Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.10.2022, Az. 2 BvC 22/19

2. Senat | REWIS RS 2022, 6346

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Erfolglose sofortige Beschwerde gegen Kostenfestsetzung im Wahlprüfungsverfahren - keine Erstattung gem § 34a Abs 3 BVerfGG für Auslagen im Wahleinspruchsverfahren


Tenor

Die sofortige Beschwerde gegen den [X.] vom 14. Juli 2022 wird zurückgewiesen. Der Hilfsantrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer betreffend das Wahleinspruchsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

1

1. a) Mit Beschluss vom 23. März 2022 hat der [X.] des [X.] entschieden, dass die Nichtzulassung der Landesliste der [X.] ([X.]) für die Wahl des 19. [X.]es im [X.] die Beschwerdeführerin zu 1. in ihrer Parteienfreiheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG und die weiteren Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer in ihrem Wahlrecht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt. Soweit sich die Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Gültigkeit der Wahl richtete, wurde sie als unzulässig verworfen.

2

Zugleich wurde die [X.] gemäß § 34a Abs. 3 [X.] in Verbindung mit §§ 18, 19 [X.] zur Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer verpflichtet und der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 [X.] auf 50.000 Euro festgesetzt.

3

b) In der Wahlprüfungsbeschwerde vom 12. März 2019 hatten die Beschwerdeführer beantragt, "die Erstattung der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer einschließlich der notwendigen Auslagen für das Einspruchsverfahren vor dem [X.] aus der Staatskasse anzuordnen".

4

2. Im Kostenfestsetzungsverfahren beantragte der Prozessbevollmächtigte des [X.]s mit Schriftsatz vom 5. Mai 2022, die Festsetzung von 3.161,53 Euro. Er machte dabei als weitere Angelegenheit auch die Auslagen der Beschwerdeführer im Einspruchsverfahren vor dem [X.] geltend und beantragte insoweit eine 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV [X.] sowie die Entgeltpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV [X.]) nebst 19% Umsatzsteuer hieraus.

5

Das Einspruchsverfahren stelle - ähnlich wie im Verwaltungsprozess - ein Vorverfahren zum anschließenden gerichtlichen Verfahren dar, sodass zu den Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens auch diejenigen des [X.] gehörten. Dieses Ergebnis werde dadurch gestützt, dass der Senat in der Auslagenentscheidung unter Randnummer 77 der [X.] den die Auslagenerstattung vor dem Wahlprüfungsausschuss betreffenden § 19 [X.] zitiert habe, was bei einer allein das Verfahren vor dem [X.] betreffenden Auslagenerstattung nicht erforderlich gewesen wäre; insoweit hätte es allein eines Rückgriffs auf § 34a Abs. 3 [X.] bedurft. Zudem habe der Senat den auf Erstattung auch der Auslagen vor dem [X.] abzielenden Auslagenerstattungsantrag in der Beschwerdeschrift nicht teilweise abgelehnt.

6

3. Mit Schreiben vom 12. Mai 2022 wurde dem zuständigen [X.] und für Heimat Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem [X.] gegeben. Mit Schreiben vom 30. Mai 2022 teilte das [X.] und für Heimat mit, dass gegen die Höhe der vom Bevollmächtigten geltend gemachten Kosten keine Bedenken bestünden, soweit die geltend gemachten Kosten die Angelegenheit vor dem [X.] beträfen. Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten betreffend das Einspruchsverfahren vor dem [X.] ist das [X.] und für Heimat der Kostenerstattung entgegengetreten, da sich diese Kosten auf das Ausgangsverfahren bezögen und § 34a [X.] nach ständiger Rechtsprechung nur Auslagen im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem [X.] erfasse.

7

4. Mit [X.] vom 6. Juli 2022 hat die Rechtspflegerin die an die Beschwerdeführer zu erstattenden Kosten für das [X.] auf 2.238,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Mai 2022 festgesetzt.

8

Im Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde richte sich die Erstattung der notwendigen Auslagen nach § 34a Abs. 3 [X.] in Verbindung mit §§ 18, 19 [X.]. Danach trage die Kosten der [X.]. Die Vorschrift des § 34a [X.] umfasse nach ständiger Rechtsprechung nur die Erstattung der notwendigen Auslagen, die im Zusammenhang mit dem Verfahren vor dem [X.] entstanden seien, nicht jedoch die des Ausgangsverfahrens. Für die Erstattung der Kosten, die für das Verfahren des Einspruchs vor dem [X.] entstanden seien, sei - auch wenn erst das [X.] im Wahlprüfungsverfahren eine Kostenentscheidung getroffen habe - die [X.]estagsverwaltung zuständig.

9

5. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wiederholt er den Vortrag im Kostenfestsetzungsverfahren.

