Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.06.2015, Az. XI ZR 536/14

11. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 9312

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ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT BUNDESGERICHTSHOF (BGH) VERJÄHRUNG MAHNVERFAHREN KAPITALANLAGESACHEN

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Gegenstand

Verjährungshemmende Wirkung einer Zustellung des Mahnbescheids: Rechtsmissbräuchliche Berufung auf die Verjährungshemmung bei bewusst unrichtigen Angaben im Mahnbescheidsantrag betreffend einen "großen" Schadensersatzanspruch


Leitsatz

Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, grundsätzlich einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (Bestätigung von Senatsurteil vom 5. August 2014, XI ZR 172/13, WM 2014, 1763 Rn. 11).

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 10. Dezember 2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der beklagten Bank Schadensersatz wegen angeblich fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung.

2

Der Kläger erwarb im Jahr 1992 Wohnungseigentum in G.    . Den Kaufpreis finanzierte er über Darlehen der Beklagten, die noch nicht vollständig zurückgeführt sind.

3

Der Kläger, der (spätestens) im Jahr 2005 von den anspruchsbegründenden Umständen einer Haftung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt einer vorvertraglichen [X.] Kenntnis hatte, hat am 30. Dezember 2008 durch seinen vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, mit dem er in der Hauptsache Zahlung in Höhe von 134.198,62 € verlangt hat. Dabei hat er als geldwerten Vermögensschaden ohne Anrechnung des Werts des Wohnungseigentums 75.000 € veranschlagt. Dem hat er die noch offene Darlehensforderung der Beklagten in Höhe von 59.198,62 € zugeschlagen.

4

In dem Antrag auf Erlass des Mahnbescheids hat der Kläger erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung nicht abhänge. Der antragsgemäß erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten im Januar 2009 zugestellt worden. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe an das [X.] hat der Kläger seinen Anspruch unter dem 6. Mai 2010 begründet.

5

In der [X.] hat der Kläger beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 75.000 € und Freigabe bestellter Sicherheiten Zug um Zug gegen Übertragung des Wohnungseigentums zu verurteilen. Weiter hat er beantragt festzustellen, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen kein Anspruch gegen ihn zustehe und die Beklagte ihm zum Ersatz künftig noch entstehender Schäden verpflichtet sei. Seinen Zahlungsantrag hat er im Laufe des landgerichtlichen Verfahrens auf 104.936,97 € erhöht.

6

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] hat keinen Erfolg.

I.

8

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

9

Etwaige Schadensersatzansprüche des [X.] seien verjährt. Die Verjährung habe spätestens am 31. Dezember 2005 zu laufen begonnen. Sie sei durch Verhandlungen zwischen den Parteien nicht über den 31. Dezember 2009 hinaus gehemmt worden. Die Beklagte habe nicht auf das Erheben der Einrede der Verjährung verzichtet.

Auf die verjährungshemmende Wirkung der Zustellung des Mahnbescheids im Januar 2009 könne sich der Kläger nach [X.] und Glauben nicht berufen, da er bewusst wahrheitswidrig im Antrag auf Erlass des Mahnbescheids angegeben habe, der geltend gemachte Anspruch hänge nicht von einer Gegenleistung ab, obwohl er nach dem Grundsatz der [X.]ung die erworbene Eigentumswohnung Zug um Zug gegen den von ihm verlangten "großen" Schadensersatz an die Beklagte herauszugeben und zu übereignen habe. Hätte der Kläger bei der Antragstellung erklärt, dass sein Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, hätte das Mahngericht keinen Mahnbescheid erlassen, sondern den Antrag zurückgewiesen. Der Kläger habe sich treuwidrig einen Vorteil verschafft, indem er das Mahngericht durch seine wahrheitswidrigen Angaben zur fehlenden Gegenleistung zum Erlass des Mahnbescheids veranlasst habe. Eine weitere Hemmung durch die Begründung des Anspruchs am 6. Mai 2010 sei nicht erfolgt.

II.

Dagegen wendet sich die Revision des [X.] ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, die Beklagte könne ihrer Inanspruchnahme durch den Kläger erfolgreich die Einrede des § 214 Abs. 1 BGB entgegensetzen.

1. Das Berufungsgericht ist, wovon auch im Revisionsverfahren auszugehen ist, zu dem Resultat gelangt, die Verjährung von Ansprüchen sei im äußersten Fall nicht über den 31. Dezember 2009 hinaus durch Verhandlungen gehemmt worden, § 203 BGB.

2. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht weiter angenommen, der Kläger könne sich gegenüber der Beklagten nicht auf eine Hemmung der Verjährung nach Maßgabe des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB berufen.

a) Dabei kann offen bleiben, ob für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von mehr als 75.000 €, auf Freigabe bestellter Sicherheiten und auf Ersatz künftiger Schäden die Zustellung des Mahnbescheids eine Hemmung der Verjährung schon deshalb nicht bewirken konnte, weil sie nicht Gegenstand des Mahnverfahrens waren.

b) Denn das Berufungsgericht ist jedenfalls zutreffend davon ausgegangen, der Kläger könne sich nach § 242 BGB nicht auf eine Hemmung der Verjährung berufen.

aa) Richtig hat das Berufungsgericht dabei zum Ausgangspunkt genommen, die Zustellung des Mahnbescheids hemme trotz eines Verstoßes gegen § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (dazu sogleich unter [X.]) nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB die Verjährung (vgl. nur [X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 560 Rn. 8; [X.], [X.], 349, 350; [X.], Urteil vom 4. Dezember 2007 - 5 U 3479/07, juris Rn. 84 f.; [X.], [X.], 2447, 2449).

bb) Zutreffend hat das Berufungsgericht auf dieser Grundlage erkannt, der Kläger könne sich gemäß § 242 BGB auf eine Hemmung der Verjährung nicht berufen, weil er das Mahnverfahren missbraucht habe.

(1) Die Anwendung des § 242 BGB unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch den Senat. Die Frage, ob ein Verstoß gegen [X.] und Glauben vorliegt, ist keine reine Tat-, sondern zugleich eine der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegende Rechtsfrage ([X.], Urteile vom 29. September 1960 - [X.], [X.]Z 33, 216, 219, vom 18. Mai 1966 - [X.], [X.]Z 45, 258, 266 und vom 14. Dezember 1965 - [X.], [X.] zu § 242 [Ca] BGB).

(2) Die Handhabung des § 242 BGB zulasten des den "großen" Schadensersatz beanspruchenden [X.] ist rechtsfehlerfrei.

(a) Nach § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO findet das Mahnverfahren nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängt. Das gilt auch dann, wenn sich der Antragsgegner hinsichtlich der Gegenleistung in Annahmeverzug befindet ([X.], [X.], 125 Rn. 18; [X.], [X.] 19/2014, [X.]; Musielak/[X.], ZPO, 12. Aufl., § 688 Rn. 7a; [X.], [X.] bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 157).

(b) Macht ein Geschädigter als Antragsteller "großen" Schadensersatz geltend, den er nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines von ihm durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beanspruchen darf, ist die Geltendmachung des Anspruchs in diesem Sinne von einer Gegenleistung abhängig.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der [X.]ung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind (vgl. Senatsurteil vom 13. November 2012 - [X.], [X.], 24 Rn. 21; [X.], Urteile vom 15. Januar 2009 - [X.], [X.], 540 Rn. 14 und vom 18. Dezember 1981 - [X.], [X.], 428, 429). Solange Ersatzanspruch und Vorteil - wie hier bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz - nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils leisten (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 13. November 2012 aaO; [X.], Urteile vom 12. Mai 1958 - [X.], [X.]Z 27, 241, 248 f. und vom 15. Januar 2009 aaO mwN). Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist nur mit dieser Einschränkung begründet.

Darauf, ob der Schädiger die Herausgabe des Vorteils verlangt, kommt es nicht an (vgl. schon [X.], Urteil vom 12. Mai 1958 - [X.], [X.]Z 27, 241, 248 f.). Insbesondere bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers (vgl. [X.], Urteile vom 12. Mai 1958 aaO, vom 18. Dezember 1981 - [X.], [X.], 428, 429 und vom 15. Januar 2009 - [X.], [X.], 540 Rn. 14). Die Verknüpfung des Schadens mit dem Vorteil ist mithin unter diesem Aspekt stärker als in den Fällen, in denen sich der Schuldner auf §§ 320, 322, 348 BGB berufen muss, um eine Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen, und in denen ein Mahnverfahren ebenfalls nicht stattfindet (das übersieht [X.], [X.] bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, S. 148 ff.).

(c) Die § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur Zug um Zug gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller entgegen § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfahrens dar, der es dem Antragsteller nach § 242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen (vgl. Senatsurteil vom 5. August 2014 - [X.], [X.], 1763 Rn. 11; [X.], Urteile vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 337, 345, vom 28. September 2004 - [X.], [X.]Z 160, 259, 266 und vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 560 Rn. 9 ff.; [X.], [X.], 334 Rn. 53 ff.; [X.], [X.], 125 Rn. 14 ff.; [X.], [X.], 2447, 2448 f.; [X.], [X.], 352; [X.], jurisPR-[X.]ZivilR 20/2014 [X.]. 2; [X.], EWiR 2014, 779, 780; [X.], [X.], 176, 188; [X.], NJ 2012, 384, 385; [X.], [X.] 19/2014, [X.]; [X.], AG 2014, [X.] f.; [X.]/Schüler, 4. Aufl., § 688 Rn. 12 [X.]; [X.], NJW 2014, 3436; [X.], EWiR 2014, 763, 764; [X.], [X.], 358, 359; [X.], [X.] bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, [X.] ff.; [X.], NJW 2014, 827, 828 f.). Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt damit zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte [X.] (vgl. dazu [X.], Urteil vom 24. September 1987 - [X.], [X.]Z 101, 380, 382 ff.; [X.]. 7/2729, S. 47 f., 97, 103) zugunsten des Antragsgegners vorsieht.

