Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2014, Az. I ZB 34/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5300

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Gegenstand

Zulassungsfreie Rechtsbeschwerde im Markenlöschungsverfahren: Beanstandung unterbliebener Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Bundespatentgerichts als Willkürentscheidung und/oder Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör - S-Bahn


Leitsatz

S-Bahn

1. Mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG kann nicht geltend gemacht werden, eine Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Bundespatentgericht sei entgegen § 83 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 MarkenG willkürlich unterblieben.

2. In einer unterbliebenen Zulassung der Rechtsbeschwerde kann allerdings eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit ein Verfahrensmangel im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG liegen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den am 14. März 2012 an [X.] zugestellten Beschluss des 26. Senats ([X.]) wird auf Kosten der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 500.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Antragsteller, ein kommunaler Zweckverband, hat die Löschung der am 20. August 2002 für die Markeninhaberin, die [X.], eingetragenen Wortmarke

[X.]

beantragt. Die Marke ist eingetragen für zahlreiche Waren der Klassen 16, 25 und 28 sowie für die Dienstleistungen

Klasse 39

Transportwesen; Beförderung von Personen und Gütern mit Schienenbahnen, Kraftfahrzeugen, Luftfahrzeugen und Schiffen; Beförderung von Personen mit Schienenbahnen im Stadtschnellbahnzug-System; Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Schienenfahrzeugsystems, nämlich [X.], Gepäckaufbewahrung, Vermittlung der Beförderung von Personen und Gütern mit Schienenbahnen, Kraftfahrzeugen und Schiffen, Vermittlung von Parkplätzen und [X.], Erteilung von Fahrplan- und Verkehrsauskünften, auch mit Hilfe elektronischer Einrichtungen, Platzreservierung, Veranstaltung und Vermietung von touristischen Dienstleistungen im Reiseverkehr, insbesondere Veranstaltung und Vermittlung von Jugend-, Freizeit-, Informations- und Bildungsreisen zu Wasser, zu Lande und in der Luft; Veranstaltung und Vermittlung von Schienenreisen einschließlich Reisebegleitung; Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Planung, Buchung und Veranstaltung von Reisen; elektronische Sendungsverfolgung; Betreiben einer Schienenbahninfrastruktur, nämlich Steuerung von Verkehrsleit-, Betriebsleit- und Sicherheitssystemen einer Schienenbahninfrastruktur, soweit in Klasse 39 enthalten; Reisebegleitung, Vermittlung von Plätzen in Zügen, Bussen und Schiffen, auch für Kraftfahrzeuge; Vermittlung von Parkplätzen und [X.], auch mit Hilfe elektronischer Einrichtungen; [X.]; [X.]; Vermietung von Schienenwegen, Touristik- und Stadtinformationen.

2

[X.] hat die Löschung der Marke angeordnet.

3

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin hat das [X.] den Beschluss des [X.] aufgehoben und den Löschungsantrag zurückgewiesen, soweit die Löschung der Marke für die Waren "Klasse 16: Papier und Pappe (Karton), Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Globen und [X.]; Klasse 28: Tennisschläger, Rollschuhe, Schlittschuhe" angeordnet worden ist; das weitergehende Rechtsmittel hat es zurückgewiesen ([X.], Beschluss vom 14. März 2012 - 26 W (pat) 21/11, juris). Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung des Anspruchs auf [X.] sowie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt und geltend macht, der angefochtene Beschluss sei nicht mit Gründen versehen.

4

II. Das [X.] hat angenommen, dass die Voraussetzungen für die Löschung der Marke nach § 50 Abs. 1 und 2 [X.] mit Ausnahme einiger Waren der Klassen 16 und 28 vorlägen. Die Marke sei für die Waren und Dienstleistungen, für die die Löschung anzuordnen sei, nicht unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Dieses Eintragungshindernis sei auch nicht durch Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 [X.] überwunden.

5

III. [X.] hat keinen Erfolg.

6

1. Die [X.] der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. [X.] beruft sich auf einen Verfahrensmangel nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.], eine Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.]) sowie fehlende Beschlussgründe (§ 83 Abs. 3 Nr. 6 [X.]) und hat dies im Einzelnen ausgeführt. Darauf, ob die [X.] durchgreifen, kommt es für die [X.] der Rechtsbeschwerde nicht an (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 27. Oktober 2011 - [X.], [X.], 429 Rn. 5 = [X.], 555 - Simca).

7

2. [X.] ist unbegründet.

8

a) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde sei nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 [X.] begründet, weil das [X.] die Rechtsbeschwerde zum [X.] nicht zugelassen habe.