Das Einspruchsverfahren vor dem [X.] stelle kein "Ausgangsverfahren" dar, bezüglich dessen das [X.] im Wege außerordentlicher Rechtsbehelfe wie etwa der [X.]beschwerde angerufen werde, sondern das [X.] fungiere als erste Stufe des zweistufig ausgestalteten [X.] und bilde mit dem [X.] daher ebenso eine Verfahrens- und kostenrechtliche Einheit wie das Widerspruchsverfahren mit dem anschließenden Verwaltungsrechtsstreit.

Sollte der Senat die Auffassung vertreten, die Erstattung der notwendigen Auslagen betreffend das Einspruchsverfahren vor dem [X.] im Beschluss vom 23. März 2022 nicht angeordnet zu haben, wäre eine entsprechende Auslagenentscheidung nunmehr nachzuholen, weil der diesbezügliche Antrag in der Beschwerdeschrift vom 12. März 2019 bislang jedenfalls nicht abgelehnt worden sei.

6. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

1. Die gegen den [X.] vom 6. Juli 2022 erhobene sofortige Beschwerde ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1, § 567 Abs. 2 ZPO zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Der [X.] ist nicht zu beanstanden. Für das [X.] sind keine Auslagen gemäß § 34a Abs. 3 [X.] zu erstatten.

a) Im Verfahren der Wahlprüfungsbeschwerde beruht die Entscheidung über die Erstattung der Auslagen auf den §§ 18, 19 [X.] in Verbindung mit § 34a Abs. 3 [X.] (vgl. [X.] 132, 39 <59 Rn. 57>).

Die Auslagenerstattung nach § 34a [X.] stellt eine Ausnahme vom Grundsatz des Selbstbehalts der Auslagen dar (vgl. [X.] 66, 152 <154>). Dieser Grundsatz entspricht dem Charakter verfassungsgerichtlicher Verfahren als Prozess unter [X.]organen oder als objektives Verfahren zur Wahrung der Integrität der Verfassung. Demgemäß sind Ausnahmen vom Grundsatz des Selbstbehalts der Auslagen vor allem dort zu machen, wo es in erster Linie um die Wahrnehmung subjektiver Interessen geht (vgl. Burmeister, in: [X.], [X.], 1. Aufl. 2018, § 34a Rn. 1; [X.], in: Schmidt-Bleibtreu/[X.]/[X.], [X.], § 34a Rn. 4 ff. ). Dabei kann im Rahmen des Verfahrens der Wahlprüfungsbeschwerde § 19 [X.] zur Maßstabsbestimmung herangezogen werden (vgl. [X.], in: Schmidt-Bleibtreu/[X.]/[X.], [X.], § 34a Rn. 65 ). Davon ausgehend hat der Senat mit Beschluss vom 23. März 2022 die Erstattung der notwendigen Auslagen für das Wahlprüfungsverfahren angeordnet.

b) Gemäß Art. 41 GG ist das Verfahren der Wahlprüfung zweistufig ausgestaltet. Dabei ist die Wahlprüfung zuvörderst Sache des [X.]estages (Art. 41 Abs. 1 Satz 1 GG). Schon nach dem Wortlaut der Norm handelt es sich beim [X.] nicht um ein bloßes Vorverfahren zur Wahlprüfung durch das [X.]. Vielmehr zeugt die parlamentarische Selbstkontrolle von dem besonderen Vertrauen, das dem [X.] von [X.] wegen zukommt (vgl. Burmeister, in: [X.], [X.], 1. Aufl. 2018, § 34a Rn. 2), und ist Ausdruck der Parlamentsautonomie (vgl. [X.], in: [X.]/ [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl. 2022, § 48 Rn. 5). Sowohl verfassungsrechtlich als auch einfachgesetzlich können das [X.] vor dem [X.] und die Wahlprüfungsbeschwerde vor dem [X.] nicht als einheitliches Verfahren betrachtet werden. Für die Erstattung der Kosten, die für das Verfahren des Wahleinspruchs vor dem [X.] entstanden sind, ist daher die [X.]estagsverwaltung zuständig (vgl. [X.], in: [X.], 1. Aufl. 2012, § 19 Rn. 2).

2. Soweit der Prozessbevollmächtigte hilfsweise beantragt, die Erstattung der notwendigen Auslagen betreffend das [X.] anzuordnen, hat der Antrag aus obigen Gründen keinen Erfolg.

Meta

2 BvC 22/19

27.10.2022

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvC

vorgehend BVerfG, 22. März 2022, Az: 2 BvC 22/19, Beschluss

Art 41 Abs 1 S 1 GG, Art 41 Abs 2 GG, § 34a Abs 3 BVerfGG, § 48 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27.10.2022, Az. 2 BvC 22/19 (REWIS RS 2022, 6346)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6346 BVerfGE 163, 358-362 REWIS RS 2022, 6346

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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