Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.02.2013, Az. 2 BvE 11/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 8016

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Antrag einer politischen Partei auf Feststellung ihrer Verfassungskonformität mangels Antragsberechtigung unzulässig - Fehlen eines gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Verfassungskonformität einer politischen Partei stellt keine Rechtsschutzlücke dar und verletzt politische Partei nicht in ihren Rechten - Antrag im Organstreitverfahren mangels hinreichender Substantiierung einer Verletzung von Art 21 Abs 1 GG unzulässig


Gründe

1

Die Antragstellerin erstrebt die Feststellung, dass sie nicht verfassungswidrig ist, hilfsweise die Feststellung, dass die Antragsgegner die Antragstellerin in ihren parteibezogenen Rechten verletzen, indem sie öffentlich behaupten, die Antragstellerin sei verfassungswidrig, ohne das Verbotsverfahren nach Art. 21 Abs. 2 GG einzuleiten, und - höchst hilfsweise - indem sie für politische [X.]en kein verfassungsgerichtliches Verfahren zur Feststellung ihrer [X.]konformität eingeführt haben.

2

1. Die Antragstellerin hält den [X.] vor, dass diese fortwährend erklärten, sie sei verfassungswidrig, und die Einleitung eines Verbotsverfahrens forderten, ohne den Verbotsantrag zu stellen. Die gegenwärtige Situation sei für die Antragstellerin nicht hinnehmbar. Sie habe, solange die Antragsgegner den Verbotsantrag nicht einreichten, keine rechtliche Möglichkeit, den Vorwurf der [X.]widrigkeit auszuräumen. Effektiven verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz könne sie nicht erlangen, weil das Grundgesetz die Feststellung der [X.]widrigkeit einer politischen [X.] dem [X.] vorbehalte.

3

a) Die Antragstellerin listet Äußerungen von Ministerpräsidenten und Landesinnenministern sowie von [X.]sabgeordneten auf, in denen sie als verfassungsfeindlich oder -widrig bezeichnet und ihr Verbot gefordert werde. Die Antragstellerin beruft sich weiter darauf, dass eine Bundesministerin erklärt habe, angesichts des Erstarkens der Antragstellerin im Osten des [X.]Bürgerinitiativen gegen Rechtsextremismus finanziell unterstützen zu wollen. Außerdem habe die Bundesregierung aus Mitteln des [X.], Frauen und Jugend mehrere Millionen Euro für Programme zur Verfügung gestellt, aus deren Abschlussbericht hervorgehe, dass die Antragstellerin unter dem Begriff "Rechtsextremismus" geführt werde und deshalb Fördermittel auch gegen sie eingesetzt werden könnten. Ähnliche Programme gebe es auf kommunaler und Landesebene.

4

b) Die Bezeichnung der Antragstellerin als verfassungsfeindlich oder -widrig greife massiv in den politischen Wettbewerb ein. Gegen die Antragstellerin werde ein öffentliches Klima der Feindseligkeit erzeugt. Kommunen stellten ihr öffentliche Einrichtungen für die Durchführung von [X.]veranstaltungen wie [X.]tagen, die sie nach dem [X.] abhalten müsse, nicht zur Verfügung, oder sie forderten für die Bereitstellung der Einrichtungen den Abschluss von Haftpflichtversicherungen, die die Antragstellerin nicht vor[X.]n könne, weil kein Versicherungsunternehmen mit ihr mehr Verträge schließe. Des Weiteren würden Konten der Antragstellerin und ihrer Mitglieder gekündigt. Ihre Mitglieder würden im Berufsleben, insbesondere im öffentlichen Dienst, faktisch benachteiligt und allein wegen ihrer [X.]zugehörigkeit gemaßregelt oder gar entlassen. Private Dritte diskriminierten sie, und Vereine kündigten Mitgliedschaften. Politische Gegner übten Übergriffe auf sie aus, Linksextremisten behinderten Wahlkampfauftritte und andere Veranstaltungen der Antragstellerin. Die Medien lehnten es regelmäßig ab, ihre Werbung aufzunehmen. Potentielle Mitglieder würden vom Beitritt absehen. Wähler scheuten sich, der Antragstellerin die Stimme zu geben. In zwei Ländern sei ihren Wahlbewerbern die Teilnahme an Kommunalwahlen wegen der [X.]mitgliedschaft verwehrt worden. Hierdurch würden unter Umgehung der hohen rechtlichen Hürden des Verfahrens nach Art. 21 Abs. 2 GG Wirkungen herbeigeführt, die nur nach einem [X.]verbotsverfahren zulässig seien.

