Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1378

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Gegenstand

Urheberrechtsverletzung im Internet: Grenzen der Aufsichtspflicht von Eltern eines 13-jährigen Kindes hinsichtlich des Verbots der Teilnahme an Internet-Tauschbörsen - Morpheus


Leitsatz

Morpheus

Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 23. März 2012 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 28. Zivilkammer des [X.] vom 30. März 2011 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Klägerin zu 1 22%, die Klägerin zu 2 37%, die Klägerin zu 3 22% und die Klägerin zu 4 19% zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerinnen jeweils selbst.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die vier Klägerinnen gehören zu den größten [X.] Tonträgerherstellern. Sie sind jeweils Inhaber ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte der Tonträgerhersteller und ausübenden Künstler an zahlreichen auf Tonträgern aufgenommenen Darbietungen von Musikwerken.

2

Am 28. Januar 2007 wurden nach den Ermittlungen eines von den Klägerinnen beauftragten Unternehmens in einer Internettauschbörse unter einer bestimmten IP-Adresse 1147 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen angeboten. Die Klägerinnen stellten Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten der Staatsanwaltschaft die IP-Adresse mit. Nach der im Ermittlungsverfahren eingeholten Auskunft des Internetproviders war die IP-Adresse zur fraglichen [X.] dem Internetanschluss der Beklagten zugewiesen.

3

Bei den Beklagten handelt es sich um ein Ehepaar. Sie hatten den Internetanschluss auch ihren drei Kindern, die damals in ihrem Haushalt lebten und 13, 15 und 19 Jahre alt waren, zur Verfügung gestellt. Ihrem jüngsten Kind hatten sie zu dessen 12. Geburtstag den gebrauchten [X.] des Beklagten zu 1 überlassen.

4

Bei einer vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung der Wohnung der Beklagten wurde am 22. August 2007 der [X.] des 13-jährigen [X.] der Beklagten beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die Tauschbörsenprogramme „[X.]“ und „[X.]“ installiert. Auf dem Desktop des [X.] waren das Symbol des Programms „[X.]“ sowie die Ordner „[X.]“ und „[X.]“ zu sehen. In den Ordnern waren Musikdateien abgelegt. Bei seiner polizeilichen Anhörung gab der [X.] der Beklagten zu Protokoll:

Ich wusste nicht, dass das so schlimm ist. Ich konnte [X.] auch gar nicht vorstellen, erwischt zu werden. Ich werde dies nie mehr tun. Die Sache tut [X.]. Ich dachte auch, ich hätte die Lieder nur runtergeladen. Ich wusste gar nicht, dass ich sie über eine Tauschbörse zur Verfügung stelle.

5

Nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ließen die Klägerinnen die Beklagten durch einen Rechtsanwalt abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Beklagten gaben die Unterlassungserklärung ab. Sie weigerten sich jedoch, Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.

6

Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagten seien wegen einer Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen der Musikstücke entstanden sei. Sie nehmen die Beklagten wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen (drei Aufnahmen der Klägerin zu 1, sieben Aufnahmen der Klägerin zu 2, drei Aufnahmen der Klägerin zu 3 und zwei Aufnahmen der Klägerin zu 4) als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 200 € je Titel (600 € an die Klägerin zu 1, 1.400 € an die Klägerin zu 2, 600 € an die Klägerin zu 3 und 400 € an die Klägerin zu 4), insgesamt also 3.000 €, nebst Zinsen sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € (an die Klägerinnen zu gleichen Teilen) in Anspruch.

