Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 03.06.2022, Az. 1 BvR 2103/16

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2022, 3072

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

PROFISPORT ÖFFENTLICHES RECHT SPORT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) SCHIEDSGERICHTSBARKEIT

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Anforderungen des Justizgewährungsanspruchs (Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG) an die Ausgestaltung schiedsgerichtlicher Verfahren - hier: Verletzung von Art 2 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG durch unzureichende Berücksichtigung des Öffentlichkeitsgrundsatzes


Tenor

1. Das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2016 - [X.] - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Justizgewähranspruch aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes. Das Urteil wird aufgehoben. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens an das [X.] zurückverwiesen.

2. Damit wird der Beschluss des [X.] vom 12. Juli 2016 - [X.] - gegenstandslos.

3. Die [X.] hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerdeführerin, eine [X.] Berufssportlerin, wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Abweisung einer Klage wegen einer zugunsten des [X.] in [X.] (Court of Arbitration for Sports − [X.]) vereinbarten Schiedsklausel durch die [X.] Zivilgerichtsbarkeit. In dem fachgerichtlichen Ausgangsverfahren vor den [X.]n Zivilgerichten machte die Beschwerdeführerin Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen zwei Sportverbände geltend, die eine Dopingsperre verhängt und umgesetzt hatten.

2

1. Die internationale Sportschiedsgerichtsbarkeit wird zentral durch den im Jahr 1984 geschaffenen und in [X.] ansässigen [X.] ausgeübt. Durch eine einheitliche Auslegung und Anwendung des aus Vereins- und [X.] bestehenden [X.] soll eine weitgehende Chancengleichheit im internationalen Spitzensport gewährleistet werden (vgl. [X.]/[X.], [X.] 2016, 426, 427). Als Träger des [X.] fungiert seit 1994 der [X.] (I[X.]), der auch über die Auswahl der Schiedsrichter entscheidet. Beide Gremien wurden laut ihrer gemeinsamen Statuten ([X.], im Folgenden: [X.]-Statuten) zur [X.] durch Schiedsverfahren und Mediation geschaffen. Das Verfahren vor dem [X.] einschließlich der Bildung der für die Entscheidung über das konkrete Schiedsverfahren im Einzelfall zuständigen Kammer wird durch die Verfahrensordnung des [X.] geregelt.

3

a) Von den zwanzig Ratsmitgliedern des I[X.] wurden zum Zeitpunkt der Einlegung der Verfassungsbeschwerde zwölf von den internationalen Sportfachverbänden und Olympischen Komitees bestimmt. Diese zwölf Mitglieder wählten vier weitere Mitglieder mit Blick auf die Wahrung der Interessen der Athleten aus. Die nunmehr sechzehn Mitglieder benannten wiederum vier Mitglieder, die unabhängig von den anderen Organisationen sein sollten. Die Ratsmitglieder des I[X.] wurden für jeweils vier Jahre ernannt. Bei ihrer Ernennung unterzeichneten sie eine Erklärung, in der sie sich verpflichteten, ihr Amt persönlich, vollkommen objektiv, unabhängig und gemäß den Statuten auszuüben. Sie dürfen selbst weder das Amt eines Schiedsrichters des [X.] übernehmen noch als Rechtsbeistand einer Partei vor dem [X.] auftreten. Der I[X.] wählt aus seiner Mitte jeweils den Vorsitz des Senats für ordentliche Schiedsverfahren und den Vorsitz des Senats für Berufungsverfahren des [X.]. Außerdem bestimmt der I[X.] eine − geschlossene − Liste von mindestens 150 Schiedsrichterinnen und -richtern, aus der die jeweiligen Schiedspersonen gewählt werden können. Zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung des [X.] im Juli 2016 standen über 300 Personen auf der Liste (vgl. [X.]/[X.], in: [X.] 2016, S. 426 <429>).

4

b) Eine Berufung gegen die Entscheidung eines Sportverbands kann beim [X.] eingelegt werden, wenn die Satzung des jeweiligen Gremiums dies vorsieht oder wenn die Parteien eine entsprechende Schiedsvereinbarung geschlossen haben und der Berufungskläger insoweit die ihm vor der Berufung zur Verfügung stehenden Rechtsmittel ausgeschöpft hat. Die Berufung ist einer Kammer von drei Schiedspersonen vorzulegen, sofern sich die Parteien nicht auf eine aus einem Einzelrichter bestehende Kammer geeinigt haben. Bei Kammern mit drei Personen wählen die Parteien jeweils eine Schiedsrichterin oder Schiedsrichter. Die oder der Senatsvorsitzende ernennt nach Rücksprache mit den beiden anderen Kammermitgliedern den Vorsitzenden oder die Vorsitzende der Kammer. Der Schiedsspruch wird auf Grundlage einer Mehrheitsentscheidung gefällt. Die auf den Streitfall anwendbare Fassung der Statuten sah einen Anspruch der Parteien auf eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht vor.

