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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Zurückweisung eines Richterablehnungsgesuchs im Parteiverbotsverfahren als unbegründet - hier: Ablehnung des Richters Müller
Die Ablehnung des Richters Müller wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat mit vor Beginn der mündlichen Verhandlung vorgelegtem Schriftsatz vom 1. März 2016 den [X.] wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
1. Die Antragsgegnerin begründet ihr Ablehnungsgesuch zum einen mit Äußerungen des abgelehnten [X.]s in verschiedenen Zeitungsartikeln (a), zum anderen mit seiner angeblichen Kenntnis vom Inhalt der die Antragsgegnerin betreffenden Akten des [X.] [X.] (b).
a) aa) In einem Artikel des Handelsblatts vom 29. Januar 2005 mit dem Titel "[X.] gegen staatliche Finanzierung der [X.]" heiße es:
Der [X.] Ministerpräsident, [X.] ([X.]), hat sich dafür ausgesprochen, verfassungsfeindliche [X.]en generell die staatliche Finanzierung zu entziehen. Trotz des gescheiterten [X.] sei es "unstreitig", dass die [X.] verfassungsfeindliche Ziele verfolge, sagte [X.] der "Bild am Sonntag". [X.] forderte zu prüfen, ob es rechtlich möglich sei, dass verfassungsfeindliche [X.]en keine staatliche Finanzierung erhielten. "Dann könnte die [X.] von der [X.]enfinanzierung ausgeschlossen werden", sagte er.
Die Antragsgegnerin zitiert außerdem einen auf den 20. März 2003 datierten, sich auf das [X.] beziehenden Artikel mit dem Titel "Wir sind ja so antifaschistisch" auf ZEIT-Online, nach dem sich auch "[X.] Ministerpräsident [X.]" zu einem möglichen Verbotsantrag gegen die [X.] zustimmend geäußert habe.
Schließlich zitiert die Antragsgegnerin einen Artikel der [X.] vom 20. Januar 2016, nach dem [X.] Ende 2000 in der [X.] [X.] geäußert habe:
Es ist unstreitig, dass die [X.] verfassungsfeindliche Ziele verfolgt und rassistische Inhalte vertritt. Das Gedankengut der [X.] finde ich Ekel erregend.
bb) Nach Auffassung der Antragsgegnerin begründen diese Äußerungen die Besorgnis der Befangenheit. Auch wenn [X.] nicht offen ein Verbot fordere, so lasse er doch keinen Zweifel daran, dass er der Antragsgegnerin zutiefst ablehnend gegenüberstehe. Seine in hohem Maße derbe und unsachliche Wortwahl lasse auf eine bereits im Grundsatz [X.] Haltung gegenüber der Antragsgegnerin schließen. Darüber hinaus sei es aus seiner Sicht "unstreitig", dass die Antragsgegnerin "verfassungsfeindlich" sei. Die Verfassungsmäßigkeit der Antragsgegnerin stelle aber gerade die zentrale Rechtsfrage des vorliegenden Verfahrens dar, hinsichtlich derer er sich offenbar schon eine abschließende Meinung gebildet habe. Dies gelte umso mehr, als er die Antragsgegnerin im Bereich der staatlichen [X.]enfinanzierung - jenseits jeglicher Rechtsgrundlage - offen diskriminiere.
b) Des Weiteren trägt die Antragsgegnerin vor, dass [X.] als Ministerpräsident des [X.] direkter Vorgesetzter des dortigen [X.] gewesen und somit davon auszugehen sei, dass er über die in seiner Amtszeit gegen die Antragsgegnerin durchgeführten geheimdienstlichen Aktionen (Überwachung von Funktionären, Infiltration der [X.] mit Spitzeln etc.) informiert gewesen sei, wenn er diese Aktionen nicht sogar in Auftrag gegeben habe. Mithin dürfe davon ausgegangen werden, dass [X.] der Inhalt der [X.], deren Beschlagnahme die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren beantragt habe, bekannt sei. Demgemäß liege der Verdacht nahe, dass der [X.] tendenziell geneigt sein werde, wenn der Inhalt dieser Akten tatsächlich geeignet sei, die fehlende Staatsfreiheit der Führungsebene der Antragsgegnerin und des vorgelegten [X.] zu belegen, eine Offenlegung zu verhindern, um eine Bloßstellung seiner ehemaligen Kollegen und Untergebenen zu vermeiden. Dies gelte auch, soweit sich aus den Akten ergeben könne, dass der [X.] der Antragsgegnerin - entgegen den Beteuerungen des Antragstellers - tatsächlich schon seit Jahren nachrichtendienstlich beobachtet werde.
