Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2021, Az. VI ZR 533/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 3961

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Gegenstand

Schadensersatzanspruch des Fahrzeugkäufers in einem sog. Dieselfall: Vorteilsausgleichung bei Weiterverkauf des Fahrzeugs; Berücksichtigung einer "Wechselprämie" für den Kauf eines neuen Fahrzeugs


Leitsatz

1. Verlangt der geschädigte Fahrzeugkäufer in einem sog. Dieselfall vom Fahrzeughersteller Schadensersatz in Höhe des gezahlten Kaufpreises und hat er im Wege der Vorteilsausgleichung das erworbene Fahrzeug Zug um Zug an den Fahrzeughersteller herauszugeben und zu übereignen, tritt im Fall des Weiterverkaufs im Rahmen der Vorteilsausgleichung der erzielte marktgerechte Verkaufserlös an die Stelle des herauszugebenden und zu übereignenden Fahrzeugs.

2. Erhält der geschädigte Fahrzeugkäufer für den Kauf eines neuen Fahrzeugs eine "Wechselprämie" und handelt es sich dabei um eine Prämie für die individuelle Entscheidung, Auto und ggf. Automarke zu wechseln, die nichts mit dem Substanz- und Nutzungswert eines in Zahlung gegebenen Fahrzeugs zu tun hat, steht der mit der "Wechselprämie" verbundene wirtschaftliche Vorteil bei wertender Betrachtung dem Geschädigten zu.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 18. März 2020 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Feststellung der teilweisen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache und gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen für die [X.] vom 6. Dezember 2018 bis zum 19. Mai 2019 wendet.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung der Vorinstanzen wird - angesichts der teilweisen Klagerücknahme in der Revisionsinstanz - wie folgt geändert: Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3. Die Kosten der zweiten Instanz tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.

Die bis zum 7. Januar 2021 entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4. Die danach entstandenen Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt den beklagten [X.] wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die zu erhöhten Schadstoffemissionen führte, auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger kaufte am 5. September 2014 von einem Autohändler einen [X.] mit einer Laufleistung von 26.139 km zum Preis von 22.590 €. Das Fahrzeug war mit einem von der [X.] entwickelten und hergestellten Dieselmotor der [X.] ausgestattet. Das Abgassystem des Fahrzeugs enthielt eine Abschalteinrichtung, die auf dem Prüfstand die Einhaltung der seinerzeit gültigen Abgasnormen simulierte, während die Schadstoffemissionen im regulären Fahrbetrieb aufgrund einer geringeren Abgasrückführung höher waren.

3

Während des erstinstanzlichen Rechtsstreits erwarb der Kläger von einem Autohändler einen [X.], wobei er den [X.] für 7.000 € in Zahlung gab. Zusätzlich wurde eine "Wechselprämie" in Höhe von 6.000 € auf den für den [X.] vereinbarten Kaufpreis angerechnet. Die Übergabe des [X.] erfolgte am 20. Mai 2019 bei einer Laufleistung von 136.647 km.

4

Der Kläger hat den Rechtsstreit daraufhin in Höhe von 7.000 € einseitig für erledigt erklärt. Im Übrigen hat er in erster Instanz zuletzt im Wesentlichen beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.966,57 € (Kaufpreis zuzüglich 376,57 € Finanzierungskosten abzüglich 7.000 €) nebst Delikts- und Verzugszinsen zu zahlen, teilweise Zug um Zug gegen Zahlung einer Nutzungsentschädigung.

5

Das [X.] hat festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 7.000 € erledigt sei, und die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, 474,52 € nebst Prozesszinsen auf 14.733,85 € seit dem 5. Februar 2019 und auf 474,52 € ab 20. Mai 2019 an den Kläger zu zahlen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert, als es die Beklagte verurteilt hat, 6.474,52 € nebst gestaffelter Delikts- und Verzugszinsen seit dem 5. September 2014 an den Kläger zu zahlen. Die auf vollständige Klageabweisung gerichtete Berufung der [X.] hat es zurückgewiesen.

6

Mit ihrer vom Berufungsgericht unbeschränkt zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger hat die Klage zwischenzeitlich "im Umfang der vom Berufungsgericht ausgeurteilten Deliktszinsen" mit Zustimmung der [X.] zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

I.

