Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.11.2016, Az. AnwZ (Brfg) 47/15

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2016, 2886

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Gegenstand

Anwaltliches Berufsrecht: Zulässigkeit einer mit einem Werbeaufdruck versehenen, im Gerichtssaal getragenen Anwaltsrobe


Leitsatz

Zur berufsrechtlichen Zulässigkeit einer mit einem Werbeaufdruck versehenen, im Gerichtssaal getragenen Anwaltsrobe.

Tenor

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] vom 29. Mai 2015 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger ist seit 2004 Mitglied der [X.]. Er wendet sich gegen einen belehrenden Hinweis der [X.] vom 26. Mai 2015. Dieser war auf seine Bitte ergangen, ihn über die berufsrechtliche Zulässigkeit eines von ihm ins Auge gefassten Aufdrucks beziehungsweise einer Bestickung seiner Anwaltsrobe auf deren oberen Rückenbereich mit den Worten "Dr. R.      " und der Internetadresse "www.dr-r.  .de" zu belehren.

2

In dem - dem Kläger zugestellten und mit einer Rechtsmittelbelehrung versehenen - Bescheid belehrte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass das Tragen der Anwaltsrobe mit dem vorgenannten Aufdruck nicht mit dem anwaltlichen Berufsrecht vereinbar und daher von ihm künftig zu unterlassen sei. Mit der geplanten Verwendung der Robe verstoße er gegen § 43b [X.], § 6 Abs. 1, § 20 [X.]. Es handele sich um ein werbliches Auftreten nach außen, das dazu diene, in den Gerichtssälen bewusst Zuhörer und andere auf sich aufmerksam zu machen, um hierdurch für neue Mandate zu werben. Diese Werbung sei unsachlich, weil ein Gerichtssaal der falsche Ort für Werbung insgesamt sei. Außerdem verstoße er durch das Tragen der Robe gegen § 20 [X.], da von der üblichen Berufstracht abgewichen werde.

3

Der [X.] hat die vom Kläger gegen den Bescheid der [X.] vom 26. Mai 2015 erhobene Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.

4

Der Kläger beantragt nunmehr das Urteil des [X.]s für das [X.], [X.]. 1 [X.] 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der [X.], [X.]. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 aufzuheben.

5

hilfsweise,

6

das Urteil des [X.]s für das [X.], [X.]. 1 [X.] 16/15, vom 29. Mai 2015, sowie den Bescheid der [X.], [X.]. III. Abt. 275/2014, vom 26. Mai 2015 insoweit aufzuheben, als dem Kläger darin auch untersagt wird,

- die verfahrensgegenständliche Robe vor Gerichten zu tragen, vor denen Robenzwang für Rechtsanwälte nicht besteht, sowie

- die verfahrensgegenständliche Robe auch dann zu tragen, selbst wenn die Vorsitzende Richterin/[X.] deren Tragen im Rahmen der [X.] zugelassen hat.

7

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

8

Die [X.]erufung hat keinen Erfolg.

9

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 112a Abs. 1, § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 42 Abs. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 [X.] ergangene belehrende Hinweise namentlich dann, wenn sie wie der angefochtene [X.]escheid mit einem Handlungsverbot verbunden sind, als in die Rechtsstellung des Rechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzusehen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklage angefochten werden können (vgl. nur [X.], Urteile vom 27. Oktober 2014 - [X.] ([X.]) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 und vom 23. April 2012 - [X.] ([X.]) 35/11, [X.], 3039 Rn. 5; jeweils [X.]). Der [X.] steht unter den hier gegebenen Umständen nicht entgegen, dass sich der [X.]escheid nicht auf vergangenes, sondern auf zukünftiges Verhalten des [X.] bezieht. Er geht schon ausweislich der Entscheidungsformel über eine lediglich präventive Auskunft hinaus, da er feststellt, dass die Verwendung des verfahrensgegenständlichen [X.]naufdrucks rechtswidrig ist, und ein konkretes Verbot ausspricht. Damit ist der [X.]ereich präventiver Hinweise ohne Regelungscharakter verlassen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO [X.]). Darüber hinaus ist der [X.]escheid mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen gewesen und förmlich zugestellt worden. [X.]eides spricht gleichfalls für das Vorliegen eines Verwaltungsakts (vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; [X.]eschluss vom 30. November 2009 - [X.] ([X.]) 11/08, [X.], 1972 Rn. 7; jeweils [X.]).

