BT-Drucksache 16/12664

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

Vom 21. April 2009


Deutscher Bundestag Drucksache 16/12664
16. Wahlperiode 21. 04. 2009

Gesetzentwurf
der Abgeordneten Christel Humme, Irmingard Schewe-Gerigk, Elke Ferner, Caren Marks,
Dr. Carola Reimann, Birgitt Bender, Priska Hinz (Herborn), Dr. Karl Addicks, Dr. Lale
Akgün, Dr. h. c. Gerd Andres, Rainer Arnold, Doris Barnett, Klaus Barthel, Uwe
Beckmeyer, Klaus Uwe Benneter, Dr. Axel Berg, Ute Berg, Petra Bierwirth, Lothar
Binding (Heidelberg), Clemens Bollen, Gerd Bollmann, Klaus Brandner, Willi Brase,
Marco Bülow, Edelgard Bulmahn, Ulla Burchardt, Martin Burkert, Dr. Peter Danckert,
Ekin Deligöz, Martin Dörmann, Dr. Carl-Christian Dressel, Elvira Drobinski-Weiß,
Dr. Thea Dückert, Dr. Uschi Eid, Dr. h. c. Gernot Erler, Petra Ernstberger, Karin
Evers-Meyer, Annette Faße, Gabriele Fograscher, Gabriele Frechen, Dagmar Freitag,
Sigmar Gabriel, Kai Gehring, Martin Gerster, Iris Gleicke, Renate Gradistanac, Angelika
Graf (Rosenheim), Monika Griefahn, Hans-Joachim Hacker, Bettina Hagedorn, Britta
Haßelmann, Nina Hauer, Rolf Hempelmann, Bettina Herlitzius, Gabriele Hiller-Ohm,
Bärbel Höhn, Iris Hoffmann (Wismar), Eike Hovermann, Klaas Hübner, Brunhilde Irber,
Johannes Kahrs, Dr. h. c. Susanne Kastner, Ulrich Kelber, Christian Kleiminger, Ute
Koczy, Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Sylvia Kotting-Uhl, Rolf Kramer, Anette
Kramme, Nicolette Kressl, Volker Kröning, Dr. Hans-Ulrich Krüger, Jürgen Kucharczyk,
Helga Kühn-Mengel, Renate Künast, Dr. Uwe Küster, Ute Kumpf, Christine Lambrecht,
Christian Lange (Backnang), Monika Lazar, Waltraud Lehn, Gabriele Lösekrug-Möller,
Helga Lopez, Dirk Manzewski, Hilde Mattheis, Petra Merkel (Berlin), Ulrike Merten,
Dr. Matthias Miersch, Jerzy Montag, Marko Mühlstein, Detlef Müller (Chemnitz), Michael
Müller (Düsseldorf), Dr. Rolf Mützenich, Holger Ortel, Detlef Parr, Johannes Pflug,
Joachim Poß, Christoph Pries, Florian Pronold, Dr. Sascha Raabe, Mechthild Rawert,
Gerold Reichenbach, Christel Riemann-Hanewinckel, Sönke Rix, Dr. Ernst Dieter
Rossmann, Claudia Roth (Augsburg), Karin Roth (Esslingen), Ortwin Runde, Marlene
Rupprecht (Tuchenbach), Krista Sager, Anton Schaaf, Axel Schäfer (Bochum), Elisabeth
Scharfenberg, Heinz Schmitt (Landau), Ottmar Schreiner, Reinhard Schultz (Everswinkel),
Swen Schulz (Spandau), Ewald Schurer, Frank Schwabe, Dr. Angelica Schwall-Düren,
Wolfgang Spanier, Grietje Staffelt, Dieter Steinecke, Ludwig Stiegler, Rolf Stöckel,
Christoph Strässer, Hans-Christian Ströbele, Joachim Stünker, Dr. Rainer Tabillion, Jella
Teuchner, Franz Thönnes, Rüdiger Veit, Hedi Wegener, Petra Weis, Hildegard Wester,
Dr. Margrit Wetzel, Andrea Wicklein, Waltraut Wolff (Wolmirstedt), Uta Zapf, Manfred
Zöllmer

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
A. Problem

Schwangere Frauen und ihre Partner können während der Schwangerschaft in
schwierige Konflikte geraten. Zur Bewältigung dieser Konflikte muss ihnen ein
umfassendes Angebot an wirkungsvoller Hilfe und Unterstützung gemacht
werden.