9

aa) Mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] kann nicht geltend gemacht werden, eine Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das [X.] sei entgegen § 83 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 [X.] willkürlich unterblieben.

(1) Allerdings kann eine unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs einer [X.] auf [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zur Folge haben. Nach dieser Bestimmung darf niemand [X.] entzogen werden. Der Entzug des gesetzlichen [X.] kann durch eine fehlerhafte Anwendung von Verfahrensvorschriften erfolgen. Dazu rechnen die Vorschriften über die Zulassung eines Rechtsmittels, durch die die Möglichkeit der Anrufung des Rechtsmittelgerichts erst eröffnet wird. Jedoch ist nicht jede fehlerhafte Anwendung oder Nichtbeachtung einer Verfahrensvorschrift des einfachen Rechts über die Rechtsmittelzulassung zugleich eine Verfassungsverletzung. Die Entscheidung eines Gerichts, ein Rechtsmittel nicht zuzulassen, verstößt nur dann gegen die Gewährleistung des gesetzlichen [X.] in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sie willkürlich erfolgt ([X.] 19, 38, 42 f.; 87, 282, 284 f.; [X.], [X.], 381, 382).

Gegen die Entscheidungen der Beschwerdesenate des [X.]s in Markensachen, durch die über eine Beschwerde nach § 66 [X.] entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde außer in den Fällen des § 83 Abs. 3 [X.] nur statt, wenn das [X.] sie zugelassen hat (§ 83 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Da gegen die Entscheidungen des [X.]s eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht eröffnet ist, entscheidet dieses Gericht abschließend darüber, ob eine durch seine Entscheidung beschwerte [X.] Rechtsmittel zum [X.] einlegen kann. Unterlässt es das [X.], die Entscheidung der Nichtzulassung nachvollziehbar zu begründen, obwohl eine Zulassung naheliegt, kommt ein Verstoß gegen [X.] nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG in Betracht (vgl. [X.], [X.], 601 Rn. 19).

(2) Ein Verstoß gegen [X.] wegen unterbliebener Zulassung der Rechtsbeschwerde kann jedoch die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] nicht begründen. Der [X.] hat entschieden, dass die Bestimmung des § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde nur im Fall der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des beschließenden Gerichts eröffnet und mit ihr nicht allgemein ein Verstoß gegen [X.] gerügt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 3. April 2014 - [X.], [X.], 1320 Rn. 15 ff. - Schwarzwälder Schinken).

Durch die Eröffnung der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] soll sichergestellt werden, dass eine Entscheidung durch einen [X.] des [X.]s getroffen wird, der gemäß § 67 Abs. 1 [X.] als Beschwerdesenat eingerichtet ist und dessen Besetzung unter Einhaltung der Regeln des [X.] (§ 21e GVG) und der senatsinternen [X.] (§ 21g GVG) gebildet worden ist. Erfasst wird hiervon die Mitwirkung eines [X.], der nicht hätte mitwirken dürfen, oder die unterbliebene Mitwirkung eines [X.], der hätte mitwirken müssen. Gegenstand der Rüge des § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] ist damit die personelle Zusammensetzung der Richterbank ([X.], [X.], 1320 Rn. 17 ff. - Schwarzwälder Schinken). Deshalb kann mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 3 Nr. 1 [X.] weder ein Verstoß gegen die Pflicht zur Vorlage an den [X.] nach Art. 267 AEUV noch die unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde zum [X.] gerügt werden.

bb) Eine unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde kann jedoch gemäß § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnen. Dies setzt voraus, dass die Rechtsbeschwerde erfolgreich rügt, das [X.] habe unter Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör entscheidungserhebliches Vorbringen des Beschwerdeführers übergangen, mit dem dieser geltend gemacht habe, der Streitfall erfordere eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 [X.]. [X.] ferner vor, wenn das [X.] die Zulassung der Rechtsbeschwerde unterlässt, sofern ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen - damit nach dem bisherigen Verfahrensablauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. [X.], [X.], 1320 Rn. 19 - Schwarzwälder Schinken).

Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs liegt allerdings nicht schon allein darin, dass sich aus einer Entscheidung nicht ersehen lässt, von welchen Erwägungen sich das [X.] bei der Entscheidung hat leiten lassen, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen. Die Entscheidung des [X.]s, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, ist fachgerichtlich nicht überprüfbar und unterliegt damit keinem verfassungsrechtlichen Begründungszwang ([X.] 50, 287, 289 f., [X.], Beschluss vom 11. Februar 2008 - 1 BvR 2702/07, juris Rn. 5). Das [X.] muss deshalb im Regelfall eine unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde nur begründen, wenn ein Verfahrensbeteiligter einen entsprechenden Zulassungsgrund geltend gemacht hat (vgl. [X.], [X.], 601 Rn. 28).

