Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2017, Az. 2 AZR 681/16

2. Senat | REWIS RS 2017, 7288

ARBEITSRECHT BERUF BUNDESARBEITSGERICHT (BAG) DATENSCHUTZ IT-SICHERHEIT ARBEITSZEIT INDIVIDUAL-ARBEITSRECHT JAHRESRÜCKBLICKE GRUNDRECHTE KÜNDIGUNG LANDESARBEITSGERICHT BERLIN-BRANDENBURG ÜBERWACHUNG RICHTER VIDEOÜBERWACHUNG GEHEIMNISVERRAT WHISTLEBLOWING MITARBEITERÜBERWACHUNG BEWEISVERWERTUNGSVERBOT BERUFSGEHEIMNIS

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Überwachung mittels Keylogger - Verwertungsverbot


Leitsatz

Der Einsatz eines Software-Keyloggers ist nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. Juni 2016 - 16 Sa 1711/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.

2

Der Kläger war bei der [X.], die in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit Juli 2011 als Webentwickler tätig. Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses verpflichtete er sich schriftlich, Hard- und Software aus Gründen der informationstechnischen Sicherheit ausschließlich zur Erfüllung der vereinbarten Aufgaben zu nutzen.

3

Im Zusammenhang mit der Anbindung eines neuen Netzwerks richtete die Beklagte am 19. April 2015 (Sonntag) eine E-Mail folgenden Inhalts an ihre Mitarbeiter:

        

„Hallo liebes (…) Team,

        

es ist soweit, die [X.] hat es endlich geschafft, uns einen schnellen [X.] bereitzustellen.

        

Dieses möchte ich Euch natürlich nicht vorenthalten, aus diesem Grund erhaltet Ihr freien Zugang zum WLAN.

        

Da bei Missbrauch, zum Beispiel Download von illegalen Filmen, etc. der Betreiber zur Verantwortung gezogen wird, muss der [X.] werden. Da ein rechtlicher Missbrauch natürlich dann auch auf denjenigen zurückfallen soll, der verantwortlich dafür war.

        

Somit:

        

Hiermit informiere ich Euch offiziell, dass sämtlicher [X.] und die Benutzung der Systeme (der [X.]) [X.] und dauerhaft gespeichert wird. Solltet Ihr damit nicht einverstanden sein, bitte ich Euch [X.] dieses innerhalb dieser Woche mitzuteilen.

        

…       

        

Bitte benutzt dieses Netzwerk für alles wie [X.], [X.], etc. um unser Hauptnetzwerk zu entlasten.

        

…“    

4

In einer Unterweisung am 20. April 2015 wandte sich kein Arbeitnehmer gegen die Absicht der [X.], den „[X.]“ und die Benutzung ihrer Systeme zur Verhinderung von Missbrauch des Internetzugangs „mitzuloggen“.

5

Die Beklagte installierte sodann auf dem [X.] eine Software, die ab dem 21. April 2015 alle Tastatureingaben protokollierte und regelmäßig Screenshots fertigte ([X.]). Nachdem die Beklagte die vom [X.] erstellten Dateien ausgewertet hatte, fand am 4. Mai 2015 ein Gespräch mit dem Kläger statt, in dem dieser einräumte, seinen [X.] während der Arbeitszeit privat genutzt zu haben. Er gab an, ein Computerspiel programmiert und [X.] für das Logistikunternehmen seines Vaters abgewickelt zu haben. Auf die Programmierung des Spiels habe er am Arbeitsplatz in der [X.] von Januar bis April 2015 ca. drei Stunden verwendet. Für die Firma seines Vaters sei er - vorwiegend in seiner Freizeit - höchstens etwa zehn Minuten täglich tätig gewesen.

6

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des [X.] mit Schreiben vom 19. Mai 2015 außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Termin.

7

Hiergegen hat sich der Kläger fristgerecht mit der vorliegenden Klage gewandt. Er hat behauptet, die privaten Verrichtungen meist in den Pausen und in [X.]en erledigt zu haben, in denen er keines der ihm zugewiesenen Projekte habe bearbeiten können. Die Beklagte habe durch den Einsatz eines [X.]s „hinterrücks“ und ohne jeden Anlass massiv in sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In der E-Mail vom 19. April 2015 habe sie den Eindruck vermittelt, es sollten nur die Internetaktivitäten über das neue Netzwerk kontrolliert werden.

8

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der [X.] vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der [X.] vom 19. Mai 2015 aufgelöst worden ist;

        

3.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Webentwickler weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus den vom [X.] erstellten Dateien ergebe sich, dass der Kläger am 21. April 2015 weitaus länger mit der Entwicklung des Computerspiels beschäftigt gewesen sei, als er eingeräumt habe. Die Einträge in den Logdateien widerlegten zudem seine Behauptung, höchstens zehn Minuten täglich mit Aufgaben für die Firma seines Vaters befasst gewesen zu sein. Ausweislich von Screenshots der auf seinem [X.] befindlichen Ordner habe der Kläger für dessen Unternehmen 5.221 E-Mails empfangen und 5.835 Nachrichten versandt. Der Einsatz eines [X.]s sei ohne Weiteres rechtmäßig gewesen, weil dem Kläger jede außerdienstliche Nutzung der IT-Systeme untersagt und damit seine Privatsphäre nicht betroffen gewesen sei. Im Übrigen habe gegen ihn der Verdacht des [X.] bestanden. Am 9. Februar 2015 habe eine Arbeitnehmerin im Vorbeigehen gesehen, dass der Kläger eine „stark bebilderte“ Webseite hastig „weggeklickt“ habe. Weitere Mitarbeiter hätten mitgeteilt, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang privaten Aktivitäten nach. Zudem habe er sich zu einem sehr unproduktiven Mitarbeiter entwickelt.