5

2. Die Sportverbände sind nach dem so genannten "[X.]" organisiert. Damit wird durch die weltweite monopolistische Organisation jeder Sportart und die verbindliche Festlegung der Regeln durch den [X.] sichergestellt, dass für jede Sportart weltweit einheitliche Regeln gelten, nach denen der Sport in Wettkämpfen ausgetragen wird (vgl. [X.]/Fritzweiler, in: Fritzweiler/[X.]/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 4. Aufl. 2020, Einführung Rn. 15 f.). Athleten, die ihre Sportart professionell ausüben und hierzu an Wettkämpfen teilnehmen möchten, müssen dem jeweiligen [X.] angehören und dessen Regularien anerkennen. Fester Bestandteil der Anmeldung zu Wettkämpfen des Profisports ist regelmäßig die Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung zugunsten des [X.] (vgl. [X.], Der Justizgewährleistungsanspruch des Dopingsünders, [X.] f.). Damit besteht für die Athleten, die ihren Sport berufsmäßig ausüben wollen, ein faktischer Schiedszwang (vgl. [X.], [X.] und die institutionelle Sportschiedsgerichtsbarkeit, 2016, S. 38 ff.).

6

3. Die Beschwerdeführerin nahm aufgrund einer von ihr am 2. Januar 2009 unterzeichneten vorformulierten Wettkampfmeldung am 7. und 8. Februar 2009 an der von der (…) in (…) veranstalteten (…)-Mehrkampfweltmeisterschaft teil. Die (…) ist ein Verein [X.] Rechts mit Sitz in [X.], der als Weltverband für die Sportarten (…) und (…) anerkannt ist und insoweit als einziger Verband Wettkämpfe auf [X.] veranstaltet. Mit ihrer Wettkampfmeldung verpflichtete sich die Beschwerdeführerin zur Einhaltung der [X.] der (…) und erkannte die Zuständigkeit der Sportgerichtsbarkeit unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges an.

7

4. Aufgrund erhöhter (…)-Werte in den bei den Wettkämpfen im Februar 2009 in (…) von der Beschwerdeführerin entnommenen Blutproben kam es seitens der (…) zu einer Anklage gegen die Beschwerdeführerin vor deren Disziplinarkommission. Diese sperrte mit Entscheidung vom 1. Juli 2009 die Beschwerdeführerin rückwirkend zum 7. Februar 2009 wegen unerlaubten [X.] für zwei Jahre und entschied, die in den Wettkämpfen vom 7. Februar 2009 von der Beschwerdeführerin erzielten Ergebnisse zu annullieren und ihr die entsprechenden Punkte, Preise und Medaillen abzuerkennen. Nach einer ergänzenden Mitteilung der (…) e.V. (…) vom 19. Juli 2009 war die Beschwerdeführerin damit auch von organisierten Trainingsmaßnahmen sowie von der Teilnahme an den [X.] in [X.]/[X.] vom 12. bis 28. Februar 2010 ausgeschlossen.

8

Die Beschwerdeführerin legte gegen die Entscheidung der Disziplinarkommission Berufung beim [X.] ein. Einem Antrag der Beschwerdeführerin auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung folgte der [X.] nicht und verhandelte nicht-öffentlich. Mit [X.] vom 25. November 2009 ((…), - [X.] 2009/A/1912 -) wies der [X.] das gegen die Entscheidung der Disziplinarkommission gerichtete Berufungsgesuch der Beschwerdeführerin ab. Es sei nicht erforderlich, dass der Verstoß gegen die [X.] nachweislich vorsätzlich oder schuldhaft erfolgt sei. Vielmehr sei ausreichend, dass der anklagende Verband darlegen könne, dass ein Verstoß gegen die [X.] stattgefunden habe. Dafür seien die überhöhten (…)-Werte in den bei der Beschwerdeführerin entnommenen Blutproben ausreichend, die nur durch eine Manipulation des eigenen Blutes erklärt werden könnten. Die gegen das [X.] gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin wies das [X.] [X.] mit Urteil der [X.] zivilrechtlichen Abteilung vom 10. Februar 2010 ((…), - 4A_612/2009 -) zurück.

9

5. Nach Bekanntwerden des [X.]-Schiedsspruches hatte sich die Beschwerdeführerin einem neuen spezialdiagnostischen Verfahren unterzogen, welches zu dem Ergebnis kam, dass sie an einer (…) (vererbten) Blutanomalie leide, die wiederum für die veränderten Blutwerte ursächlich sei. Das Ergebnis wurde der Beschwerdeführerin am 7. Dezember 2009 übermittelt.

Daraufhin legte die Beschwerdeführerin Revision gegen den Schiedsspruch beim [X.] [X.] ein, welches das Revisionsgesuch mit Urteil vom 28. September 2010 ((…), - 4A_144/2010 -) ebenfalls abwies. Die Beschwerdeführerin habe keine nachträglichen Tatsachen oder Beweismittel im Sinne von Art. 123 Abs. 2 Buchstabe a des [X.]ischen [X.]sgesetzes dargelegt. Ihre Erklärung, sie habe zwei Tage nach dem Schiedsspruch eine bisher unbekannte Methode entdeckt, erscheine nicht plausibel. Sie habe insbesondere nicht dargelegt, warum ihr entsprechende Bemühungen zur Beibringung nicht früher zumutbar gewesen seien.

6. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin im Ausgangsverfahren Klage gegen die (…) e.V. und (…) auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Dopingsperre sowie auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus kartellrechtlichen, deliktischen und vertraglichen Gründen.