Nach diesen Maßstäben liegt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht vor.

cc) Die Markeninhaberin hat die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Beantwortung der Frage angeregt, ob im Rahmen eines Markenlöschungsverfahrens bei der Frage der originären Schutzfähigkeit eines Zeichens das durch Benutzung geprägte [X.] und sein Beleg in Form von Verkehrsgutachten zu berücksichtigen seien, wenn das Zeichen zur [X.] der Eintragung bereits im Verkehr benutzt worden sei. Weiter hatte sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der Frage für erforderlich gehalten, ob im Rahmen der Feststellung des zu einer Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 [X.] erforderlichen [X.] die durch Benutzung geprägte Verkehrsauffassung maßgeblich sei und auf welchen [X.]punkt es hierzu ankomme. Hiermit hat sich das [X.] in der angegriffenen Entscheidung auseinandergesetzt und begründet, warum diese Fragen seiner Auffassung nach die Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht erfordern.

dd) [X.] kann jedoch darin liegen, dass der Markeninhaberin aufgrund der Verfahrensgestaltung durch das [X.] die Gelegenheit genommen worden ist, zu einem weiteren die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigenden Grund vorzutragen.

(1) Das [X.] hat angenommen, die Bezeichnung "[X.]" habe sich nicht im Verkehr im Sinne von § 8 Abs. 3 [X.] durchgesetzt. Es handele sich um eine glatt beschreibende Sachangabe. Erforderlich sei deshalb eine nahezu einhellige Verkehrsdurchsetzung. Die beteiligten Verkehrskreise im Sinne des § 8 Abs. 3 [X.] seien nicht nur die Nutzer und potentiellen Nutzer von Nahverkehrszügen, sondern alle Verkehrsteilnehmer mit Ausnahme derjenigen Verkehrskreise, die eine Benutzung des Transportmittels "[X.]" kategorisch ablehnten. Eine einhellige Verkehrsdurchsetzung sei nach den Ergebnissen der vorgelegten Verkehrsgutachten nicht erreicht. Der nach dem Gutachten von [X.] vom Oktober 2009 ermittelte [X.] betrage lediglich 48% der Bevölkerung. Von diesem sei unter Berücksichtigung der Fehlertoleranz ein Abzug von 3,3% vorzunehmen. Dieser um die Fehlertoleranz verringerte Wert liege deutlich unter 50%.

(2) [X.] trägt vor, das [X.] habe in der mündlichen Verhandlung der Markeninhaberin eine Zulassung der Rechtsbeschwerde in Aussicht gestellt. Dies habe die Markeninhaberin von weiterem Vortrag dazu abgehalten, dass die Rechtsbeschwerde auch im Hinblick auf die Frage der Berücksichtigung der Fehlertoleranz bei Meinungsforschungsgutachten zuzulassen sei. Entgegen der Ankündigung des [X.] beim [X.] sei die Zulassung der Rechtsbeschwerde unterblieben. Die Markeninhaberin habe deshalb erst im Rechtsbeschwerdeverfahren Anlass gehabt, zu diesem Gesichtspunkt und seiner Entscheidungserheblichkeit vorzutragen.

(3) Dieses Vorbringen der Rechtsbeschwerde würde, wenn es zuträfe, einen Gehörsverstoß begründen. Hat ein Gericht in der mündlichen Verhandlung eine Entscheidung als sicher dargestellt und dadurch einem Verfahrensbeteiligten von weiterem Vortrag oder weiteren Erklärungen abgehalten, begründet dies einen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Ein Gericht, das von Hinweisen an die [X.] zur Sach- und Rechtslage oder zum weiteren Verfahrensgang wieder abrücken will, muss den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme geben ([X.], Beschluss vom 3. Juli 2003 - [X.] 36/00, [X.], 901 Rn. 15 = [X.], 1233 - [X.]). Dasselbe gilt, wenn ein gerichtlicher Hinweis nicht hinreichend klar erkennen lässt, dass er nicht allgemein, sondern nur bei Vorliegen weiterer besonderer Voraussetzungen gelten soll ([X.], Beschluss vom 9. September 2010 - [X.] 81/09, [X.], 654 Rn. 15 f. = WRP 2011, 753 - Yoghurt-Gums).