7

Das [X.] hat der Klage stattgegeben ([X.], [X.], 687). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (O[X.], [X.], 1007). Die Beklagten verfolgen mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen beantragen, ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

8

A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hafteten den [X.] nach § 832 Abs. 1 BGB für den durch das unbefugte Filesharing ihres minderjährigen [X.] entstandenen Schaden, weil sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt hätten. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten sei nach §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB begründet, weil die Abmahnung berechtigt gewesen sei und Kosten in der verlangten Höhe ausgelöst habe. Zu den Schadensersatzansprüchen hat das Berufungsgericht ausgeführt:

9

Den [X.] stünden die behaupteten Nutzungsrechte an den in Rede stehenden Musiktiteln zu. Der minderjährige [X.] der Beklagten habe die Musiktitel über den [X.]anschluss der Beklagten durch Teilnahme an [X.] öffentlich zugänglich gemacht. Das folge daraus, dass auf seinem [X.] zwei [X.]programme installiert, allein in dem Ordner „[X.]“ 11,2 Gigabyte Audio- und Videodaten abgelegt und auch die in Rede stehenden Titel auf dem [X.] gespeichert worden seien. Zudem ergebe sich dies aus seinen geständnisartigen Äußerungen bei seiner polizeilichen Vernehmung. Die Beklagten hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt. Sie hätten ihrem [X.] die Nutzung des [X.] in ihrer Abwesenheit nur gestatten dürfen, wenn sie hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt und deren Einhaltung kontrolliert hätten. Nach dem Vorbringen der Beklagten liege es zwar nahe, dass sie den zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Vorgabe von Verhaltensregeln nachgekommen seien. Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass sie die von ihnen dargelegten [X.] hinreichend umgesetzt hätten. Die Schadensersatzansprüche seien auch der Höhe nach begründet.

Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob der Beklagte zu 1 darüber hinaus Rechte der [X.] selbst oder mithilfe seines [X.] verletzt habe und daher unmittelbar hafte. Dafür könnte sprechen, dass auf dem [X.] ein eigener Ordner mit der Bezeichnung „[X.]“ angelegt gewesen sei, in dem sich Musiktitel einer Musikrichtung befunden hätten, für die sich 13-jährige in der Regel nicht interessierten.

B. Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

I. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können Schadensersatzansprüche der [X.] gegen die Beklagten nach § 832 Abs. 1 BGB und damit auch Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten nach §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB nicht bejaht werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die Beklagten ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt.

1. Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem [X.] widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nach § 832 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt.

2. Die Beklagten waren kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über ihren damals 13-jährigen und damit minderjährigen [X.] verpflichtet. Eltern haben nach § 1626 Abs. 1 Satz 1 BGB die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst nach § 1626 Abs. 1 Satz 2 BGB die Sorge für die Person des Kindes. Die Personensorge umfasst nach § 1631 Abs. 1 BGB insbesondere die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen.

3. Die Beklagten sind jedoch nicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den ihr [X.] den [X.] - wie diese geltend machen - dadurch widerrechtlich zugefügt hat, dass er die in Rede stehenden Musikaufnahmen in [X.] zum Herunterladen angeboten hat und damit in das den [X.] zustehende Recht des [X.], den Tonträger öffentlich zugänglich zu machen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 [X.]), und das ihnen übertragene Recht der ausübenden Künstler eingegriffen hat, ihre Darbietung öffentlich zugänglich zu machen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Die Beklagten haben entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ihrer Aufsichtspflicht genügt.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den [X.] in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist ([X.], Urteil vom 24. März 2009 - [X.], [X.], 1952 Rn. 8; Urteil vom 24. März 2009 - [X.], [X.], 1954 Rn. 8; Urteil vom 20. März 2012 - [X.], [X.], 2425 Rn. 16 ff., jeweils [X.]). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

b) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hätten ihrem [X.] die Nutzung des [X.] in ihrer Abwesenheit nur gestatten dürfen, wenn sie hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt und deren Einhaltung kontrolliert hätten. Nach dem Vorbringen der Beklagten liege es zwar nahe, dass sie den zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Vorgabe von Verhaltensregeln nachgekommen seien. Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass sie die von ihnen dargelegten [X.] hinreichend umgesetzt hätten. Nach Darstellung der Beklagten seien auf dem [X.] ihres [X.] eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert gewesen, das - seinerseits gesichert durch ein Administratorpasswort - bezüglich der Installation weiterer Programme auf „keine Zulassung“ gestellt gewesen sei. Da der [X.] der Beklagten die [X.] habe installieren können, könne eine Firewall aber nicht sachgerecht installiert gewesen sein. Darüber hinaus habe nach Darstellung der Beklagten der Beklagte zu 1 den [X.] seines [X.] monatlich überprüft. Dass dem Beklagten zu 1 die [X.]programme nicht aufgefallen seien, sei jedoch ein deutliches Indiz dafür, dass er den [X.] seines [X.] nicht ausreichend kontrolliert habe. Bei einer monatlichen Kontrolle der Softwareliste oder des [X.]s hätte der Beklagte zu 1 die von seinem [X.] bereits Anfang Oktober 2006 installierten Programme noch vor dem Bereitstellen der Dateien in [X.] Ende Januar 2007 entdecken müssen. Die Systemsteuerung des Betriebssystems biete eine Übersicht über die auf dem Rechner installierte Software. Zudem seien die Programmsymbole der [X.]programme auf dem [X.] zu sehen gewesen.

c) Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen überspannt, die an das Maß der gebotenen Aufsicht zu stellen waren.

aa) Zu der Frage, inwieweit Eltern verpflichtet sind, ihr minderjähriges Kind bei der [X.]nutzung zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind und insbesondere eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an [X.] zu verhindern, werden im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten:

Nach einer Auffassung - die auch vom Berufungsgericht vertreten wird - genügt es nicht, wenn Eltern ihr minderjähriges Kind, dem sie einen [X.] und einen [X.]anschluss zur Verfügung stellen, über die mit der [X.]nutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren und ihm eine urheberrechtsverletzende Teilnahme an [X.] untersagen. Vielmehr sind Eltern nach dieser Ansicht darüber hinaus verpflichtet, die Installation und Nutzung von [X.] durch das Kind mittels technischer Maßnahmen - wie etwa der Installation von Firewalls oder der Einrichtung von individuellen Benutzerkonten mit beschränkten Nutzungsbefugnissen - zu verhindern. Eltern sind nach dieser Ansicht ferner verpflichtet, das Kind bei der Nutzung des [X.] laufend zu überwachen und den [X.] des Kindes regelmäßig zu überprüfen, selbst wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Kind bei der [X.]nutzung Rechte Dritter verletzt (vgl. [X.], [X.], 173, 174; [X.], [X.], 700; [X.], 131 f.; [X.], 780, 782; [X.], [X.], 619, 621 f.; [X.], [X.] 2011, 698, 699; vgl. auch [X.]/Hühner, [X.], 342, 245; [X.], [X.], 532, 533; [X.], MMR 2012, 391, 392).

Nach anderer Auffassung genügen Eltern, die ihrem minderjährigen Kind ihren [X.]anschluss zur Verfügung stellen, ihrer Aufsichtspflicht grundsätzlich bereits dadurch, dass sie das Kind über die mit der [X.]nutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren, wobei sich Inhalt und Umfang der Belehrung nach Alter und Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes richten. Dagegen sind Eltern nach dieser Auffassung grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind den [X.]zugang teilweise zu versperren, die Nutzung des [X.] durch das Kind ständig zu überwachen und den [X.] des Kindes regelmäßig zu überprüfen. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern vielmehr erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des [X.]anschlusses durch das Kind haben (vgl. [X.], [X.], 73, 74; [X.], [X.], 267, 268; [X.] 2007, 252, 254 f.; [X.], 459, 460; Grosskopf, [X.] 2007, 122 f.; [X.], K&R 2007, 371, 373; [X.]/[X.], [X.], 533, 549; [X.], [X.], 1022, 1025 f.; [X.], [X.] 2012, 9, 13; [X.], [X.] 2/2007 [X.]. 2; Wenn, [X.] 5/2008 [X.]. 2; [X.], [X.] 16/2008 [X.]. 3; vgl. auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand: 1. August 2012, § 832 Rn. 31a; [X.] in [X.], 6. Aufl., § 832 Rn. 46; [X.] in [X.], 3. Aufl., [X.]. 3.2 Rn. 81; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Handbuch Urheberrecht und [X.], 2. Aufl., [X.]. 7 Rn. 168).

bb) Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung.

