Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 05.03.2015, Az. 1 BvR 3362/14

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2015, 14470

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT WERBUNG GRUNDRECHTE ANWALTSBERUF VERFAHRENSGRUNDSÄTZE BERUFS- UND STANDESRECHT ANWALTSGERICHTSHOF

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Verbot anwaltlicher Schockwerbung - Verfassungsbeschwerde nicht hinreichend substantiiert - keine Verletzung der Meinungs-, Kunst- oder Berufsausübungsfreiheit erkennbar


Gründe

I.

1

Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind berufsgerichtliche Entscheidungen zur Zulässigkeit von Werbemaßnahmen eines Rechtsanwalts.

2

1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt. Er bat die zuständige Rechtsanwaltskammer, die spätere Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagte), um Prüfung der berufsrechtlichen Zulässigkeit einer von ihm beabsichtigten Werbemaßnahme. Es handelte sich dabei um Tassen mit der - durchgestrichenen - Abbildung einer Frau, die mit einem Knüppel auf das entblößte Gesäß eines Kindes schlägt. Neben der Abbildung sollten der Text "Körperliche Züchtigung ist verboten § 1631 Abs. 2 BGB" sowie der Name, die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwerdeführers abdruckt werden.

3

Die Beklagte teilte dem Beschwerdeführer mit, dass sie die Werbemaßnahme wegen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß § 43b der Bundesrechtsanwaltsordnung ([X.]) für unzulässig halte. Ein Rechtsanwalt dürfe nur mit solchen Informationen werben, die sich auf seine berufliche Tätigkeit bezögen. Dies sei bereits zweifelhaft, weil der inhaltliche Bezug der Abbildung zur anwaltlichen Tätigkeit allenfalls darin bestehen könne, dass das gezeigte Verhalten verboten sei. Sinn und Zweck anwaltlicher Werbung sei es jedoch nicht, das rechtsuchende Publikum über strafbares oder sanktionierbares Verhalten im Allgemeinen zu informieren. Überdies genüge die beabsichtigte Werbung nicht dem Gebot der Sachlichkeit. Bei der Abbildung einer Frau, die auf das entblößte Gesäß eines Kindes schlage, trete jeglicher Informationsgehalt über das Rechtsdienstleistungsangebot eines Rechtsanwalts zurück und die Gestaltung der Werbemaßnahme stehe im Vordergrund. Es bestünden auch erhebliche Bedenken hinsichtlich des Schutzes der Persönlichkeitsrechte des abgebildeten Kindes. Zwar werde nicht verkannt, dass das [X.] in einer Entscheidung zur Zulässigkeit von Schockwerbung festgestellt habe, dass Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung einer Rechtfertigung durch hinreichend gewichtige Gemeinwohlbelange bedürften. Im Falle des Beschwerdeführers stünden der Werbemaßnahme indes nicht nur die Gemeinwohlbelange der Menschenwürde, sondern auch die Belange entgegen, die sich aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ergäben. § 43b [X.] solle auch das Vertrauen des Rechtsuchenden in die Seriosität des Rechtsanwalts schützen. Dies sei in Gefahr, wenn der Eindruck erweckt werde, ein Rechtsanwalt müsse zu allen Mitteln greifen, um Mandate zu erlangen.

4

Mit einer erneuten Anfrage bat der Beschwerdeführer um Prüfung der Zulässigkeit weiterer Werbemaßnahmen. Die Abbildungen, die der Beschwerdeführer wiederum auf Werbetassen zu drucken beabsichtigte, zeigten unter anderem einen älteren Mann, der mit einem Stock auf das entblößte Gesäß einer Frau schlägt, sowie eine Frau, die sich eine Schusswaffe an den eigenen Kopf hält und offenbar im Begriff ist, sich selbst zu töten. Neben den Abbildungen sollte im ersten Fall die Frage "Wurden Sie Opfer einer Straftat?" stehen. Neben letztgenannter Abbildung sollte der Text "Nicht verzagen, [X.] (scil.: Nachname des Beschwerdeführers) fragen" abgedruckt werden. In beiden Gestaltungen sollten wiederum der Name, die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt" und die Kontaktdaten des Beschwerdeführers hinzugefügt werden.

