Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1329

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I
ZR
74/12
Verkündet am:
15.
November 2012
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Morpheus
BGB § 832 Abs. 1; [X.] § 97
Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an [X.]tauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Ver-pflichtung der Eltern, die Nutzung des [X.] durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum [X.] (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maß-nahmen sind Eltern
erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.
[X.], Urteil vom 15. November 2012 -
I [X.]/12 -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 15. November
2012
durch [X.] und [X.], Prof. Dr. Schaffert und Dr.
Koch

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 23. März 2012 aufgehoben.

Auf die Berufung der [X.] wird das Urteil der 28. Zivilkam-mer des [X.] vom 30. März 2011 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der [X.] haben die Klägerin zu 1
22%, die Klägerin zu 2
37%, die Klägerin zu 3 22% und die Klägerin zu 4 19% zu tragen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Klägerinnen jeweils selbst.
Von Rechts wegen
Tatbestand:

Die vier Klägerinnen gehören
zu den
größten [X.] Tonträgerher-stellern. Sie sind jeweils Inhaber ausschließlicher
urheberrechtlicher
Nutzungs-1

-
3
-
rechte
der Tonträgerhersteller und ausübenden Künstler an zahlreichen
auf Tonträgern aufgenommenen Darbietungen von Musikwerken.

Am 28. Januar
2007 wurden nach den Ermittlungen eines von den Klä-gerinnen beauftragten Unternehmens in einer [X.]tauschbörse unter
einer bestimmten IP-Adresse 1147 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen
angeboten. Die Klägerinnen stellten Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten der Staatsanwaltschaft die IP-Adresse
mit. Nach der im Ermittlungsverfahren eingeholten Auskunft des [X.]providers war die
IP-Adresse zur fraglichen Zeit dem [X.]anschluss der [X.] zugewiesen.

Bei den [X.] handelt es sich um ein Ehepaar. Sie hatten den [X.]anschluss auch ihren
drei Kindern, die damals in ihrem Haushalt lebten und 13, 15 und 19 Jahre alt waren, zur Verfügung gestellt. Ihrem jüngsten Kind hat-ten sie zu dessen
12. Geburtstag den gebrauchten [X.] des [X.] zu 1 überlassen.

Bei einer vom zuständigen Amtsgericht
angeordneten Durchsuchung der Wohnung der [X.] wurde
am 22.
August 2007 der [X.] des 13-jährigen [X.] der [X.] beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die Tausch-börsenprogramme Morpheus

und Bearshare

installiert. Auf dem [X.] des [X.]
waren das
Symbol des Programms Bearshare

sowie
die Ordner My Mu-sic

und [X.] Music

zu sehen. In den Ordnern waren Musikdateien abgelegt. Bei
seiner
polizeilichen Anhörung gab der [X.] der [X.] zu Protokoll:
Ich wusste nicht, dass das so schlimm ist. Ich konnte [X.] auch gar nicht vorstel-len, erwischt zu werden.
Ich werde dies nie mehr tun. Die Sache tut [X.]. Ich dachte auch, ich hätte die Lieder nur runtergeladen. Ich wusste gar nicht, dass ich sie über eine [X.] zur Verfügung stelle.

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-
4
-
Nach Einsichtnahme
in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ließen die Klägerinnen die [X.] durch einen Rechtsanwalt abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die [X.] gaben die Unterlassungserklärung ab. Sie weigerten sich jedoch, Schadenser-satz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, die [X.] seien wegen einer [X.] ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen der Musikstücke ent-standen sei. Sie nehmen die [X.] wegen des öffentlichen Zugänglichma-chens von 15 Musikaufnahmen
(drei
Aufnahmen der Klägerin zu 1, sieben
Auf-nahmen der Klägerin zu 2, drei
Aufnahmen der Klägerin zu 3 und zwei
Aufnah-men der Klägerin zu 4) als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 20

an an die Klägerin an an die Klägerin zu 4), insgesamt [X.] ,
nebst Zinsen sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80

(an die Klägerinnen zu gleichen Teilen) in Anspruch.