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

a) Die [X.]eklagte war befugt, dem Kläger das Ergebnis ihrer durch diesen selbst initiierten rechtlichen Prüfung des beabsichtigten [X.]naufdrucks in Form eines belehrenden Hinweises nach § 73 Abs. 2 Nr. 1, 4 [X.] mitzuteilen. [X.] kann dem Rechtsanwalt im Rahmen eines solchen Hinweises zugleich aufgegeben werden, das als rechtswidrig erkannte Verhalten zu unterlassen (vgl. Senat, Urteile vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 10 und vom 23. April 2012 - [X.] ([X.]) 35/11 aaO; jeweils [X.]). Gründe, die zu einer anderweitigen [X.]eurteilung zwingen könnten, wenn - wie hier - künftiges Verhalten betroffen ist, sind nicht ersichtlich. Schon im [X.]lick darauf, dass der Kläger aufgrund des Hinweises in keiner Weise gehindert ist, den Aufdruck gleichwohl zu verwenden, vielmehr gegebenenfalls lediglich die Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens mit den dann eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten zu erwarten hat, ist auch nicht etwa der Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG eröffnet (vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 32; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO; zu verbotener Vorzensur vgl. [X.]VerfGE 73, 118, 166; 87, 209, 230; Grabenwarter in [X.]/[X.], [X.], [X.], Art. 5 Rn. 116 [X.]).

b) Zu Recht und mit zutreffender [X.]egründung hat der [X.] in dem Tragen einer nach dem Muster des [X.] bestickten oder bedruckten [X.] vor Gericht einen Verstoß gegen § 20 [X.] gesehen. Diese - auf der Grundlage von § 59b Abs. 2 Nr. 6c [X.] erlassene - berufsrechtliche Vorschrift steht jeglicher Werbung auf einer [X.] im Gerichtssaal entgegen (nachfolgend aa). [X.]ei dem Aufdruck auf der [X.] des [X.] handelt es sich um eine solche unzulässige Werbung (nachfolgend bb).

aa) Nach § 20 [X.] trägt der Rechtsanwalt vor Gericht als [X.]erufstracht die [X.], soweit dies üblich ist. Eine [X.]erufspflicht zum Erscheinen in [X.] besteht beim Amtsgericht in Zivilsachen nicht.

(1) Die in § 20 [X.] bestimmte Pflicht zum Tragen einer [X.] setzt voraus, dass die [X.] nicht mit Werbeaufdrucken oder ähnlichen werbenden Aufbringungen versehen ist ([X.]/[X.], [X.]/[X.], 6. Aufl., § 20 [X.] Rn. 41; [X.][X.], [X.], 4. Aufl., § 20 [X.] Rn. 5; [X.]rüggemann in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 20 [X.] Rn. 3). Dies ergibt sich, wie das [X.]erufungsgericht zutreffend erkannt hat, aus Sinn und Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe. Es besteht ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, dass Gerichtsverhandlungen in guter Ordnung und angemessener Form durchgeführt werden können. Diesem Zweck dient es, wenn auch die an der Verhandlung beteiligten Rechtsanwälte eine Amtstracht tragen ([X.]VerfGE 28, 21, 31 f.). Sie werden dadurch aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an der Verhandlung herausgehoben; ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 [X.]) wird sichtbar gemacht ([X.]VerfG aaO; [X.]/[X.] aaO Rn. 16, 41; [X.] in Gaier/[X.]/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 1 [X.] Rn. 91). Darin liegt auch ein zumindest mittelbarer Nutzen für die Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess; denn die Übersichtlichkeit der Situation im Verhandlungsraum wird gefördert und zugleich ein [X.]eitrag zur Schaffung der Atmosphäre der Ausgeglichenheit und Objektivität geleistet, in der allein Rechtsprechung sich in angemessener Form darstellen kann ([X.]VerfG aaO). Durch das Anlegen der [X.] tritt der Rechtsanwalt mithin als Person hinter seiner Funktion als Prozessbeteiligter zurück ([X.]/[X.] aaO Rn. 18 f. [X.]; [X.], Anwaltsrecht Rn. 128).