Drucksache 16/12664 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der medizinische Fortschritt hat zur Folge, dass jede Schwangere mit einem
breiten Angebot von vorgeburtlichen Untersuchungen konfrontiert wird. Diese
dienen neben der Kontrolle des Schwangerschaftsverlaufs auch der gezielten
Suche nach Fehlbildungen und Erkrankungen beim Ungeborenen und gesund-
heitlichen Risiken für die Schwangere selbst. Die Durchführung und Qualität
der Beratung während einer Schwangerschaft und vor allem bei vorgeburtlichen
Untersuchungen haben daher große Bedeutung.

Tatsächlich kommen Ärztinnen und Ärzte in der Praxis ihrer medizinischen
Aufklärungs- und Beratungspflicht vor einer vorgeburtlichen Untersuchung
sehr unterschiedlich nach. Die Untersuchungen werden den Schwangeren häu-
fig nahegelegt, ohne über Chancen und Risiken zu informieren. Frauen werden
zu selten auf ihren Beratungsanspruch in einer unabhängigen Beratungsstelle
nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hingewiesen. Ihnen wird so die
Möglichkeit verwehrt, vor Inanspruchnahme von Pränataldiagnostik gut in-
formiert zu entscheiden, ob sie überhaupt eine Diagnostik wünschen. Ihr Recht
auf Selbstbestimmung und ggf. auch ihr Recht auf Nichtwissen werden damit
verletzt.

Wird festgestellt, dass die Fortsetzung der Schwangerschaft eine Gefahr für die
körperliche oder psychische Gesundheit der Schwangeren darstellt oder das
Ungeborene geschädigt ist, ist umfassende und verantwortungsvolle Beratung
durch die behandelnde Ärztin bzw. den behandelnden Arzt erforderlich. Auch
hier sind Defizite in der Praxis erkennbar. Die betreuenden Ärztinnen und Ärzte
verfügen nicht in allen Fällen über die notwendige Qualifikation, um über die
ärztliche Aufklärung hinaus die entsprechende Beratung in Konfliktsituationen
durchzuführen. Daher ist es dringend erforderlich, auf den Anspruch auf
psychosoziale Beratung in unabhängigen Beratungsstellen hinzuweisen.

Insgesamt ist der Anspruch auf unabhängige Beratung in allen Fragen rund um
die Schwangerschaft in Beratungsstellen nach § 2 des Schwangerschaftskon-
fliktgesetzes zu wenig bekannt.

Deshalb muss die Beratung und Aufklärung der Schwangeren verbessert wer-
den. Frauen müssen gleich bei der Feststellung ihrer Schwangerschaft über ihren
Rechtsanspruch auf Beratung nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
aufgeklärt werden. Außerdem brauchen Frauen bereits vor der Inanspruchnah-
me einer vorgeburtlichen Untersuchung bessere Informationen, damit psycho-
soziale Beratung in Schwangerschaftskonflikten verstärkt wahrgenommen wer-
den kann.

B. Lösung

Ärztinnen und Ärzte werden dazu verpflichtet, bei Feststellung der Schwanger-
schaft gemeinsam mit dem Mutterpass der Frau auch eine schriftliche Informa-
tion über ihren Rechtsanspruch auf Beratung in allen Fragen rund um die
Schwangerschaft auszuhändigen. Damit diese Information für die schwangere
Frau eine gut handhabbare Hilfe darstellt, sollen die Adressen und Kontaktdaten
von wohnortnahen Beratungsstellen beigefügt werden.