5

c) Von der Antragstellerin könne nicht verlangt werden, in jedem der vielen Einzelfälle zur Wahrung ihrer parteibezogenen Ansprüche die Gerichte anzurufen, auch wenn sie dies gegenüber öffentlichen Trägern bereits vielfach mit Erfolg getan habe. Dadurch würden ihre Kräfte gebunden und ihre [X.]arbeit lahmgelegt. Zudem ergingen beispielsweise verwaltungsgerichtliche Eilbeschlüsse oftmals derart kurzfristig vor dem geplanten Beginn einer Veranstaltung, dass sich diese kaum noch durchführen lasse. Gegenüber der Begehung von Straftaten gebe es ohnehin keinen vorbeugenden Rechtsschutz.

6

d) Der historische Gesetzgeber habe ein allgemeines Verfahren zur Feststellung der [X.]mäßigkeit oder -widrigkeit einer [X.] nicht vorgesehen. Er sei davon ausgegangen, dass die nach § 43 [X.] Antragsberechtigten beim Verdacht der [X.]widrigkeit einer [X.] das Verbotsverfahren betreiben würden. [X.] diese trotz gegenteiliger Bekundungen die Antragstellung, um der betroffenen [X.] maximalen Schaden zuzufügen, zeige sich eine [X.], die zur Wahrung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz geschlossen werden müsse. Die [X.] müsse die Möglichkeit erhalten, den Vorwurf der [X.]widrigkeit gerichtlich klären zu lassen. Dem könne nicht entgegengehalten werden, die Ermessensfreiheit der nach § 43 [X.] Antragsberechtigten, das Verfahren einzuleiten oder davon abzusehen, dürfe nicht dadurch entwertet werden, dass man es der betroffenen [X.] gestatte, Anträge nach Art. 21 Abs. 2 GG zu stellen. Die Ermessensfreiheit bestehe nur in den rechtlich vorgegebenen Grenzen. Es handele sich um einen Ermessensfehlgebrauch, die Antragstellerin durch die fortwährend geführte [X.] zu schädigen, ohne den Verbotsantrag zu stellen. Dem [X.]prozessrecht sei es nicht fremd, den Kreis der Antragsberechtigten über die im [X.]sgesetz Genannten hinaus zu erweitern, wie die Rechtsprechung zum Organstreitverfahren zeige.

7

Die Antragstellerin könne nicht darauf verwiesen werden, dem Vorwurf, verfassungswidrig zu sein, mit den Mitteln der politischen Diskussion entgegenzutreten. Abgesehen davon, dass ihr nicht die Chance gegeben werde, ihre Ansichten in Funk, Fernsehen oder den Printmedien zu verbreiten, handele es sich bei den von ihr beanstandeten Äußerungen nicht um [X.] von [X.]funktionären, sondern um amtliche Verlautbarungen von [X.]organen, die an rechtliche Regeln gebunden seien, deren Einhaltung der gerichtlichen Kontrolle unterliege.

8

e) Die Antragstellerin sei nicht verfassungswidrig. Sie sei eine politische [X.], die auf dem Boden des Grundgesetzes stehe, sich zur freiheitlichen [X.] Grundordnung bekenne und Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung kategorisch ablehne. Weiteres könne sie hierzu nicht vortragen, da die Antragsgegner ihr das Material vorenthielten, das sie als Beleg für ihre Annahme, die Antragstellerin sei verfassungswidrig, zusammengetragen hätten.

9

f) Das Verfahren der Antragstellerin sei durch den Beschluss des [X.], den Verbotsantrag zu stellen (vgl. [X.] 770/12 ), nicht hinfällig geworden. Es sei angesichts der kontrovers geführten Diskussion über die Erfolgsaussichten des Verbotsverfahrens offen, ob und wann der Antrag eingereicht und ob er den Zulässigkeitsanforderungen genügen werde.

g) Die Antragstellerin stellt die im Rubrum wiedergegebenen Anträge. Ergänzend führt sie aus, das Gericht möge, falls es die Anträge, die sie im [X.]verbotsverfahren gestellt habe, als unzulässig erachten sollte, in Anträge nach [[X.]-8702-47c5-94f2-d35e059e9117]Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 [X.]], § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. [X.] umdeuten.

2. Für die Antragsgegnerin zu 3. hat das [X.] Stellung genommen. Die Antragsgegner zu 1. und 2. sowie die Landesregierungen und die Senate der Stadtst[X.]ten haben, soweit sie sich geäußert haben, von eigenen Stellungnahmen abgesehen.