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat die [X.]erufung der [X.]eklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die dem Senat allein zur Entscheidung anfallenden Feststellungsanträge sind begründet. Die Kündigungen der [X.]eklagten vom 19. Mai 2015 sind unwirksam. Nach dem verfahrensrechtlich verwertbaren [X.]chvortrag der [X.]eklagten fehlt es sowohl an einem wichtigen Grund für die außerordentliche Kündigung (§ 626 Abs. 1 [X.]G[X.]) als auch an einer [X.] Rechtfertigung für die unter Geltung des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1) erklärte ordentliche Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG).

I. Die Würdigung des [X.]erufungsgerichts, die vom Kläger zugestandenen [X.]chverhalte rechtfertigten die beiden Kündigungen nicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Das [X.] ist davon ausgegangen, der Kläger habe in der [X.] von Januar bis April 2015 an seinem [X.] ca. drei Stunden auf die Programmierung des Computerspiels verwendet, dies aber überwiegend während der Pausen. Darüber hinaus hat das [X.]erufungsgericht zugunsten der [X.]eklagten unterstellt, der Kläger habe während der Arbeitszeit täglich zehn Minuten mit Tätigkeiten für die Firma seines [X.] verbracht. Damit habe er seine vertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt. Allerdings rechtfertigten die Pflichtverletzungen mangels vorheriger Abmahnung keine - außerordentliche oder ordentliche - Kündigung. Zwar habe der Kläger Hard- und Software der [X.]eklagten entgegen der von ihm zu [X.]eginn des Arbeitsverhältnisses unterzeichneten Erklärung für außerdienstliche Zwecke eingesetzt. Die „minutenweise“ Privatnutzung über den [X.]raum eines Jahres habe sich zu einer Gesamtdauer von 36,66 Stunden summiert. Jedoch sei schon der E-Mail der [X.]eklagten vom 19. April 2015 zu entnehmen, dass tatsächlich kein absolutes Verbot der privaten Nutzung betrieblicher [X.] gelebt worden sei. Die unzulässige Privatnutzung habe auch nur einen minimalen [X.]ruchteil [X.]) der täglichen Arbeitszeit des [X.] ausgemacht. Die [X.]eklagte habe schließlich nicht substantiiert dargetan, dass seine Arbeitsleistung durch die außerdienstlichen Aktivitäten beeinträchtigt worden sei. Insgesamt liege keine derart schwere Pflichtverletzung vor, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der [X.]eklagten nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Kläger erkennbar - ausgeschlossen gewesen sei. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Kläger in Zukunft nach einer Abmahnung in gleicher oder ähnlicher Weise pflichtwidrig verhalten hätte.

2. Mit dieser Würdigung hat das [X.]erufungsgericht, dem bei der Prüfung und Interessenabwägung im Rahmen von § 626 Abs. 1 [X.]G[X.], § 1 Abs. 2 KSchG ein [X.]eurteilungsspielraum zukommt, alle vernünftigerweise in [X.]etracht zu ziehenden Umstände widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze berücksichtigt. Entgegen der Annahme der Revision hat das [X.] den „auf lange Sicht“ - möglicherweise - verursachten Schaden in seine Überlegungen einbezogen, indem es die „vertane“ Arbeitszeit auf einen [X.]raum von einem Jahr hochgerechnet hat. Zu einem über die Vergütung der nicht bestimmungsgemäß verbrachten Arbeitszeit hinausgehenden Schaden hat die [X.]eklagte nicht substantiiert vorgetragen. Soweit sie rügt, das [X.]erufungsgericht habe übersehen, dass der Kläger nicht um Erlaubnis gefragt habe, obgleich er nur ausnahmsweise am Arbeitsplatz für die Firma seines [X.] habe tätig werden wollen und man insoweit eine „adäquate Lösung“ hätte finden können, bestätigt die [X.]eklagte letztlich nur die Einschätzung des [X.]erufungsgerichts, es sei zumindest nicht ausgeschlossen gewesen, dass sie eine geringfügige Privatnutzung ihrer [X.]etriebsmittel während der Arbeitszeit hinnehmen würde.

II. Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, es müsse bei seiner Entscheidung den [X.]chvortrag der [X.]eklagten unberücksichtigt lassen, den sie nur aufgrund des von ihr eingesetzten [X.]s in das Verfahren einführen konnte. Die Verwertung dieses Vorbringens bei der Urteilsfindung wäre mit dem Recht des [X.] auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) unvereinbar.