5

Daraufhin teilte die Beklagte dem Beschwerdeführer mit, dass die oben genannten Werbemaßnahmen mit dem anwaltlichen Berufsrecht und dem Wettbewerbsrecht ebenfalls nicht vereinbar und daher zu unterlassen seien. Zur Begründung wurden im Wesentlichen die bereits im ersten Bescheid enthaltenen Erwägungen wiederholt.

6

Die gegen beide Bescheide erhobene Klage des Beschwerdeführers wurde mit Urteil des [X.] abgewiesen. In den Entscheidungsgründen heißt es, die Klage sei bereits unzulässig. Die angegriffenen Belehrungen stellten keine Verwaltungsakte im Sinne des § 35 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) dar.

7

Die von ihm gegen dieses Urteil zugelassene Berufung des Beschwerdeführers hat der [X.] zurückgewiesen. Die durch den Beschwerdeführer beabsichtigte Werbung sei mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung nicht vereinbar. Das in § 43b [X.], § 6 Abs. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte ([X.]) ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung sei trotz der damit verbundenen Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit sowie unter Umständen auch der Meinungsfreiheit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots daher nicht sämtliche Werbemaßnahmen verwenden dürfe, die im Bereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft hinzunehmen wären, entspreche dem Willen des Gesetzgebers und sei auch im berufsrechtlichen Schrifttum weitgehend anerkannt. Zwar sei es einem Rechtsanwalt nicht verwehrt, für seine Werbung Bilder oder Fotografien zu verwenden. Auch Ironie und Sprachwitz seien grundsätzlich zulässig. Die Grenzen zulässiger Werbung würden jedoch überschritten, wenn die Werbung darauf abziele, gerade durch ihre reißerische und sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerksamkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge, dass ein etwa vorhandener Informationswert in den Hintergrund gerückt werde oder gar nicht mehr erkennbar sei. Dies sei vorliegend der Fall. Überdies bestehe die Gefahr, dass der Eindruck erweckt werde, die Rechtsanwaltschaft habe Derartiges nötig, um Mandate zu erlangen.

8

2. Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Art. 5 Abs. 1 und Abs. 3 sowie Art. 12 Abs. 1 GG.

9

Der [X.] habe die Grundrechte verkannt. Es sei ein Grundsatzurteil gefällt worden, das weit über den vorliegenden Fall für jeden Rechtsanwalt gelte und dessen Auswirkungen für die anwaltliche Meinungsfreiheit unübersehbar seien. Die beanstandeten Abbildungen seien sprechende Bilder mit meinungsbildendem Inhalt und seien damit von der Meinungsfreiheit geschützt. Dabei könne es nicht darauf ankommen, dass er Rechtsanwalt sei, weil auch Rechtsanwälte Träger dieses Grundrechts seien. Die angefochtenen Entscheidungen hinderten ihn dauerhaft, Meinungen bei der Berufsausübung in künstlerisch gestalteter Bildform einzusetzen.

Zu Unrecht habe der [X.] angenommen, § 43b [X.] sei eine Schranke der Meinungsfreiheit. Dabei sei insbesondere verkannt worden, dass die Werbetassen nicht dem ausschließlichen Zweck der Werbung, sondern vor allem auch als Diskussionsanregung über die gezeigten Motive in der Gesellschaft zu dienen bestimmt seien. Überdies ließen weder die Gesetzesmaterialien noch Kommentare erkennen, dass mit § 43b [X.] die Meinungsfreiheit beschränkt werden sollte. Letztlich verstoße die Entscheidung des [X.]s auch gegen das Zensurverbot.

Die Ausgangsgerichte hätten versäumt, die Maßgaben des [X.]s, die zur Schockwerbung der Firma [X.] formuliert worden seien, auch auf seinen Fall anzuwenden. Es könne keinen Unterschied machen, ob es sich um ein Textilunternehmen oder einen Rechtsanwalt handele, zumal gesellschaftskritische Themen beim Rechtsanwalt deutlich näher lägen.