Die Antragsgegnerin zu 3. hält den Hauptantrag für unzulässig. Die Antragstellerin sei nicht nach § 43 Abs. 1 [X.] antragsberechtigt. Eine Erweiterung des gesetzlich bestimmten Kreises der Antragsberechtigten scheide aus. Die Zulassung eines von [X.]-431d-9f65-207e452074fc]Art. 21 Abs. 2 [X.]] gelösten Feststellungsverfahrens sui generis komme nicht in Betracht. Die Zuständigkeiten des [X.]s seien im Grundgesetz und im [X.]sgesetz abschließend festgelegt. Außerdem fehle der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis für die Klärung ihrer [X.]mäßigkeit. Jede [X.] gelte, solange das [X.] nicht das Gegenteil ausspreche, als verfassungskonform und könne sich gegen Eingriffe in ihre [X.]e gerichtlich wehren. Aus diesem Grund könne auch der zweite Hilfsantrag nicht zum Erfolg führen.

Der erste Hilfsantrag könne einzig als Organklage gedeutet werden. Die Antragstellerin [X.] aber nicht dar, dass sie durch eine Maßnahme oder Unterlassung der Antragsgegner in ihren durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet sei. [X.] st[X.]tliche Stellen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Tatsachen oder Werturteile über politische [X.]en, habe dies keine rechtlichen Auswirkungen auf die [X.]. Etwaige Nachteile, die sich für die [X.] ergeben könnten, seien rein faktischer Natur. Im Schrifttum werde vereinzelt vertreten, die Bezeichnung einer [X.] als verfassungsfeindlich oder extremistisch sei als faktischer Eingriff eine Beeinträchtigung ihres Rechtsstatus. Das [X.] ([X.] 105, 279) habe demgegenüber klargestellt, dass regierungsamtliche Äußerungen, die keine diffamierenden oder verfälschenden Darstellungen enthielten, sondern im Rahmen der sachlich geführten Informationstätigkeit blieben, bereits den Schutzbereich der betreffenden [X.] nicht berührten.

Die Antragsgegnerin zu 3. sei zur Verteidigung der freiheitlichen [X.] Grundordnung verpflichtet und gehalten, grundgesetzwidrige Bestrebungen zu beobachten, Gefahren zu bewerten und ihre Einschätzung der Öffentlichkeit mitzuteilen. Sofern sie die Antragstellerin anlässlich der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verbotsantrags in öffentlichen Bekundungen als verfassungsfeindliche Organisation bezeichnet habe, sei darin die Äußerung eines Werturteils zu sehen, das gegenüber der Antragstellerin ohne rechtliche Wirkung sei. [X.] Regierungsstellen intern die Möglichkeiten eines Verbotsverfahrens, sei dies kein administratives Einschreiten gegen die Antragstellerin. Die Antragsgegner hätten mit dem von der Antragstellerin beanstandeten Vorgehen nicht gegen das Willkürverbot verstoßen. Die Äußerungen zur [X.]widrigkeit der Antragstellerin stünden mit den Inhalten der [X.]schutzberichte der letzten Jahre im Einklang. Im Übrigen stammten die in der Antragsschrift wiedergegebenen Aussagen nicht von der Antragsgegnerin zu 3. Übergriffe Dritter könnten den [X.] nicht angelastet werden.

Die Anträge zu 1. und 2. sind unzulässig. Der Antrag zu 3. ist jedenfalls unbegründet.

Der Hauptantrag, mit dem die Antragstellerin die Feststellung begehrt, nicht verfassungswidrig im Sinne des [X.]-[X.]]Art. 21 Abs. 2 [X.]] zu sein, ist unzulässig, weil ihr die Antragsberechtigung fehlt (1.), ohne dass dadurch eine [X.] entstünde (2.).