(1) Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorhersehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßnahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss (vgl. [X.], [X.], 1952 Rn. 17; [X.], 1954 Rn. 14, jeweils [X.]).

Danach genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an [X.]tauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des [X.] durch das Kind zu überwachen, den [X.] des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum [X.] (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

(2) Es ist allerdings nicht zu bestreiten, dass erfahrungsgemäß Kinder und Jugendliche aus pädagogischen Gründen auferlegte Verbote gelegentlich übertreten (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2007 - [X.], [X.]Z 173, 188 Rn. 26 - Jugendgefährdende Medien bei [X.]). Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung aber keine Verpflichtung der Eltern, ohne konkreten Anlass regelmäßig zu kontrollieren, ob ihr Kind bei der Nutzung von [X.] und [X.] ihm auferlegte Verbote beachtet.

Eine solche Verpflichtung widerspräche der gesetzlichen Wertung des § 1626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach sollen die Eltern bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. Mit diesem Erziehungsgrundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn Eltern die Nutzung des [X.] durch ihr 13-jähriges Kind ohne konkreten Anlass regelmäßig kontrollieren müssten (vgl. Wenn, [X.] 5/2008 [X.]. 2; [X.], [X.] 16/2008 [X.]. 3; [X.] in [X.], 3. Aufl., [X.]. 3.2 Rn. 81).

(3) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass sich die Zumutbarkeit von [X.] nicht nur nach der Person des Aufsichtsbedürftigen, seiner Eigenart und seinem Charakter, sondern auch nach dem Ausmaß der Gefahr richtet, die außenstehenden [X.] durch das fragliche Verhalten des [X.] droht (vgl. [X.], Urteil vom 27. Februar 1996 - [X.], NJW 1996, 1404, 1405).

Das Ausmaß der Gefahr, die [X.] dadurch droht, dass ein Kind urheberrechtsverletzende [X.] nutzt, ist wesentlich geringer als beispielsweise die Gefahr, der Dritte durch das Fehlverhalten eines Kindes im Straßenverkehr oder beim Umgang mit Feuer ausgesetzt sind. Die massenhafte Nutzung von [X.] beeinträchtigt die urheberrechtlich geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsinhaber zwar auch dann ganz erheblich, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht ([X.], Beschluss vom 19. April 2012 - [X.]/11, [X.], 1026 Rn. 23 = [X.], 1250 - Alles kann besser werden). Daraus folgt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung jedoch keine Verpflichtung von Eltern, die Nutzung des [X.] durch ihre Kinder ohne konkreten Anhaltspunkt für derartige Rechtsverletzungen zu beschränken oder zu überwachen.

cc) Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten ihrer Aufsichtspflicht dadurch genügt, dass sie ihrem [X.] die rechtswidrige Teilnahme an [X.]tauschbörsen nach einer entsprechenden Belehrung verboten haben. Die Beklagten haben vorgetragen, sie hätten mit ihren Kindern immer wieder über das Thema des illegalen Downloads von Musik und Filmen aus dem [X.] diskutiert und ihnen dies ausdrücklich untersagt. Damit sind die Beklagten, wie auch das Berufungsgericht insoweit mit Recht angenommen hat, den an die Vorgabe von Verhaltensregeln zu stellenden Anforderungen nachgekommen. Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Aufklärung des [X.] über die Gefahren des illegalen Filesharing könne nicht so intensiv gewesen sein, wie die Beklagten behaupten; denn dieser habe bei seiner polizeilichen Vernehmung bekundet, er habe gar nicht gewusst, dass er die Lieder nicht nur herunterlade, sondern sie auch über eine [X.] zur Verfügung stelle. Eine besonders intensive Belehrung war indessen im Blick darauf nicht erforderlich, dass es sich beim [X.] der Beklagten um ein normal entwickeltes, einsichtsfähiges und [X.] 13-jähriges Kind handelte. Zu Überwachungsmaßnahmen waren die Beklagten dagegen nicht verpflichtet. Für die Beklagten bestanden keine Anhaltspunkte, dass sich ihr [X.] nicht an das ihm auferlegte Verbot hält. Sie waren daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder verpflichtet, ihren 13-jährigen [X.] etwa durch Installation einer Firewall oder eines Sicherheitsprogramms daran zu hindern, auf seinem [X.] weitere Programme zu installieren, noch verpflichtet, ihn dadurch zu überwachen, dass sie seinen [X.] beispielsweise durch eine monatliche Kontrolle der Softwareliste und des [X.]desktop nach bereits installierten [X.]programmen durchsuchen.

II. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

1. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Beklagte zu 1 die Rechte der [X.] selbst oder mithilfe seines [X.] verletzt hat und daher unmittelbar nach §§ 97, 19a [X.] haftet. Diese Frage ist zu verneinen. Es kann nicht angenommen werden, der Beklagte zu 1 sei für die von den [X.] behaupteten Urheberrechtsverletzungen unmittelbar als Täter oder Teilnehmer verantwortlich.

a) Die [X.] tragen nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte zu 1 Täter oder Teilnehmer der von ihnen behaupteten [X.] ist.

b) Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, [X.]Z 185, 330 Rn. [X.] unseres Lebens). Da die Beklagten Inhaber des [X.]anschlusses sind, über den die Musikstücke nach Darstellung der [X.] in [X.] öffentlich zugänglich gemacht wurden, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie für die von den [X.] behauptete Verletzung ihrer Rechte verantwortlich sind.

c) Diese tatsächliche Vermutung ist im Streitfall jedoch entkräftet, da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der [X.]inhaber den [X.]zugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat. Das Berufungsgericht ist insbesondere aufgrund der Einlassung des [X.] der Beklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung davon ausgegangen, dieser habe den [X.]zugang der Beklagten dazu genutzt, die in Rede stehenden Musiktitel über [X.] öffentlich zugänglich zu machen. Damit ist die tatsächliche Vermutung, die Beklagten hätten die Rechte der [X.] verletzt, erschüttert. Dem steht nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf dem [X.] des [X.] ein eigener Ordner mit der Bezeichnung „[X.]“ angelegt war, in dem sich Musiktitel einer Musikrichtung befanden, für die sich 13-jährige in der Regel nicht interessieren. Dieser Umstand könnte allenfalls ein Indiz für eine Verantwortlichkeit des Beklagten zu 1 sein; er kann aber keine tatsächliche Vermutung seiner Verantwortlichkeit begründen.

d) Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache der [X.] als Anspruchsteller, die für eine Haftung der Beklagten als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Solche Umstände haben die [X.] nicht hinreichend dargelegt. Allein die Tatsache, dass auf dem [X.] des [X.] der Beklagten der soeben beschriebene Ordner mit der Bezeichnung „[X.]“ angelegt war, lässt nicht darauf schließen, der Beklagte zu 1 habe die Rechte der [X.] an den hier in Rede stehenden Musiktiteln selbst oder mithilfe seines [X.] verletzt. Die Musikaufnahmen in diesem Ordner gehören nicht zu den 15 Musikaufnahmen, wegen deren öffentlicher Zugänglichmachung die [X.] die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch nehmen. Es kann auch nicht angenommen werden, der Beklagte zu 1 habe die im Ordner „[X.]“ enthaltenen Musikdateien allein oder zusammen mit seinem [X.] über eine [X.] heruntergeladen und dabei im Gegenzug die hier in Rede stehenden Musiktitel in der [X.] öffentlich zugänglich gemacht. Die Revisionserwiderung verweist selbst auf den unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten, der Beklagte zu 1 habe die im Ordner „[X.]“ enthaltene Musik von rechtmäßig erworbenen [X.] zum privaten Gebrauch auf seinen [X.] aufgespielt, ihr [X.] habe diese Musik nachdem ihm der [X.] überlassen worden sei, in dem mit „[X.]“ bezeichneten Ordner abgelegt. Die Revisionserwiderung zeigt auch kein Vorbringen der [X.] auf, aus dem sich der für eine Teilnehmerhaftung des Beklagten zu 1 erforderliche Vorsatz in Bezug auf die Haupttat (vgl. [X.]Z 185, 330 Rn. [X.] unseres Lebens; [X.], Urteil vom 22. Juni 2011 - [X.], [X.], 1018 Rn. 24 = [X.], 1469 - Automobil-Onlinebörse, [X.]), also das öffentliche Zugänglichmachen der hier in Rede stehenden Musikaufnahmen durch seinen [X.], ergeben könnte.

