, dass ein [X.]verbot rechtlich zulässig sei. Denn der Finanzierungsausschluss stelle kein Minus, sondern ein Aliud zu einem Verbot dar.

Der Antragsgegner hat von einer Äußerung abgesehen. Gleiches gilt für die in § 65 Abs. 2 [X.] genannten Verfassungsorgane.

1. Mit Beschlüssen vom 23. Juni 2021 wies das [X.] die von der Antragstellerin gestellten Anträge auf Ablehnung der Richter [X.] und [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit als unbegründet zurück ([X.] 158, 244 - Entzug der st[X.]tlichen [X.]enfinanzierung [X.] - Ablehnung BVR [X.] I; 158, 253 - Entzug der st[X.]tlichen [X.]enfinanzierung [X.] - Ablehnung BVR [X.] I).

2. Am 17. Juli 2019 stellten der Antragsgegner, der Bundesrat sowie die Bundesregierung einen Antrag auf Ausschluss der Antragstellerin von st[X.]tlicher Finanzierung (2 BvB 1/19).

Der Antrag im [X.]verfahren ist unzulässig. Der Beschluss des Antragsgegners zur Änderung des Grundgesetzes dürfte bereits kein tauglicher Gegenstand des [X.] sein ([X.]). Jedenfalls fehlt der Antragstellerin die Antragsbefugnis (I[X.]).

1. a) Bei dem [X.] nach [X.]. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. [X.] handelt es sich um eine kontradiktorische [X.]streitigkeit; er dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. [X.] 126, 55 <67 f.>; 138, 256 <258 f. Rn. 4>; 140, 1 <21 f. Rn. 58>; 143, 1 <8 Rn. 29>; 147, 50 <122 Rn. 178>; 150, 194 <200 Rn. 18>; 151, 58 <64 Rn. 14> - Änderung [X.]enfinanzierung - Eilantrag; 151, 191 <198 Rn. 20> - [X.]; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 40 - PartGuaÄndG 2018 - [X.]; [X.]). [X.] des [X.] ist auf Seiten des Antragstellers die Durchsetzung eigener Rechte (vgl. [X.] 150, 194 <200 Rn. 18>; 151, 191 <198 Rn. 20>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 40). Der [X.] eröffnet daher nicht die Möglichkeit einer objektiven Beanstandungsklage (vgl. [X.] 118, 277 <319>; 126, 55 <68>; 138, 256 <259 Rn. 5>; 140, 1 <21 f. Rn. 58>; 150, 194 <200 Rn. 18>; 151, 191 <198 Rn. 20>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 40). Für eine allgemeine, von eigenen Rechten des Antragstellers losgelöste abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Maßnahme ist im [X.]verfahren kein Raum (vgl. [X.] 118, 277 <318 f.>; 150, 194 <200 Rn. 18>; 151, 191 <198 Rn. 20>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 40; [X.]).

b) Gemäß § 64 Abs. 1 [X.] ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Der Begriff der Maßnahme ist weit auszulegen (vgl. [X.] 140, 115 <139 Rn. 59>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 41). Als Maßnahme kommt jedes rechtserhebliche Verhalten des Antragsgegners in Betracht, das geeignet ist, die Rechtsstellung des Antrag- stellers zu beeinträchtigen (vgl. [X.] 118, 277 <317>; 138, 45 <59 f. Rn. 27>; 140, 115 <139 f. Rn. 59>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 41).

c) Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 [X.] kann auch der Erlass eines Gesetzes sein (vgl. [X.] 2, 143 <177>; 20, 119 <129>; 20, 134 <141>; 24, 300 <329>; 73, 40 <65>; 80, 188 <209>; 92, 80 <87>; 118, 277 <317>), wenn er im Widerspruch zu Verfassungsnormen steht und Rechte eines Verfahrensbeteiligten verletzt (vgl. [X.] 1, 208 <220>; 4, 144 <148>; 82, 322 <335>; 99, 332 <336 f.>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 42). Auch die Mitwirkung an einem Normsetzungsakt kommt in Betracht (vgl. [X.] 118, 277 <317>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 42). Maßnahme im Sinne eines zulässigen Angriffsgegenstands im [X.] ist jedoch nicht das Gesetz als solches, sondern allein dessen Erlass durch die gesetzgebende Körperschaft (vgl. [X.] 99, 332 <337>; 102, 224 <234>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 42). Der [X.] dient nicht der abstrakten Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit einer Norm (vgl. [X.] 20, 119 <129>).