7

Das Berufungsgericht, dessen Urteil unter BeckRS 2020, 21126 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

8

Der Kläger habe einen Schadensersatzanspruch gegen die [X.] aus § 826 [X.]. Die [X.] habe den Kläger durch die Konzeption, den Einbau und das Inverkehrbringen der Abschalteinrichtung in dem Motor des [X.] vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Es habe sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung gehandelt, aufgrund derer dem Fahrzeug des [X.] die Stilllegung gedroht habe. Der Schaden des [X.] liege im Erwerb des Fahrzeugs, den er in Kenntnis der Sachlage nicht getätigt hätte.

9

Der Kläger habe Anspruch auf Erstattung des Kaufpreises in Höhe von 22.590 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung von [X.] und abzüglich des durch die Inzahlunggabe erzielten Erlöses von 7.000 €, damit auf Zahlung eines Betrags von 6.474,52 €.

Das [X.] habe zutreffend festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Verkauf des Fahrzeugs in Höhe von 7.000 € in der Hauptsache erledigt sei. Der Kläger könne das Fahrzeug nach dem Verkauf nicht mehr herausgeben, stattdessen müsse er sich den Verkaufserlös anrechnen lassen.

Die "Wechselprämie" in Höhe von 6.000 € sei nicht zusätzlich auf den Anspruch des [X.] anzurechnen, da die Voraussetzungen einer Vorteilsausgleichung insoweit nicht erfüllt seien. Zwar erscheine der Zusammenhang zwischen dem täuschungsbedingten Erwerb des [X.] und der Gewährung der "Wechselprämie" adäquat kausal. Die Anrechnung der Prämie entspreche aber nicht dem Zweck des von der [X.]n geschuldeten Schadensersatzes. Die Prämie habe nicht speziell der Entschädigung der Käufer von Fahrzeugen mit Motoren der [X.] gedient. Es habe sich um eine aus anderen Gründen erbrachte freiwillige Leistung eines [X.] gehandelt, die nicht den Zweck gehabt habe, den Schädiger (die [X.]) zu entlasten. Es treffe auch nicht zu, dass die "Wechselprämie" nach der mit der Klage zunächst angestrebten Güterzuordnung (Rückgabe des Fahrzeugs) der Sphäre der [X.]n zuzuordnen sei. Zwar habe der Wert, den das Fahrzeug bei der Rückgabe gehabt hätte, der [X.]n zugestanden. Diese habe aber nicht vorgetragen, dass der Fahrzeugwert nennenswert höher als 7.000 € gewesen sei. Die [X.] habe auch nicht vorgetragen, dass sie selbst die Voraussetzungen für die Gewährung der "Wechselprämie" hätte erfüllen können. Hinzu komme, dass sich der Kläger in besonderer Weise nach günstigen Bedingungen für den Erwerb eines neuen Fahrzeugs erkundigt und dabei in Kauf genommen habe, das neue Fahrzeug weit entfernt von seinem Wohnort zu erwerben.

II.

1. Mit der teilweisen Klagerücknahme ist das Berufungsurteil wirkungslos geworden, soweit die [X.] darin zur Zahlung von Zinsen gemäß § 849 [X.] auf 9.000 € ab dem 5. September 2014 und auf weitere Beträge gestaffelt bis zum 5. Dezember 2018 verurteilt worden ist. Die Revision ist insoweit gegenstandslos.

2. Die Revision ist bereits unzulässig, soweit sie sich gegen die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache im Umfang einer Teilforderung von 7.000 € wendet, da es insoweit an der notwendigen Revisionsbegründung fehlt, § 552 Abs. 1, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO. Zwar macht die Revision geltend, dass die Inzahlunggabe des [X.] den Schadensersatzanspruch des [X.] gänzlich ausschließe. Sie stellt sich dabei aber ausdrücklich auf den Standpunkt, dass die Klage mit der Inzahlunggabe nicht nur teilweise, wie vom Berufungsgericht angenommen, sondern insgesamt unbegründet geworden sei. Dass die Klage bereits zuvor hinsichtlich der hier fraglichen Teilforderung in Höhe von 7.000 € unzulässig oder unbegründet gewesen, insoweit also keine Erledigung eingetreten sei (vgl. [X.], Urteil vom 1. Juni 2017 - [X.], [X.], 1204 Rn. 30 mwN), macht die Revision nicht geltend.