Das [X.] hat der Klage stattgegeben
([X.], [X.], 687). Die Berufung der [X.] ist ohne Erfolg geblieben (O[X.], [X.], 1007). Die [X.]
verfolgen
mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision, deren Zurückweisung die Klägerinnen
beantragen,
ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

A. Das Berufungsgericht hat angenommen,
die [X.] hafteten den Klägerinnen nach §
832 Abs.
1 BGB für den durch das unbefugte Filesharing 5
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ihres minderjährigen [X.] entstandenen Schaden, weil sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt hätten. Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten sei nach §§
677, 683 Satz 1, §
670 BGB
begründet, weil die Abmahnung [X.] gewesen sei und Kosten in der verlangten Höhe ausgelöst habe. Zu
den Schadensersatzansprüchen hat das Berufungsgericht ausgeführt:

Den Klägerinnen stünden die behaupteten Nutzungsrechte an den in Rede stehenden Musiktiteln
zu. Der minderjährige [X.] der [X.] habe
die Musiktitel über den [X.]anschluss der [X.] durch Teilnahme an [X.]
öffentlich zugänglich gemacht. Das folge daraus, dass auf sei-nem Computer
zwei [X.]programme installiert, allein in dem Ordner My Music

11,2 Gigabite Audio-
und Videodaten abgelegt
und auch die
in Rede stehenden Titel auf dem
[X.] gespeichert worden
seien. Zudem ergebe sich dies aus seinen
geständnisartigen Äußerungen bei seiner
polizeilichen Vernehmung. Die [X.]
hätten ihre Aufsichtspflicht
verletzt. Sie
hätten ihrem [X.]
die Nutzung des [X.]
in ihrer Abwesenheit nur gestatten dürfen, wenn sie hin-reichende Verhaltensregeln aufgestellt und deren Einhaltung kontrolliert hätten. Nach dem Vorbringen der [X.] liege es zwar nahe, dass sie den zu stel-lenden Anforderungen hinsichtlich der Vorgabe von Verhaltensregeln nachge-kommen seien. Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass sie die von ihnen dargelegten Aufsichtsmaßnahmen hinreichend umgesetzt hätten. Die Schadensersatzansprüche seien auch der
Höhe nach begründet.

Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob der Beklagte zu
1 darüber hinaus Rechte der Klägerinnen selbst oder mithilfe seines [X.] verletzt habe und daher unmittelbar hafte. Dafür könnte sprechen, dass auf dem [X.] ein ege-9
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-
wesen sei, in dem sich Musiktitel einer Musikrichtung befunden hätten, für die sich 13-jährige in der Regel nicht interessierten.

B. Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.

[X.] Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können Scha-densersatzansprüche der Klägerinnen gegen die [X.] nach §
832 Abs.
1 BGB und damit auch Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten nach §§
677, 683 Satz 1, §
670 BGB nicht bejaht werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die [X.] ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt.

1. Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person ver-pflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit der Beaufsichtigung bedarf, ist gemäß
§
832 Abs.
1 Satz 1 Fall 1 BGB zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den [X.] einem [X.] widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nach §
832 Abs.
1 Satz 2 Fall 1 BGB nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt.

2. Die [X.]
waren kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über ih-ren damals 13-jährigen und damit minderjährigen [X.] verpflichtet. Eltern ha-ben nach §
1626 Abs.
1 Satz 1 BGB die Pflicht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst nach §
1626 Abs.
1 Satz 2 BGB die Sorge für die Person des Kindes. Die Personensorge umfasst nach §
1631 Abs.
1 BGB insbesondere die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen.

