Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2016, Az. AnwZ (Brfg) 47/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 2893

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:071116UANWZ.[X.]RFG.47.15.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
AnwZ ([X.]) 47/15

Verkündet am:

7. November 2016

[X.]oppel

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 43b; [X.] §§ 6, 20
Zur berufsrechtlichen Zulässigkeit einer mit einem Werbeaufdruck versehenen, im Gerichtssaal getragenen Anwaltsrobe.

[X.], Urteil vom 7. November 2016 -
AnwZ ([X.]) 47/15 -
[X.] Nordrhein-Westfalen

wegen
eines belehrenden Hinweises zu Aufdrucken/[X.]estickungen auf einer Anwaltsrobe-
2
-

Der [X.], [X.], hat auf die mündliche [X.] vom 7. November
2016 durch die
Präsidentin
des [X.]s
Limperg, die Richterin [X.], den Richter
Dr. Remmert
sowie
die [X.] und den Rechtsanwalt Dr.
Lauer

für Recht erkannt:

Die [X.]erufung des [X.] gegen das Urteil des 1. Senats des [X.] vom 29. Mai 2015
wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des
[X.]erufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das [X.]erufungsverfahren wird auf festgesetzt.

Tatbestand:
Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der [X.]. Er wendet sich gegen ei-nen belehrenden
Hinweis der [X.] vom
26. Mai 2015. Dieser
war auf sei-ne [X.]itte ergangen, ihn über die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihm ins Auge gefassten
Aufdrucks beziehungsweise einer [X.]estickung seiner Anwalts-robe auf deren oberen Rückenbereich mit den Worten "Dr. R.

"
und der Internetadresse "www.dr-r.

.de"
zu belehren.
In dem
-
dem Kläger zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen -
[X.]escheid
belehrte die [X.]eklagte den Kläger dahingehend, dass 1
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-
3
-

das Tragen der Anwaltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck
nicht mit dem an-waltlichen [X.]erufsrecht vereinbar und daher von ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplanten Verwendung der Robe verstoße er gegen § 43b [X.], § 6 Abs. 1, §
20 [X.]. Es handele sich um ein werbliches Auftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal der falsche Ort für Werbung ins-gesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 [X.], da von der üblichen [X.]erufstracht abgewichen werde.
Der [X.] hat die vom
Kläger gegen den [X.]escheid der [X.] vom 26. Mai 2015 erhobene Klage abgewiesen
und die [X.]erufung [X.].
Der Kläger beantragt nunmehr
das Urteil des [X.]s für das [X.], Az.
1
[X.] 16/15, vom 29.
Mai 2015, sowie den [X.]e-scheid der [X.], Az.
III. Abt.
275/2014, vom 26.
Mai 2015 aufzuheben.
hilfsweise,
das Urteil des [X.]s für das [X.], Az.
1 [X.] 16/15, vom 29.
Mai 2015, sowie den [X.]escheid der [X.], Az.
III. Abt. 275/2014, vom 26.
Mai 2015 insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin auch untersagt wird,
-
die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichten zu tragen, vor de-nen Robenzwang für Rechtsanwälte nicht besteht, sowie
-
die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zu tragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/[X.] deren Tragen im Rahmen der [X.] zugelassen hat.
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-
4
-

Die [X.]eklagte beantragt, die [X.]erufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:
I.
Die [X.]erufung hat keinen Erfolg.
1.
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz
1 [X.], § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 [X.] ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der
angefochtene [X.]escheid mit einem Hand-lungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts ein-greifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der [X.] angefochten werden können (vgl. nur [X.], Urteile vom 27. Oktober 2014 -
AnwZ ([X.]) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 und vom 23. April 2012
-
AnwZ ([X.]) 35/11, NJW 2012,
3039 Rn. 5; jeweils mwN). Der [X.] steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entge-gen, dass sich der
[X.]escheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des [X.] bezieht. Er geht schon ausweislich der [X.] über eine lediglich
präventive Auskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwendung des
verfahrensgegenständlichen Robenaufdrucks
rechtswidrig ist,
und ein konkretes
Verbot ausspricht. Damit ist der [X.]ereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO mwN). Darüber hinaus ist der
[X.]escheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. [X.]eides spricht gleichfalls für das Vorliegen eines
Verwaltungsakts (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 7
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5
-