2. [X.] hat vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 1. März 2016 eine dienstliche Äußerung abgegeben. Danach seien die Zitate zwar inhaltlich richtig wiedergegeben, er sehe sich deswegen aber nicht als befangen an. Die über die Antragsgegnerin und ihre Funktionäre durch das [X.] [X.] möglicherweise geführten Akten hätten ihm nicht vorgelegen; ihr Inhalt sei ihm nicht bekannt.
Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.
Der Antrag auf Ablehnung von [X.] gemäß § 19 Abs. 1 [X.] ist zulässig, aber unbegründet.
Die Besorgnis der Befangenheit eines [X.]s des [X.] nach § 19 [X.] setzt einen Grund voraus, der geeignet ist, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu rechtfertigen (vgl. [X.] 82, 30 <38>; 98, 134 <137>; 101, 46 <51>; 102, 122 <125>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. August 2009 - 2 BvR 343/09 -, juris, Rn. 11; stRspr). Dabei kommt es nicht darauf an, ob der [X.] tatsächlich parteilich oder befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit des [X.]s zu zweifeln (vgl. [X.] 108, 122 <126>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. Mai 2007 - 1 BvR 1696/03 -, juris, Rn. 8; stRspr).
Dies ist vorliegend nicht der Fall:
1. Die Äußerungen des [X.]s [X.] bieten bei vernünftiger Würdigung keinen Anlass, an dessen Unvoreingenommenheit zu zweifeln.
a) Die Kundgabe politischer Meinungen, die ein [X.] zu einer Zeit geäußert hat, als er noch nicht Mitglied des [X.] war und daher den besonderen Anforderungen dieses [X.]amts in seinem Verhalten noch nicht Rechnung zu tragen hatte, rechtfertigt grundsätzlich eine Ablehnung des [X.]s wegen Besorgnis der Befangenheit nicht. Den Bestimmungen über die Wahl von [X.]n des [X.] (Art. 94 Abs. 1 GG, §§ 3 ff. [X.]) liegt als selbstverständlich, sogar als erwünscht, zugrunde, dass auch Personen, die als Repräsentanten von [X.]en politische Funktionen in den Parlamenten ausgeübt oder politische Ämter in den Regierungen bekleidet haben, zu Mitgliedern des [X.] gewählt und ernannt werden können, um ihre politischen Erfahrungen für die Verfassungsrechtsprechung fruchtbar zu machen. Damit geht die Erwartung des Verfassungs- und Gesetzgebers einher, dass sie ihre neue Rolle als [X.] unabhängig von früheren parteipolitischen Auseinandersetzungen ausüben werden ([X.] 99, 51 <56 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. August 2009 - 2 BvR 343/09 -, juris, Rn. 15).
Zweifel an der Objektivität des [X.]s können allerdings berechtigt sein, wenn sich aufdrängt, dass ein innerer Zusammenhang zwischen einer - mit Engagement geäußerten - politischen Überzeugung und seiner Rechtsauffassung besteht ([X.] 35, 246 <254 f.>; 73, 330 <337>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 11. Oktober 2011 - 2 BvR 1010/10, 2 BvR 1219/10 -, juris, Rn. 22; Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 24. Februar 2000 - 2 BvR 2352/99 -, juris). Entscheidend ist, dass sein Verhalten den Schluss zulässt, dass er einer der seinigen widersprechenden Rechtsauffassung nicht mehr frei und unvoreingenommen gegenübersteht, sondern "festgelegt" ist ([X.], in: [X.]/Schmidt-Bleibtreu/[X.]/[X.], [X.], § 19 Rn. 9
b) Die beanstandeten, zwischen elf und fünfzehn Jahre zurückliegenden Äußerungen des [X.]s [X.] rechtfertigen bei der gebotenen Gesamtwürdigung keine rechtlich erheblichen Zweifel an seiner Objektivität.
aa) Soweit [X.] als [X.]r Ministerpräsident nach den aufgeführten Zitaten die Antragsgegnerin als [X.], die "unstreitig verfassungsfeindliche Ziele" und "rassistische Inhalte" verfolgt, bezeichnet haben soll, liegt darin offensichtlich keine juristische Aussage im Sinne einer Subsumtion unter die Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 GG, sondern eine politische Bewertung. Dafür spricht auch, dass [X.] in dem von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Artikel der [X.] vom 13. November 2000 mit der Aussage wiedergegeben wird: "Dennoch habe ich Bedenken gegen den [X.]verbotsantrag. Schließlich muss er beim [X.] sehr hohe juristische Hürden überwinden. […] Ob dies gelingt, ist zweifelhaft".
bb) Noch weniger betrifft die von [X.] aufgeworfene Frage, ob "verfassungsfeindlichen" [X.]en die Finanzierung entzogen werden könne, die Voraussetzungen eines [X.]verbots. Hinzu kommt, dass [X.] insoweit keine Rechtsauffassung geäußert, sondern lediglich eine rechtliche Prüfung angeregt hat.