Das [X.] wies die Klage mit nicht angegriffenem Urteil ab. Mit ebenfalls nicht angegriffenem [X.] und [X.] wies das [X.] die gegen die Abweisung der gegen die (…) erhobenen Klage gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin insoweit zurück, als das [X.] den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Dopingsperre zurückgewiesen hatte. Im Übrigen stellte das [X.] fest, dass die Klage zulässig sei. Die zwischen den Parteien getroffene Schiedsvereinbarung stehe dem Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht entgegen. Die Schiedsvereinbarung sei gemäß Art. 34 EGBGB, § 134 BGB, § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 2 GWB a.F. nichtig. Das [X.] sah ein strukturelles Übergewicht der Verbände unter anderem darin, dass in den Berufungsverfahren vor dem [X.] der Vorsitzende des für die konkrete Streitigkeit zuständigen Kollegiums von dem Präsidenten der Berufungsabteilung des [X.] bestimmt werde.

7. Auf die Revision der (…) hob der [X.]shof mit angegriffenem Urteil vom 7. Juni 2016 das Zwischenurteil des [X.]s auf, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der (…) erkannt hatte, und wies die Berufung der Beschwerdeführerin gegen das Urteil des [X.]s insgesamt zurück.

Die Klage sei unzulässig, weil ihr die Einrede der Schiedsvereinbarung gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 1025 Abs. 2 ZPO entgegenstehe. Der [X.] sei ein "echtes" Schiedsgericht im Sinne dieser Vorschriften und die Schiedsvereinbarung wirksam. Es stelle keinen Missbrauch der Marktmacht dar, wenn ein Sportverband die Teilnahme eines Athleten an einem Wettkampf von der Unterzeichnung einer Schiedsvereinbarung abhängig mache, die gemäß den [X.] den [X.] als Schiedsgericht vorsehe. Die Verfahrensordnung des [X.] enthalte ausreichende Garantien für die Wahrung der Rechte der Athleten. Unter diesen Umständen sei die Schiedsvereinbarung auch nicht im Hinblick auf den [X.] aus Art. 2 Abs. 1 [X.], das Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 [X.] oder das Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 [X.] unwirksam.

Zwar dürften die Anforderungen an die Unabhängigkeit und Neutralität des [X.] nicht zu gering angesetzt werden. Der (…) komme jedoch kein institutionalisiertes Übergewicht bei der Zusammensetzung der Schiedsrichterliste und der Bestimmung des einzelnen Spruchkörpers zu.

Einer Schiedsvereinbarung, die den [X.] als Schiedsgericht vorsehe, stünden auch die Rechte der Klägerin aus Art. 6 [X.] nicht entgegen. Genauso wie der grundgesetzliche [X.] sei auch dieses Recht auf Zugang zu staatlichen Gerichten verzichtbar, wenn die Schiedsvereinbarung freiwillig, erlaubt und eindeutig sei, das Schiedsverfahren entsprechend den Garantien in Art. 6 Abs. 1 [X.] ausgestaltet und die Aufhebung bei [X.] durch staatliche Gerichte möglich sei.

8. Die gegen das angegriffene Urteil gerichtete Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin wies der [X.]shof mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 12. Juli 2016 als unbegründet zurück.

9. Bereits vor Erhebung ihrer Klage vor den [X.]n Gerichten hatte die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung des [X.] [X.]s wiederum Beschwerde beim [X.] eingelegt.

Mit Urteil vom 2. Oktober 2018 ([X.], 3. Sektion, (…), Urteil vom 2. Oktober 2018, Nr. 40575/10 und 67474/10) entschied die 3. Sektion des Gerichtshofs mit einer Mehrheit von fünf zu zwei Stimmen, dass das [X.] nicht gegen Art. 6 Abs. 1 [X.] verstoßen habe, soweit die Beschwerdeführerin die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des [X.] rüge. Der Verzicht auf den Zugang zu den ordentlichen Gerichten stehe dann nicht in Widerspruch zu Art. 6 Abs. 1 [X.], solange er frei, rechtmäßig und eindeutig erfolgt sei. Dagegen müsse ein zwingendes Schiedsverfahren, wie es hier vorliege, die in Art. 6 Abs.1 [X.] vorgesehenen Garantien bieten. Danach müsse ein Gericht von der Exekutive und den beteiligten Parteien unabhängig sein. Die Unparteilichkeit werde nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl in subjektiver wie auch in objektiver Hinsicht beurteilt, wobei in objektiver Hinsicht entscheidend sei, ob das Gericht insbesondere auf Grund seiner Zusammensetzung ausreichend Garantien biete, um jeden berechtigten Zweifel an seiner Unparteilichkeit auszuschließen. Die Beschwerdeführerin habe jedoch keine sachlichen Beweise vorgelegt, die geeignet seien, einen allgemeinen Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Schiedsrichter des [X.] zu begründen.

Allerdings sei Art. 6 Abs.1 [X.], dessen Grundsätze für öffentliche Verhandlungen in Zivilsachen auch für berufsständische Gerichte gälten, die in disziplinarischen Angelegenheiten entschieden, mangels einer öffentlichen Verhandlung vor dem [X.] verletzt. Zwar hinderten weder Wortlaut noch Geist des Art. 6 Abs. 1 [X.] eine Person daran, freiwillig auf die Ausübung des Rechts auf die Öffentlichkeit der Verhandlung zu verzichten. Zum einen handle es sich aber um ein Zwangsschiedsverfahren. Zum anderen habe die Beschwerdeführerin erfolglos eine öffentliche Verhandlung beantragt. Eine solche sei angesichts der in der Verhandlung diskutierten Fragen, der Anhörung von Sachverständigen und der Folgen für die Beschwerdeführerin geboten gewesen.