1. Der Antrag auf Entscheidung, ob eine [X.] verfassungswidrig ist, kann nach § 43 Abs. 1 [X.] von dem [X.], dem Bundesrat oder von der Bundesregierung gestellt werden. Gemäß § 43 Abs. 2 [X.] kann eine Landesregierung den Antrag nur gegen eine [X.] stellen, deren Organisation sich auf das Gebiet ihres Landes beschränkt. Nicht vorgesehen ist, dass eine [X.] das [X.] zur Feststellung ihrer [X.]mäßigkeit anrufen kann. Bereits der Wortlaut des [ref=[X.]-498c-9f74-fd99ee5a772d]§ 43 BVerf[X.]] spricht klar für eine abschließende Regelung der Antragsberechtigung. Der Antrag richtet sich zudem "gegen eine [X.]" (vgl. § 43 Abs. 2 [X.]) und ausschließlich auf die Feststellung, dass die politische [X.] verfassungswidrig ist ([ref=091aca26-0ff5-4e47-8dad-b2ec9876abc8]§ 46 Abs. 1 BVerf[X.]]). Hingegen finden sich im [X.]sgesetz keine Ansatzpunkte für die Statthaftigkeit des von der Antragstellerin angestrebten Verfahrens zur Feststellung der [X.]konformität einer [X.].

2. Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin führt die gesetzliche Ausgestaltung des [X.]verbotsverfahrens nicht zu einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren [X.]. Die Rechtsordnung bietet politischen [X.]en, die - wie die Antragstellerin - sich dem Vorwurf der [X.]feindlichkeit ausgesetzt sehen, ausreichende Möglichkeiten, die ihnen nach [ref=a2afd50e-8733-4760-80bc-e43a5c41358d]Art. 21 Abs. 1 [X.]] zustehenden Rechte wahrzunehmen und sich gegen Übergriffe mit Hilfe der Gerichte zu verteidigen.

a) Politische [X.]en sind, solange das [X.] nicht ihre [X.]widrigkeit festgestellt hat, in der Wahrnehmung ihrer Rechte frei und dürfen darin nicht durch administratives Einschreiten unter Berufung auf die Behauptung ihrer [X.]widrigkeit gehindert werden. Bis zur Entscheidung des [X.]s kann niemand die [X.]widrigkeit einer [X.] rechtlich geltend machen (vgl. [X.] 40, 287 <291> m.w.N.). Bei Beeinträchtigungen ihrer Rechte steht der [X.] und gegebenenfalls ihren Mitgliedern der Rechtsweg offen (vgl. [X.] 57, 1 <6 f.>). Mit ihrem Einwand, eine als verfassungsfeindlich gebrandmarkte [X.] sei überfordert, in jedem Einzelfall um Rechtsschutz nachzusuchen, und dieser erweise sich zudem nicht selten als ineffektiv, zeigt die Antragstellerin kein strukturelles Rechtsschutzdefizit auf, sondern benennt lediglich praktische Probleme, die erkennbar mit zumutbarem Aufwand zu bewältigen sind. Über die Gewährung effektiven Rechtsschutzes, auch für die Antragstellerin und ihre Untergliederungen, wacht das [X.] (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Ersten Senats vom 20. Dezember 2012 - 1 BvR 2794/10 -, juris).

b) Ein Rechtsschutzdefizit ist auch nicht ersichtlich, soweit die Antragstellerin geltend macht, die von ihr unter dem Begriff "[X.]" zusammengefassten Äußerungen öffentlicher Stellen, die Antragstellerin sei verfassungsfeindlich und müsse bekämpft sowie verboten werden, und die sonstigen gegen sie gerichteten Maßnahmen wirkten sich wie ein Verbot aus.

[X.]) Politische [X.]en müssen sich entsprechend ihrer Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken (Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG), der öffentlichen Auseinandersetzung stellen. Teil der öffentlichen Auseinandersetzung sind Äußerungen zur Einschätzung einer politischen [X.] als verfassungsfeindlich, sofern sie sich im Rahmen von Recht und Gesetz halten. Solchen Äußerungen kann und muss die betroffene [X.] mit den Mitteln des [X.] begegnen. Der Einwand, eine weithin für verfassungsfeindlich gehaltene [X.] habe keinen ausreichenden Medienzugang, verfängt - unbeschadet des § 5 PartG - jedenfalls dann nicht, wenn darin nicht mehr zum Ausdruck kommt als die Unterstellung, solchen Vorwürfen werde in der Öffentlichkeit blind gefolgt und die Haltung der Medien zu der betroffenen [X.] sei daher nicht das Ergebnis freier öffentlicher Meinungsbildung. Im Übrigen wird die Erreichbarkeit weiter Kreise der Bevölkerung über die Kommunikationswege des [X.] eröffnet und unterliegt der Zugang zu herkömmlichen Medien stetem Wandel.