Macht der Geschädigte seinen Anspruch auf Leistung "großen" Schadensersatzes im Klageverfahren geltend und ist der Schädiger säumig, kann der Geschädigte aufgrund des von Amts wegen zu berücksichtigenden Grundsatzes der [X.]ung nach § 331 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO eine Verurteilung nur Zug um Zug erlangen. Die Schlüssigkeit seines Begehrens setzt im Klageverfahren die Schilderung des schädigenden Ereignisses, hier des darlehensfinanzierten Erwerbs von Wohnungseigentum aufgrund einer vorvertraglichen Aufklärungspflichtverletzung der Bank als Schädigerin, voraus. Damit ist das [X.] eines schadensersatzrechtlich beachtlichen Vorteils Teil des nach § 331 Abs. 2 Halbsatz 1 ZPO zu berücksichtigenden Vortrags. Der [X.] wird deshalb von Amts wegen, sollte der Klageantrag nicht schon auf eine Verurteilung Zug um Zug gegen Herausgabe des Vorteils lauten, einen Zug-um-Zug-Vorbehalt aussprechen ([X.], [X.] 19/2014, [X.]; aA offenbar [X.], EWiR 2014, 763, 764).

Wählt der Geschädigte stattdessen das Mahnverfahren und gibt im Bewusstsein der die [X.]ung beherrschenden Grundsätze eine nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO falsche Erklärung ab, erreicht er, weil im Mahnverfahren nur eine begrenzte [X.] stattfindet, ein vorbehaltloses Erkenntnis zulasten des Schädigers. Er nutzt damit - anders als ein Antragsteller, der etwa mangels juristischer Vorbildung die [X.]ung in ihren Rechtsfolgen nicht einzuordnen weiß - die gegenüber dem Klageverfahren andere Verfahrensgestaltung des Mahnverfahrens mit der Aussicht, sich einen geldwerten Vorteil gegenüber der ansonsten von Amts wegen zu berücksichtigenden materiellen Rechtslage zu verschaffen.

(d) Dass der Kläger, der sich das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§ 166 BGB, § 85 Abs. 2 ZPO), nach § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat, hat das Berufungsgericht festgestellt. Dass diese Feststellung im Revisionsverfahren beachtliche Rechtsfehler aufwiese, zeigt die Revision nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger hat den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, auf dessen verjährungshemmende Zustellung er sich beruft, durch einen Rechtsanwalt stellen lassen, der durch seinen Zug-um-Zug-Vorbehalt in der [X.] deutlich zu erkennen gegeben hat, um die Unvereinbarkeit seiner Verfahrensweise mit § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zu wissen. Im Übrigen wurden die aus der oben zitierten älteren höchstrichterlichen Rechtsprechung für § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu ziehenden Konsequenzen bereits im [X.] in der Literatur dargestellt (vgl. Wagner, [X.] 2005, 856, 857). Damit ist die Behauptung widerlegt, der Prozessbevollmächtigte des [X.] habe bis zur Entscheidung des [X.]. Zivilsenats vom 21. Dezember 2011 ([X.], [X.], 560 Rn. 9 ff.) von der [X.] seiner Verfahrensweise ausgehen dürfen.

c) Auch für den vom Kläger gegenüber dem Anspruch der Beklagten auf Darlehensrückzahlung eingewandten Anspruch auf Vertragsaufhebung gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB ([X.], Urteile vom 20. Februar 1967 - [X.], [X.]Z 47, 207, 214 und vom 17. März 1994 - [X.], [X.], 1064, 1066) trifft das Ergebnis des Berufungsgerichts zu.

aa) Das Berufungsgericht hat der Sache nach richtig unterstellt, dass das vom Kläger geltend gemachte Leistungsverweigerungsrecht aus §§ 242, 249 Abs. 1 BGB als unselbständige Einwendung mit dem Anspruch verjährt, aus dem sie abgeleitet wird (Senatsurteil vom 28. April 2015 - [X.], Rn. 47 ff., zur [X.] bestimmt in [X.]Z).