2. Nach diesen Maßstäben dürfte es bereits an einem tauglichen Antragsgegenstand fehlen, da der Erlass des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes sich nicht als eine rechtserhebliche Maßnahme darstellt, durch die das Recht der Antragstellerin auf [X.] im politischen Wettbewerb verletzt oder unmittelbar gefährdet wird.

a) Der durch den Antragsgegner gefasste Beschluss über [X.]. 1 [X.] eröffnet zwar die Möglichkeit des Ausschlusses politischer [X.]en von der st[X.]tlichen Finanzierung. Durch die gesetzliche Regelung dürfte der verfassungsrechtliche Status der Antragstellerin aber noch nicht unmittelbar betroffen sein. Allein der Erlass des Gesetzes führt nicht zu deren Ausschluss von st[X.]tlicher Finanzierung. Hierzu bedarf es vielmehr der Einleitung eines Verfahrens vor dem [X.], das nach [X.]. 21 Abs. 4 Variante 2 GG allein über den Ausschluss einer [X.] von st[X.]tlicher Finanzierung entscheidet. Ein entsprechender Antrag kann nur durch [X.], Bundesrat oder Bundesregierung gestellt werden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Liegt ein solcher vor, gibt das [X.] gemäß § 45 [X.] dem Vertretungsberechtigten der betroffenen [X.] Gelegenheit zur Äußerung und beschließt dann, ob der Antrag als unzulässig oder als nicht hinreichend begründet zurückzuweisen oder ob die Verhandlung durchzuführen ist. Eine Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Antragstellerin ist daher mit dem bloßen Erlass des Gesetzes noch nicht verbunden.

b) Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Feststellung des [X.] im Urteil vom 17. Januar 2017, wonach die Antragstellerin nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt (vgl. [X.] 144, 20 <246 ff. Rn. 633 ff.>). Diese führt nicht zur Entbehrlichkeit eines eigenständigen Verfahrens zum Finanzierungsausschluss. Dieser setzt einen ausdrücklich darauf gerichteten Antrag der in § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] genannten Verfassungsorgane und die Durchführung des Vorverfahrens gemäß § 45 [X.] voraus. Dem genügen die Durchführung und das Ergebnis des [X.] nicht. Zudem beruht die genannte Feststellung des [X.] auf Erkenntnissen aus der [X.] vor Erlass des Urteils vom 17. Januar 2017. Schon vor diesem Hintergrund vermag sie einen Ausschluss der Antragstellerin von st[X.]tlicher Finanzierung zum jetzigen [X.]punkt alleine nicht zu tragen.

c) Eine andere Bewertung folgt schließlich nicht daraus, dass zwischenzeitlich ein Antrag auf Ausschluss der Antragstellerin von st[X.]tlicher Finanzierung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestellt worden ist. Dabei handelt es sich um einen eigenständigen, im Rahmen des [X.]finanzierungsausschlussverfahrens nach [X.]. 21 Abs. 3 und 4 GG, § 13 Nr. 2a, §§ 43 ff. [X.] zu beurteilenden Antrag, der den Charakter des antragsgegenständlichen [X.] selbst nicht verändert.

Die Antragstellerin ist jedenfalls nicht antragsbefugt.

1. Die Antragsbefugnis setzt voraus, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsgegner Rechte des Antragstellers, die aus einem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, durch die beanstandete rechtserhebliche Maßnahme oder Unterlassung verletzt oder unmittelbar gefährdet hat (vgl. [X.] 94, 351 <362 f.>; 99, 19 <28>; 104, 14 <19>; 104, 310 <325>; 108, 251 <271 f.>; 118, 277 <317>; 134, 141 <194 Rn. 160>; 140, 115 <144 Rn. 74>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 53). Für die Zulässigkeit eines [X.] erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass die von dem Antragsteller behauptete Verletzung oder unmittelbare Gefährdung seiner verfassungsmäßigen Rechte unter Beachtung der vom [X.] entwickelten Maßstäbe nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint (vgl. [X.] 138, 256 <259 Rn. 6>; 140, 1 <22 Rn. 58>; 150, 194 <201 Rn. 20>; 151, 191 <199 Rn. 22>; [X.], Urteil des [X.] vom 24. Januar 2023 - 2 [X.] -, Rn. 53; [X.]).