3. Die [X.] sind jedoch nicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den ihr [X.] den Klägerinnen -
wie diese geltend machen -
dadurch widerrecht-lich zugefügt hat, dass er die in Rede stehenden Musikaufnahmen in
Tausch-börsen zum Herunterladen angeboten hat und damit in das den Klägerinnen
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zustehende Recht des [X.], den Tonträger öffentlich zugänglich zu machen (§
85 Abs.
1 Satz 1 Fall 3 [X.]), und das ihnen
übertragene Recht der ausübenden Künstler
eingegriffen hat, ihre Darbietung öffentlich zugänglich zu machen

78 Abs.
1 Nr. 1
[X.]). Die [X.] haben entgegen der Auf-fassung des Berufungsgerichts ihrer Aufsichtspflicht genügt.

a)
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den [X.] in ihren jeweiligen [X.] zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichts-pflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die [X.] nach §
832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den beson-deren Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist ([X.], Urteil vom 24. März 2009 -
VI [X.], [X.], 1952 Rn.
8; Urteil vom 24. März 2009 -
VI [X.], [X.], 1954
Rn.
8;
Urteil vom 20. März 2012 -
VI [X.], [X.], 2425
Rn.
16
ff., jeweils mwN). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

b)
Das Berufungsgericht hat angenommen, die [X.] hätten ihrem [X.] die Nutzung des [X.]
in ihrer Abwesenheit nur gestatten dürfen, wenn sie hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt und deren Einhaltung kon-trolliert hätten. Nach dem Vorbringen der [X.] liege es zwar nahe, dass sie den zu stellenden Anforderungen hinsichtlich der Vorgabe von
Verhaltens-regeln nachgekommen seien. Es könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass sie die von ihnen dargelegten
Aufsichtsmaßnahmen hinreichend umge-setzt hätten. Nach Darstellung der [X.] seien auf dem Computer
ihres [X.] eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert gewesen, das 16
17

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8
-

seinerseits gesichert durch ein Administratorpasswort -
bezüglich der Installa-tion weiterer Programme auf keine Zulassung

gestellt gewesen sei. Da der [X.] der [X.] die [X.]
habe installieren können, könne eine Firewall aber nicht sachgerecht installiert gewesen sein. Darüber hinaus habe nach Darstellung der [X.] der Beklagte zu 1 den [X.] seines [X.] monatlich überprüft. Dass dem [X.] zu 1 die [X.]programme nicht aufgefallen seien, sei jedoch ein deutliches Indiz dafür, dass er den [X.] seines [X.] nicht ausreichend kontrolliert habe. Bei einer monatlichen Kon-trolle der Softwareliste oder des [X.]s hätte der Beklagte zu 1 die von sei-nem [X.] bereits Anfang Oktober 2006 installierten Programme noch vor dem Bereitstellen der Dateien in [X.] Ende Januar 2007 entdecken müs-sen. Die Systemsteuerung des Betriebssystems biete eine Übersicht über die auf dem Rechner installierte
Software. Zudem seien die Programmsymbole der [X.]programme auf dem [X.] zu sehen
gewesen.

c)
Damit hat das Berufungsgericht die Anforderungen überspannt, die an das Maß der gebotenen Aufsicht zu stellen waren.

aa) Zu
der
Frage, inwieweit Eltern verpflichtet sind, ihr
minderjähriges
Kind bei der [X.]nutzung zu beaufsichtigen, um eine Schädigung Dritter durch das Kind und insbesondere eine Urheberrechte verletzende Teilnahme des Kindes an [X.] zu verhindern, werden im Wesentlichen zwei Auf-fassungen vertreten:

Nach einer Auffassung -
die auch
vom Berufungsgericht vertreten wird -
genügt es nicht, wenn
Eltern ihr
minderjähriges
Kind, dem
sie einen Computer und einen
[X.]anschluss zur Verfügung stellen, über die mit der [X.]nut-zung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren
und ihm eine urhe-18
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9
-
berrechtsverletzende Teilnahme an [X.] untersagen. Vielmehr sind Eltern nach dieser Ansicht darüber hinaus verpflichtet, die Installation und Nut-zung von [X.] durch das Kind mittels technischer Maßnahmen