1. Ein [X.]chvortrags- oder [X.]eweisverwertungsverbot wegen einer Verletzung des gemäß Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Partei (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 [X.]) kann sich im arbeitsgerichtlichen Verfahren aus der Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung des Prozessrechts - etwa von § 138 Abs. 3, § 286, § 331 Abs. 1 [X.]tz 1 ZPO - ergeben. Wegen der nach Art. 1 Abs. 3 GG bestehenden [X.]indung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte und der Verpflichtung zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung ([X.] 13. Februar 2007 - 1 [X.]/05 - Rn. 93 , [X.]E 117, 202) hat das Gericht zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des [X.]etroffenen vereinbar ist ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 21; 20. Oktober 2016 - 2 [X.] - Rn. 18; 22. September 2016 - 2 [X.] - Rn. 2 3, [X.]E 156, 370; [X.] 15. Mai 2013 - XII Z[X.] 107/08 - Rn. 21). Das Grundrecht schützt neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen [X.]ild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das die [X.]efugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden ([X.] 11. März 2008 - 1 [X.]vR 2074/05 ua. - Rn. 67, [X.]E 120, 378; 23. Februar 2007 - 1 [X.] - Rn. 37, [X.]K 10, 330; 15. Dezember 1983 - 1 [X.] ua. - zu [X.] 1 a der Gründe, [X.]E 65, 1).

2. Die [X.]estimmungen des [X.]undesdatenschutzgesetzes ([X.]DSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen [X.]ild ( § 1 Abs. 1 [X.]DSG ). Sie regeln, in welchem Umfang im Anwendungsbereich des Gesetzes Eingriffe durch öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen iSd. § 1 Abs. 2 [X.]DSG in diese Rechtspositionen zulässig sind. Sie ordnen für sich genommen jedoch nicht an, dass unter ihrer Missachtung gewonnene Erkenntnisse oder [X.]eweismittel bei der Feststellung des Tatbestands im arbeitsgerichtlichen Verfahren vom Gericht nicht berücksichtigt werden dürften ([X.] 20. Oktober 2016 - 2 [X.] - Rn. 17; 22. September 2016 - 2 [X.] - Rn. 2 2, [X.]E 156, 370). Ist allerdings die Datenverarbeitung gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des [X.]DSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen [X.]ild vor ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 22).

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat sich das [X.] zu Recht gehindert gesehen, seiner Entscheidung den streitigen [X.]chvortrag der [X.]eklagten über die Nutzung des [X.] durch den Kläger am 21. und 23. April 2015 zugrunde zu legen. Hierdurch hätte das [X.] eine durch die [X.]eklagte begangene Grundrechtsverletzung perpetuiert und vertieft. Die Datenerhebung durch den [X.] griff in das Recht des [X.] auf informationelle Selbstbestimmung ein. Der Kläger hat in die Maßnahme nicht eingewilligt. Der Eingriff war nicht aufgrund überwiegender Interessen der [X.]eklagten nach § 32 Abs. 1 oder § 28 Abs. 1 [X.]DSG gerechtfertigt. Ebenso lagen keine weiteren, über das schlichte [X.]eweisinteresse der [X.]eklagten hinausgehenden Aspekte vor, die gerade die in Frage stehende verdeckte Informationsbeschaffung durch einen [X.] als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten.

a) Die Aufzeichnung und Speicherung der Tastatureingaben am [X.] des [X.] sowie das Fertigen von Screenshots durch den [X.] stellten Datenerhebungen iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 [X.]tz 1, Abs. 3 und Abs. 7 [X.]DSG dar. Die [X.]eklagte hat sich dadurch Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten natürlichen Person, nämlich des [X.] als dem Nutzer des ihm zugeordneten Rechners, verschafft.

b) Der Kläger hat in die Datenerhebungen nicht dadurch gemäß § 4a [X.]DSG eingewilligt, dass er der Ankündigung der [X.]eklagten nicht widersprochen hat. Allein in der Tatsache, dass ein Arbeitnehmer einer ihm mitgeteilten Maßnahme nicht entgegen tritt, liegt keine Einverständniserklärung in die Informationserhebung. Das Unterlassen eines Protests kann nicht mit einer Einwilligung gleichgesetzt werden (für die Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. [X.] 23. Februar 2007 - 1 [X.] - Rn. 40, [X.]K 10, 330; [X.]VerwG 25. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 25, [X.], 329). Das gilt insbesondere, wenn - wie vorliegend - eine vom Arbeitgeber gesetzte „Widerspruchsfrist“ noch nicht abgelaufen ist. Im Übrigen hatte die [X.]eklagte dem Kläger nicht eröffnet, es sollten alle Tastatureingaben an seinem [X.] „mitgeloggt“ und regelmäßig Screenshots gefertigt werden. Auch konnte der Kläger nicht erkennen, zu welchem Zweck er überwacht wurde. Die E-Mail der [X.]eklagten vom 19. April 2015 legte den Schluss nahe, dass allein eine etwaige Internetaktivität über das neue Netzwerk und diese auch „nur“ hinsichtlich der abgerufenen Inhalte („Download von illegalen Filmen“, „[X.]etreiber zur Verantwortung gezogen“, „rechtlicher Missbrauch“) kontrolliert werden sollte. Das [X.] hat nicht festgestellt, in der mündlichen Unterweisung am 20. April 2015 seien anderslautende oder weiter gehende Aussagen getroffen worden. Dementsprechend ließ die [X.]eklagte dem Kläger in ihrem Schreiben vom 5. Mai 2015 lediglich mitteilen, sie habe „im Zuge der Umstellung des Internetanschlusses zur Vermeidung eines etwaigen Missbrauchs die Onlineaktivitäten, die über diesen [X.] laufen, kontrolliert und diese Kontrolle im Vorfeld sowohl per E-Mail als auch im Rahmen einer Ansprache an die gesamte [X.]elegschaft angekündigt.“

c) Mit der ohne Einwilligung des [X.] erfolgten Datenerhebung durch den [X.] hat die [X.]eklagte in dessen durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschütztes Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen.

aa) Für einen Eingriff in den Schutzbereich dieses Grundrechts ist es ohne [X.]edeutung, ob die Datenerhebung in verdeckter Form oder für den Arbeitnehmer erkennbar erfolgt.