Dieser Zweck der vor Gericht getragenen Anwaltsrobe steht jeglichem Werbeaufdruck auf der [X.] entgegen. Letztere verkörpert - im Unterschied zu anderen [X.]erufskleidungen und zu anderen Kleidungsstücken des Rechtsanwalts - für alle Anwesenden erkennbar die Organstellung des Rechtsanwalts und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität sowie der Verallgemeinerungsfähigkeit der Rechtsanwendung geprägt ist ([X.]/[X.] aaO Rn. 18 f. [X.]; [X.], Anwaltsrecht Rn. 128). Ein Werbeaufdruck stört - unabhängig von seinem Inhalt - diese Funktion, Aussage und Wirkung der [X.]. Anwaltliche Werbung ist ein Verhalten, das darauf abzielt, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rechtsanwalts zu gewinnen (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, [X.]eschluss vom 18. Dezember 2015 - [X.] ([X.]) 19/15, [X.]RAK-Mitt. 2016, 72 Rn. 5; Urteil vom 12. Juli 2012 - [X.] ([X.]) 37/11, [X.]Z 194, 79 Rn. 18 und [X.]eschluss vom 23. September 2002 - [X.] ([X.]) 67/01, [X.], 346). Durch ihre Aufbringung auf die vor Gericht getragene [X.] wird letztere zweckentfremdet und werden ihre eigentlichen, vorstehend dargestellten Zwecke wesentlich beeinträchtigt. Der Rechtsanwalt tritt mittels der [X.] als "Werbeträger" hervor und mindert auf diese Weise die vorgenannte Funktion und Wirkung der [X.].

Soweit der Kläger meint, durch die namentliche Kennzeichnung werde der Sinn des [X.]tragens verstärkt, wenn sich nicht nur die Anwaltseigenschaft, sondern auch die konkrete Person des Anwalts erkennen lasse, missversteht er Sinn und Zweck der [X.]. Durch sie soll der Rechtsanwalt gerade nicht als konkrete Person, sondern als unabhängiges Organ der Rechtspflege aus dem übrigen Teilnehmerkreis hervorgehoben werden. Eine namentliche Kennzeichnung auf der [X.] dient diesem Zweck nicht.

(2) Das Gebot der Werbefreiheit von [X.]n gilt, wie der [X.] zutreffend erkannt hat, auch für [X.]n, die von Rechtsanwälten in Gerichtsverhandlungen getragen werden, für die nach § 20 [X.] eine [X.]npflicht nicht besteht. Die Funktion der [X.] ist nicht abhängig von der Pflicht zu ihrer Verwendung. Wird sie von einem Rechtsanwalt vor Gericht ohne Verpflichtung aus freien Stücken getragen, verliert sie hierdurch nicht ihren Zweck und wird nicht zu einem normalen Kleidungsstück. Nach dem maßgeblichen objektivierten Horizont des [X.]etrachters weist der Rechtsanwalt vielmehr auch in Gerichtsverhandlungen ohne [X.]npflicht mit dem Anlegen der [X.] auf den vorstehend dargestellten Zweck der [X.] hin und macht ihn sich zu Eigen. Mit diesem Zweck ist - wie ausgeführt - eine auf der [X.] aufgebrachte Werbung nicht zu vereinbaren.