Damit Schwangere und ihre Partner während der Schwangerschaft und beson-
ders in einer Konfliktsituation wirkungsvolle Unterstützung erfahren, muss sich
die Durchführung und Qualität der Beratung verbessern. Dazu wird die Bera-
tung schon vor der Inanspruchnahme vorgeburtlicher Untersuchungen gestärkt.
Geregelt wird daher eine Beratungspflicht, d. h. Ärztinnen und Ärzte müssen
Schwangere medizinisch beraten und mit ihnen die Chancen und Risiken sol-
cher vorgeburtlicher Untersuchungen erörtern. Die Ärztin oder der Arzt müssen

die Schwangere darauf aufmerksam machen, dass sie auch ein Recht auf Nicht-
wissen und damit auf Ablehnung einer angebotenen Untersuchung hat. Darüber

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/12664

hinaus wird die Ärztin oder der Arzt verpflichtet, vor jeder vorgeburtlichen Un-
tersuchung die Schwangere auf ihren Rechtsanspruch auf Beratung nach § 2 des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes zu verweisen. Wenn es die Schwangere
wünscht, wirken die Ärztin oder der Arzt auf die Vermittlung eines zeitnahen
Termins hin.

Um der Schwangeren weitere Hilfe zukommen zu lassen, helfen Beratungs-
stellen – auf Wunsch der Schwangeren – bei der Vermittlung von Kontakten zu
Selbsthilfegruppen und Behindertenverbänden.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Das Gesetz stärkt die Inanspruchnahme psychosozialer Beratung, wodurch ge-
gebenenfalls Kosten für Bund und Länder entstehen. Eine Auswirkung auf das
Preisniveau, insbesondere auf den allgemeinen Verbraucherpreisindex, ist nicht
zu erwarten.

E. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung

Das Gesetz genügt gleichstellungspolitischen Erfordernissen in besonderer Wei-
se, da die Information von schwangeren Frauen über ihre Rechte verbessert und
die Inanspruchnahme von Beratung gestärkt werden.

Dr. Lale Akgün Marco Bülow Gabriele Fograscher

Dr. h. c. Gerd Andres
Rainer Arnold
Doris Barnett
Klaus Barthel

Edelgard Bulmahn
Ulla Burchardt
Martin Burkert
Dr. Peter Danckert

Gabriele Frechen
Dagmar Freitag
Sigmar Gabriel
Kai Gehring
„(4) Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
rung erstellt ein Informationsdokument, das insbesondere
auf den Rechtsanspruch auf Beratung nach § 2 verweist
und Kontaktdaten von wohnortnahen Beratungsstellen
enthält.“

2. Nach § 2 werden folgende §§ 2a und 2b eingefügt:

㤠2a
Ärztliche Aufklärung und Beratung bei

Schwangerschaftsuntersuchungen

(1) Die Ärztin oder der Arzt händigt der schwangeren
Frau nach Feststellung der Schwangerschaft das Informa-
tionsdokument nach § 1 Absatz 4 gemeinsam mit dem
Mutterpass aus.

(2) Vor der Durchführung vorgeburtlicher Untersu-
chungen ist die Schwangere medizinisch zu beraten und
über die Chancen und Risiken dieser Untersuchungen zu
informieren. Sie ist auf ihr Recht auf Nichtwissen und auf
den Rechtsanspruch nach § 2 dieses Gesetzes hinzuwei-
sen.

Die Ärztin oder der Arzt wirkt auf Wunsch der Schwan-
geren auf Vermittlung eines zeitnahen Termins in einer
Beratungsstelle nach § 2 hin.

(2) Die Beratungsstelle nach § 3 wirkt auf Wunsch der
Schwangeren auf Vermittlung eines Kontakts zu Selbst-
hilfegruppen und Behindertenverbänden hin.

(3) Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 218a Ab-
satz 2 des Strafgesetzbuchs hat die Ärztin oder der Arzt,
bevor sie oder er die schriftliche Feststellung gemäß
§ 218b Absatz 1 des Strafgesetzbuchs verfasst, eine aus-
reichende Bedenkzeit sicherzustellen.“

3. § 14 wird wie folgt geändert:

In Absatz 2 werden die Wörter „Deutsche Mark“ durch
das Wort „Euro“ ersetzt.

Artikel 2

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. August 2009 in Kraft.