2. Diesen Anforderungen wird der Antrag nicht gerecht. Die Antragstellerin hat die Möglichkeit einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung ihres Rechts auf [X.] im politischen Wettbewerb aus [X.]. 21 Abs. 1 GG nicht dargelegt.

a) [X.]) Das Recht der politischen [X.]en auf [X.] folgt aus der Bedeutung, die der Freiheit der [X.]gründung und -betätigung sowie dem [X.] für die freiheitliche Demokratie zukommt (vgl. [X.] 47, 198 <225>; 73, 40 <88>; 85, 264 <297>; 111, 54 <104>; [X.]). Es steht allen politischen [X.]en zu, die nicht im Verfahren nach [X.]. 21 Abs. 2 GG vom [X.] verboten worden sind (vgl. [X.] 7, 99 <107>; 111, 54 <104>). Der Grundsatz der [X.] hängt eng mit den Grundsätzen der Allgemeinheit und Gleichheit der Wahl zusammen. Daher ist der Grundsatz der [X.] der [X.]en in einem strikten und formalen Sinn zu verstehen (vgl. [X.] 8, 51 <64 f.>; 85, 264 <297>; 111, 54 <105>; [X.], Urteil des [X.] vom 15. Juni 2022 - 2 [X.], 2 [X.] -, Rn. 72 - Äußerungen der Bundeskanzlerin [X.] in [X.]). Greift die öffentliche Gewalt in den [X.]enwettbewerb in einer Weise ein, die geeignet ist, die Chancen der politischen [X.]en zu verändern, sind ihrem Ermessen daher besonders enge Grenzen gezogen (vgl. [X.] 8, 51 <64 f.>; 14, 121 <133>; 24, 300 <341>; 44, 125 <146>; 73, 40 <88 f.>; 85, 264 <297>; 111, 54 <105>).

bb) [X.] ist deshalb jede unterschiedliche Behandlung, die nicht durch einen besonderen, in der Vergangenheit als zwingend bezeichneten Grund gerechtfertigt ist (vgl. [X.] 8, 51 <65>; 14, 121 <133>; 34, 160 <163>; 44, 125 <146>; 47, 198 <227>; 111, 54 <105>). Der Gesetzgeber darf insbesondere die vorgefundene Wettbewerbslage nicht verändern oder verfälschen (vgl. [X.] 41, 399 <413>; 42, 53 <58 f.>; 73, 40 <89>; 85, 264 <297>; 111, 54 <105>). Der Grundsatz der [X.] verlangt nicht, vorgegebene Unterschiede auszugleichen, um dadurch [X.] herzustellen. Er verwehrt es dem Gesetzgeber jedoch, durch finanzielle Zuwendungen bestehende faktische Ungleichheiten der [X.] zu verschärfen (vgl. [X.] 20, 56 <118>; 41, 399 <413 f.>; 42, 53 <59>; 73, 40 <89>; 78, 350 <358>; 85, 264 <297>; 111, 54 <105>; [X.]).

b) Davon ausgehend hat die Antragstellerin die Möglichkeit nicht dargetan, bereits durch den antragsgegenständlichen Gesetzesbeschluss in eigenen Rechten verletzt oder unmittelbar gefährdet zu sein. Sie verfolgt mit ihrem Antrag erkennbar nicht das Ziel einer Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, sondern stellt die Verfassungsmäßigkeit der vom Antragsgegner beschlossenen Änderung des Grundgesetzes abstrakt zur Prüfung. Es handelt sich um eine objektive Beanstandungsklage, die die Antragstellerin in das Gewand eines [X.]s zu kleiden sucht.