(3) Der somit aus § 20 [X.] folgenden Werbefreiheit von vor Gericht getragenen [X.]n stehen nicht § 43b [X.] und § 6 [X.] entgegen. Denn auch nach diesen Vorschriften ist eine solche Werbung nicht erlaubt (siehe nachfolgend zu c).

(4) Das aus § 20 [X.] folgende Verbot von Werbung auf vor Gericht getragenen [X.]n ist im Hinblick auf die hiermit verbundene Einschränkung der [X.]erufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG; vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 16 ff. [X.] zum Schutzbereich von [X.]erufsausübungs- und Meinungsfreiheit im Falle anwaltlicher Werbung), verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Einschränkung beider Grundrechte lässt sich mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls rechtfertigen. Letztere sind in dem vorstehend unter (1) näher ausgeführten Sinn und Zweck einer vor Gericht getragenen Anwaltsrobe begründet. In Abwägung dieser [X.]elange des Gemeinwohls mit der geringen, mit einem Werbeverbot auf vor Gericht getragenen [X.]n verbundenen Grundrechtseinschränkung ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Eine entsprechende [X.]eschränkung anwaltlicher Werbung ist auch im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des [X.]erufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (vgl. Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im [X.]innenmarkt, A[X.]l. Nr. L 376 S. 36, und hierzu [X.], [X.] 2011, 681 Rn. 24, 30 sowie vgl. Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 12; [X.], Urteil vom 13. November 2013 - [X.], [X.]Z 199, 43 Rn. 18, 20 f.).

(5) Das aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende [X.]estimmtheitsgebot ist gewahrt. Danach ist erforderlich, dass die [X.]etroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können (vgl. [X.]VerfGE 78, 205, 212; 84, 133, 149; 87, 234, 263; 102, 254, 337). Dies ist schon dann anzunehmen, wenn sich der Regelungsgehalt der Norm im Wege der Auslegung der einschlägigen [X.]estimmung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden feststellen lässt (st. Rspr.; vgl. [X.]VerfGE 102, 254 aaO; 110, 33, 56 f.; 117, 71, 111 f.; 131, 88, 118 f.; jeweils [X.]). Das rechtsstaatliche [X.]estimmtheitsgebot wird eingehalten, wenn sich aus der gesetzlichen Regelung und ihrer Zielsetzung richtungsweisende Gesichtspunkte für die - den Gerichten und Verwaltungsbehörden übertragene - Auslegung der in der Norm verwendeten [X.]egriffe ergeben (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 30. November 1988 - 1 [X.]vR 900/88, juris Rn. 8).

Diesen Anforderungen entspricht vorliegend eine Auslegung von § 20 [X.] im Sinne eines Verbots von Werbung auf vor Gericht getragenen [X.]. Der entsprechende Regelungsgehalt lässt sich - wie gezeigt - im Wege der Heranziehung von Sinn und Zweck der [X.] feststellen. Aus ihnen ergeben sich richtungsweisende Gesichtspunkte für eine Auslegung der Vorschrift im vorgenannten Sinn.