Auch sehe er sich in seiner Kunstfreiheit verletzt. Er habe die Abbildungen zwar nicht selbst hergestellt, die Zusammenstellung, die Textauswahl zu den Kontaktdaten und der Erreichbarkeit der Kanzlei stammten jedoch von ihm.

Schließlich verletze ihn die Entscheidung in seiner Berufsfreiheit, weil ihm verwehrt werde, sich rechtspolitisch zu engagieren. Zu Unrecht orientierten sich die Beklagte und die Ausgangsgerichte am Erfordernis der [X.] anwaltlicher Werbung, zumal dies in seinem Fall auch erfüllt sei. Werbung durch Rechtsanwälte sei der Beklagten schlicht gänzlich ein Dorn im Auge.

II.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] nicht vorliegen.

1. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung auf (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]).

Das [X.] hat geklärt, dass das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG auch für eine Wirtschaftswerbung in Betracht kommt, wenn eine Ankündigung einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat oder Angaben enthält, die der Meinungsbildung dienen (vgl. [X.] 71, 162 <175>; 95, 173 <182>; 102, 347 <359>). Dass hierunter auch Bilder zu fassen sind, wenn in ihnen ein Werturteil, eine Ansicht oder Anschauung bestimmter Art zum Ausdruck kommt, entspricht ebenfalls bereits der Rechtsprechung des [X.]s (vgl. [X.] 30, 336 <352>; 71, 162 <180>; 102, 347 <359>).

Das [X.] hat ebenfalls bereits entschieden, dass in den Bereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten berufsbezogenen Tätigkeiten auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsträger einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste fällt (vgl. [X.] 85, 248 <256>; 94, 372 <389>). Geklärt ist zudem die verfassungsrechtliche Beurteilung des anwaltlichen Werberechts (vgl. [X.] 76, 196 <207 f.>).

2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung von Grundrechten des Beschwerdeführers angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]). Der Beschwerdeführer hat eine Verletzung der gerügten Grundrechte nicht im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] hinreichend dargelegt (zu den Substantiierungsanforderungen [X.] 89, 155 <171>; 99, 84 <87>; 101, 331 <345 f.>; 102, 147 <164>; 108, 370 <386 f.>).

a) Auf der Grundlage der Ausführungen des Beschwerdeführers ist weder eine Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) noch der Kunstfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) oder der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) ersichtlich.

aa) Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schützt Meinungsäußerungen aller Art und Tatsachenbehauptungen sowie andere Äußerungsformen jedenfalls dann, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind (vgl. [X.] 61, 1 <8>; 85, 23 <31>). Der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf kommerzielle Meinungsäußerungen sowie reine Wirtschaftswerbung, die einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt hat (vgl. [X.] 71, 162 <175>; 102, 347 <359>). Soweit eine Meinungsäußerung - eine Ansicht, ein Werturteil oder eine bestimmte Anschauung - in einem Bild zum Ausdruck kommt, fällt auch dieses in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (vgl. [X.] 30, 336 <352>; 71, 162 <175>).

bb) Zwar können die vom Beschwerdeführer beanstandeten Entscheidungen der Beklagten und der Ausgangsgerichte in seine Meinungsfreiheit eingreifen, wenn mit dem [X.] davon ausgegangen wird, dass die "belehrenden Hinweise" der Beklagten jedenfalls mit dem Ausspruch des Verbots der Werbemaßnahme den Bereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen haben.

cc) Der Beschwerdeführer hat indes nicht hinreichend dargelegt, dass dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt gewesen sei.

Die Meinungsfreiheit findet gemäß Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken unter anderem in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Diese müssen für sich genommen verfassungsmäßig sein und sind ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Grundrechts der freien Meinungsäußerung für den freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen (vgl. [X.] 7, 198 <208 f.>; 10, 118 <121>; 107, 299 <331 f.>; 124, 300 <342>; 128, 226 <265 f.>).