wie etwa der Installation von Firewalls oder der Einrichtung von individuellen Benutzerkonten mit beschränkten Nutzungsbefugnissen -
zu verhindern. Eltern
sind nach dieser Ansicht ferner verpflichtet, das
Kind bei der Nutzung des [X.]s
laufend zu überwachen
und den Computer des Kindes regelmäßig zu überprüfen,
selbst wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Kind bei der [X.]nutzung Rechte Dritter verletzt
(vgl. O[X.], [X.], 173, 174; [X.], [X.], 700; [X.], 131 f.; [X.], 780, 782; [X.], MMR
2008, 619, 621 f.; [X.], [X.] 2011, 698, 699; vgl. auch [X.]/Hühner, [X.], 342, 245; [X.], [X.], 532, 533; [X.], MMR 2012, 391, 392).

Nach anderer Auffassung genügen Eltern, die ihrem
minderjährigen Kind ihren [X.]anschluss zur Verfügung stellen, ihrer Aufsichtspflicht grundsätz-lich bereits dadurch, dass
sie das
Kind
über die mit der [X.]nutzung verbun-dene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren, wobei sich Inhalt und Umfang der Belehrung nach Alter und Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes richten. Dagegen sind Eltern nach dieser Auffassung grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind den [X.]zugang teilweise zu versperren, die Nutzung des [X.]s
durch das Kind ständig
zu überwachen und
den Computer des Kindes re-gelmäßig zu überprüfen. Zu derartigen
Maßnahmen sind Eltern vielmehr erst dann verpflichtet, wenn sie
konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des [X.]anschlusses durch das Kind haben
(vgl. OLG Frankfurt
a.M., [X.], 73, 74; [X.], [X.], 267, 268; [X.] 2007, 252, 254 f.; [X.], 459, 460; Grosskopf, [X.] 2007, 122 f.; [X.], K&R 2007, 371, 373; [X.]/[X.], [X.], 533, 549; [X.], [X.]

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-
2009, 1022, 1025 f.; [X.], [X.] 2012, 9, 13; [X.], [X.] 2/2007 [X.]. 2; Wenn, [X.] 5/2008 [X.]. 2; [X.], [X.] 16/2008 [X.]. 3; vgl. auch [X.] in [X.] BGB, Stand: 1. August 2012, §
832 Rn.
31a; [X.] in [X.], 6. Aufl., §
832 Rn.
46; [X.] in [X.], 3. Aufl., Kap.
3.2 Rn.
81; [X.]/Molle in [X.]/[X.], Handbuch Urheberrecht und [X.], 2. Aufl., Kap.
7 Rn.
168).

[X.]) Der [X.] teilt die
letztgenannte Auffassung.

(1) Die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, insbesondere die Pflicht zur Belehrung und Beaufsichtigung von Kindern, richten sich nach der Vorher-sehbarkeit des schädigenden Verhaltens. Dabei hängt es hauptsächlich
von den Eigenheiten des Kindes und seinem Befolgen von Erziehungsmaßahmen ab, in welchem Umfang allgemeine Belehrungen und Verbote ausreichen oder deren Beachtung auch überwacht werden muss (vgl. [X.], [X.], 1952 Rn.
17; [X.], 1954 Rn.
14, jeweils mwN).

Danach genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein
normal entwickel-tes
13-jähriges
Kind, das ihre grundlegenden
Gebote und Verbote befolgt,
re-gelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an [X.]tauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran
verbieten. Eine
Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des [X.]
durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum [X.] (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete [X.] dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

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11
-
(2) Es ist allerdings nicht zu bestreiten, dass erfahrungsgemäß
Kinder und Jugendliche aus pädagogischen Gründen auferlegte Verbote gelegentlich übertreten (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juli 2007 -
I [X.], [X.]Z 173, 188 Rn.
26 -
Jugendgefährdende Medien bei [X.]). Daraus folgt entgegen der [X.] der Revisionserwiderung aber keine Verpflichtung der Eltern, ohne konkre-ten Anlass regelmäßig zu kontrollieren, ob ihr Kind bei der Nutzung von Compu-ter und [X.] ihm auferlegte Verbote
beachtet.