(1) [X.]ei dem verdeckten Einsatz eines [X.]s wird der betroffene Arbeitnehmer in der [X.]efugnis, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden, beschränkt, indem er zum Ziel einer nicht erkennbaren - systematischen - [X.]eobachtung durch den Arbeitgeber gemacht wird und dadurch auf sich beziehbare Daten über sein Verhalten preisgibt, ohne die Überwachung oder gar den mit ihr verfolgten Verwendungszweck zu kennen (für die automatisierte Erhebung öffentlich zugänglicher Informationen vgl. [X.] 11. März 2008 - 1 [X.]vR 2074/05  ua. - Rn. 67, [X.]E 120, 378 ; für die Observation durch einen Detektiv außerhalb des [X.]etriebsgeländes vgl. [X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 24).

(2) Wird der [X.] offen eingesetzt, liegt ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor, weil die Aufzeichnung und Speicherung sämtlicher Tastatureingaben und bestimmter [X.]ildschirminhalte der Vorbereitung möglicher belastender Maßnahmen (Ermahnung, Abmahnung, Kündigung) dienen und zugleich abschreckend wirken und insoweit das Verhalten des [X.]etroffenen lenken soll (für die offene Videoüberwachung im öffentlichen Raum: vgl. [X.] 23. Februar 2007 - 1 [X.] - Rn. 38, [X.]K 10, 330; [X.]VerwG 25. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 24, [X.], 329).

bb) Der Eingriff in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG entfällt nicht dadurch, dass lediglich Verhaltensweisen am Arbeitsplatz erfasst werden. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet nicht allein den Schutz der Privat- und Intimsphäre, sondern trägt in Gestalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung auch den informationellen Schutzinteressen desjenigen Rechnung, der sich in die ([X.]etriebs-)Öffentlichkeit begibt (für die Videoüberwachung vgl. [X.] 23. Februar 2007 - 1 [X.] - Rn. 39, [X.]K 10, 330; [X.]VerwG 25. Januar 2012 - 6 [X.] - Rn. 25, [X.], 329; für die Observation durch einen Detektiv vgl. [X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 24).

cc) Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt nicht voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer das informationstechnische System, über das Daten erhoben werden, als eigenes nutzt und deshalb den Umständen nach davon ausgehen darf, dass er allein oder zusammen mit anderen zur Nutzung berechtigten Personen über das System selbstbestimmt verfüge. Diese Einschränkung betrifft allein das ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, dem ggf. eine lückenfüllende Funktion zukommt ([X.] 27. Februar 2008 - 1 [X.] ua. - Rn. 201 und Rn. 206, [X.]E 120, 274).

d) Der Einsatz des [X.]s war der [X.]eklagten nicht nach § 32 Abs. 1 [X.]DSG erlaubt. Es fehlte bereits an dem insoweit erforderlichen, durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdacht einer Straftat oder einer anderen schweren Pflichtverletzung. Eine Maßnahme, die hinsichtlich der Intensität des durch sie bewirkten Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers mit einer (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar ist, stellt sich als unverhältnismäßig dar, wenn sie aufgrund bloßer Mutmaßungen ergriffen wird.

aa) Nach § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]DSG dürfen personenbezogene Daten eines [X.]eschäftigten für Zwecke des [X.]eschäftigungsverhältnisses ua. dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für dessen Durchführung oder [X.]eendigung erforderlich ist. Zur Durchführung gehört die Kontrolle, ob der Arbeitnehmer seinen Pflichten nachkommt ([X.]/Schomerus [X.]DSG 12. Aufl. § 32 Rn. 16; [X.], 17, 19), zur [X.]eendigung iSd. Kündigungsvorbereitung (dazu [X.], aaO) die Aufdeckung einer Pflichtverletzung, die die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 26). Sofern nach § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 oder [X.]tz 2 [X.]DSG zulässig erhobene Daten den Verdacht einer solchen Pflichtverletzung begründen, dürfen sie für die Zwecke und unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]DSG auch verarbeitet und genutzt werden ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - aaO; 20. Oktober 2016 - 2 [X.] - Rn. 40; 22. September 2016 - 2 [X.] - Rn. 37 f., [X.]E 156, 370). Der [X.]egriff der [X.]eendigung umfasst dabei die Abwicklung eines [X.]eschäftigungsverhältnisses ([X.]. 16/13657 S. 21). Der Arbeitgeber darf deshalb alle Daten speichern und verwenden, die er benötigt, um die ihm obliegende Darlegungs- und [X.]eweislast in einem potentiellen Kündigungsschutzprozess zu erfüllen ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - aaO; [X.]/[X.] in [X.] [X.]DSG § 32 Rn. 149; [X.]/[X.] 7. Aufl. § 32 [X.]DSG Rn. 15).