(1) Bei § 43b [X.] handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG. Schutzzweck der Regelung ist die Sicherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege (vgl. BTDrucks 12/4993, S. 28 f.). Mit der Stellung des Rechtsanwalts ist im Interesse des [X.] Bürgers insbesondere eine Werbung nicht vereinbar, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stellt, mit der eigentlichen Leistung des Anwalts nichts mehr zu tun hat und sich nicht mit dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats vereinbaren lässt (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 4. August 2003 - 1 BvR 2108/02 -, NJW 2003, S. 2816 <2817>).

(2) Auch bestehen keine Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift, zumal der Beschwerdeführer eine solche weder geltend gemacht noch dargelegt hat.

(3) Dass die Ausgangsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 43b [X.] die Ausstrahlungswirkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht hinreichend beachtet haben, macht der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich.

Die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts sind dabei grundsätzlich Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das [X.] entzogen. Das [X.] beschränkt seine Überprüfung daher auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts (vgl. [X.] 1, 418 <420>; 81, 29 <31 f.>; 82, 6 <11>; 115, 320 <367>). Spezifisches Verfassungsrecht ist aber nicht schon dann verletzt, wenn eine Entscheidung, am einfachen Recht gemessen, objektiv fehlerhaft ist; der Fehler muss gerade in der Nichtbeachtung von Grundrechten liegen (vgl. [X.] 18, 85 <92 f.>).

Daran gemessen begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Ausgangsgerichte die Rechtmäßigkeit der vom Beschwerdeführer selbst so genannten "Werbetassen" am Maßstab des § 43b [X.] geprüft haben. § 43b [X.] normiert spezielle Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Werbung für anwaltliche Dienstleistungen. Das beabsichtigte Verhalten des Beschwerdeführers erfüllt - entgegen seiner Behauptung - die Anforderungen für das Vorliegen von Werbung; denn es ist planvoll darauf angelegt, andere dafür zu gewinnen, die eigenen Leistungen in Anspruch zu nehmen (vgl. [X.] 111, 366 <378>). Dabei ist unerheblich, ob der Beschwerdeführer den Gewinn neuer Kunden oder den Erhalt beziehungsweise Ausbau bestehender Geschäftsverbindungen anstrebt (vgl. [X.], in: [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. <2014>, § 43b [X.] Rn. 10). Unter den Begriff der Werbung fallen auch nicht nur die herkömmlichen Werbeformen, wie etwa Anzeigen und Broschüren, sondern auch das Marketing sowie insgesamt die Öffentlichkeitsarbeit eines Rechtsanwalts (vgl. [X.], in: [X.]/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, a.a.O.).

Nach alldem handelt es sich bei den beabsichtigten Maßnahmen des Beschwerdeführers - jedenfalls auch - um Werbung. Sein Vortrag, er beabsichtige mit dem Druck und der Verteilung der Tassen keine Werbemaßnahme, sondern wolle lediglich einen gesellschafts- und rechtspolitischen Diskurs anstoßen, geht offensichtlich an den Tatsachen vorbei. Für von ihm beabsichtigte Werbung spricht bereits der Umstand, dass der Beschwerdeführer selbst von Anfang an von einer "Werbeaktion" und "Werbetassen" spricht. Zudem sind die Werbemotive auch derart gestaltet, dass die ausschließlich berufsbezogenen Kontaktdaten des Beschwerdeführers in gleicher Weise wie die Bildmotive in den Vordergrund gerückt werden. Eines der geplanten Motive soll sogar mit dem ausdrücklichen Hinweis "Nicht verzagen, [X.] fragen" verbunden werden und damit explizit zur Mandatierung des Beschwerdeführers in prekären Lebenslagen auffordern. Überdies beschreibt der Beschwerdeführer selbst in der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde sein beabsichtigtes Vorgehen als eine "Werbeaktion", die sein "zurückliegendes rechtspolitisches Engagement als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Kanzleien hervorheben" soll. Demnach geht es ihm nicht darum, durch die provozierenden Bildmotive einen Diskurs zu initiieren, sondern lediglich ein Engagement in der Vergangenheit zu nutzen, um mit dem Ziel der Beauftragung mit anwaltlichen Dienstleistungen auf sich aufmerksam zu machen.

