Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 24.07.2018, Az. 2 BvQ 33/18

2. Senat | REWIS RS 2018, 5578

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Ablehnung des Erlasses einer eA bzgl der Mandatsausübung von Bundesabgeordneten mit lediglich "nachgeschobenen Ausgleichsmandaten": Unzulässigkeit des Antrags in der Hauptsache sowohl als Verfassungsbeschwerde als auch als Wahlprüfungsbeschwerde


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1

Die Antragsteller haben gegen die Wahl zum 19. [X.] am 24. September 2017 Einspruch eingelegt, über den bisher noch nicht entschieden ist. Am 29. März 2018 begehrten sie vom [X.], unverzüglich im Plenum zu beschließen, dass bis zur Entscheidung über ihren Wahleinspruch WP 193/17 die 65 [X.], die ein lediglich nachgeschobenes Ausgleichsmandat bekleiden, an der parlamentarischen Willensbildung nicht teilnehmen und von allen Abstimmungen im Plenum und den Ausschüssen, insbesondere im [X.], ausgeschlossen sind. Eine Reaktion des [X.]es hierauf erfolgte nicht.

2

Mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 32 [X.] begehren sie eine Entscheidung des [X.], die ihrem an den [X.] gerichteten Eilantrag stattgibt. Hilfsweise beantragen sie, den [X.] zu verpflichten, unverzüglich über den Eilantrag abzustimmen.

3

Die Antragsteller machen geltend, dass 65 Abgeordnete ein nachgeschobenes Ausgleichsmandat erhalten hätten, ohne gewählt worden zu sein. Deren Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung müsse mit sofortiger Wirkung unterbunden werden. Den Antragstellern könne nicht zugemutet werden, die Entscheidung des [X.] über ihren Wahleinspruch abzuwarten. Ein so fundamentales Grundrecht wie die Garantie der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des [X.] dürfe nicht ohne einstweiligen Rechtsschutz bleiben. Der [X.] habe dadurch, dass er nicht über den Eilantrag der Antragsteller entschieden habe, die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt.

4

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen.

5

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall - auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache (vgl. [X.] 11, 339 <442>; 27, 152 <156>; 92, 130 <133>) - einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat jedoch keinen Erfolg, wenn der Antrag in der Hauptsache unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl. [X.] 71, 158 <161>; 111, 147 <152 f.>; stRspr).

6

2. Nach diesen Grundsätzen kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend nicht in Betracht, da ein zulässiger Antrag in der Hauptsache nicht gestellt werden könnte. Sowohl eine auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Ausgleichsmandaten gerichtete Wahlprüfungsbeschwerde (a) als auch eine auf die Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG gestützte Verfassungsbeschwerde (b) wären unzulässig. Sonstige Anträge in der Hauptsache sind nicht ersichtlich.

7

a) Der Erhebung einer Wahlprüfungsbeschwerde steht der fehlende Abschluss des [X.] vor dem [X.] entgegen. Gemäß Art. 41 Abs. 2 GG, § 48 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist erst gegen den Beschluss des [X.]es die Beschwerde an das [X.] zulässig (vgl. [X.] 63, 73 <76>). Daran fehlt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob etwas anderes gilt, wenn dem Beschwerdeführer ein Abwarten der Entscheidung des [X.]es über den eingelegten Wahleinspruch nicht zugemutet werden kann. Dies könnte in Betracht kommen, wenn über einen Wahleinspruch nicht in angemessener Frist entschieden wird und dadurch die Gefahr besteht, dass das [X.] nicht mehr zeit- oder sachgerecht durchgeführt werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 31. Januar 2011 - Lv 13/10 -, juris, Rn. 83, 84). Die Antragsteller haben aber keine Umstände vorgetragen, die für die Unzumutbarkeit des Abwartens der Entscheidung des [X.]es sprechen. Solche sind auch nicht in sonstiger Weise ersichtlich. Die bisherige Dauer des [X.] von weniger als einem Jahr kann nicht ohne Weiteres als unangemessen angesehen werden (vgl. [X.] 121, 266 <290>; 123, 39 <65>). Es ist auch nicht absehbar, dass die Entscheidung des [X.] erst zu einem Zeitpunkt ergehen wird, der die Durchführung eines ordnungsgemäßen [X.]s vor dem [X.] gefährdet. Soweit die Antragsteller geltend machen, die Garantie der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des [X.] dürfe nicht ohne einstweiligen Rechtsschutz bleiben, verkennen sie, dass die Feststellung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des [X.] gerade Gegenstand des [X.] ist und daher keinen besonderen Umstand darstellt, der für sich genommen geeignet ist, zur Unzumutbarkeit des Abwartens einer Entscheidung über den Wahleinspruch zu führen.

8

b) Auch eine noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde gegen die Nichtgewährung einstweiligen Rechtsschutzes durch den [X.] wäre unzulässig. Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden (vgl. [X.] 11, 329 f.; 14, 154 <155>; 16, 128 <130>; 28, 214 <219>; 63, 73 <76>; 83, 156 <158>). Die Wahlprüfung obliegt gemäß Art. 41 Abs. 1 GG dem [X.], gegen dessen Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 2 GG die Beschwerde an das [X.] zulässig ist. Damit wird die Korrektur etwaiger Wahlfehler einschließlich solcher, die Verletzungen subjektiver Rechte enthalten, dem Rechtsweg des Art. 19 Abs. 4 GG entzogen (vgl. [X.] 22, 277 <281>; 34, 81 <94>; 46, 196 <198>; 66, 232 <234>). Daran hat sich durch das Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen ([X.] 2012 S. 1501) nichts geändert (vgl. [X.] 134, 135 <138 Rn. 5>). Demgemäß ist für eine auf Art. 19 Abs. 4 GG gestützte Verfassungsbeschwerde im Wahlprüfungsverfahren kein Raum (vgl. [X.] 66, 232 <234>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 30. August 2017 - 2 BvQ 50/17 -, juris, Rn. 1). Das Vorbringen der Antragsteller bietet keine Veranlassung, diese Rechtslage in Frage zu stellen.

Meta

2 BvQ 33/18

24.07.2018

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Ablehnung einstweilige Anordnung

Sachgebiet: BvQ

Art 41 Abs 1 GG, Art 41 Abs 2 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 48 BVerfGG, § 90 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 24.07.2018, Az. 2 BvQ 33/18 (REWIS RS 2018, 5578)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5578 BVerfGE 149, 374-378 REWIS RS 2018, 5578

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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