bb) § 32 Abs. 1 [X.]tz 2 [X.]DSG erlaubt die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung in Fällen, in denen - unabhängig von den in § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]DSG näher bestimmten Zwecken - Anhaltspunkte für den Verdacht einer im [X.]eschäftigungsverhältnis begangenen Straftat bestehen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Maßnahmen, die vom Arbeitgeber ergriffen werden, um strafbares Verhalten eines Arbeitnehmers aufzudecken, in der Regel besonders intensiv in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen ([X.]. 16/13657 S. 21). Das ist insbesondere bei einer zu diesem Zweck erfolgenden (verdeckten) Überwachung von [X.]eschäftigten der Fall, weshalb die - von der Gesetzesbegründung in [X.]ezug genommenen - restriktiven Grundsätze der hierzu ergangenen Rechtsprechung in § 32 Abs. 1 [X.]tz 2 [X.]DSG gesondert kodifiziert wurden. Die Vorschrift soll hinsichtlich der Eingriffsintensität damit vergleichbare Maßnahmen erfassen ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 27; 12. Februar 2015 - 6 [X.] - Rn. 75, [X.]E 151, 1). Diese sollen allenfalls dann zulässig sein, wenn der durch konkrete Tatsachen begründete „einfache“ Verdacht (Anfangsverdacht, [X.] 20. Oktober 2016 - 2 [X.] - Rn. 25) einer im [X.]eschäftigungsverhältnis begangenen Straftat besteht.

cc) § 32 Abs. 1 [X.]tz 2 [X.]DSG entfaltet keine „Sperrwirkung“ dergestalt, dass eine anlassbezogene Datenerhebung durch den Arbeitgeber ausschließlich zur Aufdeckung von Straftaten zulässig wäre und sie nicht nach § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]DSG zulässig sein könnte (ausführlich [X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 28 ff.). Allerdings muss der mit einer Datenerhebung verbundene Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers auch im Rahmen von § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]DSG einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem - dort gleichfalls verankerten - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit standhalten ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 32; 17. November 2016 - 2 [X.] - Rn. 30; 7. September 1995 - 8 [X.] 828/93 - zu II 2 [X.] der Gründe, [X.]E 81, 15; 22. Oktober 1986 -  5 [X.] 660/85  - zu [X.] 2 a der Gründe, [X.]E 53, 226 ). Dieser verlangt, dass der Eingriff geeignet, erforderlich und unter [X.]erücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - aaO; 17. November 2016 - 2 [X.] - aaO; 15. April 2014 - 1 [X.] ([X.]) - Rn. 41 , [X.]E 148, 26 ; 29. Juni 2004 -  1 A[X.]R 21/03  - zu [X.] 2 d der Gründe, [X.]E 111, 173 ). Es dürfen keine anderen, zur Zielerreichung gleich wirksamen und das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkenden Mittel zur Verfügung stehen. Die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne (Angemessenheit) ist gewahrt, wenn die Schwere des Eingriffs bei einer Gesamtabwägung nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe steht ([X.] 4. April 2006 - 1 [X.]vR 518/02 - zu [X.] 2 b dd der Gründe, [X.]E 115, 320 ; [X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - aaO; 15. April 2014 - 1 [X.] ([X.]) - aaO). Die Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung darf keine übermäßige [X.]elastung für den Arbeitnehmer darstellen und muss der [X.]edeutung des Informationsinteresses des Arbeitgebers entsprechen. Danach muss im Falle einer der (verdeckten) Videoüberwachung vergleichbar eingriffsintensiven Maßnahme, die auf § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]DSG gestützt werden soll, der auf konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer schwerwiegenden, jedoch nicht strafbaren Pflichtverletzung bestehen. Eine entsprechende verdeckte Ermittlung „ins [X.]laue hinein“, ob ein Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhält, ist auch nach § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]DSG unzulässig ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - aaO). Sie ist, ohne dass es noch darauf ankäme, ob mildere, gleich effektive Mittel vorhanden waren, jedenfalls unangemessen (nicht verhältnismäßig im engeren Sinne).

dd) Aus [X.] folgt zugleich, dass weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Datenerhebungen nach § 32 Abs. 1 [X.]DSG ohne Vorliegen eines durch Tatsachen begründeten Anfangsverdachts - zumal einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung - zulässig sein können. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende offene Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen. Solche präventiven Maßnahmen können sich schon aufgrund des Vorliegens einer abstrakten Gefahr als verhältnismäßig erweisen, wenn sie keinen solchen psychischen Anpassungsdruck erzeugen, dass die [X.]etroffenen bei objektiver [X.]etrachtung in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt sind (dazu [X.] 25. April 2017 - 1 A[X.]R 46/15 - Rn. 20 und Rn. 28 ff.). Dementsprechend kann die vorübergehende Speicherung und stichprobenartige Kontrolle der Verlaufsdaten eines Internetbrowsers zulässig sein, um die Einhaltung eines vom Arbeitgeber aufgestellten kompletten Verbots oder doch einer [X.]eschränkung der Privatnutzung von [X.] zu kontrollieren. Dabei werden lediglich die Adressen und Titel der aufgerufenen Seiten und der [X.]punkt des Aufrufs protokolliert und damit nicht mehr Daten gespeichert, als benötigt werden, um einen möglichen inhaltlichen oder zeitlichen Missbrauch der Nutzungsrechte festzustellen (LAG [X.]erlin-[X.]randenburg 14. Januar 2016 - 5 [X.] 657/15 - zu [X.] I 4 a aa (8) (d) der Gründe). Würden die gespeicherten Verlaufsdaten nicht zumindest stichprobenartig überprüft, könnten Zuwiderhandlungen gegen das Verbot oder die [X.]eschränkung der Privatnutzung von [X.] des Arbeitgebers nicht geahndet werden und könnte die Datenerhebung ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten.