Da die [X.] des [X.] den weitergehenden Einwand der Beschwerdeführerin bezüglich des Fehlens von Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des [X.] zurückgewiesen hatte, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verweisung der Rechtssache an die [X.] des Gerichtshofs und bat in diesem Zusammenhang um eine Zurückstellung der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde. Der Ausschuss der [X.] des Gerichtshofs lehnte den Antrag am 4. Februar 2019 ab.

10. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen dem [X.] vor. Im Rahmen der Zustellung nach § 23 Abs. 2 [X.] hatten das [X.] und die Gegnerinnen des Ausgangsverfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme, von der Letztere Gebrauch gemacht haben. Die (…) e.V. schloss sich den Anträgen der Beschwerdeführerin an.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 2 Abs.1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 [X.]. Darüber hinaus macht sie geltend, in ihren Rechten aus Art. 6 Abs. 1 [X.] verletzt zu sein.

1. Die Verweigerung staatlichen Rechtsschutzes verletze die Beschwerdeführerin wegen der existenziellen Nachteile, die sie aufgrund der zu Unrecht erfolgten Dopingsperre erlitten habe, in ihrem [X.] gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] und in ihrem Recht auf [X.] gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.]. Der Kartellsenat des [X.] hätte den [X.] angesichts der aufgezeigten strukturellen Mängel nicht als "Schiedsgericht" im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO und die Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien angesichts des Übergewichts der [X.] aus kartellrechtlichen Gründen nicht als wirksam erachten dürfen.

Der [X.] aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] und der Anspruch auf [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] seien verletzt, wenn ein Schiedsgericht nicht die erforderliche richterliche Unabhängigkeit aufweise, insbesondere wenn die Parteien keinen paritätischen Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts nehmen könnten, und wenn die Parteien der Schiedsgerichtsvereinbarung nicht ausdrücklich und freiwillig zugestimmt hätten. Die Beschwerdeführerin sei auch in ihrem Recht verletzt, dass über ihre (zivilrechtlichen) Ansprüche vor einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt werde. Nach den maßgeblichen Statuten hätten die Parteien keinen Anspruch auf Öffentlichkeit der Verhandlung.

Die angegriffene Entscheidung verletze die Beschwerdeführerin darüber hinaus in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 [X.] geschützten Berufsfreiheit. Sie sei vor die Wahl gestellt worden, entweder auf den Schutz staatlicher Gerichte oder auf ihre Berufsausübung in Form der Teilnahme an internationalen Wettbewerben zu verzichten.

2. Die (…) macht im Wesentlichen geltend, die Verfassungsbeschwerde sei mangels Wahrung der Darlegungsvoraussetzungen und des Grundsatzes materieller Subsidiarität bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Der [X.] habe mit Leitwirkung entschieden, dass der [X.] den an ein Schiedsgericht zu stellenden Organisationsgarantien entspreche, da es sich um ein unabhängiges und unparteiisches Gericht im Sinne des Art. 6 Abs. 1 [X.] handle. Auch der durch den [X.] festgestellte Verstoß gegen den [X.], der sich nicht im Ausgangsverfahren der Verfassungsbeschwerde ereignet habe, könne nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung führen, da zwischen Schieds- und Verfahrensklausel zu unterscheiden sei.

Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] grundrechtlich gewährleisteten [X.]s angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b, § 93b Satz 1 [X.]).

1. Eine weitere Verlängerung der Stellungnahmefrist der gemäß § 94 Abs. 3 [X.] Äußerungsberechtigten (…) war nicht veranlasst. Die gesetzte, und nochmals kurzzeitig verlängerte, Frist erweist sich als angemessen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. April 1992 - 1 BvR 507/92 -, juris, Rn. 12), wie bereits aus den substantiierten und umfassenden Stellungnahmen der beiden äußerungsberechtigten Gegnerinnen des Ausgangsverfahrens hervorgeht. Der Grundsatz der Waffengleichheit fordert keine vollständig gleiche Bearbeitungszeit zwischen Beschwerdeführerin und Äußerungsberechtigten; vielmehr lässt er bereits in strafrechtlichen Verfahren die Berücksichtigung der unterschiedlichen Verfahrensstellung der Beteiligten und des Beschleunigungsgebotes bei der Auslegung der Verfahrensvorschriften zu, solange dies nicht zu einem substanziellen Nachteil zulasten eines Beteiligten führt (vgl. [X.]E 63, 45 <67>; 122, 248 <272 f.>; [X.], Wynen and Centre Hospitalier Interrégional Edith-Cavell v. Belgium, Urteil vom 5. November 2002, Nr. 32576/96, § 32). In zivilrechtlichen Angelegenheiten sind die Anforderungen an eine "Waffengleichheit" demgegenüber noch einmal zurückgenommen (vgl. [X.]E 52, 131 <156 f.>; [X.], [X.], Urteil vom 27. Oktober 1993, Nr. 14448/88, § 32).