Soweit st[X.]tliche Stellen die politische Auseinandersetzung führen, müssen sie die Grenzen beachten, die ihnen von [X.] wegen gesetzt sind und deren Einhaltung gerichtlicher Überprüfung unterliegt. [X.] der Frage einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage verbietet das Recht politischer [X.]en auf Chancengleichheit als ein wesentlicher Bestandteil der [X.] Grundordnung st[X.]tlichen Stellen, eine nicht verbotene politische [X.] in der Öffentlichkeit nachhaltig verfassungswidriger Zielsetzung und Betätigung zu verdächtigen, wenn ein solches Vorgehen bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass es auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. [X.] 40, 287 <293>; s. auch zu den grundrechtlichen Grenzen st[X.]tlicher Informationstätigkeit [X.] 105, 252 <272 f.>; 105, 279 <294 f.>; 113, 63 <76 f., 78 ff.>).

Diese Maßgaben gelten auch für die öffentliche Erörterung, ob gegen eine [X.] ein Verbotsverfahren eingeleitet wird. [X.]Stellen sind nicht gehindert, das Für und Wider dieser schwerwiegenden Maßnahme mit der gebotenen Sachlichkeit zur Debatte zu stellen. Erst wenn erkennbar wird, dass diese Debatte nicht entscheidungsorientiert, sondern mit dem Ziel der Benachteiligung der betroffenen [X.] geführt wird, kommt eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 21 Abs. 1 GG in Betracht.

bb) Den politischen [X.]en und ihren Mitgliedern stehen darüber hinaus gerichtliche Wege offen, dem Vorwurf der [X.]feindlichkeit zu begegnen. So bieten die Sammlung und Auswertung von Informationen über eine [X.] durch die [X.]schutzbehörden und ihre Aufnahme in einen [X.]schutzbericht einen Ansatz für die gerichtliche Kontrolle. Die [X.]schutzbehörden dürfen die Maßnahmen nur ergreifen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, die dafür sprechen, dass die [X.] verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, und die belastenden Maßnahmen den rechtsst[X.]tlichen Anforderungen namentlich der Verhältnismäßigkeit genügen (vgl. [X.] 113, 63 <80 f.>). Soweit es angesichts des Umstands, dass nur das [X.] im dafür vorgesehenen Verfahren (§§ 43 ff. [X.]) die verbindliche Feststellung der [X.]widrigkeit einer politischen [X.] treffen kann, in Betracht kommt, kann der Frage, ob eine [X.] verfassungswidrige Ziele verfolgt, auch in anderen Zusammenhängen nachzugehen sein. Dies ist beispielsweise bei der Beurteilung der [X.]treue eines Bewerbers anlässlich der Übernahme in ein Beamtenverhältnis im Hinblick auf Art. 33 Abs. 5 GG der Fall (vgl. [X.] 39, 334 <358 ff.>; s. auch, für disziplinarrechtliche Verfahren, BVerwGE 83, 136). Die Antragstellerin verkennt durchaus nicht, dass die [X.]mäßigkeit einer politischen [X.] Gegenstand gerichtlicher Beurteilung sein kann und ist. Wenn sie aus Misserfolgen in entsprechenden fachgerichtlichen Verfahren schließt, es bestehe eine [X.], ist diese Schlussfolgerung nicht nachvollziehbar.

Der erste Hilfsantrag, mit dem die Antragstellerin die Feststellung erstrebt, die Antragsgegner hätten sie in ihren Rechten aus Art. 21 Abs. 1 GG verletzt, indem sie öffentlich behaupteten, die Antragstellerin sei verfassungswidrig, aber das Verbotsverfahren bisher nicht eingeleitet hätten, ist zwar als Organklage statthaft (vgl. [X.] 4, 27 <30 f.>; 121, 30 <57>; stRspr), so, wie er begründet worden ist, aber unzulässig. Dabei ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin nicht etwa die Verpflichtung der Antragsgegner erreichen will, einen Verbotsantrag gegen sie zu stellen. Ein derartiges Begehren wäre als Umgehung der §§ 43 ff. [X.] (oben [X.]) unzulässig und müsste zudem daran scheitern, dass die Antragstellerin nicht behaupten kann, das den [X.] in Bezug auf die Stellung eines Verbotsantrags zukommende Ermessen (vgl. [X.] 40, 287 <291>) sei auf Null reduziert.