ee) Mit diesem Inhalt steht § 32 Abs. 1 [X.]DSG im Einklang mit den Vorgaben der eine umfassende Harmonisierung (zur [X.]egrifflichkeit [X.] 6. November 2003 - [X.]/01 - [[X.]] Rn. 96 f., Slg. 2003, [X.]) vorsehenden Richtlinie 95/46/[X.] und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ([X.] 95/46/[X.] - A[X.]l. [X.] vom 23. November 1995 S. 31). Einerseits wird mit dem aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgeleiteten Erfordernis des auf konkrete Tatsachen gestützten Anfangsverdachts einer Straftat oder anderen schweren Pflichtverletzung für besonders eingriffsintensive Maßnahmen nicht entgegen Art. 5 der Richtlinie ein zusätzlicher, die Datenerhebung erschwerender Grundsatz eingeführt oder durch eine zusätzliche [X.]edingung die Tragweite eines der in Art. 7 der Richtlinie vorgesehenen Grundsätze verändert (dazu [X.] 19. Oktober 2016 - [X.]/14 - [[X.]reyer] Rn. 57 ff.; 24. November 2011 - [X.]/10 und [X.]/10 - [[X.]] Rn. 33, 34 und 36). Andererseits genügt der vom Senat herangezogene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem durch die Richtlinie sowie Art. 7 der [X.] (dazu [X.] 11. Dezember 2014 - [X.]/13 - [Ryneš] Rn. 28) und Art. 8 [X.] (dazu [X.] 9. November 2010 - [X.]/09 und [X.]/09 - [[X.] und [X.]] Rn. 52, Slg. 2010, [X.]; [X.] 19. Februar 2015 - 8 [X.] 1007/13 - Rn. 20 f.) garantierten Schutzniveau für die von einer Datenerhebung [X.]etroffenen ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 38; [X.]MR 5. Oktober 2010 - 420/07 - [X.], 471).

ff) [X.]ei dem (zeitlich nicht begrenzten) verdeckten Einsatz eines [X.]s an einem [X.] handelt es sich um eine Datenerhebung, die hinsichtlich der Intensität des mit ihr verbundenen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des [X.]etroffenen mit einer - verdeckten - Videoüberwachung am Arbeitsplatz vergleichbar ist. Zwar berührt der Einsatz eines [X.]s grundsätzlich nicht das Recht am eigenen [X.]ild, insbesondere ist er regelmäßig nicht geeignet, Verhaltensweisen optisch zu erfassen, die von dem [X.]etroffenen als peinlich empfunden werden. Jedoch wird mit der Datenerhebung durch einen [X.] massiv in das Recht des [X.]etroffenen auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. Es werden - für den [X.]enutzer irreversibel - alle Eingaben über die Tastatur eines Computers einschließlich des [X.]punkts der Eingabe sowie des zeitlichen Abstands zwischen zwei Eingaben erfasst und gespeichert. Die auf diese Weise gewonnenen Daten ermöglichen es, ein nahezu umfassendes und lückenloses Profil sowohl von der privaten als auch dienstlichen Nutzung durch den [X.]etroffenen zu erstellen. Dabei werden nicht nur gespeicherte Endfassungen und ggf. Zwischenentwürfe bestimmter Dokumente sichtbar, sondern es lässt sich jeder Schritt der Arbeitsweise des [X.]enutzers nachvollziehen. Darüber hinaus können besondere Arten personenbezogener Daten iSv. § 3 Abs. 9 [X.]DSG oder - so im Streitfall - andere hochsensible Daten wie z[X.] [X.]enutzernamen, Passwörter für geschützte [X.]ereiche, Kreditkartendaten, [X.] etc. protokolliert werden, ohne dass dies für die verfolgten Kontroll- und Überwachungszwecke erforderlich wäre. Ebenso hat der betroffene Arbeitnehmer weder Veranlassung noch die Möglichkeit, bestimmte Inhalte als privat oder gar höchstpersönlich zu kennzeichnen und damit ggf. dem Zugriff des Arbeitgebers zu entziehen. Dieser ohnehin schon weit überschießende Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des [X.]etroffenen wird noch verstärkt, wenn - wie hier - regelmäßig Screenshots gefertigt werden.

gg) Die Würdigung des [X.]erufungsgerichts, die [X.]eklagte habe keine Tatsachen dargelegt, die vor dem Einsatz des [X.]s den Anfangsverdacht einer Straftat oder schweren Pflichtverletzung begründet hatten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Das [X.] hat angenommen, die [X.]eklagte habe lediglich einen Vorfall konkret beschrieben. Das von einer Arbeitnehmerin mitgeteilte einmalige hastige „Wegklicken“ einer „stark bebilderten“ Webseite sei aber nicht geeignet, den konkreten Verdacht einer exzessiven Privatnutzung des [X.] zu begründen. Im Weiteren sei der Vortrag der [X.]eklagten substanzlos geblieben. Das gelte zum einen für die einer [X.]eweisaufnahme nicht zugängliche [X.]ehauptung, auch andere Mitarbeiter hätten angegeben, der Kläger gehe während seiner Arbeitszeit in erheblichem Umfang außerdienstlichen Aktivitäten nach. Zum anderen habe die [X.]eklagte nicht substantiiert dargetan, dass die Leistungen des [X.] erheblich nachgelassen hätten.

(2) Diese Ausführungen lassen keinen materiellen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt auch keinen Fehler bei der Anwendung des Prozessrechts auf.