Dass der Beschwerdeführer neben der Werbung unter Umständen daneben noch weitere Anliegen, etwa das Anstoßen eines gesellschaftspolitischen Diskurses, verfolgen könnte, hindert die Anwendbarkeit des § 43b [X.] nicht. Der Begriff der Werbung im Sinne des § 43b [X.] ist grundsätzlich weit zu fassen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 17. April 2000 - 1 BvR 721/99 -, NJW 2000, S. 3195).

Mit alldem setzt sich der Beschwerdeführer nicht hinreichend auseinander. Er gründet seine Behauptung eines Verfassungsverstoßes letztlich allein auf die Überlegung, die Ausgangsgerichte hätten die Entscheidung des [X.]s zur Werbung der Firma [X.] ([X.] 102, 347) auch in seinem Fall anwenden müssen, ohne dabei zu berücksichtigen, dass er als Rechtsanwalt und damit als Organ der Rechtspflege bei der Werbung für seine berufliche Tätigkeit besonderen Einschränkungen aufgrund des § 43b [X.] unterliegt.

(4) Soweit der Beschwerdeführer darauf hinweist, es liege eine Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG vor, so dass die angegriffenen Entscheidungen bereits unter diesem Gesichtspunkt verfassungswidrig seien, überzeugt dies ebenfalls nicht. Der Beschwerdeführer setzt sich weder mit dem Begriff der Zensur noch mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung des [X.]s auseinander. Er verkennt insbesondere, dass unter Zensur im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG nur die Vorzensur zu verstehen ist, also einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts (vgl. [X.] 33, 52 <71 f.>). Eine solche war vorliegend bereits deshalb nicht gegeben, weil der Beschwerdeführer keineswegs dazu verpflichtet war, die von ihm beabsichtigte Werbemaßnahme vorab der Beklagten zur Prüfung und Billigung vorzulegen. Dies geschah vielmehr freiwillig und nach eigenem Entschluss des Beschwerdeführers, der es offenkundig vermeiden wollte, finanzielle Mittel für eine Werbemaßnahme aufzuwenden, für die er befürchtete, dass sie ihm anschließend berufsrechtlich untersagt werden könnte. Um Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG handelt es sich dabei jedoch erkennbar nicht.

b) Auch die behauptete Verletzung seiner Kunstfreiheit macht der Beschwerdeführer nicht hinreichend deutlich. Ungeachtet der Frage, inwieweit die Ausgangsgerichte überhaupt in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG eingegriffen haben, setzt sich der Beschwerdeführer mit einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs nicht hinreichend auseinander. Auch insoweit bezieht er sich auf Ausführungen des [X.]s zur [X.]-Werbung ([X.] 102, 347), ohne den Unterschied zur Zulässigkeit der Werbung eines Rechtsanwalts herauszuarbeiten und sich mit den unterschiedlichen Voraussetzungen auseinanderzusetzen.

c) Gleiches gilt für die behauptete Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG. Auch hier beachtet der Beschwerdeführer nicht, dass ihm als Rechtsanwalt durch § 43b [X.] besondere Grenzen für die Werbung gezogen sind, seine freie Berufsausübung insoweit also durch Gesetz beschränkt ist. Dass die Norm als solche oder im konkreten Fall ihrer Anwendung in nicht zu rechtfertigender Weise in seine Berufsfreiheit eingreifen könnte, legt der Beschwerdeführer mit seinen pauschalen, in erster Linie auf die Meinungs- und Kunstfreiheit bezogenen Ausführungen nicht hinreichend dar.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 3362/14

05.03.2015

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 27. Oktober 2014, Az: AnwZ (Brfg) 67/13, Urteil

Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 1 S 3 GG, Art 5 Abs 3 S 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 43b BRAO, § 6 Abs 1 RABerufsO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 05.03.2015, Az. 1 BvR 3362/14 (REWIS RS 2015, 14470)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 1438 REWIS RS 2015, 14470

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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