cc) Auch die auf ZEIT-Online behauptete Zustimmung des damaligen Ministerpräsidenten des [X.] zu einem Verbotsantrag gegen die Antragsgegnerin kann die Besorgnis der Befangenheit des [X.]s [X.] nicht begründen. Es handelt sich hierbei um eine Äußerung aus dem [X.] im Vorfeld des ersten [X.] gegen die Antragsgegnerin, den [X.] als [X.]r Ministerpräsident im Ergebnis nicht mitgetragen, sondern im Bundesrat abgelehnt hat. Eine Festlegung hinsichtlich des Ergebnisses einer Prüfung der Voraussetzungen eines [X.]verbots gemäß Art. 21 Abs. 2 GG ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar.
dd) Bei der Äußerung von [X.], er finde das Gedankengut der [X.] "Ekel erregend", handelt es sich um ein Werturteil im politischen Meinungskampf. Damit hat er zwar deutlich Abscheu gegenüber den Positionen der Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht. Sympathie, Antipathie oder Gleichgültigkeit eines [X.]s gegenüber Verfahrensbeteiligten sind jedoch keine zuverlässigen Anzeichen dafür, dass ein [X.] nicht pflichtgemäß ohne Ansehen der Person entscheiden wird (vgl. [X.] 73, 330 <338 f.>). Eine Besorgnis der Befangenheit ist hierdurch regelmäßig nicht begründet. Auch insoweit kann eine Festlegung hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen eines [X.]verbots der Äußerung nicht entnommen werden.
ee) Schließlich ist zu berücksichtigen, dass frühere Stellungnahmen im Rahmen der Wahrnehmung politischer Ämter nur dann eine Befangenheit besorgen lassen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die befürchten lassen, dass der [X.] auch in dem veränderten institutionellen Rahmen, in den er als [X.] des [X.] gestellt ist, nicht unvoreingenommen entscheiden wird. Solche weiteren Umstände sind vorliegend hinsichtlich der bereits viele Jahre zurückliegenden Äußerungen nicht ersichtlich.
2. Die Tatsache, dass [X.] in seiner früheren Funktion als Ministerpräsident des [X.] grundsätzlich Zugriff auf möglicherweise durch das [X.] über die Antragsgegnerin, ihre Funktionäre oder den [X.]n [X.] geführte Akten hatte, ist bei vernünftiger Würdigung ebenfalls nicht geeignet, Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit im vorliegenden Verbotsverfahren hervorzurufen.
Der darauf gestützte Vortrag der Antragsgegnerin besteht ausschließlich aus Vermutungen. Tatsächliche Anhaltspunkte hinsichtlich des Inhalts der Akten oder dessen Kenntnisnahme durch den [X.] sind nicht vorgetragen und auch in sonstiger Weise nicht ersichtlich. Die Behauptungen der Antragsgegnerin zu Akteninhalt und Kenntnisnahme erfolgen "ins Blaue hinein". Ein solcher Vortrag, der durch keinerlei tatsächliche Umstände unterlegt ist, sondern auf reinen Vermutungen beruht, ist ungeeignet, eine Besorgnis der Befangenheit eines [X.]s zu begründen.
Meta
01.03.2016
Bundesverfassungsgericht 2. Senat
Beschluss
Sachgebiet: BvB
vorgehend BVerfG, 28. Januar 2014, Az: 2 BvB 1/13, Ablehnung einstweilige Anordnung
Art 21 Abs 1 GG, Art 94 Abs 1 GG, §§ 3ff BVerfGG, § 3 BVerfGG, § 19 Abs 1 BVerfGG
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 01.03.2016, Az. 2 BvB 1/13 (REWIS RS 2016, 15341)
Papierfundstellen: NJW 2016, 2313 NJW 2017, 611 REWIS RS 2016, 15341 BVerfGE 144, 20-369 REWIS RS 2016, 15341 BVerfGE 142, 1-5 REWIS RS 2016, 15341 BVerfGE 142, 9-17 REWIS RS 2016, 15341 BVerfGE 140, 316-317 REWIS RS 2016, 15341 BVerfGE 142, 5-9 REWIS RS 2016, 15341 BVerfGE 142, 18-24 REWIS RS 2016, 15341 BVerfGE 135, 234-237 REWIS RS 2016, 15341 BVerfGE 138, 397-400 REWIS RS 2016, 15341
Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 17.01.2017.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 01.03.2016.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 01.03.2016.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 01.03.2016.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 01.03.2016.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 02.12.2015.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 19.03.2015.
Bundesverfassungsgericht, 2 BvB 1/13, 28.01.2014.
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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