Die notwendige Revisionsbegründung fehlt auch hinsichtlich der Verzugszinsen, die das Berufungsgericht dem Kläger für die [X.] vom 6. Dezember 2018 bis zum 19. Mai 2019 (dem Tag vor der Inzahlungnahme) aus einem Betrag von 13.474,52 € zugesprochen hat. Die Einwendungen der Revision gegen die Hauptforderung des [X.] betreffen nach dem oben Gesagten nicht den hier fraglichen [X.]raum. Soweit die Revision in Abrede stellt, dass die [X.] in Verzug geraten sei, bezieht sich dies eindeutig nur auf den [X.]raum, für den das Berufungsgericht dem Kläger [X.] gemäß § 849 [X.] zugesprochen hat.

3. Soweit die Revision nicht gegenstandslos geworden oder unzulässig ist, betrifft sie die Verurteilung der [X.]n zur Zahlung von 6.474,52 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Mai 2019. Insoweit ist die Revision unbegründet.

a) Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist zunächst die Annahme des Berufungsgerichts, dass mit dem Erwerb des [X.] am 5. September 2014 ein Schadensersatzanspruch des [X.] gegen die [X.] aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 [X.] entstanden ist. Der Kläger wurde durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der [X.]n veranlasst, einen Vertrag abzuschließen, den er sonst nicht geschlossen hätte. Da die Verkehrsanschauung diesen Vertragsschluss bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht, liegt in der damit verbundenen Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung der dem Kläger zugefügte Schaden im Sinne des § 826 [X.] (vgl. [X.]surteile vom 26. Januar 2021 - [X.], [X.], 368 Rn. 21; vom 30. Juli 2020 - [X.], NJW 2020, 2804 Rn. 21; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 46 ff.; vom 28. Oktober 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 275 Rn. 19; [X.], Urteil vom 9. Mai 2005 - [X.], NJW 2005, 2450, 2451, juris Rn. 13). Nach deren Erfüllung hat sich der Vermögensschaden in dem Verlust des gezahlten Kaufpreises fortgesetzt (vgl. [X.], Urteil vom 13. November 2012 - [X.], [X.], 450 Rn. 18).

b) Der Inhalt der Pflicht zum Ersatz eines solchen Schadens bestimmt sich nach den §§ 249 ff. [X.]. Nach § 249 Abs. 1 [X.] hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestünde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Ohne das schädigende Ereignis hätte der Kläger nicht in Erfüllung der ungewollten Verpflichtung den Kaufpreis bezahlt. Der Weiterverkauf des Fahrzeugs hat diesen Schaden nicht vollständig entfallen lassen.

aa) Wie sich die Weiterveräußerung des Fahrzeugs auf den entstandenen Schadensersatzanspruch auswirkt, ist in Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten.

(1) Ein Teil der Rechtsprechung vertritt die Ansicht, durch den Weiterverkauf sei eine anspruchsausschließende Befreiung des Geschädigten von dem ungewollten Kaufvertrag eingetreten (vgl. [X.], Beschluss vom 24. März 2021 - 11 U 109/20, juris Rn. 11 f.; [X.], Urteil vom 19. Februar 2020 - 7 [X.], BeckRS 2020, 6243 Rn. 8 f.; [X.], Urteile vom 27. Januar 2020 - 18 U 9/19, BeckRS 2020, 6997 Rn. 21; vom 22. November 2019 - 17 U 70/19, juris Rn. 28).

(2) In der Literatur wird die Meinung vertreten, der Weiterverkauf des Fahrzeugs lasse den Kaufpreiserstattungsanspruch gemäß § 275 Abs. 1 [X.] und analog § 326 Abs. 1 Satz 1 [X.] entfallen, sofern der Geschädigte den beklagten Hersteller nicht zuvor in Annahmeverzug gesetzt hat (§ 326 Abs. 2 Satz 1 [X.] analog). Dies wird damit begründet, dass die vom Geschädigten vom Hersteller verlangte "Rückabwicklung" denselben Grundsätzen zu unterwerfen sei, wie sie für die Rückabwicklung des mit dem Autohaus geschlossenen Kaufvertrags über das Fahrzeug gegolten hätten (vgl. [X.], NJW 2021, 1425 Rn. 15, 21 f.).