Eine solche Verpflichtung
widerspräche
der gesetzlichen Wertung des §
1626
Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach sollen die Eltern bei der Pflege und Erzie-hung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem
Handeln berücksichtigen. Mit diesem Erziehungsgrundsatz wäre es nicht zu vereinbaren, wenn Eltern die Nutzung des [X.]
durch ihr 13-jähriges Kind ohne konkreten Anlass regelmäßig
kon-trollieren
müssten (vgl. Wenn, [X.] 5/2008 [X.]. 2; [X.], [X.] 16/2008 [X.]. 3; [X.] in [X.], 3. Aufl., Kap.
3.2 Rn.
81).

(3) Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berück-sichtigung des Grundsatzes, dass sich die Zumutbarkeit von Aufsichtsmaß-nahmen nicht nur nach der Person des Aufsichtsbedürftigen, seiner Eigenart und seinem Charakter, sondern auch nach dem Ausmaß der Gefahr
richtet, die außenstehenden [X.] durch das fragliche Verhalten des [X.] droht (vgl. [X.], Urteil vom 27. Februar 1996 -
VI [X.], NJW 1996, 1404, 1405).

Das Ausmaß der Gefahr, die [X.] dadurch droht, dass ein Kind
urhe-berrechtsverletzende [X.] nutzt, ist wesentlich geringer
als [X.] die Gefahr, der Dritte durch das Fehlverhalten eines Kindes im Straßen-25
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verkehr oder beim Umgang mit Feuer ausgesetzt sind. Die massenhafte Nut-zung von [X.] beeinträchtigt die urheberrechtlich geschützten Rechte und wirtschaftlichen Interessen der Rechtsinhaber zwar auch dann ganz erheb-lich, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich genommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht ([X.], Beschluss vom 19. April 2012 -
I [X.], [X.], 1026 Rn.
23 = [X.], 1250 -
Alles kann besser werden). Daraus folgt
entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung jedoch keine Verpflichtung von
Eltern, die Nutzung des [X.]
durch ihre Kinder
ohne konkreten
An-haltspunkt für derartige Rechtsverletzungen zu beschränken oder zu überwa-chen.

[X.]) Nach diesen Maßstäben haben die [X.] ihrer Aufsichtspflicht dadurch genügt, dass sie ihrem [X.] die rechtswidrige Teilnahme an [X.]tauschbörsen nach einer entsprechenden Belehrung verboten haben. Die [X.] haben vorgetragen, sie hätten mit ihren Kindern immer wieder über das Thema des illegalen Downloads von Musik und Filmen aus dem [X.] diskutiert und ihnen dies ausdrücklich untersagt. Damit sind die [X.], wie auch das Berufungsgericht insoweit mit Recht angenommen hat, den an die Vorgabe von Verhaltensregeln zu stellenden Anforderungen nachgekommen. Die Revisionserwiderung macht ohne Erfolg geltend, die Aufklärung des [X.] über die Gefahren des illegalen Filesharing könne nicht so intensiv gewe-sen sein, wie die [X.] behaupten; denn dieser habe bei seiner polizeili-chen Vernehmung bekundet, er habe gar nicht gewusst, dass er die Lieder nicht nur herunterlade, sondern sie auch über eine [X.] zur Verfügung stelle. Eine besonders intensive Belehrung war indessen im Blick
darauf
nicht erforderlich, dass es sich beim [X.] der [X.] um ein normal entwickeltes, einsichtsfähiges und [X.] 13-jähriges Kind handelte. Zu Überwachungsmaßnahmen waren die [X.] dagegen nicht verpflichtet. Für 29

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die [X.] beststanden keine Anhaltspunkte, dass sich ihr [X.] nicht an das ihm auferlegte Verbot hält. Sie
waren daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder verpflichtet, ihren 13-jährigen [X.] etwa durch [X.] einer Firewall oder eines Sicherheitsprogramms daran zu hindern, auf seinem Computer weitere Programme zu installieren, noch verpflichtet, ihn dadurch zu überwachen, dass sie seinen Computer beispielsweise durch eine monatliche Kontrolle der Softwareliste und des [X.] nach bereits installierten
[X.]programmen
durchsuchen.