bb) [X.]ei dem Aufdruck auf der [X.] des [X.] handelt es sich um Werbung. Insbesondere die Verwendung des Domain-Namens der Homepage des [X.] als [X.]naufdruck ist, wie der [X.] in dem angefochtenen Urteil und die [X.]eklagte in dem [X.]escheid vom 26. Mai 2015 zutreffend ausgeführt haben, Werbung. Denn sie zielt darauf ab, den Verkehr für die Inanspruchnahme von Leistungen des [X.] zu gewinnen (vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438 Rn. 28 [X.]; zur Verwendung von Domain-Namen als Werbung vgl. Senat, [X.]eschluss vom 25. November 2002 - [X.] ([X.]) 8/02, [X.], 504; [X.]eschluss vom 25. November 2002 - [X.] ([X.]) 41/02, [X.]Z 153, 61, 68 f.; [X.]/Riße, [X.] 2005, 1381 f.). Keineswegs handelt es sich um die bloße Kenntlichmachung des [X.] im Gerichtssaal. Diese ist schon nicht geboten. Vor allem aber geht die Angabe des Domain-Namens der Homepage des [X.] auf seiner [X.] weit über dessen Kenntlichmachung hinaus. Sie verweist auf die Homepage selbst und die dort vorhandenen, selbstdarstellenden Inhalte. Aus der maßgeblichen Sicht des im Gerichtssaal anwesenden Publikums, zu dessen Kenntnisnahme der Aufdruck bestimmt ist, dient die Angabe einer "Internetadresse" als Aufdruck auf einer [X.] daher vorrangig nicht der - auch anders zu bewirkenden - Identifizierbarkeit des Trägers der [X.], sondern der Werbung für dessen auf seiner Homepage näher beschriebenen Leistungen. Der Umstand, dass durch den Domain-Namen unter anderem auch die Identifizierung des Trägers der [X.] ermöglicht wird, steht dieser Einordnung des Aufdrucks als vorrangig werbend nicht entgegen.

c) Der Senat teilt zudem die in dem angefochtenen [X.]escheid vertretene Auffassung der [X.]eklagten, dass die durch den Kläger beabsichtigte Werbung mit dem berufsrechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung (§ 43b [X.], § 6 Abs. 1 [X.]) nicht vereinbar ist.

aa) Das in § 43b [X.], § 6 Abs. 1 [X.] ausgeformte berufsrechtliche Sachlichkeitsgebot anwaltlicher Werbung ist trotz der damit verbundenen Einschränkung der [X.]erufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. etwa [X.]VerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff.; 82, 18, 28; [X.]VerfG, NJW 2004, 2656, 2657; 2015, 1438 Rn. 16 ff.). Es ist in ähnlicher Form im Gemeinschaftsrecht angesprochen, indem dort den Mitgliedstaaten aufgegeben wird, "die Unabhängigkeit, die Würde und die Integrität des [X.]erufsstandes" im Rahmen kommerzieller Kommunikation zu gewährleisten (siehe oben [X.] (4) zu Art. 24 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im [X.]innenmarkt, A[X.]l. Nr. L 376 S. 36). Dass die Rechtsanwaltschaft unter der Geltung des Sachlichkeitsgebots nicht sämtliche Werbemethoden verwenden darf, die im [X.]ereich der werbenden allgemeinen Wirtschaft (noch) hinzunehmen wären (vgl. zu sog. "Schockwerbung" [X.]VerfGE 102, 347; 107, 275), entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des [X.]erufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, [X.]T-Drucks. 12/4993 S. 28; [X.]eschlussempfehlung und [X.]ericht, [X.]T-Drucks. 12/7656 S. 48; zum Verbot einer reißerischen und/oder [X.] Werbung auf Tassen durch einen Rechtsanwalt vgl. [X.]VerfG, NJW 2015, 1438; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO) und ist im berufsrechtlichen Schrifttum weithin anerkannt (vgl. - wenngleich im Detail kritisch - von [X.] in Hartung/[X.] aaO § 6 [X.] Rn. 29; [X.][X.] aaO § 43b Rn. 30; jeweils [X.]; enger wohl Kleine-Cosack, Das Werberecht der rechts- und steuerberatenden [X.]erufe, 2. Aufl., Rn. 224 f., 259 ff.).

bb) Anwaltliche Werbung ist nicht auf eine bestimmte Form und ein bestimmtes Mittel beschränkt (von [X.] aaO Rn. 44). Ein vom Rechtsanwalt zur Selbstdarstellung gewähltes Medium kann daher für sich betrachtet nicht die Unzulässigkeit der Werbung begründen ([X.]VerfG, [X.], 3470 [X.]; [X.] aaO Rn. 31). Indes ist nach § 43b Abs. 1 [X.] dem Rechtsanwalt nur solche Werbung erlaubt, die nach Form und Inhalt sachlich unterrichtet. Das Sachlichkeitsgebot betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers mithin nicht nur den Inhalt der Werbung, sondern auch ihre Methoden ([X.]T-Drucks. 12/4993 und 12/7656, jeweils aaO). Ob es durch eine konkrete Werbung gewahrt wird, lässt sich daher nur aufgrund einer Gesamtschau bewerten, die Inhalt, Ort und Medium der Werbung einbezieht.