Berlin, den 21. April 2009

Christel Humme
Irmingard Schewe-Gerigk
Elke Ferner
Caren Marks
Dr. Carola Reimann
Birgitt Bender
Priska Hinz (Herborn)
Dr. Karl Addicks

Dr. Axel Berg
Ute Berg
Petra Bierwirth
Lothar Binding (Heidelberg)
Clemens Bollen
Gerd Bollmann
Klaus Brandner
Willi Brase

Dr. Carl-Christian Dressel
Elvira Drobinski-Weiß
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Dr. h. c. Gernot Erler
Petra Ernstberger
Karin Evers-Meyer
Annette Faße
Drucksache 16/12664 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

Vom …

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes

Das Schwangerschaftskonfliktgesetz vom 27. Juli 1992
(BGBl. I S. 1398), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Ge-
setzes vom 21. August 1995 (BGBl. I S. 1050), wird wie
folgt geändert:

1. Dem § 1 wird folgender Absatz 4 angefügt:

§ 2b
Aufklärung und Beratung in besonderen Fällen

(1) Liegen dringende Gründe für die Annahme vor,
dass

1. die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung
des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustan-
des der Schwangeren besteht oder

2. die körperliche oder geistige Gesundheit des Ungebo-
renen geschädigt ist,

weist die Ärztin oder der Arzt die Schwangere auf ihren
Rechtsanspruch auf psychosoziale Beratung nach § 2 hin.
Uwe Beckmeyer
Klaus Uwe Benneter

Ekin Deligöz
Martin Dörmann

Martin Gerster
Iris Gleicke

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/12664

Renate Gradistanac
Angelika Graf (Rosenheim)
Monika Griefahn
Hans-Joachim Hacker
Bettina Hagedorn
Britta Haßelmann
Nina Hauer
Rolf Hempelmann
Bettina Herlitzius
Gabriele Hiller-Ohm
Bärbel Höhn
Iris Hoffmann (Wismar)
Eike Hovermann
Klaas Hübner,
Brunhilde Irber
Johannes Kahrs
Dr. h. c. Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Christian Kleiminger
Ute Koczy
Dr. Bärbel Kofler
Walter Kolbow
Sylvia Kotting-Uhl
Rolf Kramer
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Jürgen Kucharczyk
Helga Kühn-Mengel
Renate Künast
Dr. Uwe Küster

Ute Kumpf
Christine Lambrecht
Christian Lange (Backnang)
Monika Lazar
Waltraud Lehn
Gabriele Lösekrug-Möller
Helga Lopez
Dirk Manzewski
Hilde Mattheis
Petra Merkel (Berlin)
Ulrike Merten
Dr. Matthias Miersch
Jerzy Montag
Marko Mühlstein
Detlef Müller (Chemnitz)
Michael Müller (Düsseldorf)
Dr. Rolf Mützenich
Holger Ortel
Detlef Parr
Johannes Pflug
Joachim Poß
Christoph Pries
Florian Pronold
Dr. Sascha Raabe
Mechthild Rawert
Gerold Reichenbach
Christel Riemann-Hanewinckel
Sönke Rix
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Claudia Roth (Augsburg)
Karin Roth (Esslingen)
Ortwin Runde

Marlene Rupprecht (Tuchenbach)
Krista Sager
Anton Schaaf
Axel Schäfer (Bochum)
Elisabeth Scharfenberg
Heinz Schmitt (Landau)
Ottmar Schreiner
Reinhard Schultz (Everswinkel)
Swen Schulz (Spandau)
Ewald Schurer
Frank Schwabe
Dr. Angelica Schwall-Düren
Wolfgang Spanier
Grietje Staffelt
Dieter Steinecke
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Christoph Strässer
Hans-Christian Ströbele
Joachim Stünker
Dr. Rainer Tabillion
Jella Teuchner
Franz Thönnes
Rüdiger Veit
Hedi Wegener
Petra Weis
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Andrea Wicklein
Waltraut Wolff (Wolmirstedt)
Uta Zapf
Manfred Zöllmer