2. Die Voraussetzungen einer Stattgabe durch die Kammer nach § 93c Abs. 1 Satz 1 [X.] liegen vor. Die maßgeblichen Fragen zur Verletzung des [X.]s und zur Leit- und Orientierungsfunktion der [X.] sind in der Rechtsprechung des [X.]s bereits geklärt.

3. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere hat die Beschwerdeführerin in ihrem Verfahren vor dem [X.] einen Antrag auf Herstellung der Öffentlichkeit gestellt, der abgewiesen wurde; das [X.] [X.] hat ihre Beschwerde abgelehnt. Damit sind die Subsidiaritätsanforderungen selbst dann gewahrt, wenn man sie auf das schiedsgerichtliche Verfahren erstreckt.

4. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das angegriffene Urteil des [X.] verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] verbürgten Justizgewährleistungsanspruch, weil der [X.]shof die Bedeutung des Anspruchs auf Öffentlichkeit des Verfahrens verkannt hat.

a) Das [X.] prüft die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts durch die Fachgerichte nur in eingeschränktem Umfang. Im [X.] entfalten die Grundrechte ihre Wirkkraft als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen durch das Medium der Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschen, damit vor allem auch durch die zivilrechtlichen Generalklauseln (vgl. [X.]E 7, 198 <205f.>; 42, 143 <148>). Der Staat hat auch insoweit die Grundrechte des Einzelnen zu schützen und vor Verletzung durch andere zu bewahren. Den Gerichten obliegt es, diesen grundrechtlichen Schutz durch Auslegung und Anwendung des Rechts zu gewähren und im Einzelfall zu konkretisieren. Die Schwelle eines Verstoßes gegen Verfassungsrecht, den das [X.] zu korrigieren hat, ist − abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot − erst dann erreicht, wenn die Auslegung der Zivilgerichte Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte, insbesondere vom Umfang ihres Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Rechtsfall von einigem Gewicht sind (vgl. [X.]E 18, 85 <93>; 42, 143 <149>; stRspr), insbesondere, weil darunter die Abwägung der beiderseitigen Rechtspositionen im Rahmen der privatrechtlichen Regelung leidet. Es ist aber nicht Aufgabe des [X.]s, den Zivilgerichten vorzugeben, wie sie den Streitfall im Ergebnis zu entscheiden haben (vgl. [X.]E 129, 78 <101 f.> - [X.]; 142, 74 <101 Rn. 82> - Sampling; stRspr).

b) Nach diesem Maßstab hält die Abwägung des [X.] zwischen dem [X.] und der Vertragsfreiheit und der Verbandsautonomie (vgl. hierzu [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 15. September 2016 - 1 BvQ 38/16 -, Rn. 9) im konkreten Fall den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht stand.

aa) Im Rahmen der Prüfung, ob die [X.] gemäß § 19 GWB unwirksam ist, hat der [X.]shof den in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] verbürgten [X.] der Beschwerdeführerin zwar durchaus in Betracht gezogen. Der [X.]shof hat ferner angenommen, dass das die staatliche Gerichtsbarkeit ausschließende Schiedsverfahren in seiner Ausgestaltung den Gewährleistungen des Art. 6 [X.] genügen muss. Dabei hat er jedoch nicht berücksichtigt, dass die Statuten des [X.] - wie die Beschwerdeführerin in den Instanzen und im Revisionsverfahren ausdrücklich geltend gemacht hatte - einen Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung nicht vorsahen, welche die Beschwerdeführerin erfolglos beantragt hatte. Der [X.] hat in der von der Beschwerdeführerin gegen den Schiedsspruch und die Entscheidungen des [X.] [X.]s angestrengten Verfahren ([X.], 3. Sektion, (…), Urteil vom 2. Oktober 2018, Nr. 40575/10, 67474/10, §§ 182 ff.) erkannt, dass der [X.] insoweit Art. 6 Abs. 1 [X.] verletzt habe, als das dort geführte Verfahren nicht öffentlich war.

Der [X.]shof hat damit bei seiner Entscheidung den Gewährleistungsgehalt des allgemeinen [X.]s aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] nicht hinreichend berücksichtigt, der bedingt, dass das schiedsgerichtliche Verfahren effektiven Rechtsschutz gewährleisten und rechtsstaatlichen Mindeststandards genügen muss (1). Die Anforderungen an die normative Ausgestaltung des Schiedsverfahrens stehen insoweit nicht hinter den im Streitfall aus Art. 6 Abs. 1 [X.] folgenden und durch die Statuten des [X.] nach Maßgabe der Rechtsprechung des [X.] für Menschenrechte nicht ausreichend gewährleisteten Anforderungen zurück (2).

(1) Bei der Auslegung des § 19 GWB in seiner auf den Streitfall anwendbaren Fassung ist der Gewährleistungsgehalt des allgemeinen [X.] zu berücksichtigen, wonach das schiedsgerichtliche Verfahren effektiven Rechtsschutz gewährleisten und rechtsstaatlichen Mindeststandards genügen muss.