[X.]) Soweit die Antragstellerin vorgetragen hat, dass die Stellung eines Antrags nach [X.]. 21 Abs. 3 und 4 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 2a [X.] kurz bevorstehe und sie daher in ihren organschaftlichen Rechten unmittelbar gefährdet sei, verkennt sie, dass nicht der Erlass des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes, sondern erst der antragsgemäße tatsächliche Ausschluss von der st[X.]tlichen Finanzierung sie in ihrem Recht auf politische [X.] verletzen kann. Vor diesem Hintergrund kommt es für die Möglichkeit einer Verletzung oder unmittelbaren Gefährdung durch den [X.] auch nicht darauf an, dass zwischenzeitlich ein Antrag auf Ausschluss der Antragstellerin von st[X.]tlicher Finanzierung gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 [X.] gestellt worden ist.

bb) Die Antragstellerin legt zudem nicht schlüssig dar, dass zwischen ihr und dem Antragsgegner ein im [X.] rügefähiges eigenes Verfassungsrechtsverhältnis besteht. Sie stützt ihren Antrag darauf, dass der Ausschluss von [X.]en mit verfassungswidrigen Zielen von der st[X.]tlichen Finanzierung deren Fähigkeit zur Mitwirkung an der Willensbildung des Volkes schwäche. Damit behauptet sie einen alle [X.]en gleichermaßen betreffenden Eingriff in das Recht auf [X.], nicht aber den Bestand eines Verfassungsrechtsverhältnisses zwischen ihr und dem Antragsgegner. Dies gilt auch, soweit sie insbesondere auf kleine außerparlamentarische [X.]en verweist, die wie sie selbst mangels Potentialität keine Aussicht auf Durchsetzung ihrer Ziele hätten. Auch insofern verharrt ihre Argumentation auf einer abstrakten Ebene.

cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die Antragstellerin behauptet, bei dem vom Antragsgegner beschlossenen Gesetz handele es sich um eine "[X.]".

(1) Soweit sie pauschal vorträgt, dies gehe bereits aus der Begründung des Gesetzentwurfs hervor, ist diese Ansicht nicht nachvollziehbar. Der Gesetzentwurf der Fraktionen von [X.] und [X.] nimmt einleitend zwar Bezug auf das die Antragstellerin betreffende Urteil des [X.] vom 17. Januar 2017 ([X.] 144, 20). Bereits die Passage des Urteils, die den Anstoß für den Gesetzentwurf gegeben haben dürfte, gibt dieser aber dahingehend wieder, dass es dem Gesetzgeber freistehe, neben dem [X.]verbot weitere, abgestufte Sanktionsmöglichkeiten "gegenüber [X.]en" mit verfassungsfeindlicher Zielsetzung zu schaffen (vgl. BTDrucks 18/12357, [X.] mit Verweis auf [X.] 144, 20 <242 Rn. 625>). Auch die weitere Begründung des Gesetzentwurfs stellt allgemein auf "[X.]en" ab; diese sollten mit dem Gesetzentwurf von st[X.]tlicher Finanzierung ausgeschlossen werden, wenn sie nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Mitglieder darauf ausgerichtet seien, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der [X.] zu gefährden (vgl. BTDrucks 18/12357, [X.] ff.).

(2) Daran ändern auch die von der Antragstellerin zitierten Äußerungen von zwei Mitgliedern des Deutschen [X.]es im Rahmen der Gesetzesberatung, der Ministerpräsidentin des [X.] im Bundesrat sowie eines Sachverständigen vor dem Innenausschuss des Antragsgegners nichts.

(a) Soweit der damalige [X.]sabgeordnete [X.] geäußert hat, dass das Gesetz die Grundlage dafür lege, der Antragstellerin die st[X.]tliche Finanzierung zu entziehen (vgl. Deutscher [X.], Plenarprotokoll 18/240 vom 22. Juni 2017, [X.]), kommt darin lediglich zum Ausdruck, dass eine Anwendung des Gesetzes auf die Antragstellerin angestrebt wird, nicht hingegen, dass das Gesetz in seinem Anwendungsbereich allein auf die Antragstellerin beschränkt sein soll.