Beratung soll gestärkt werden. Hierzu dient die erneute Hin- die Annahme besteht, dass die Gefahr einer schwerwiegen-

weispflicht der Ärztin oder des Arztes auf den Beratungs-
anspruch nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes so-
wie die ärztliche Mitwirkungspflicht zur Vereinbarung eines

den Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Ge-
sundheitszustands der Schwangeren besteht oder das Unge-
borene geschädigt ist, kann psychosoziale Beratung für die
Drucksache 16/12664 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

Grundsätzlich haben Frauen und Männer nach § 2 des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes zur Vermeidung und Be-
wältigung von Schwangerschaftskonflikten einen Anspruch
auf Beratung in einer unabhängigen Beratungsstelle. Der
Anspruch gilt für alle Fragen, die eine Schwangerschaft un-
mittelbar oder mittelbar berühren. Beratung umfasst hierbei
nicht nur die medizinische Information, sondern auch Fragen
der Sexualaufklärung, Verhütung, Familienplanung und vor
allem psychosoziale Beratung in allen Fragen, die sich aus
dem Verlauf der Schwangerschaft und eventuellen vorge-
burtlichen oder Vorsorgeuntersuchungen ergeben. Der Bera-
tungsanspruch umfasst auch Information, Hilfen und Unter-
stützung für ein Leben mit einem behinderten Kind.

Dieser Beratungsanspruch stärkt die Schwangere. Er ist je-
doch zu wenig bekannt. Deshalb ist geboten, die Schwangere
wirkungsvoll und frühzeitig, also bei Feststellung der
Schwangerschaft, über ihren Rechtsanspruch auf Beratung
in einer unabhängigen Beratungsstelle zu informieren.

Die Unterstützung durch unabhängige Beratung in einer Be-
ratungsstelle wird insbesondere aufgrund des medizinischen
Fortschritts und der Zunahme vorgeburtlicher Untersuchun-
gen immer bedeutsamer. Denn es ist in der Zwischenzeit zur
Regel geworden, dass jede Schwangere mit einem breiten
Angebot von möglichen vorgeburtlichen Untersuchungen
konfrontiert wird. Diese dienen neben der Kontrolle des
Schwangerschaftsverlaufs auch der gezielten Suche nach
Fehlbildungen und Erkrankungen des Ungeborenen. Des-
halb ist eine gut informierte und aufgeklärte Entscheidung
der Schwangeren darüber, ob und welche vorgeburtlichen
Untersuchungen sie durchführen lassen möchte, wichtig.
Hierzu muss die Schwangere umfassend von ihrer Ärztin
bzw. ihrem Arzt über die medizinischen Chancen und Risi-
ken aufgeklärt werden. Sie darf nicht zu Untersuchungen ge-
drängt werden, sondern muss auch ihr Recht auf Nichtwis-
sen und damit Nichtdurchführung einer vorgeburtlichen
Untersuchung wahren können. Um die Schwangere zu infor-
mieren und in ihrer Selbstbestimmung zu stärken, kann – ne-
ben der medizinischen Beratung – eine Beratung in einer Be-
ratungsstelle hilfreich sein. Hierzu ist eine Verpflichtung der
Ärztinnen und Ärzte zu einer entsprechenden medizinischen
Beratung vor jeder vorgeburtlichen Untersuchung und einer
erneuten Hinweispflicht auf den psychosozialen Beratungs-
anspruch nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes an-
gezeigt.

Letztlich kann das Vorliegen eines Befundes bei der
Schwangeren oder dem ungeborenen Kind schwierige Kon-
flikte bei der Frau und ihrem Partner auslösen. Auch in die-
ser Situation kann eine Beratung in einer unabhängigen Be-
ratungsstelle hilfreich sein. Die Inanspruchnahme dieser

B. Einzelbegründung

Zu Artikel 1 (Änderung des Schwangerschaftskon-
fliktgesetzes)