(a) Die Garantie wirkungsvollen Rechtsschutzes ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaates (vgl. [X.]E 88, 118 <123>; 96, 27 <39 f.>; 107, 395 <401>). Das Grundgesetz garantiert Rechtsschutz vor den Gerichten nicht nur gemäß Art. 19 Abs. 4 [X.], sondern darüber hinaus im Rahmen des allgemeinen [X.]s (vgl. [X.]E 107, 395 <401>). Dieser ist Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips in Verbindung mit den Grundrechten, insbesondere Art. 2 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]E 93, 99 <107>; 107, 395 <401>). Der allgemeine [X.] umfasst nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s das Recht auf Zugang zu den staatlichen Gerichten, eine grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Prüfung des Streitgegenstandes sowie eine verbindliche Entscheidung durch ein staatliches Gericht (vgl. [X.]E 54, 277 <291>; 84, 366 <369>; 85, 337 <345>; 107, 395 <401>). Der [X.] garantiert darüber hinaus aber auch die Effektivität des Rechtsschutzes (vgl. [X.]E 88, 118 <124>; 117, 71 <122>; 122, 248 <271>).

(b) Weder der allgemeine [X.] noch Art. 92 [X.] enthalten indes ein Verbot privater Schiedsgerichtsbarkeit. Vielmehr ist diese in der Vertragsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 [X.] und Art. 12 Abs. 1 [X.] verankert (zu dieser vgl. [X.]E 134, 204 <222 f. Rn. 66 f.>; 142, 268 <285 f. Rn. 63 f.>; 149, 126 <142 f. Rn. 42>, zum Ganzen C.D. Classen, in: v. Mangoldt/[X.]/[X.], [X.], [X.], 7. Aufl. 2018, Art. 92 Rn. 41; [X.], in: [X.], [X.], 9. Aufl. 2021, Art. 92 Rn. 28; [X.], in: [X.]/[X.]/[X.], [X.], Art. 92 Rn. 26 f., 90 (Juli 2021); [X.], in: [X.]/[X.], [X.], 16. Aufl. 2020, Art. 92 Rn. 6).

Ein Verzicht auf den Zugang zu den staatlichen Gerichten durch Abschluss einer Schiedsvereinbarung im Bereich des Sports ist allerdings jedenfalls nicht uneingeschränkt möglich. Zwar ist sie zur Gewährleistung einer international einheitlichen Sportgerichtsbarkeit und zur Bekämpfung des Dopings im internationalen [X.], auch in Ansehung der sich aus Art. 13.2.1 des World-Anti-Doping-Codes ([X.]) ergebenden völkerrechtlichen Bindungen erforderlich und als solches verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sowohl der allgemeine [X.] selbst als auch der Schutz der durch Art. 2 Abs. 1 [X.] gewährleisteten Privatautonomie setzen der Abdingbarkeit im Weg einer Schiedsvereinbarung Grenzen. Mit der gesetzlichen Anerkennung privater Schiedsgerichtsbarkeit eröffnet der Staat dem [X.] Bürger eine alternative, nicht-staatliche Möglichkeit der verbindlichen Streitbeilegung (vgl. BTDrucks 13/5274, [X.]). Damit der Staat schiedsrichterliche Entscheidungen anerkennen und in Ausübung seiner Hoheitsgewalt vollstrecken kann, muss er dafür Sorge tragen, dass das schiedsrichterliche Verfahren effektiven Rechtsschutz gewährleistet und rechtsstaatlichen Mindeststandards entspricht. Bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsverfahren und der Wirksamkeit von [X.]n ist der Gewährleistungsgehalt des allgemeinen [X.]s aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] zu berücksichtigen.

Die hiernach gebotenen Mindestanforderungen an die Ausgestaltung des von der konkreten [X.] erfassten schiedsrichterlichen Verfahrens können dabei nicht ohne Ansehung der tatsächlichen Wahlfreiheit des der [X.] Unterworfenen beurteilt werden, wie sie der [X.]shof auch im Rahmen des § 19 GWB a.F. zu berücksichtigen hatte. Hat einer der beiden Vertragspartner ein solches Gewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, ist es Aufgabe des Rechts, auf die Wahrung der [X.] beider Vertragspartner hinzuwirken, um zu verhindern, dass sich für einen Vertragsteil die Selbstbestimmung in eine Fremdbestimmung verkehrt (vgl. [X.]E 81, 242 <255>; 89, 214 <232>; 103, 89 <100 f.>; 114, 1 <34>). Kollidierende [X.] sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. [X.]E 134, 204 <223 Rn. 68> - Übersetzungsvergütung; 148, 267 <280 Rn. 32> - Stadionverbot; stRspr).

(2) Indem der [X.]shof nicht berücksichtigt hat, dass die Statuten des [X.] - wie die Beschwerdeführerin in den Instanzen und im Revisionsverfahren ausdrücklich geltend gemacht hatte - keinen Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung vorsahen, die die Beschwerdeführerin bereits im vorangegangenen Schiedsverfahren erfolglos beantragt hatte, und damit die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 [X.] in ihrer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung des [X.] verkannt hat, hat er in der Folge auch den Gewährleistungsgehalt des [X.] der Beschwerdeführerin nicht mit dessen vollem Gewicht in die Abwägung eingestellt.

