BT-Drucksache 17/1089

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -17/200, 17/201, 17/623, 17/624, 17/625- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010 (Haushaltsgesetz 2010)

Vom 15. März 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/1089
17. Wahlperiode 15. 03. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Steffen Bockhahn,
Roland Claus, Michael Leutert, Jan van Aken, Agnes Alpers, Herbert Behrens,
Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Christine Buchholz, Eva
Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm, Heidrun
Dittrich, Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke,
Nicole Gohlke, Diana Golze, Annette Groth, Dr. Gregor Gysi, Heike Hänsel,
Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Andrej Hunko, Ulla Jelpke,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping, Harald Koch, Jan Korte, Jutta Krellmann,
Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Ralph Lenkert, Stefan Liebich, Ulla Lötzer,
Thomas Lutze, Ulrich Maurer, Dorothee Menzner, Cornelia Möhring, Kornelia
Möller, Niema Movassat, Wolfgang Neskovic, Thomas Nord, Petra Pau, Jens
Petermann, Richard Pitterle, Yvonne Ploetz, Ingrid Remmers, Paul Schäfer (Köln),
Michael Schlecht, Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja Seifert, Kathrin Senger-Schäfer,
Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Sabine Stüber, Alexander Süßmair,
Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel, Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich, Kathrin
Vogler, Sahra Wagenknecht, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Katrin Werner,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/200, 17/201, 17/623, 17/624, 17/625 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2010
(Haushaltsgesetz 2010)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

● CDU/CSU und FDP setzen die Politik der Umverteilung von unten nach
oben, die ihre Vorgängerregierungen begonnen haben, entschlossen fort.
Klientelpolitik versuchen CDU/CSU und die „Mövenpick-Partei“ FDP als

sogenannte Wachstumsbeschleunigung zu verkaufen. Aus Sicht der Begüns-
tigten führen gezielte Spenden an Regierungsparteien sowie das persönliche
Anfüttern politischer Entscheidungsträger mit Vortragshonoraren und ande-
ren Zuwendungen zu einem vielfach höheren finanziellen Vorteil. Die Bun-
desregierung erlässt Hotelbesitzern, Kapitaleigentümern und reichen Erben
jährlich 8 Mrd. Euro. Der von der Koalition beschlossene höhere Kinderfrei-
betrag nutzt Besserverdienenden, während Familien mit niedrigem Einkom-

Drucksache 17/1089 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

men völlig leer ausgehen. Die Einnahmebasis des Staates wird gezielt ausge-
höhlt, um einen angeblichen Sachzwang für Sozialabbau zu schaffen.

● CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben in den vergange-
nen Legislaturperioden mit Unterstützung der FDP Gesetze durchgesetzt, die
die jetzige Finanz- und Wirtschaftskrise erst möglich gemacht haben. Der
vorsätzlich vorangetriebene Ausbau des Verbriefungsmarktes, private Rating-
agenturen und die Zulassung von Hedgefonds in Deutschland gehören zu den
wichtigsten Auslösern der Finanzkrise und der wirtschaftlichen Rezession.
Hedgefonds ist es ermöglicht worden, solide Unternehmen zu kapern, auszu-
weiden und zu Grunde zu richten. Jetzt spekulieren Hedgefonds auf die Pleite
ganzer Staaten. Ratingagenturen lassen sich geschönte Einschätzungen von
„Giftpapieren“ von den Verkäufern dieser „Giftpapiere“ bezahlen. Die Wert-
losigkeit von Kreditforderungen konnte durch Verbriefungen verschleiert
werden. Entgegen ihren Lippenbekenntnissen weigern sich CDU/CSU und
FDP immer noch, die Finanzmärkte wirksam zu regulieren. Stattdessen or-
ganisieren sie die Vergesellschaftung der durch die Zockerei der Banken ver-
ursachten Milliardenverluste und bürden diese den Steuerzahlerinnen und
Steuerzahlern auf.

● Erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen (NRW) im Mai 2010
wird die Bundesregierung die Einsparmaßnahmen offenlegen, mit deren
Hilfe sie die Rekordverschuldung abbauen will. CDU/CSU und FDP weigern
sich, wirtschaftlich Leistungsfähige und Krisenverursacher stärker an den
Kosten des Gemeinwesens zu beteiligen. Aus dieser falschen Logik folgt,
dass nur durch Einsparungen der durch die Schuldenbremse vorgeschriebene
Konsolidierungspfad eingehalten werden kann. Um die entsprechenden
Grausamkeiten nicht bereits vor der NRW-Wahl offenbaren zu müssen, hat
die Bundesregierung sich geweigert, eine aktualisierte mittelfristige Finanz-
planung vorzulegen. Aus demselben Grund hat die Bundesregierung das im
Koalitionsvertrag vorgesehene Top-down-Verfahren bei der Haushaltsauf-
stellung vertagt. Hätte sie dieses Verfahren bereits bei der jetzt laufenden
Aufstellung des Bundeshaushalts für das kommende Jahr 2011 angewendet,
könnte nicht verheimlicht werden, wer unter den Ausgabenkürzungen leiden
wird.

● Einzelplanberatungen und Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss des
Deutschen Bundestages haben immer wieder deutlich gemacht, dass der
Haushaltsentwurf der Bundesregierung dem Prinzip der Umverteilung von
unten nach oben folgt. Leistungen für sozial Benachteiligte werden gekürzt,
ein wirksames Programm zur Sicherung bestehender und Schaffung neuer
Arbeitsplätze gibt es nicht. Stattdessen werden Instrumente fortgeschrieben,
die sich bereits seit vielen Jahren als untauglich erwiesen haben. Es fehlen
Ansätze, die dem Auseinanderdriften der wirtschaftlichen und sozialen Ent-
wicklung in Ost- und Westdeutschland entgegenwirken.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● ein wirksames und in sich schlüssiges Zukunftsprogramm aufzulegen;

● Hartz IV insbesondere durch die Förderung und Schaffung neuer Arbeits-
plätze zu überwinden;

● die Rüstungsausgaben, insbesondere die Ausgaben für Auslandseinsätze der
Bundeswehr, im Vergleich zum Haushaltsentwurf der Bundesregierung zu
senken.

Zukunftsprogramm

4 Mrd. Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung
3 Mrd. Euro für eine kommunale Investitionspauschale

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/1089

2,9 Mrd. Euro für einen Energiesparfonds und erhöhte Förderung erneuer-
barer Energien

2,5 Mrd. Euro für die Beseitigung des Investitionsstaus bei den Krankenhäu-
sern

1,3 Mrd. Euro für den Hochschulpakt

1 Mrd. Euro für Prävention und Gesundheitsförderung

600 Mio. Euro für Konversionsmaßnahmen

500 Mio. Euro für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen
Infrastruktur in strukturschwachen Gebieten in den neuen und
alten Bundesländern und gleicher Teilhabe von Frauen und
Männern an Arbeit sowie gleichberechtigter Förderung von
Genossenschaften

500 Mio. Euro für die nichtkommerzielle Pharmaforschung

295 Mio. Euro für Erwachsenenbildungsförderung und BAföG

53 Mio. Euro für die Aufstockung der Förderung der Integration von Zuwan-
derinnen und Zuwanderern

50 Mio. Euro für die energetische Gebäudesanierung

46 Mio. Euro für die Fortsetzung des Stadtumbaus Ost und Nutzung der
Erfahrungen in den alten Ländern bei der Förderung städtebau-
licher Entwicklungs- und Sanierungsmaßnahmen

30 Mio. Euro für eine deutsche digitale Bibliothek

25 Mio. Euro für ein Sonderprogramm für die Ausbildung von Erzieherinnen
und Erziehern

20 Mio. Euro für die Errichtung von Sportstätten für den Breitensport „Gol-
dener Plan Ost“ (unter ausgewogener Berücksichtigung von
Frauensportarten) und Ausdehnung des Programms auf alle
Bundesländer