(a) Das [X.]erufungsgericht hat es - stillschweigend - zu Recht als unmaßgeblich angesehen, dass die [X.]eklagte die tatsächlichen Anhaltspunkte, die aus ihrer Sicht den Verdacht strafbaren Verhaltens des [X.] begründeten, nicht iSv. § 32 Abs. 1 [X.]tz 2 [X.]DSG dokumentiert hat. Ein solches Versäumnis führt weder zu einer Präklusion mit Vortrag zu den Verdachtsmomenten im Prozess noch begründet es für sich genommen die Unverwertbarkeit der aus der Maßnahme gewonnenen Erkenntnisse. Die Vorgabe, die Tatsachen zu dokumentieren, auf die sich ein Anfangsverdacht gründet, verfolgt den Zweck, dem hiervon erfassten Personenkreis die nachträgliche Rechtmäßigkeitskontrolle zu erleichtern. Aus ihr kann ein prozessuales Verwertungsverbot jedenfalls dann nicht abgeleitet werden, wenn der Arbeitgeber den Verdacht von Straftaten spätestens im Rechtsstreit durch konkrete Tatsachen untermauert und dadurch eine Rechtmäßigkeitskontrolle gesichert ist ([X.] 20. Oktober 2016 - 2 [X.] - Rn. 33).

(b) Das [X.] hat die Darlegungslast der [X.]eklagten nicht überspannt. Auch bei vermeintlich kreativ tätigen Arbeitnehmern lässt sich anhand objektiver Tatsachen feststellen, inwieweit sie die ihnen übertragenen Aufgaben fristgerecht und entsprechend den inhaltlichen Vorgaben erledigt haben. Keinesfalls reicht es aus, sich im Rechtsstreit auf einen nicht näher begründeten Eindruck eines Vorgesetzten oder des Geschäftsführers zurückzuziehen.

(c) Die von der [X.]eklagten erhobene Rüge, das [X.]erufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO darauf hinweisen müssen, dass ihr Vortrag zum Vorliegen eines durch konkrete Tatsachen begründeten Anfangsverdachts unzureichend sei, ist unzulässig. Die Revision legt nicht dar, warum die Vorinstanz einem gewissenhaften und kundigen Prozessbeteiligten in der konkreten Lage des Prozesses, insbesondere nach den Einlassungen des [X.] den von ihr vermissten Hinweis hätte erteilen müssen. Überdies fehlte es nach dem eigenen Vorbringen der [X.]eklagten an der Entscheidungserheblichkeit einer Verletzung der richterlichen Hinweispflicht. Sie räumt selbst ein, es sei ihr nicht möglich gewesen, ihr Vorbringen zu ergänzen.

e) § 28 Abs. 1 [X.]DSG schied als Erlaubnisnorm aus. Die Vorschrift findet im [X.]eschäftigungsverhältnis nur Anwendung, wenn nicht - wie hier - die Zwecke des § 32 Abs. 1 [X.]DSG betroffen sind ([X.]. 16/13657 S. 20 f.). Demgegenüber kann eine Datenerhebung, die weder der Aufdeckung von Straftaten iSd. § 32 Abs. 1 [X.]tz 2 [X.]DSG noch sonstigen Zwecken des [X.]eschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 [X.]tz 1 [X.]DSG dient, „zur Wahrung berechtigter Interessen“ iSv. § 28 Abs. 1 [X.]tz 1 Nr. 2 [X.]DSG zulässig sein ([X.] 29. Juni 2017 - 2 [X.] - Rn. 25; [X.]/Schomerus [X.]DSG 12. Aufl. § 32 Rn. 2, 45 f.).

f) Es kann dahinstehen, ob Erkenntnisse, die der Arbeitgeber im Anwendungsbereich des § 32 Abs. 1 [X.]DSG unter Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewonnen hat, ausnahmsweise im Rechtsstreit verwertet werden dürfen. Das könnte nur dann in [X.]etracht kommen, wenn weitere, über das schlichte [X.]eweisinteresse hinausgehende Aspekte hinzutreten und diese besonderen Umstände gerade die in Frage stehende Informationsbeschaffung als gerechtfertigt ausweisen ([X.] 22. September 2016 - 2 [X.] - Rn. 24, [X.]E 156, 370; 20. Juni 2013 - 2 [X.] 546/12 - Rn. 29, [X.]E 145, 278). Im Streitfall fehlt es schon an erstem. Ein Arbeitgeber, der - wie hier die [X.]eklagte - eine Überwachungsmaßnahme „ins [X.]laue hinein“ veranlasst, befindet sich weder in einer Notwehr- oder notwehrähnlichen Situation gemäß § 227 [X.]G[X.] bzw. § 32 StG[X.] noch in einer Notstandslage iSv. § 34 StG[X.] (dazu [X.] 13. Dezember 2007 - 2 [X.] 537/06 - Rn. 36; [X.] 15. Mai 2013 - XII Z[X.] 107/08 - Rn. 23 f.).

4. Das [X.] hat zu Recht angenommen, die Kündigungen seien auch als Verdachtskündigungen unwirksam. Es musste den [X.]chvortrag der [X.]eklagten, mit dem sie die durch den [X.] gewonnenen Erkenntnisse in den Rechtsstreit eingeführt hat, auch bei der Würdigung außer Acht lassen, ob gegen den Kläger der dringende Verdacht eines Verhaltens bestand, das, wäre es erwiesen, eine außerordentliche, fristlose Kündigung gerechtfertigt hätte (dazu, dass dies auch für eine ordentliche Verdachtskündigung erforderlich ist, [X.] 18. Juni 2015 - 2 [X.] 256/14 - Rn. 22).