Zu Nummer 1

Grundsätzlich haben Frauen und Männer nach § 2 des
Schwangerschaftskonfliktgesetzes einen Anspruch auf Bera-
tung in einer unabhängigen Beratungsstelle. Allerdings ist
dieser Anspruch auf Beratung zu wenig Schwangeren und
deren Partnern bekannt. Eine Folge davon ist, dass Beratung
zu wenig in Anspruch genommen wird.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird
deshalb ein Informationsdokument – zusätzlich zu den be-
reits bestehenden Informationsmaterialien – erstellen, das
die Schwangere u. a. über ihren Rechtsanspruch auf Be-
ratung nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes
informiert. Dieses Informationsdokument enthält auch
Kontaktdaten von wohnortnahen Beratungsstellen, um der
Schwangeren die Inanspruchnahme ihres Beratungsan-
spruchs zu erleichtern.

Die Schwangere erhält das Informationsdokument nach
Feststellung der Schwangerschaft gleichzeitig mit dem Mut-
terpass. So wird sichergestellt, dass jede Schwangere früh-
zeitig über ihren Beratungsanspruch informiert wird. Dies
stärkt ihr Selbstbestimmungsrecht.

Zu Nummer 2

Ärztinnen und Ärzte werden verpflichtet, der Schwangeren
– nach Feststellung der Schwangerschaft – gemeinsam mit
dem Mutterpass das Informationsdokument nach § 1 Ab-
satz 4 – neu – auszuhändigen. Dies stellt eine frühzeitige In-
formation der Schwangeren über ihren Beratungsanspruch
sicher.

Ärztinnen und Ärzte werden außerdem verpflichtet, vor je-
der vorgeburtlichen Untersuchung die Schwangere umfas-
send medizinisch zu beraten und darauf hinzuweisen, dass
die Schwangere auch in Fragen von Pränataldiagnostik einen
Beratungsanspruch in einer unabhängigen Beratungsstelle
nach § 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes hat. Im Rah-
men der ärztlichen Schwangerschaftsvorsorge erfordert die
vorgeburtliche Diagnostik eine Auseinandersetzung der
Schwangeren mit den unterschiedlichen zur Verfügung ste-
henden Optionen. Die Ärztin oder der Arzt soll umfassend
über Chancen und Risiken von vorgeburtlichen Untersu-
chungen aufklären, so dass die Schwangere gut informiert
selbst entscheiden kann, ob und welche vorgeburtliche Un-
tersuchungen sie durchführen lassen möchte. Dies hilft, das
Recht der Schwangeren auf Nichtwissen zu wahren.

In Fällen, in denen nach einer vorgeburtlichen Untersuchung
zeitnahen Termins, sofern die Schwangere dies wünscht. Das
Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren wird so gewahrt.

Schwangere und ihren Partner eine besonders sinnvolle Un-
terstützung und Hilfe darstellen. Deshalb werden Ärztinnen

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/12664

und Ärzte verpflichtet, in diesen Fällen erneut auf den An-
spruch auf psychosoziale Beratung nach § 2 des Schwanger-
schaftskonfliktgesetzes zu verweisen. Wenn die Schwangere
es wünscht, kann die Ärztin oder der Arzt auf Vermittlung
eines zeitnahen Termins in einer Beratungsstelle nach § 2
hinwirken. Dies kann eine sinnvolle Unterstützung der
Schwangeren bei der Inanspruchnahme einer umfassenden
Beratung darstellen.

Auf Wunsch der Schwangeren kann die Beratungsstelle nach
§ 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auf Vermittlung
von Kontakten zu Selbsthilfegruppen und Behindertenver-
bänden hinwirken.

Die Ärztin oder der Arzt soll sicherstellen, dass vor der Ab-
fassung der schriftlichen Feststellung gemäß § 218b Absatz 1

des Strafgesetzbuchs eine ausreichende Bedenkzeit gewähr-
leistet ist. Durch den Verzicht auf eine gesetzliche Festschrei-
bung einer zeitlich konkret definierten Frist wird
sichergestellt, dass die Ärztin oder der Arzt den jeweils be-
sonderen Erfordernissen des Einzelfalles angemessen Rech-
nung tragen kann.

Zu Nummer 3

Entsprechend der Änderung der Währungsbezeichnung wird
der Gesetzeswortlaut redaktionell angepasst.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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