cc) Die nach diesen Maßstäben bestehenden Grenzen der berufsrechtlich zulässigen Werbung (§ 43b [X.]) werden durch das Tragen einer [X.] nach dem Muster des [X.] aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. [X.]VerfG, NJW 2001, 3324 [X.]) in der gebotenen Gesamtbetrachtung des Aufdrucks, seines Trägermediums ([X.]) und des [X.] überschritten. Die entsprechende [X.]eurteilung in dem angefochtenen [X.]escheid der [X.]eklagten ist nicht zu beanstanden. Die im Gerichtssaal getragene [X.] ist kein zulässiges Mittel anwaltlicher Werbung (so auch von [X.] aaO Rn. 44, 69a).

Die Angabe des Namens des [X.] und des Domain-Namens seiner Homepage stellt für sich genommen inhaltlich zwar keine unsachliche Werbung dar. Ihre Aufbringung auf einer vor Gericht getragenen [X.] verletzt jedoch das [X.] Abs. 1, § 6 Abs. 1 [X.]. Die [X.] verkörpert - wie bereits ausgeführt - für alle im Gerichtssaal Anwesenden erkennbar die Stellung des Rechtsanwalts als unabhängiges Organ der Rechtspflege und das Ziel einer ausgeglichenen und objektiven Verhandlungsatmosphäre, die durch die Grundsätze der Sachlichkeit und der Rationalität geprägt ist. Sie dient damit mittelbar auch der Rechts- und Wahrheitsfindung im Prozess und mithin der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Die werberechtlichen Vorschriften des anwaltlichen [X.]erufsrechts dienen ebenfalls dem Zweck, die Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege zu sichern (vgl. [X.]VerfGE 76, 196, 207 f.; 82, 18, 26; [X.]VerfG, NJW 2004, 2656 aaO; Senat, Urteil vom 27. Oktober 2014 aaO Rn. 13; [X.] aaO Rn. 10). Sie sind daher, soweit Werbung auf [X.]n betroffen ist, auch vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der anwaltlichen [X.] auszulegen. Ein Werbeaufdruck stört aber - unabhängig von seinem Inhalt - die Funktion und Wirkung der [X.]. In Folge seiner Aufbringung entsteht ein für alle [X.]etrachter ins Auge springendes, nicht auflösbares Spannungsverhältnis zwischen dem Zweck der [X.] und den durch sie verkörperten Inhalten und Zielen einerseits und dem Werbezweck des Aufdrucks andererseits. Die [X.] verliert in Folge dieser - durch den Aufdruck herbeigeführten - Widersprüchlichkeit ihres Erscheinungsbildes maßgeblich ihre Funktion. Diese zweckentfremdende Wirkung des [X.] begründet einen Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot der § 43b [X.], § 6 Abs. 1 [X.].

d) Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer im Gerichtssaal mit Werbeaufdruck getragenen [X.] würde durch eine hierauf bezogene sitzungspolizeiliche Gestattung des Vorsitzenden nicht berührt.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 Satz 1 [X.], § 52 Abs. 2 GKG.

Limperg                         Lohmann                         Remmert

                  Schäfer                                Lauer

Meta

AnwZ (Brfg) 47/15

07.11.2016

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Urteil

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 29. Mai 2015, Az: 1 AGH 16/15, Urteil

§ 43b BRAO, § 6 RABerufsO, § 20 RABerufsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.11.2016, Az. AnwZ (Brfg) 47/15 (REWIS RS 2016, 2886)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2886

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