bb) Im Übrigen hat das Berufungsgericht dem Kläger auch insoweit zutreffend gemäß § 242 BGB den Rekurs auf § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB verwehrt. Unabhängig davon, dass die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zu einer Entlassung des [X.] aus seinen Vertragspflichten ebenfalls nur gegen eine [X.]ung verpflichtet war, kommt hier hinzu, dass der Kläger im Mahnverfahren das Bestehen einer Geldforderung behauptet hat, die ihm schlechterdings nicht zustand. Wie er selbst in der [X.] eingeräumt hat, hat er, um überhaupt nach § 688 Abs. 1 ZPO vorgehen zu können, bewusst wahrheitswidrig einen eigenen Zahlungsanspruch in Höhe der noch offenen Darlehensrestforderung der Beklagten von 59.198,62 € behauptet, der ihm unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zukommen konnte.

3. Überdies richtig hat das Berufungsgericht gesehen, dass die Zustellung der [X.] nicht geeignet war, eigenständig die Hemmung der Verjährung zu bewirken. Muss sich der Kläger so behandeln lassen, als sei die Verjährungsfrist durch die Zustellung des Mahnbescheids nicht gehemmt worden, sondern abgelaufen, konnte die Zustellung der [X.] nicht mehr zu seinen Gunsten hemmend wirken.

4. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht dem Kläger auch nicht (wenigstens) den "kleinen" Schadensersatz zugesprochen.

a) Allerdings ist die Frage, ob der Geschädigte "kleinen" oder "großen" Schadensersatz geltend macht, lediglich eine solche der Schadensberechnung. Wechselt der Geschädigte die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt keine Klageänderung vor (Senatsurteil vom 5. August 2014 - [X.], [X.], 1763 Rn. 11; [X.], Urteile vom 9. Oktober 1991 - [X.] ZR 88/90, [X.]Z 115, 286, 289 ff. und vom 9. Mai 1990 - [X.] ZR 237/89, [X.], 1748, 1749 f.). Entsprechend hält sich das Gericht im Rahmen seiner Antragsbindung nach § 308 Abs. 1 ZPO, wenn es dem Geschädigten statt des "großen" den "kleinen" Schadensersatz zuerkennt (vgl. [X.], Urteile vom 9. Mai 1990 aaO und vom 29. Juni 2006 - [X.], [X.]Z 168, 179 Rn. 16). Soweit in der Literatur in Fällen wie dem vorliegenden die Anwendung des § 242 BGB mit dem Argument in Frage gestellt wird, der Geschädigte habe ja auch unter Anrechnung des Vorteils im Mahnverfahren lediglich die Differenz geltend machen können, was § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegenstehe (vgl. [X.], [X.], 358, 359; [X.], [X.] bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des Erwerbs von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010, 154 ff.; [X.], NJW 2014, 827, 828 f.; [X.] NJW 2013, 341, 344), liegt dem ersichtlich der daran anknüpfende Gedanke zugrunde, das Berufen auf die Hemmung der Verjährung sei wenigstens in dem auf den "kleinen" Schadensersatz reduzierten Umfang nicht treuwidrig.

b) Macht indessen der Geschädigte im Mahnverfahren als Antragsteller in Kenntnis der Vorgaben der § 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bewusst falsche Angaben, indem er, obwohl er zum [X.] noch verpflichtet ist, erklärt, die von ihm geforderte Leistung in Höhe des "großen" Schadensersatzes sei von einer Gegenleistung nicht abhängig oder die Gegenleistung sei erbracht, ist es ihm im Regelfall nach § 242 BGB auch verwehrt, sich wenigstens auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen" Schadensersatzes zu berufen. Der Geschädigte hat sich, was Voraussetzung dafür ist, dass er sich auf die Hemmungswirkung der Zustellung des Mahnbescheids nicht berufen kann, im Bewusstsein der Gesetzwidrigkeit seines Handelns gegen eine Beschränkung seines Begehrens auf das zulässige Maß entschieden. Damit stünde es nach § 242 BGB nicht in Übereinstimmung, wenn ihm die Früchte seines Tuns - gleichsam risikolos - in dem Umfang erhalten blieben, der einer redlichen Vorgehensweise entspräche.

Ellenberger                         Grüneberg                         Maihold

                      Menges                            Derstadt

Meta

XI ZR 536/14

23.06.2015

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Karlsruhe, 10. Dezember 2014, Az: 13 U 203/12

§ 204 Abs 1 Nr 3 BGB, § 242 BGB, § 688 Abs 2 Nr 2 ZPO, § 690 Abs 1 Nr 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.06.2015, Az. XI ZR 536/14 (REWIS RS 2015, 9312)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3160 REWIS RS 2015, 9312

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