Das Rechtsschutzziel der Antragstellerin, die Feststellung, dass die Antragsgegner sie in ihren Rechten aus [[X.]-6583-4343-9d61-66666c89ba06]Art. 21 Abs. 1 [X.]] durch bestimmte Äußerungen und Maßnahmen verletzen (oben [X.])[X.]), kann zwar grundsätzlich im Wege der Organklage verfolgt werden. Soweit die Antragstellerin sich gegen die von ihr aufgeführten Äußerungen und weiteren Maßnahmen öffentlicher Stellen richtet, fehlt indes ausreichender Vortrag zur Passivlegitimation. Die Antragstellerin zeigt nicht auf, dass sie durch Maßnahmen oder Unterlassungen der Antragsgegner in ihrem [X.]status verletzt oder unmittelbar gefährdet ist (vgl. § 64 Abs. 1 [X.]). Sie benennt keine Bekundungen oder sonstigen Maßnahmen der Antragsgegner. Der Vortrag, dass die Antragsgegner den Vorwurf ihrer [X.]widrigkeit erhoben hätten, sei gerichtsbekannt, genügt nicht zur Substantiierung einer Rechtsverletzung im Sinne von § 64 Abs. 1 [X.].

Soweit die Antragstellerin Äußerungen von Ministerpräsidenten und Landesinnenministern aufführt, weist sie zwar darauf hin, dass die Genannten dem Antragsgegner zu 2. angehören. Daraus ergibt sich jedoch nicht, aus welchem Grund ihre Verlautbarungen dem Antragsgegner zu 2. zuzurechnen sein könnten. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Genannten sich nicht als Mitglieder der jeweiligen Landesregierung, sondern für das Bundesorgan Bundesrat äußern wollten.

Entsprechendes gilt für die von der Antragstellerin wiedergegebenen Äußerungen mehrerer [X.]sabgeordneter. Aussagen einzelner Abgeordneter sind keine Willensbekundungen des Antragsgegners zu 1. Daran ändern deren Funktionen als Parlamentarischer Geschäftsführer einer Fraktion, Vorsitzender eines Untersuchungsausschusses und Vizepräsident des [X.]s nichts, da mit diesen Funktionen nicht die Befugnis verbunden ist, für den Antragsgegner zu 1. Erklärungen zur [X.]widrigkeit einer [X.] abzugeben.

Die Mitteilung einer Bundesministerin, Bürgerinitiativen gegen Rechtsextremismus finanziell unterstützen zu wollen, kann ebenso wie die Förderung von Bundesprogrammen durch ein [X.], ein dazu erstelltes Handbuch und ein auf den Zeitraum von 2007 bis 2010 bezogener Abschlussbericht nicht ohne weiteres der Antragsgegnerin zu 3. als Kollegialorgan zugerechnet werden. Die Antragstellerin verhält sich nicht dazu, aus welchen Gründen dies bei den von ihr erwähnten Äußerungen und Maßnahmen der Fall gewesen ist. Hinzu kommt, dass die Antragstellerin es versäumt hat, hinsichtlich dieser - mit Schriftsatz vom 17. Januar 2013 in das Verfahren eingeführten, aus den Jahren 2006 bis 2010 stammenden - Äußerungen und Maßnahmen zur Einhaltung der sechsmonatigen Antragsfrist gemäß § 64 Abs. 3 [X.] vorzutragen.

Der zweite Hilfsantrag ist offensichtlich unbegründet, so dass seine Zulässigkeit dahingestellt bleiben kann. Der Antrag wird allein darauf gestützt, dass die Antragsgegner der Antragstellerin keine effektive Rechtsschutzmöglichkeit gegen die von ihnen aufgestellten Behauptungen der angeblichen [X.]widrigkeit der Antragstellerin zur Verfügung gestellt hätten. Die von der Antragstellerin postulierte [X.] besteht aus den unter [X.] dargelegten Gründen jedoch nicht. Damit scheidet eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin - auch im Hinblick auf die bei der Auslegung des Grundgesetzes gegebenenfalls zu berücksichtigenden Bestimmungen der Art. 10, 11 und 13 [X.] sowie des Art. 3 [X.]-ZP I - von vornherein aus.

Meta

2 BvE 11/12

20.02.2013

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

nachgehend Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 4. Oktober 2016, Az: 55977/13, Entscheidung

Art 21 Abs 1 S 1 GG, Art 21 Abs 2 GG, §§ 63ff BVerfGG, § 13 Nr 5 BVerfGG, § 24 BVerfGG, § 43 Abs 1 BVerfGG, § 63 BVerfGG, § 64 Abs 1 BVerfGG, § 64 Abs 3 BVerfGG, Art 10 MRK, Art 11 MRK, Art 13 MRK, Art 3 MRKZProt

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20.02.2013, Az. 2 BvE 11/12 (REWIS RS 2013, 8016)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8016 BVerfGE 133, 100-111 REWIS RS 2013, 8016

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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