aaO; [X.]eschluss vom 30. November 2009 -
AnwZ ([X.]) 11/08, [X.], 1972 Rn. 7; jeweils
mwN).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
a) Die [X.]eklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung des
beabsichtigten Robenaufdrucks in Form eines belehrenden
Hinweises
nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 [X.] mitzutei-len. [X.] kann dem Rechtsanwalt im Rahmen eines solchen
Hinweises
zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte [X.] zu unterlassen (vgl. Senat, Urteile vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 10 und vom 23. April 2012 -
AnwZ ([X.]) 35/11 aaO; jeweils mwN). Gründe, die zu [X.] anderweitigen [X.]eurteilung zwingen könnten, wenn -
wie hier -
künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im [X.]lick darauf, dass der Kläger aufgrund des
Hinweises
in keiner Weise gehindert ist, den
Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröff-neten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der An-wendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438
Rn. 32; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO;
zu verbotener Vorzensur vgl.
[X.]VerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in [X.]/[X.], [X.], 68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 5 Rn. 116 mwN).
b) Zu Recht und mit zutreffender [X.]egründung hat der [X.] in dem Tragen
einer nach dem Muster des [X.] bestickten oder bedruckten Robe vor Gericht einen Verstoß gegen § 20 [X.] gesehen. Diese -
auf der Grundlage von § 59b Abs. 2 Nr. 6c [X.] erlassene -
berufsrechtliche Vor-schrift steht jeglicher Werbung auf einer Robe im Gerichtssaal entgegen ([X.]). [X.]ei dem Aufdruck auf der Robe des [X.] handelt es sich um eine solche unzulässige Werbung (nachfolgend bb).
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6
-

aa) Nach § 20 [X.] trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als [X.]erufstracht die Robe, soweit dies üblich ist. Eine [X.]erufspflicht zum Erscheinen in [X.] beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

(1) Die in § 20 [X.] bestimmte Pflicht zum Tragen einer Robe setzt vo-raus, dass die Robe nicht mit Werbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbringungen versehen ist ([X.]/[X.], [X.]/[X.], 6.
Aufl., § 20 [X.] Rn. 41; [X.][X.], [X.], 4. Aufl., § 20 [X.] Rn. 5; [X.]rüggemann in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 20 [X.] Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das [X.]erufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein erheb-liches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen
([X.]VerfGE 28, 21, 31
f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 [X.]) wird sichtbar gemacht ([X.]VerfG aaO; [X.]/[X.] aaO Rn. 16, 41; [X.] in Gaier/
[X.]/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 1 [X.] Rn. 91).
Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts-
und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein [X.]eitrag zur Schaffung der Atmosphäre der [X.] und Objektivität
geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in ange-messener Form darstellen kann ([X.]VerfG aaO). Durch das Anlegen der Robe tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbetei-ligter zurück ([X.]/[X.] aaO Rn. 18 f.
mwN; [X.], [X.] Rn. 128).

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-

Dieser Zweck der
vor
Gericht
getragenen Anwaltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf der Robe entgegen. Letztere
verkörpert
-
im Unterschied zu anderen [X.]erufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsan-walts
-
für alle Anwesenden erkennbar die
Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit
und
der Rationalität sowie der Verall-gemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist
([X.]/
[X.] aaO Rn. 18 f.
mwN; [X.], Anwaltsrecht Rn. 128). Ein [X.] stört -
unabhängig von seinem Inhalt -
diese Funktion,
Aussage und Wir-kung der Robe. Anwaltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewin-nen (st. Rspr.;
vgl. etwa Senat, [X.]eschluss vom 18. Dezember 2015
-
AnwZ ([X.]) 19/15, [X.]RAK-Mitt. 2016, 72
Rn.
5; Urteil vom 12. Juli 2012
-
AnwZ ([X.]) 37/11, [X.]Z 194, 79 Rn. 18 und [X.]eschluss vom 23. September 2002 -
AnwZ ([X.]) 67/01, [X.], 346). Durch ihre Aufbringung auf die vor
Gericht getragene Robe
wird
letztere
zweckentfremdet und werden ihre
eigent-lichen, vorstehend dargestellten
Zwecke
wesentlich beeinträchtigt. Der Rechts-anwalt tritt mittels der Robe als "Werbeträger"
hervor und
mindert auf diese Weise die vorgenannte Funktion
und Wirkung
der Robe.
Soweit der Kläger meint, durch die namentliche Kennzeichnung werde der Sinn des Robetragens verstärkt, wenn sich nicht nur die Anwaltseigen-schaft, sondern auch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse, miss-versteht er Sinn und Zweck der Robe. Durch sie soll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Person, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspflege aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehoben werden. Eine namentliche Kennzeichnung auf der Robe dient diesem Zweck nicht.

