Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2021, Az. AnwSt (B) 4/20

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2021, 4289

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Gegenstand

Verletzung anwaltlicher Berufspflichten: Rechtsanwaltswerbung auch mit gesellschaftspolitischen Inhalten


Tenor

Die Anhörungsrüge des Rechtsanwalts vom 27. August 2020 gegen den Beschluss des Senats vom 30. Juli 2020 wird zurückgewiesen.

Von der Erhebung der Gerichtsgebühr wird abgesehen (§ 193 Abs. 1 Satz 2 [X.], § 21 GKG). Seine außergerichtlichen Kosten hat der Rechtsanwalt selbst zu tragen.

Gründe

1

Die Anhörungsrüge ist zulässig, aber unbegründet. Zwar hat der Senat den Anspruch des Rechtsanwalts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem er dem Rechtsanwalt vor der Entscheidung vom 30. Juli 2020 über die Nichtzulassungsbeschwerde die beantragte weitere Akteneinsicht nicht gewährt hat, obwohl der Akteninhalt nach der letzten Akteneinsicht umfangreicher geworden war (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 29. Januar 2021 - [X.] ([X.]) 4/20, Anw[X.]l Online 2021, 604 Rn. 11 f.). Allerdings ist die Akteneinsicht im [X.] nachgeholt worden.

2

Der Gehörsverstoß kann im Anhörungsverfahren geheilt werden, da der Senat das weitere Vorbringen des Rechtsanwalts berücksichtigen und dem Gehörsverstoß durch reine Rechtsausführungen abhelfen kann (vgl. [X.]VerfG, [X.], 580 Rn. 12 ff.; [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 15. Juli 2016 - 2 [X.]vR 857/14, juris Rn. 11; [X.]ayVGH, [X.]eschluss vom 6. Dezember 2017 - 1 Z[X.] 17.2199, juris Rn. 7).

3

Das nunmehr mit [X.] vom 3. April 2021 erfolgte Vorbringen des Rechtsanwalts hätte sich auf das Ergebnis der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde allerdings nicht ausgewirkt, so dass der Anspruch des Rechtsanwalts auf rechtliches Gehör nicht "in entscheidungserheblicher Weise" im Sinne des § 116 Abs. 1 Satz 2 [X.]RAO, § 356a StPO verletzt worden ist (vgl. [X.]GH, [X.]eschluss vom 10. Juli 2008 - 3 [X.], juris Rn. 6; [X.]GH, [X.]eschluss vom 6. Juni 2011 - 1 StR 490/10, juris Rn. 5).

4

1. Mit [X.] vom 3. April 2021 hat der Rechtsanwalt ausgeführt, dass er die Anhörungsrüge nach Akteneinsicht noch einmal explizit darauf stütze, dass der Senat im [X.]eschluss vom 30. Juli 2020 die grundsätzliche [X.]edeutung der Frage verkannt habe, ob ein Rechtsanwalt über § 43b [X.]RAO dafür gemaßregelt werden dürfe, dass er eine "Werbung" für eine Hilfsaktion zugunsten minderjähriger Flüchtlinge aufgelegt habe. Das Anwaltsgericht und der [X.] hätten sich zielgerichtet nur solcher Argumente bedient, welche die Verurteilung getragen hätten. Da im Schrifttum höchst umstritten sei, welche [X.]erechtigung der Vorschrift des § 43b [X.]RAO noch zukommen könne und weil die Urteilsgründe der Vorinstanzen Rechtsanwälte abhalten könnten, ihr zivilgesellschaftliches Engagement öffentlich zur Schau zu stellen, wiederhole er noch einmal seinen Vortrag vom 17. Februar 2020 ([X.]l. 3669 der Hauptakte), dass die dort aufgeworfene Rechtsfrage über den vorliegenden Einzelfall hinaus grundsätzliche [X.]edeutung habe. § 43b [X.]RAO könne als [X.]lankettvorschrift als Eingriffsgrundlage in die Meinungsfreiheit schwerlich ausreichen.

