Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.09.2018, Az. 2 BvQ 80/18

2. Senat | REWIS RS 2018, 3976

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Gegenstand

Ablehnung des Erlasses einer eA bzgl der Zusammensetzung des 19. Deutschen Bundestags: Unzulässigkeit des Antrags in der Hauptsache sowohl als Verfassungsbeschwerde als auch als Wahlprüfungsbeschwerde


Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Gründe

1

1. Der Antragsteller hat gegen die Wahl zum 19. [X.] am 24. September 2017 einen Einspruch eingelegt, über den bisher noch nicht entschieden ist. In der Sache macht er eine Verletzung von Art. 38 Abs. 1 GG geltend, den er durch Schaffung von 46 Überhang- und 65 Ausgleichsmandaten sowie 19 weiteren Mandaten, deren Rechtsgrundlage nicht nachvollziehbar sei, verletzt sieht. Diese Mandate führten zu einer Erhöhung der Sitzzahl im [X.] und verwirklichten nicht - wie vom [X.] in seiner Entscheidung vom 25. Juli 2012 ([X.] 131, 316) gefordert - das Ziel, die [X.] zur Hälfte personenbezogen zu legitimieren, sondern ließen Beeinträchtigungen des föderalen [X.] erwarten.

2

2. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 32 [X.] begehrt der Antragsteller die Verpflichtung des [X.]es, über seinen Wahleinspruch innerhalb eines Monats nach dem Erlass der einstweiligen Anordnung zu entscheiden.

3

Er sieht dadurch, dass der [X.] über sein Begehren nicht entschieden hat, die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG verletzt. Diese sei auf die Durchführung eines Gerichtsverfahrens gerichtet. Nach Art. 41 GG in Verbindung mit § 48 [X.] stehe ihm - dem Antragsteller - das Recht zu, sofern der Einspruch gegen die [X.]swahl 2017 vom [X.] verworfen werde, Beschwerde beim [X.] zu erheben. Dieses Recht werde mit jedem Tag, der vergehe, ohne dass eine Entscheidung erfolge, gemindert und sei letztlich gegen Ende der Legislaturperiode des 19. [X.]es vollends entwertet. Nur die zeitnahe Entscheidung über den Einspruch gewährleiste, dass das Recht der Wahlanfechtung den damit verbundenen Zweck erfüllen könne. Die insofern bestehende Lücke des § 16 Wahlprüfungsgesetz sei mit Hilfe einer sinngemäßen Anwendung des § 32 [X.] auszufüllen, damit Art. 41 GG nicht nahezu bedeutungslos werden könne. Den zu befürchtenden schweren, anders nicht abwendbaren Nachteil im Sinne des § 32 [X.] sieht der Antragsteller in einem illegitimen [X.], der über Jahre hinweg die Staatsgewalt ausübe.

4

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist abzulehnen.

5

1. Nach § 32 Abs. 1 [X.] kann das [X.] im Streitfall - auch schon vor Anhängigkeit eines Verfahrens zur Hauptsache (vgl. [X.] 11, 339 <442>; 27, 152 <156>; 92, 130 <133>) - einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsaktes vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat jedoch keinen Erfolg, wenn der Antrag in der Hauptsache unzulässig oder offensichtlich unbegründet wäre (vgl. [X.] 71, 158 <161>; 111, 147 <152 f.>; stRspr).

6

2. Nach diesen Grundsätzen kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend nicht in Betracht, da ein zulässiger Antrag in der Hauptsache nicht gestellt werden könnte. Sowohl eine auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Überhang- und Ausgleichsmandate nach § 6 Abs. 4 bis 6 [X.] gerichtete Wahlprüfungsbeschwerde (a) als auch eine auf die Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes gestützte Verfassungsbeschwerde wären unzulässig (b). Sonstige Anträge in der Hauptsache sind nicht ersichtlich.

7

a) Eine auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Überhang- und Ausgleichsmandate nach § 6 Abs. 4 bis 6 [X.] gerichtete Wahlprüfungsbeschwerde wäre unzulässig.