(a) Der [X.]shof hat in der angegriffenen Entscheidung im Rahmen der Interessenabwägung zwar berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin zur Ausübung ihres Berufs darauf angewiesen war, die vorgegebene Wettkampfmeldung zu unterzeichnen, und unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des [X.] ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2010 - [X.], Nr. 1643/06 -, Rn. 48) angenommen, dass das Schiedsverfahren entsprechend den Garantien in Art. 6 Abs. 1 [X.] ausgestaltet sein müsse, aber diese Voraussetzungen für das streitgegenständliche Schiedsverfahren bejaht. Der [X.] hat in der von der Beschwerdeführerin gegen den Schiedsspruch und die Entscheidungen des [X.] [X.]s angestrengten Verfahren ([X.], 3. Sektion, (…), Urteil vom 2. Oktober 2018, Nr. 40575/10 und 67474/10, §§ 113 ff.) in der Folge hingegen ausgesprochen, dass das Verfahren des [X.] die Beschwerdeführerin in Art. 6 Abs. 1 [X.] mangels öffentlicher Verhandlung verletzte.

(b) Der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips und geht in seiner Bedeutung damit über einzelne Verfahrensregelungen weit hinaus. Auch entspricht er dem allgemeinen Öffentlichkeitsprinzip der Demokratie. Die Gerichtsöffentlichkeit sollte in Gestalt einer Verfahrensgarantie dem Schutz der an der Verhandlung Beteiligten gegen eine der öffentlichen Kontrolle entzogene Geheimjustiz dienen. Ist durch die normative Ausgestaltung des Verfahrens ein gleichwertig effektiver, rechtsstaatlichen Mindeststandards entsprechender Rechtsschutz zu gewährleisten, ist daher zu beachten, dass Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips auch der Grundsatz der Öffentlichkeit mündlicher Verhandlungen ist, der in Art. 6 Abs. 1 [X.] ergänzend normiert ist (vgl. [X.]E 103, 44 <63 f.>). Die rechtsstaatliche Komponente der Gerichtsöffentlichkeit zielt darauf, die Einhaltung des formellen und materiellen Rechts zu gewährleisten. Dies soll zur Gewährleistung von [X.] im Sinne einer Verfahrensgarantie der Beteiligten beitragen ([X.]E 103, 44 <63 f.>). Dabei kann die Öffentlichkeit aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls auch dort ganz oder teilweise ausgeschlossen werden, wo sie nach der Verfassung grundsätzlich geboten ist. Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt insbesondere noch nichts zu den Modalitäten, unter denen die Öffentlichkeit zugelassen wird ([X.]E 103, 44 <63> m.w.N.).

(c) Das entspricht auch den Gewährleistungen aus Art. 6 Abs. 1 [X.]. Die [X.] steht in der [X.]n Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. [X.]E 151, 1 <26 Rn. 61> m.w.N., stRspr). Im Rahmen der Heranziehung der [X.] als Auslegungshilfe berücksichtigt das [X.] allerdings Entscheidungen des [X.], und zwar auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der jedenfalls faktischen Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des [X.] für die Auslegung der [X.] auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt (vgl. [X.]E 111, 307 <320>; 128, 326 <368>; 148, 296 <351 f. Rn. 129>). Die innerstaatlichen Wirkungen der Entscheidungen des [X.] erschöpfen sich daher nicht in einer auf den konkreten Lebenssachverhalt begrenzten Berücksichtigungspflicht (vgl. [X.]E 111, 307 <328>; 112, 1 <25 f.>; 148, 296 <351 f. Rn. 129>). Die Heranziehung der Rechtsprechung des [X.] als Auslegungshilfe auf [X.] des Verfassungsrechts über den Einzelfall hinaus dient dazu, den Garantien der [X.] in der [X.] möglichst umfassend Geltung zu verschaffen, und kann darüber hinaus helfen, Verurteilungen der [X.] zu vermeiden (vgl. [X.]E 128, 326 <369>; 148, 296 <352 f. Rn. 130>).

Zu Art. 19 Abs. 4 [X.] hat das [X.] bereits entschieden, dass sich dessen Maßstab mit den Anforderungen aus Art. 6 Abs. 1 [X.] und der Rechtsprechung des [X.] deckt (vgl. [X.]E 149, 346 <364 Rn. 38 ff.> - Europäische Schulen). Im rechtsstaatlichen Kerngehalt unterscheiden sich der allgemeine [X.] und die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 [X.] als dessen Spezialregelung nicht. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Anwendungsbereiche (vgl. [X.]E 107, 395 <403> (Plenum); 116, 135 <150>). Der allgemeine [X.] ist in Verbindung mit den Grundrechten Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips (vgl. [X.]E 85, 337 <345>; 93, 99 <107>; 97, 169 <185>; 107, 395 <401>).

(d) In der Rechtsprechung des [X.] ist zwar anerkannt, dass Art. 6 Abs. 1 [X.] nicht in allen Fällen eine öffentliche Verhandlung voraussetzt (vgl. [X.], 3. Sektion, (…), Urteil vom 2. Oktober 2018, Nr. 40575/10 und 67474/10, §§ 176 ff. m.w.N.) und auf eine öffentliche Verhandlung verzichtet werden kann ([X.], a.a.[X.], § 180 m.w.N.). Daher können freiwillige Schiedsverfahren regelmäßig auch nicht-öffentliche Verhandlungen vorsehen (vgl. [X.], a.a.[X.], § 95 m.w.N.).