(4) Die von der Rechtsbeschwerde angeführten Gründe hätten für das [X.] Veranlassung sein müssen, die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch unter diesem Gesichtspunkt zu erwägen. Im Verfahren stellten sich Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Die Frage, ob bei dem Ergebnis eines Meinungsforschungsgutachtens zum Beleg einer Verkehrsdurchsetzung nach § 8 Abs. 3 [X.] die Fehlertoleranz zu berücksichtigen ist, hatte zum [X.]punkt der Entscheidung des [X.]s Anfang 2012 grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 83 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Sie stellte sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen sowohl im [X.] als auch im hier in Rede stehenden Löschungsverfahren. Das [X.] hat unter Berufung auf seine neue Entscheidungspraxis ([X.], [X.], 324, 329 - Kinder; [X.], Beschluss vom 19. Juli 2006 - 32 W (pat) 217/04, juris Rn. 24 - [X.]; [X.], [X.], 593, 596 - Ristorante; GRUR 2008, 420, 428 - ROCHER-Kugel) von dem sich aus dem Meinungsforschungsgutachten ergebenden [X.] die Fehlertoleranz abgezogen. Die Frage, ob die Fehlertoleranz - vorliegend in Höhe von 3,3% - abzuziehen ist, ist in der Literatur umstritten (für das Eintragungsverfahren bejahend v. Gamm in Büscher/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 8 [X.] Rn. 57; ebenfalls - vorsichtig - bejahend [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 8 Rn. 567; ablehnend [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 8 Rn. 351; [X.], [X.] 2011, 51, 54). Die Frage war höchstrichterlich nicht geklärt. Der [X.] hatte sie im [X.] an die vorstehend wiedergegebene jüngere Rechtsprechung des [X.]s zunächst ausdrücklich offengelassen ([X.], Beschluss vom 2. April 2009 - [X.] 94/06, [X.], 954 Rn. 37 = [X.], 1250 - Kinder III; Beschluss vom 9. Juli 2009 - [X.] 88/07, [X.], 138 Rn. 56 = [X.], 260 - ROCHER-Kugel). Dass der [X.] nach dem angefochtenen Beschluss entschieden hat, bei Verkehrsgutachten seien im [X.] und im Löschungsverfahren Fehlertoleranzen weder durch Zuschläge noch durch Abschläge zu berücksichtigen, wenn den Gutachten eine ausreichend große Stichprobe zugrunde liegt (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2013 - [X.] 65/12, [X.], 483 Rn. 38 = [X.], 438 - test), ändert an dieser Beurteilung nichts. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 83 Abs. 2 [X.] vorliegen, ist auf den [X.]punkt der Entscheidung des [X.]s abzustellen.

Die Frage, ob die Fehlertoleranz zu berücksichtigen ist und ob dies im Löschungsverfahren zugunsten des Markeninhabers zu geschehen hat, ist auch entscheidungserheblich. Der angefochtenen Entscheidung ist nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass das [X.] unabhängig von einer Berücksichtigung der Fehlertoleranz in jedem Fall den durch das Meinungsforschungsgutachten von [X.] ermittelten [X.] von 48% im allgemeinen Publikum für eine Verkehrsdurchsetzung als nicht ausreichend angesehen hat.

(5) Ein Verstoß gegen den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör durch die Verfahrensgestaltung des [X.]s liegt jedoch nicht vor. Dass eines der Mitglieder des [X.]s des [X.]s während der mündlichen Verhandlung erklärt hätte, die Rechtsbeschwerde werde zugelassen werden, hat sich nicht feststellen lassen.

Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2012 ergibt sich eine solche Erklärung nicht. Daraus ist lediglich ersichtlich, dass die anwaltlichen Vertreter der Markeninhaberin die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt haben. Das Schweigen des Protokolls bedeutet für sich allein jedoch nicht, dass die von der Rechtsbeschwerde dargelegte Äußerung des Vorsitzenden des Beschwerdesenates beim [X.] nicht gefallen wäre. Für derartige Erklärungen des Gerichts gilt die Beweiswirkung des Protokolls gemäß § 165 ZPO nicht. Dass ein Vorgang allein durch das Protokoll bewiesen werden kann, ist danach die Ausnahme und gilt lediglich für die Beachtung der "für die mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten", zu denen Äußerungen zur Notwendigkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht gehören (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juli 2007 - XI[X.] 14/07, NJW-RR 2007, 1451 Rn. 6). Der Markeninhaberin stand mithin die Möglichkeit offen zu beweisen, dass ihr Vortrag zum Hergang der mündlichen Verhandlung und zur Erörterung der Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde zutreffend ist. Diesen Beweis hat sie jedoch nicht führen können.