2. Die Beklagten sind den [X.] entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht als Inhaber des [X.]anschlusses unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle zum Schadensersatz und zur Erstattung von Abmahnkosten verpflichtet.

a) Schadensersatzansprüche der [X.] scheiden aus, weil die Beklagten als Inhaber des [X.]anschlusses nicht als Täter oder Teilnehmer einer von ihrem [X.] begangenen Urheberrechtsverletzung haften.

Der Betrieb eines [X.]anschlusses kann unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle keine Haftung des [X.]inhabers für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung begründen. Für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung müssen die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein (vgl. [X.]Z 185, 330 Rn. [X.] unseres Lebens; [X.], [X.], 1018 Rn. 18 - Automobil-Onlinebörse). Im Streitfall müsste das beanstandete Verhalten der Beklagten - also der Betrieb des [X.]anschlusses - den Tatbestand der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a [X.]) der Tonträger (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 [X.]) und Darbietungen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) erfüllen. Dies ist indessen nicht der Fall.

Die Beklagten sind auch nicht Teilnehmer einer von ihrem [X.] begangenen Urheberrechtsverletzung. Ihnen fehlt jedenfalls der dafür erforderliche Vorsatz.

b) Die Beklagten haften als Inhaber des [X.]anschlusses auch nicht als Störer wegen einer von ihrem [X.] begangenen Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung. Auch die von den [X.] geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten sind daher nicht begründet, da die Abmahnung unter keinem Gesichtspunkt berechtigt war.

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch [X.] nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist ([X.]Z 185, 330 Rn. [X.] unseres Lebens, [X.]).

Der Senat hat zwar entschieden, dass nach diesen Grundsätzen der Inhaber eines ungesicherten [X.] als Störer auf Unterlassung haftet, wenn außenstehende Dritte diesen [X.] missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in [X.]tauschbörsen einzustellen (vgl. [X.]Z 185, 330 Rn. [X.] unseres Lebens). Diese Entscheidung ist aber nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar, bei der Eltern den [X.]anschluss ihren Kindern zur Verfügung stellen. Die Prüfpflichten, die Eltern als Inhabern eines [X.]anschlusses obliegen, haben bei einer Überlassung des [X.]anschlusses an ihr minderjähriges Kind denselben Inhalt und Umfang wie ihre Aufsichtspflicht über das Kind hinsichtlich dessen [X.]nutzung (vgl. oben Rn. 22 ff.). Die Beklagten haben diese Prüfpflichten nicht verletzt (vgl. oben Rn. 29).

III. Danach ist auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufzuheben. Auf die Berufung der Beklagten ist das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO.

Bornkamm                          Pokrant                       Büscher

                     Schaffert                         Koch

Meta

I ZR 74/12

15.11.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 23. März 2012, Az: I-6 U 67/11, Urteil

§ 832 Abs 1 BGB, § 19a UrhG, § 78 Abs 1 Nr 1 UrhG, § 85 Abs 1 S 1 UrhG, § 97 UrhG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12 (REWIS RS 2012, 1378)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1378

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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