Die Voraussetzungen, unter denen von einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden kann, lagen im Streitfall nach der Entscheidung des [X.] indes nicht vor. Auch der [X.]shof hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass die Beschwerdeführerin zur Ausübung ihres Berufs darauf angewiesen war, die vorgegebene Wettkampfmeldung zu unterzeichnen, und dass die normative Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen Verfahrens daher einer Berücksichtigung der Garantien des Art. 6 [X.] bedurfte. Diese Maßgaben entsprechen auch den dargestellten Mindestanforderungen, die der [X.] an die normative Ausgestaltung des Schiedsverfahrens stellt.

(e) Bei dem Verstoß gegen den rechtsstaatlich zwingend zu beachtenden [X.] handelt es sich auch nicht nur um einen Verstoß gegen eine bloße Verfahrensklausel. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob im Verfahren der Beschwerdeführerin konkret eine öffentliche Verhandlung geboten ist oder von einer solchen nach Maßgabe der Rechtsprechung des [X.] abgesehen werden könnte. Maßgeblich ist, dass die durch die Schiedsgerichtsvereinbarung in Bezug genommenen Statuten des [X.] einen Anspruch auf eine öffentliche Verhandlung auch für solche Fälle nicht vorsahen, in denen eine öffentliche Verhandlung nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 [X.] zwingend geboten ist. Damit genügt die für die Wirksamkeit der hier gegenständlichen Schiedsvereinbarung maßgebliche normative Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen Verfahrens insgesamt weder den Garantien des Art. 6 Abs. 1 [X.] noch den insoweit korrespondierenden Anforderungen des [X.]s des Betroffenen.

(f) Nichts anderes ergibt sich mit Blick auf Art. 13.2.1 [X.], nach dem Streitfälle betreffend internationale Athleten ausschließlich vor den [X.] gebracht werden sollen. Auch dies setzt hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit des Schiedsspruchs eine die Garantien des Art. 6 [X.] gewährleistende normative Ausgestaltung des schiedsgerichtlichen Verfahrens voraus.

bb) Der [X.]shof hat selbst in Übereinstimmung mit dem [X.] darauf hingewiesen, dass bei einem Verstoß der Schiedsvereinbarung gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot aus § 19 GWB die Schiedsvereinbarung gemäß § 134 BGB nichtig wäre ([X.], Urteil vom 7. Juni 2016 - [X.] - , Rn. 46). Dies gilt erst recht bei einem Verstoß gegen [X.] wie die Gewährleistung der Öffentlichkeit des Verfahrens, wenn kein zwingender Grund des Gemeinwohls entgegensteht. Ein solcher ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Danach konnte die Einrede der Schiedsgerichtsbarkeit der Beschwerdeführerin gemäß § 1025 Abs. 2 ZPO nicht entgegengehalten werden. Ob die heutige veränderte Verfahrensordnung diesen Grundsatz gewährleistet, braucht hier nicht entschieden zu werden.

5. Die angegriffene Revisionsentscheidung des [X.] beruht auf dem aufgezeigten verfassungsrechtlichen Fehler. Sie ist daher gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 [X.] aufzuheben und die Sache an das [X.] zur Fortsetzung des Verfahrens zurückzuverweisen. Darin werden dann unter anderem auch die von der Äußerungsberechtigten angesprochenen Fragen der Kausalität zu klären sein. Die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird damit gegenstandslos.

6. Auf die weitere Frage, ob ein strukturelles Übergewicht der Verbände insbesondere bei der Benennung der "neutralen" dritten [X.] ebenfalls gegen den Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 [X.] verstößt, der insoweit über die Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 [X.] in der Auslegung durch den [X.] hinausgehen kann (Art. 53 [X.]; vgl. dazu [X.]E 128, 326 <371> - Sicherungsverwahrung II; 148, 296 <355 Rn. 134> - Streikverbot für Beamte), kommt es angesichts der Nichtigkeit der Schiedsvereinbarung wegen mangelnder Öffentlichkeit nicht mehr an. Es gehört jedoch zum Wesen der richterlichen Tätigkeit, dass sie von einem nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird; dies erfordert Neutralität und Distanz gegenüber allen Verfahrensbeteiligten. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 [X.] gewährleistet, dass der Einzelne im konkreten Fall vor [X.] steht, der diese Voraussetzungen erfüllt (vgl. [X.]E 3, 377 <381>; 4, 331 <346>; 14, 56 <69>; 21, 139 <145 f.>; 82, 286 <298>; 89, 28 <36>; 148, 69 <96 Rn. 69>). Diese Grundsätze sind auch bei der Ausgestaltung eines nationalen oder internationalen Schiedsverfahrens zu gewährleisten, das den rechtsstaatlichen Mindestanforderungen gerecht werden muss, um den Rechtsschutz vor den ordentlichen nationalen Gerichten ausschließen oder einschränken zu können.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2103/16

03.06.2022

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 12. Juli 2016, Az: KZR 6/15, Beschluss

Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, Art 6 Abs 1 MRK, § 1025 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 03.06.2022, Az. 1 BvR 2103/16 (REWIS RS 2022, 3072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3072 NJW 2022, 2650 REWIS RS 2022, 3072 MDR 2022, 1232-1233 REWIS RS 2022, 3072

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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