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-
8
-

(2) Das Gebot der Werbefreiheit von Roben gilt, wie der [X.] zutreffend erkannt hat, auch für Roben, die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen getragen werden, für die nach § 20 [X.]
eine Roben-pflicht nicht besteht. Die Funktion der Robe ist nicht abhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wird sie von einem Rechtsanwalt
vor Gericht ohne Verpflich-tung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurch nicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalen Kleidungsstück. Nach dem
maßgeblichen objekti-vierten Horizont des [X.]etrachters weist der Rechtsanwalt vielmehr auch in [X.] ohne Robenpflicht
mit dem Anlegen der Robe auf den vor-stehend dargestellten Zweck der Robe hin
und macht ihn sich zu Eigen. Mit diesem Zweck ist -
wie ausgeführt -
eine auf der Robe aufgebrachte Werbung nicht zu vereinbaren.
(3) Der
somit aus
§ 20 [X.] folgenden
Werbefreiheit von vor Gericht getragenen Roben stehen nicht § 43b [X.] und § 6 [X.] entgegen. Denn auch nach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nicht erlaubt (siehe nachfolgend zu c).
(4) Das aus § 20 [X.] folgende
Verbot von Werbung auf vor Gericht getragenen Roben ist im Hinblick auf die hiermit verbundene Einschränkung der [X.]erufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
und
der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 16 ff.
mwN zum Schutzbereich von [X.]erufsausübungs-
und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicher Werbung), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschränkung beider Grund-rechte lässt sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des [X.] rechtfertigen.
Letztere
sind
in dem vorstehend unter (1) näher aus-geführten Sinn und Zweck einer vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begrün-det. In Abwägung dieser [X.]elange des Gemeinwohls
mit der geringen, mit einem 18
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-
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-

Werbeverbot auf vor Gericht getragenen Roben verbundenen Grundrechtsein-schränkung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
gewahrt.
Eine entsprechende [X.]eschränkung anwaltlicher Werbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des [X.]erufsstandes"
im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im [X.]innenmarkt, A[X.]l. Nr. L 376 S. 36,
und hierzu [X.], [X.] 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 12; [X.],
Urteil vom 13. November 2013 -
I [X.], [X.]Z 199, 43 Rn. 18, 20 f.).
(5) Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende [X.]estimmtheitsgebot
ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dass die [X.]etroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. [X.]VerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies
ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen [X.]estim-mung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st.
Rspr.; vgl. [X.]VerfGE 102, 254
aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118
f.; jeweils mwN). Das rechtsstaatliche [X.]estimmtheitsgebot wird eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungswei-sende Gesichtspunkte für die -
den Gerichten und Verwaltungsbehörden über-tragene -
Auslegung der in der Norm verwendeten [X.]egriffe ergeben (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 30. November 1988 -
1 [X.]vR 900/88, juris Rn. 8).
Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eine Auslegung von § 20 [X.] im Sinne eines Verbots von Werbung auf vor Gericht getragenen An-waltsroben.
Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich -
wie gezeigt -
im Wege der Heranziehung von Sinn und Zweck der Robe feststellen. Aus ihnen 21
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-
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-

ergeben sich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Auslegung der
Vor-schrift
im vorgenannten Sinn.
bb) [X.]ei dem Aufdruck auf der Robe des [X.]
handelt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwendung des Domain-Namens der Homepage des [X.] als Robenaufdruck ist, wie der [X.] in dem [X.] Urteil und die [X.]eklagte in dem [X.]escheid vom 26. Mai 2015 zutreffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zielt darauf ab, den Verkehr für die Inan-spruchnahme von Leistungen des [X.] zu gewinnen (vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438
Rn. 28 mwN; zur Verwendung von Domain-Namen als Werbung
vgl.
Senat, [X.]eschluss vom 25. November 2002 -
AnwZ ([X.]) 8/02, [X.], 504; [X.]eschluss
vom 25. November 2002
-
AnwZ ([X.]) 41/02, [X.]Z 153, 61, 68
f.; [X.]/Riße, [X.] 2005, 1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloße Kenntlichmachung des [X.] im Gerichtssaal. Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht die Angabe des Domain-Namens der Homepage des [X.] auf seiner Robe weit über dessen Kenntlichmachung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbst und die dort vorhandenen, selbstdarstellen-den Inhalte. Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwesenden [X.], zu dessen Kenntnisnahme der Aufdruck bestimmt ist, dient die Angabe einer "Internetadresse"
als Aufdruck auf einer
Robe daher vorrangig nicht der
-
auch anders zu bewirkenden -
Identifizierbarkeit des Trägers der Robe, son-dern der Werbung für dessen auf
seiner Homepage näher beschriebenen Leis-tungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Namen unter anderem auch die Identifizierung des Trägers der Robe ermöglicht wird, steht dieser Einordnung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht entgegen.
c) Der Senat teilt zudem die in dem
angefochtenen [X.]escheid vertretene Auffassung
der [X.], dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung 24
25
-
11
-

mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§
43b [X.], § 6 Abs. 1 [X.]) nicht vereinbar ist.
aa) Das in § 43b [X.], § 6 Abs. 1 [X.] ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Ein-schränkung der [X.]erufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
und der Meinungs-freiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa [X.]VerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; [X.]VerfG, NJW
2004, 2656, 2657; 2015, 1438
Rn. 16 ff.). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhän-gigkeit, die Würde und die Integrität des [X.]erufsstandes"
im Rahmen kommerzi-eller Kommunikation zu gewährleisten (siehe oben [X.] (4) zu
Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im [X.]innenmarkt, A[X.]l. Nr. L 376 S. 36). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche
Werbemethoden verwenden darf, die im [X.]ereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwer-bung"
[X.]VerfGE
102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl.
Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des [X.]erufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, [X.]T-Drucks. 12/4993 S. 28;
[X.]eschluss-empfehlung und [X.]ericht, [X.]T-Drucks. 12/7656 S. 48; zum Verbot einer reißeri-schen und/oder [X.] Werbung auf Tassen durch einen Rechtsan-walt vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. -
wenngleich im Detail kritisch
-
von [X.] in [X.]/[X.]
aaO
§ 6 [X.] Rn.
29;
[X.][X.]
aaO
§ 43b Rn. 30; jeweils mwN; enger wohl
Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts-
und steuerberatenden [X.]erufe, 2.
Aufl., Rn.
224 f., 259 ff.).
26
-
12
-

bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine bestimmte Form und ein be-stimmtes Mittel beschränkt (von [X.] aaO Rn. 44). Ein vom Rechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Medium kann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen ([X.]VerfG, [X.], 3470 mwN; [X.] aaO Rn. 31). Indes ist nach §
43b
Abs. 1 [X.] dem Rechtsanwalt nur solche Werbung
erlaubt, die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Sachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung, sondern auch ihre Methoden ([X.]T-Drucks. 12/4993 und 12/7656, jeweils aaO). Ob es durch eine konkrete Werbung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und [X.] der Werbung einbezieht.
cc) Die nach diesen Maßstäben
bestehenden Grenzen der berufsrecht-lich zulässigen Werbung (§ 43b [X.]) werden durch das Tragen einer Robe nach dem Muster des [X.] aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. [X.]VerfG, NJW 2001, 3324 mwN) in der gebotenen Gesamt-betrachtung des
Aufdrucks, seines Trägermediums (Robe) und des [X.] überschritten. Die entsprechende [X.]eurteilung in dem angefochte-nen [X.]escheid der [X.] ist nicht zu beanstanden. Die im [X.] ist kein zulässiges Mittel anwaltlicher Werbung (so auch von
[X.]
aaO Rn. 44, 69a).
Die Angabe des Namens des [X.] und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen inhaltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Aufbringung auf einer vor Gericht getragenen Robe verletzt jedoch das Sachlichkeitsgebot der § 43b Abs. 1, § 6 Abs. 1 [X.]. Die Robe verkörpert
-
wie bereits ausgeführt -
für alle im Gerichtssaal Anwesenden erkennbar die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch 27
28
29
-
13
-

die Grundsätze der Sachlichkeit
und
der Rationalität geprägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts-
und Wahrheitsfindung im Prozess
und mithin der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichen Vorschriften des an-waltlichen [X.]erufsrechts dienen ebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl. [X.]VerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; [X.]VerfG, NJW 2004, 2656 aaO; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 13; [X.] aaO Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf Roben betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der anwalt-lichen Robe auszulegen. Ein Werbeaufdruck stört aber -
unabhängig von sei-nem Inhalt -
die Funktion
und Wirkung der Robe.
In Folge seiner Aufbringung entsteht ein für alle [X.]etrachter ins Auge springendes, nicht auflösbares
Span-nungsverhältnis
zwischen dem Zweck der Robe und den durch sie verkörperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Werbezweck des Aufdrucks
anderer-seits. Die Robe verliert in Folge dieser
-
durch den Aufdruck herbeigeführten
-
Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeblich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkung des
Werbeaufdrucks
begründet einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot der §
43b [X.], § 6 Abs. 1 [X.].
d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer im Gerichtssaal mit Werbe-aufdruck getragenen Robe würde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizei-liche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

30
-
14
-

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], §
154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], §
52 Abs. 2 GKG.
Limperg
[X.]
Remmert

Schäfer
Lauer
Vorinstanz:
[X.] Hamm, Entscheidung vom 29.05.2015 -
1 [X.] 16/15 -

31

Meta

AnwZ (Brfg) 47/15

07.11.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.11.2016, Az. AnwZ (Brfg) 47/15 (REWIS RS 2016, 2893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2893

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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