I[X.] Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus an-deren Gründen als richtig dar (§
561 ZPO).

1.
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Beklagte zu
1 die Rechte der
Klägerinnen selbst oder mithilfe seines [X.] verletzt hat und [X.] unmittelbar nach §§
97, 19a [X.] haftet. Diese Frage ist zu verneinen. Es kann nicht angenommen werden, der Beklagte zu 1 sei für die von den [X.] behaupteten Urheberrechtsverletzungen unmittelbar als Täter oder [X.] verantwortlich.

a) Die Klägerinnen tragen nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruch-steller die Darlegungs-
und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von [X.] erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte zu 1 Täter oder Teilnehmer der von ihnen behaupteten [X.] ist.

b) Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich 30
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33

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gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. Urteil vom 12. Mai 2010 -
I [X.], [X.]Z 185, 330 Rn.
12 -
Sommer unseres Lebens). Da die [X.] Inhaber des [X.]anschlusses sind, über den die Musikstücke nach Darstellung der Klägerinnen in [X.] öffentlich zugänglich gemacht wurden, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie für die von den Klägerinnen be-hauptete Verletzung ihrer Rechte verantwortlich sind.

c) Diese tatsächliche Vermutung ist im Streitfall jedoch entkräftet, da nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die ernsthafte Mög-lichkeit besteht, dass allein ein Dritter und nicht auch der [X.]inhaber den [X.]zugang für die behauptete Rechtsverletzung genutzt hat.
Das [X.] ist insbesondere aufgrund der Einlassung des [X.] der [X.] bei seiner polizeilichen Vernehmung davon ausgegangen, dieser habe den [X.]zugang der [X.] dazu genutzt, die in Rede stehenden Musiktitel über [X.] öffentlich zugänglich zu machen. Damit ist die tatsächliche Vermutung, die [X.] hätten die Rechte der Klägerinnen verletzt, erschüt-tert. Dem steht nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des [X.], für die sich 13-jährige in der Regel nicht interessieren. Dieser Umstand könnte [X.] ein Indiz für eine Verantwortlichkeit des [X.] zu 1 sein; er kann aber keine tatsächliche Vermutung seiner Verantwortlichkeit begründen.

d) Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung der [X.] als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nach-34
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15
-
zuweisen. Solche Umstände haben die Klägerinnen nicht hinreichend darge-legt. Allein die Tatsache, dass auf dem [X.] des [X.] der [X.] der soeben beschriebene lässt nicht darauf schließen, der Beklagte zu 1 habe die Rechte der Klägerinnen an den hier in Rede stehenden Musiktiteln selbst oder mithilfe seines [X.] verletzt. Die Musikaufnahmen in diesem Ordner gehören nicht zu den 15 Mu-sikaufnahmen, wegen deren öffentlicher Zugänglichmachung die Klägerinnen die [X.] im vorliegenden Rechtsstreit in Anspruch nehmen. Es kann auch u-i-ne [X.]
heruntergeladen und dabei im Gegenzug die hier in Rede ste-henden Musiktitel in der [X.] öffentlich zugänglich gemacht. Die Revi-sionserwiderung verweist selbst auf den unwidersprochen gebliebenen Vortrag der [X.], der Beklagte zu 1 habe die im Musik von rechtmäßig erworbenen [X.] zum privaten Gebrauch auf seinen [X.] aufgespielt, ihr [X.] habe diese Musik nachdem ihm der [X.] überlassen wor-i-onserwiderung zeigt auch kein Vorbringen der Klägerinnen auf, aus dem sich der für eine Teilnehmerhaftung des [X.] zu 1 erforderliche Vorsatz in [X.] auf die Haupttat (vgl. [X.]Z 185, 330 Rn.
16 -
Sommer unseres Lebens; [X.], Urteil vom 22. Juni 2011 -
I
ZR 159/10, [X.], 1018 Rn.
24 = [X.], 1469 -
Automobil-Onlinebörse, mwN), also das öffentliche Zugänglichma-chen der hier in Rede stehenden Musikaufnahmen durch seinen [X.], ergeben könnte.