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Der Zulässigkeit steht der fehlende Abschluss des [X.] vor dem [X.] entgegen. Gemäß Art. 41 Abs. 2 GG in Verbindung mit § 48 Abs. 1 Satz 1 [X.] ist erst gegen den Beschluss des [X.]es die Beschwerde an das [X.] zulässig (vgl. [X.] 63, 73 <76>; [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvQ 33/18 -, juris, Rn. 7). Daran fehlt es hier. Dabei kann dahinstehen, ob etwas anderes gilt, wenn dem Beschwerdeführer ein Abwarten der Entscheidung des [X.]es über den eingelegten Wahleinspruch nicht zugemutet werden kann. Dies könnte in Betracht kommen, wenn über einen Wahleinspruch nicht in angemessener Frist entschieden wird und dadurch die Gefahr besteht, dass das [X.] nicht mehr zeit- oder sachgerecht durchgeführt werden kann (vgl. [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvQ 33/18 -, juris, Rn. 7; [X.], Urteil vom 31. Januar 2011 - Lv 13/10 -, juris, Rn. 83, 84). Der Antragsteller hat jedoch keine Umstände vorgetragen, die für die Unzumutbarkeit des Abwartens der Entscheidung des [X.]es sprechen. Solche sind auch nicht in sonstiger Weise ersichtlich. Die bisherige Dauer des [X.] von weniger als einem Jahr kann nicht ohne Weiteres als unangemessen angesehen werden (vgl. [X.] 121, 266 <290>; 123, 39 <65>; [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvQ 33/18 -, juris, Rn. 7). Es ist auch nicht absehbar, dass die Entscheidung des [X.]es erst zu einem Zeitpunkt ergehen wird, der die Durchführung ordnungsgemäßer [X.] vor dem [X.] gefährdet. Ferner sind keine Gründe erkennbar, die für ein vorzeitiges Ende der bestehenden Regierungskoalition und eine vorzeitige Auflösung des [X.]es sprechen würden.

9

b) Auch eine noch zu erhebende, auf die Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes durch den [X.] gestützte Verfassungsbeschwerde wäre unzulässig. Entscheidungen und Maßnahmen, die sich unmittelbar auf das Wahlverfahren beziehen, können nur mit den in den Wahlvorschriften vorgesehenen Rechtsbehelfen und im Wahlprüfungsverfahren angefochten werden (vgl. [X.] 11, 329 f.; 14, 154 <155>; 16, 128 <130>; 28, 214 <219>; 63, 73 <76>; 83, 156 <158>; [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvQ 33/18 -, juris, Rn. 8). Die Wahlprüfung obliegt gemäß Art. 41 Abs. 1 GG dem [X.], gegen dessen Entscheidung gemäß Art. 41 Abs. 2 GG die Beschwerde an das [X.] zulässig ist. Damit wird die Korrektur etwaiger Wahlfehler einschließlich solcher, die Verletzungen subjektiver Rechte enthalten, dem Rechtsweg des Art. 19 Abs. 4 GG entzogen (vgl. [X.] 22, 277 <281>; 34, 81 <94>; 46, 196 <198>; 66, 232 <234>; [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvQ 33/18 -, juris, Rn. 8). Daran hat sich durch das Gesetz zur Verbesserung des Rechtsschutzes in Wahlsachen ([X.] 2012 S. 1501) nichts geändert (vgl. [X.] 134, 135 <138 Rn. 5>; [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvQ 33/18 -, juris, Rn. 8). Demgemäß ist für eine auf Art. 19 Abs. 4 GG gestützte Verfassungsbeschwerde im Wahlprüfungsverfahren kein Raum (vgl. [X.] 66, 232 <234>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 30. August 2017 - 2 BvQ 50/17 -, juris, Rn. 1; [X.], Beschluss des [X.] vom 24. Juli 2018 - 2 BvQ 33/18 -, juris, Rn. 8). Das Vorbringen des Antragstellers bietet keine Veranlassung, diese Rechtslage in Frage zu stellen.

Meta

2 BvQ 80/18

11.09.2018

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvQ

Art 19 Abs 4 GG, Art 41 Abs 1 GG, Art 41 Abs 2 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, § 48 BVerfGG, § 90 BVerfGG, § 6 Abs 4 WahlPrG, § 6 Abs 5 WahlPrG, § 6 Abs 6 WahlPrG, § 16 WahlPrG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.09.2018, Az. 2 BvQ 80/18 (REWIS RS 2018, 3976)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 3976 BVerfGE 149, 378-382 REWIS RS 2018, 3976

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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