[X.] [X.]sabgeordneten [X.], wonach es sich bei dem vom Antragsgegner beschlossenen Gesetz um eine "[X.]" handele, führt zu keinem anderen Ergebnis. Für die Frage nach [X.] und Zweck eines Gesetzes kommt den Gesetzesmaterialien, in denen sich regelmäßig die im Verfahren als wesentlich erachteten Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe und Personen finden, zwar eine nicht unerhebliche Indizwirkung zu (vgl. [X.] 149, 126 <154 f. Rn. 74> m.w.N.). Nicht entscheidend sind aber die subjektiven Vorstellungen einzelner Mitglieder der beteiligten Organe (vgl. [X.] 157, 223 <263 f. Rn. 106> m.w.N. - [X.] Mietendeckel). Bei der Äußerung der damaligen Oppositionspolitikerin [X.] handelt es sich um eine solche subjektive Bewertung einer einzelnen Abgeordneten.

(b) Soweit die Antragstellerin auf die Ausführungen der Ministerpräsidentin des [X.] in der Sitzung des Bundesrates vom 7. Juli 2017 verweist, wonach der Bundesrat "mit der heutigen Entschließung" seine Auffassung bekräftige, dass die Antragstellerin von der st[X.]tlichen [X.]enfinanzierung ausgeschlossen werden müsse, betrifft diese Äußerung allein den Entschließungsantrag der Länder ([X.] 509/1/17), über den der Bundesrat gesondert Beschluss gefasst hat (vgl. Bundesrat, Plenarprotokoll 959 vom 7. Juli 2017, [X.]), und den die Antragstellerin nicht angegriffen hat. Zu dem vom Antragsgegner beschlossenen Gesetz hat die Ministerpräsidentin lediglich ausgeführt, damit werde es möglich, "verfassungsfeindliche [X.]en in der Zukunft von der [X.]enfinanzierung" auszuschließen (vgl. Bundesrat, Plenarprotokoll 959 vom 7. Juli 2017, [X.]).

(c) Dass es sich vorliegend um ein nur die Antragstellerin betreffendes Gesetz handelt, folgt auch nicht aus der schriftlichen Stellungnahme des Sachverständigen Professor [X.]. Soweit dieser ausgeführt hat, dass die Schaffung eines gesonderten, von einem Verbotsantrag losgelösten Verfahrens zum Finanzierungsausschluss allein dazu dienen dürfte, die [X.] von der st[X.]tlichen Finanzierung auszuschließen, handelt es sich erkennbar um eine rechtspolitische Meinungsäußerung unter dem Gliederungspunkt "4. [X.]: Wozu ein eigenes Verfahren?" (vgl. [X.], [X.], [X.] f.). Selbst wenn darin die Einschätzung des Sachverständigen zum Ausdruck kommen mag, dass ein Ausschluss der Antragstellerin von st[X.]tlicher Finanzierung angestrebt werde, ändert dies nichts daran, dass das Gesetz in seiner Geltung nicht auf diese beschränkt ist.

[X.] beruht auf § 34a Abs. 3 [X.]. Im [X.]verfahren findet eine Erstattung von Auslagen nur ausnahmsweise statt, wenn besondere [X.] dies geboten erscheinen lassen (vgl. [X.] 96, 66 <67>; 148, 11 <39 Rn. 81>; 154, 320 <353 Rn. 97> - [X.] auf der Homepage des [X.]; [X.], Urteil des [X.] vom 15. Juni 2022 - 2 [X.], 2 [X.] -, Rn. 186). Solche Gründe sind nicht ersichtlich.

Die Festsetzung des [X.] beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 [X.] und den Grundsätzen für die Festsetzung des [X.] im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

2 BvE 1/17

20.06.2023

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

vorgehend BVerfG, 23. Juni 2021, Az: 2 BvE 1/17, Beschluss

Art 21 Abs 1 S 1 GG, Art 21 Abs 3 GG vom 13.07.2017, Art 21 Abs 4 GG vom 13.07.2017, GGArt21ÄndG, Art 8 PartFinAusschlG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.06.2023, Az. 2 BvE 1/17 (REWIS RS 2023, 3559)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3559

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