5

Mit [X.] vom 17. Februar 2020 hatte der Rechtsanwalt - unter Abdruck des streitgegenständlichen Anzeigemotivs - als Rechtsfrage aufgeworfen, ob es eine unter § 43b [X.]RAO verbotene "effektheischende Werbung" darstelle, wenn ein Rechtsanwalt eine allgemeine gesellschaftspolitische Situation zum Anlass nehme, seine positive Haltung im Hinblick auf die sogenannte Flüchtlingskrise zu vermitteln, und hierdurch auf sich und seine Kanzlei aufmerksam mache, etwa im Stil des Anzeigemotivs. Den Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung hatte der Rechtsanwalt bereits in dem [X.] vom 17. Februar 2020 damit begründet, dass Rechtsanwälte durch das Urteil davon abgehalten werden könnten, damit für sich zu werben, dass sie sich gesellschaftspolitisch engagierten.

6

2. Der Rechtsanwalt hat mit [X.] vom 3. April 2021 keine neuen Gesichtspunkte aufgezeigt, sondern sein früheres Vorbringen wiederholt. Eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des § 145 Abs. 3 Satz 3 [X.]RAO wird dadurch aber nicht bezeichnet; dem Rechtsanwalt geht es - wie die Formulierung seiner Rechtsfrage zeigt - vielmehr um die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall.

7

Das [X.]undesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass es sich bei § 43b [X.]RAO um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG handelt und keine [X.]edenken an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift bestehen ([X.]VerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 22 ff.). Dass ein Rechtsanwalt neben der Werbung unter Umständen noch weitere Anliegen, etwa das Anstoßen eines gesellschaftspolitischen Diskurses, verfolgen könnte, hindert die Anwendbarkeit des § 43b [X.]RAO nicht. Der [X.]egriff der Werbung im Sinne des § 43b [X.]RAO ist grundsätzlich weit zu fassen ([X.]VerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 30). Damit ist der Anwendungsbereich des § 43b [X.]RAO bereits höchstrichterlich geklärt. Der [X.] hat diese Auslegung der Norm seiner Entscheidung auch zugrunde gelegt.

8

Eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den [X.] hat der Rechtsanwalt ebenfalls nicht dargelegt. Soweit er allgemein ausführt, der [X.] habe sich zielgerichtet nur solcher Argumente bedient, welche die Verurteilung getragen hätten, erschöpft sich die Rüge letztlich darin, dass der [X.] nicht zu dem vom Rechtsanwalt gewünschten Ergebnis gekommen ist. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte aber nicht, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen ([X.]VerfG, NVwZ 2018, 1561 Rn. 19 mwN). Der [X.] hat sich mit dem von dem Rechtsanwalt vorgebrachten Argument des gesellschaftspolitischen Engagements ausführlich auseinandergesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zeitungsanzeige den Anforderungen des § 43b [X.]RAO nicht entspricht.

9

Auf die im [X.] vom 17. Februar 2020 von dem Rechtsanwalt zusätzlich aufgeworfene Frage, ob es von der Kunstfreiheit des Rechtsanwalts gedeckt sei, wenn er das abgebildete Motiv in einer Zeitungsanzeige verwende, ist der Rechtsanwalt im [X.] vom 3. April 2021 nicht mehr eingegangen. Auch wenn man jenes Vorbringen zusammen mit den Ausführungen im [X.] vom 3. April 2021 würdigt, fehlt es an der [X.]ezeichnung einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des § 145 Abs. 3 Satz 3 [X.]RAO. In diesem Zusammenhang müsste der Rechtsanwalt sich auch mit einer möglichen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines etwaigen Eingriffs auseinandersetzen (vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 33).

[X.]     

      

Liebert     

      

Ettl   

      

Lauer     

      

Niggemeyer-Müller     

      

Meta

AnwSt (B) 4/20

07.07.2021

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend BGH, 29. Januar 2021, Az: AnwSt (B) 4/20, Beschluss

§ 43b BRAO, Art 5 Abs 2 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.07.2021, Az. AnwSt (B) 4/20 (REWIS RS 2021, 4289)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4289

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V ZB 102/11

2 BvR 857/14

1 StR 490/10

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