III. Die [X.]che ist nicht deshalb an das [X.]erufungsgericht zurückzuverweisen, weil es [X.]chvortrag der [X.]eklagten übergangen hätte, der möglicherweise keinem Verwertungsverbot unterläge. Die dahingehende Rüge der [X.]eklagten greift nicht durch.

1. Das [X.] hat angenommen, die von der [X.]eklagten in [X.]ezug genommenen Screenshots der [X.] auf dem [X.] des [X.] seien vom [X.] gefertigt worden. Einen [X.]santrag der [X.]eklagten (§ 320 ZPO), mit dem sie geltend gemacht hatte, ihr erstinstanzlicher, auf Seite 10 des amtlichen Umdrucks des [X.]erufungsurteils wiedergegebener Vortrag sei dahin gegangen, dass diese [X.]ildschirmfotos bei einer vom [X.] unabhängigen Einsichtnahme in das E-Mail-Programm auf dem [X.] des [X.] gemacht worden seien, hat es als unbegründet zurückgewiesen.

2. Die darauf bezogene Verfahrensrüge ist unzulässig.

a) Es kann dahinstehen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil die [X.]eklagte sich mit dieser Rüge gegen die nicht mit einem [X.]erichtigungsantrag angegriffene tatbestandliche Feststellung wendet, ihr zweitinstanzlicher - möglicherweise „überholender“ - Vortrag sei dahin gegangen, dass die Screenshots vom Inhalt der [X.] auf dem Rechner des [X.] vom [X.] „geschossen“ wurden (Seite 12 und 22 des amtlichen Umdrucks). Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die [X.]eklagte nach abgelehnter [X.] mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 [X.]tz 1 Nr. 2 [X.]uchst. b ZPO erfolgreich allenfalls hätte geltend machen können, das [X.]erufungsgericht habe ihr Vorbringen bewusst missverstanden und damit übergangen, oder es habe den Vortrag zumindest als missverständlich ansehen müssen und deshalb die angegriffene tatbestandliche Feststellung nicht ohne vorherigen Hinweis gemäß § 139 ZPO treffen dürfen.

b) Jedenfalls legt die [X.]eklagte die Erheblichkeit ihres „richtig“ verstandenen Vorbringens nach der maßgeblichen [X.]egründungslinie der angefochtenen Entscheidung nicht dar. Sie zeigt nicht auf, dass das [X.] anhand der bloßen Anzahl der in den [X.]n befindlichen Nachrichten zu der Überzeugung gelangt wäre, der Kläger sei in einem exzessiven, eine vorherige Abmahnung entbehrlich machenden Umfang während seiner Arbeitszeit privaten Aktivitäten nachgegangen. Solchen Vortrags hätte es insbesondere deshalb bedurft, weil unstreitig zumindest ein Teil der E-Mails betreffend die Firma seines [X.] automatisch und ohne aktives Zutun des [X.] generiert worden ist.

        

    Koch    

        

    [X.]erger    

        

    Niemann    

        

        

        

    Niebler    

        

    Löllgen    

                 

Meta

2 AZR 681/16

27.07.2017

Bundesarbeitsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Herne, 14. Oktober 2015, Az: 6 Ca 1789/15, Urteil

Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 1 Abs 3 GG, Art 8 Abs 1 MRK, Art 7 EUGrdRCh, Art 5 EGRL 46/95, Art 7 EGRL 46/95, § 32 Abs 1 S 1 BDSG 1990, § 1 Abs 1 BDSG 1990, § 1 Abs 2 BDSG 1990, § 3 Abs 1 BDSG 1990, § 3 Abs 2 BDSG 1990, § 3 Abs 3 BDSG 1990, § 3 Abs 7 BDSG 1990, § 3 Abs 9 BDSG 1990, § 4a BDSG 1990, § 28 Abs 1 BDSG 1990, § 626 Abs 1 BGB, § 32 StGB, § 34 StGB, § 1 Abs 2 KSchG, § 138 Abs 3 ZPO, § 139 ZPO, § 286 ZPO, § 331 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2017, Az. 2 AZR 681/16 (REWIS RS 2017, 7288)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 3258 MDR 2017, 1430-1431 REWIS RS 2017, 7288

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 AZR 597/16 (Bundesarbeitsgericht)

Außerordentliche Kündigung - Überwachung durch Detektiv


8 AZR 421/17 (Bundesarbeitsgericht)

Offene Videoüberwachung - Beweisverwertungsverbot - Zulässigkeit der Datenerhebung


2 AZR 730/15 (Bundesarbeitsgericht)

Außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist - Pflicht zur Teilnahme an einem elektronischen Warn- und Berichtssystem - …


9 AZR 573/09 (Bundesarbeitsgericht)

Einsicht in Personalakte - beendetes Arbeitsverhältnis


6 AZR 553/10 (Bundesarbeitsgericht)

Frage nach der Schwerbehinderung im Arbeitsverhältnis


Referenzen
Wird zitiert von

1 Sa 250/22

3 Sa 143/17

7 Sa 407/16

11 TaBV 36/17

4 Sa 704/19

4 Sa 329/19

2 Sa 192/17

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.