2,5 Mio. Euro für die Aufstockung der Förderung des Absatzes ostdeutscher
Produkte von kleinen und mittleren Unternehmen

0,2 Mio. Euro für die Stiftung für das sorbische Volk

Hartz IV überwinden

Neben der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze durch das Zukunftsprogramm
sind erforderlich:

16 Mrd. Euro zur Erhöhung der Regelsätze der Grundsicherung für Arbeit-
suchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)
und im Alter auf 500 Euro pro Monat

3,3 Mrd. Euro für den Kinderzuschlag

4,8 Mrd. Euro zur Verlängerung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I
(ALG I) (Finanzierung aus der Nichtabführung des Eingliede-
rungsbeitrags der Bundesagentur für Arbeit)

0,7 Mrd. Euro zur Aufstockung der Gelder für aktive Arbeitsmarktpolitik ent-
sprechend des erwarteten Anstieges der Erwerbslosigkeit im
SGB-II-Bereich und Ermöglichung der Umwandlung von pas-
siven in aktive Leistungen, um so den Ausbau öffentlich geför-
derter Beschäftigungsverhältnisse voranzutreiben (Deckungs-
fähigkeit des Arbeitslosengeldes II und der Bundesleistungen

für Unterkunft und Heizung mit den Leistungen zur Eingliede-
rung in Arbeit)

Drucksache 17/1089 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Sozialkassen stärken

5 Mrd. Euro angemessene Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
für ALG-II-Bezieherinnen und -Bezieher zahlen

Rentengerechtigkeit herstellen

1,2 Mrd. Euro für die Anhebung des Rentenwerts Ost an den Rentenwert West

Gerechtes Elterngeld auch für Menschen mit niedrigem Einkommen

2,5 Mrd. Euro zur Aufstockung des Mindestelterngeldes und Verlängerung
der Bezugsdauer (auf bis zu 24 Monate)

Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit

1,1 Mrd. Euro für die Verstärkung der entwicklungsorientierten Not- und
Übergangshilfe, für den Wiederaufbau in Haiti, für den Ausbau
des zivilen Friedensdienstes, für die Verstärkung der Finanziel-
len und Technischen Zusammenarbeit

Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus

31 Mio. Euro insbesondere zur Finanzierung der wegen fehlender Mittel ab-
gelehnten Modellprojekte

Finanzierung

49 Mrd. Euro durch stärkere Beteiligung der wirtschaftlich Leistungsfähigen
an den Kosten des Gemeinwesens durch Erhöhung des Spitzen-
steuersatzes der Einkommensteuer, Sonderabgabe auf Boni in
der Finanzbranche, Einführung einer Millionärsteuer, Einfüh-
rung einer Finanzkrisenverantwortungsgebühr, Besteuerung
von Gewinnen beim Verkauf von Anteilen an Kapitalgesell-
schaften, Rücknahme der Senkung des Körperschaftsteuersatzes
von 25 Prozent auf 15 Prozent, Wiedereinführung der Börsen-
umsatzsteuer, Kapitalerträge wieder zum persönlichen Steuer-
satz versteuern, Abschöpfung der leistungslos erzielten Sonder-
gewinne der Stromversorgungsunternehmen aus dem Emis-
sionshandel, Ausbau der Steuerfahndung bei Großunternehmen
und Banken

4 Mrd. Euro durch die Beendigung von Auslandseinsätzen, den Verzicht auf
Offensivmittel wie Eurofighter, Großraumtransportflugzeug
A400M und NATO-Hubschrauber NH90 sowie weitere Einspa-
rungen im Verteidigungsetat

2,6 Mrd. Euro durch den Abschluss des Schiedsgerichtsverfahrens wegen der
Verzögerung bei der Einführung und der anfänglichen Mängel
beim Aufbau des Lkw-Mautsystems

Angegeben ist jeweils der Änderungsbetrag im Vergleich zum Regierungsent-
wurf unter Berücksichtigung der Beratungsergebnisse im Haushaltsausschuss.

Berlin, den 15. März 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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