2. Die [X.] sind den Klägerinnen entgegen der Ansicht
der Revisi-onserwiderung auch nicht als Inhaber des [X.]anschlusses unter dem [X.]

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16
-
sichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle zum Schadensersatz und zur Erstattung von Abmahnkosten verpflichtet.

a) Schadensersatzansprüche der Klägerinnen scheiden
aus, weil die [X.] als Inhaber des [X.]anschlusses nicht als Täter oder Teilnehmer einer von ihrem [X.] begangenen Urheberrechtsverletzung haften.

Der Betrieb eines [X.]anschlusses kann unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle keine
Haftung des [X.]inhabers für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung begründen.
Für eine täter-schaftlich begangene Urheberrechtsverletzung müssen die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein
(vgl. [X.]Z 185, 330 Rn.
13 -
Sommer unseres Lebens; [X.], [X.], 1018 Rn.
18 -
Automobil-Onlinebörse). Im Streitfall müsste das beanstandete Verhalten der
[X.] -
also der Betrieb des [X.]anschlusses -
den Tat-bestand der öffentlichen Zugänglichmachung (§
19a [X.]) der Tonträger (§
85 Abs.
1 Satz 1 Fall 3 [X.]) und Darbietungen (§
78 Abs.
1 Nr. 1 [X.]) erfüllen. Dies ist indessen nicht der Fall.

Die [X.] sind auch nicht Teilnehmer einer
von
ihrem
[X.]
began-genen Urheberrechtsverletzung. Ihnen fehlt jedenfalls der dafür erforderliche Vorsatz.

b) Die [X.] haften als Inhaber des [X.]anschlusses auch nicht als Störer wegen einer von ihrem [X.] begangenen Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung. Auch die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten sind daher nicht begründet, da die [X.] unter keinem Gesichtspunkt berechtigt
war.
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17
-

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden, wer -
ohne Täter oder Teilnehmer zu sein -
in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschütz-ten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des [X.]s die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch [X.] nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist ([X.]Z 185, 330 Rn.
19 -
Sommer unseres Lebens, mwN).

Der [X.] hat zwar entschieden, dass nach diesen Grundsätzen
der In-haber eines ungesicherten [X.] als Störer auf Unterlassung
haf-tet, wenn außenstehende Dritte diesen [X.] missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in [X.]tauschbörsen einzustellen (vgl. [X.]Z 185, 330 Rn.
20 bis 24 -
Sommer unseres Lebens). Diese Entscheidung ist
aber
nicht auf die hier vorliegende Fallgestaltung übertragbar, bei der Eltern den [X.]anschluss ihren
Kindern
zur Verfügung stellen. Die Prüfpflichten, die Eltern als Inhabern eines [X.]anschlusses obliegen,
haben bei einer Überlassung des [X.]anschlusses an ihr minderjähriges Kind denselben Inhalt und Umfang wie ihre Aufsichtspflicht über das Kind hinsichtlich dessen [X.]nutzung (vgl. oben Rn.
22
ff.). Die [X.] haben diese Prüfpflichten nicht verletzt (vgl. oben Rn.
29).

41
42

-
18
-
II[X.] Danach ist auf die Revision der [X.] das Berufungsurteil aufzu-heben. Auf die Berufung der [X.] ist das landgerichtliche Urteil abzuän-dern und die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §
91
Abs.
1, §
100 Abs. 2 ZPO.

Bornkamm
Pokrant
Büscher

Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.03.2011 -
28 O 716/10 -

O[X.], Entscheidung vom 23.03.2012 -
6 [X.] -

43

Meta

I ZR 74/12

15.11.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12 (REWIS RS 2012, 1329)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1329

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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I ZR 74/12

VI ZR 3/11

I ZB 80/11

I ZR 121/08

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