Zwar soll sich nach den anwaltlichen Versicherungen der Vertreter der Markeninhaberin der Vorsitzende des zuständigen [X.]s beim [X.] ganz zu Beginn der mündlichen Verhandlung entsprechend geäußert haben. Dem Inhalt dieser anwaltlichen Versicherungen stehen jedoch der Inhalt der auf Veranlassung des [X.]s eingeholten dienstlichen Stellungnahmen des Vorsitzenden und der eines weiteren an der angefochtenen Entscheidung beteiligten [X.] entgegen. Der Vorsitzende hat sich dahingehend erklärt, dass er eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht in Aussicht gestellt habe. Einer [X.] hat angegeben, die Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde sei erörtert worden, es sei lediglich zu erkennen gegeben worden, dass der [X.] die Frage der Notwendigkeit einer Zulassung der Rechtsbeschwerde (nochmals) prüfen werde; an eine Zusicherung der Zulassung der Rechtsbeschwerde könne er sich nicht erinnern. Die dritte beteiligte Richterin konnte sich zwar an den Sach- und Streitstand des Verfahrens erinnern, hatte jedoch keine Erinnerungen an Äußerungen des Vorsitzenden [X.] zur Frage der Zulassung der Rechtsbeschwerde. Auch die anwaltliche Versicherung der Vertreterin der Antragstellerin des [X.] bestätigt den Vortrag der Markeninhaberin zu Äußerungen des Vorsitzenden des Beschwerdesenates des [X.]s nicht. Im Gegenteil wird darin eine entsprechende Äußerung ausdrücklich in Abrede gestellt.

Bei einer solchen Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde in Aussicht gestellt worden ist. Damit scheidet ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus.

b) Da das [X.] die von der Markeninhaberin zur Zulassung der Rechtsbeschwerde vorgetragenen Gründe beschieden und die Markeninhaberin auch nicht in einer ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzenden Weise am Vortrag zu weiteren Zulassungsgründen gehindert worden ist, liegt auch kein Begründungsmangel im Sinne von § 83 Abs. 3 Nr. 6 [X.] vor, der der Rechtsbeschwerde zum Erfolg verhelfen könnte.

c) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, das [X.] habe den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es dem [X.] nicht die Frage vorgelegt habe, ob bei glatt beschreibenden Begriffen eine höhere Verkehrsdurchsetzung gefordert werden könne.

Dazu bedurfte es keiner Vorlage an den [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Oktober 2008 - [X.] 48/07, [X.], 669 Rn. 25 = [X.], 815 - [X.]; Beschluss vom 9. Juli 2009 - [X.] 88/07, [X.], 138 Rn. 41 = [X.], 260 - ROCHER-Kugel). Erst recht bestehen keine Anhaltspunkte, dass das [X.] die Vorlagepflicht willkürlich verletzt hat.

d) [X.] dringt auch nicht mit der Rüge durch, das [X.] habe unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es bei der Bezeichnung "[X.]" von einer glatt beschreibenden Angabe ausgegangen sei. Es habe den gegenteiligen Vortrag der Markeninhaberin ausgeblendet.

Das trifft nicht zu. Das [X.] hat diesen Vortrag zur Kenntnis genommen. Es hat ihn im Rahmen der tatbestandlichen Ausführungen im angefochtenen Beschluss wiedergegeben. Es ist nur zu einem anderen Ergebnis gelangt. Dieses hat es in der angefochtenen Entscheidung im Einzelnen begründet und ausgeführt, dass der Verkehr "[X.]" als Kurzbezeichnung einer Schnellbahn oder [X.] auffasst, die elektrisch betrieben wird, auf Schienen läuft und dem Personenverkehr in Großstädten und Stadtregionen dient. Ob diese Würdigung die Annahme eines glatt beschreibenden Begriffs rechtfertigt, wie ihn der [X.] etwa in der Angabe "Post" für die Dienstleistungen gesehen hat, für die die Marke eingetragen war (vgl. [X.], [X.], 669 Rn. 25 - [X.]), ist im Verfahren der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht zu entscheiden.

IV. [X.] beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Büscher                    Schaffert                         Koch

               [X.]

Meta

I ZB 34/12

22.05.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 14. März 2012, Az: 26 W (pat) 21/11, Beschluss

§ 83 Abs 1 S 1 MarkenG, § 83 Abs 2 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 1 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 3 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 6 MarkenG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.05.2014, Az. I ZB 34/12 (REWIS RS 2014, 5300)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5300


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 34/12

Bundesgerichtshof, I ZB 34/12, 22.05.2014.


Az. 26 W (pat) 21/11

Bundespatentgericht, 26 W (pat) 21/11, 14.03.2012.


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