(3) Die Revision vertritt - gestützt auf ein von ihr vorgelegtes Rechtsgutachten - die Ansicht, unter Heranziehung der bisherigen [X.]srechtsprechung in "Diesel-Fällen" bilde der ungewollte Vertragsschluss den Schaden des Fahrzeugerwerbers, weshalb nach dem Weiterverkauf die Naturalherstellung im Sinne von § 249 Abs. 1 [X.] nicht mehr möglich sei und nur eine Entschädigung in Geld nach § 251 Abs. 1 [X.] verlangt werden könne. Auf dieser Grundlage könne der Fahrzeugerwerber den Ausgleich eines etwaigen - hier nicht festgestellten und auch nicht ersichtlichen - negativen [X.] verlangen, der sich aus dem ursprünglichen Wertverhältnis von Leistung und Gegenleistung nach Maßgabe des Kaufvertrags ergebe. Dieser negative Saldo bilde den Betrag des im "ungewollten Vertrag" verkörperten Vermögensschadens.

(4) Weite Teile der Rechtsprechung vertreten mit dem Berufungsgericht die Ansicht, der Weiterverkauf lasse den Schaden des Käufers nicht entfallen. Der durch den Weiterverkauf erzielte Erlös trete jedoch an die Stelle des Zug um Zug zu übergebenden Fahrzeugs und sei auf den Schadenersatzanspruch anzurechnen (vgl. [X.], Urteil vom 28. April 2021 - 12 U 3275/19, juris Rn. 43 ff.; [X.], Urteil vom 26. Januar 2021 - 3 U 1283/20, juris Rn. 25 f.; [X.], NJW-RR 2021, 604 Rn. 19 ff.; [X.], NJW-RR 2021, 212 Rn. 26; [X.], Urteil vom 28. August 2020 - 1 U 137/19, juris Rn. 79 ff.; [X.], Urteil vom 26. März 2020 - 7 U 167/19, juris Rn. 32 ff.; [X.], Urteil vom 21. Februar 2020 - 6 U 286/19, juris Rn. 61 ff.).

bb) Der [X.] tritt der zuletzt genannten Ansicht bei.

Der Weiterverkauf lässt den Schaden des [X.] nicht ohne Weiteres entfallen.

Nach § 249 Abs. 1 [X.] hat der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Damit kann der Geschädigte nicht die Herstellung des gleichen Zustands verlangen, wie er vor dem Eintritt des schädigenden Ereignisses bestanden hat; dies wäre in den meisten Fällen auch kaum zu erreichen. Es kommt vielmehr darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadensstiftende Ereignis stünde (vgl. [X.]surteile vom 28. Oktober 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 275 Rn. 25 und vom 21. Dezember 2004 - [X.], [X.]Z 161, 361, 369 f., juris Rn. 20).

Ohne das schädigende Ereignis hätte der Kläger den Kaufpreis für das Fahrzeug nicht in Erfüllung der ungewollten Verpflichtung bezahlt, hätte aber auch kein Fahrzeug erhalten. Ein Zustand, der dieser hypothetischen Situation wirtschaftlich gleichwertig ist, wird dadurch erreicht, dass die [X.] dem Kläger den in Erfüllung der ungewollten Verpflichtung an das Autohaus gezahlten Kaufpreis erstattet. Im Gegenzug hat der Kläger im Wege der Vorteilsausgleichung das erworbene Fahrzeug Zug um Zug an die [X.] herauszugeben und zu übereignen (vgl. [X.]surteile vom 28. Oktober 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 275 Rn. 25; vom 21. Dezember 2004 - [X.], [X.]Z 161, 361, 370, juris Rn. 21). Durch den Weiterverkauf tritt der erzielte Erlös an die Stelle des Fahrzeugs (vgl. [X.], Urteil vom 13. November 2012 - [X.], [X.], 450 Rn. 20 ff.).

(1) Nach den von der Rechtsprechung im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätzen der Vorteilsausgleichung sind dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (st. Rspr., s. nur [X.]surteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 65 mwN). Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein. Letztlich folgt der Rechtsgedanke der Vorteilsausgleichung aus dem in § 242 [X.] festgelegten Grundsatz von Treu und Glauben ([X.], Urteil vom 28. Juni 2007 - [X.], [X.]Z 173, 83 Rn. 18 mwN). Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung gelten auch für einen Anspruch aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 [X.] ([X.]surteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 66 mwN).

(2) Nach diesen Grundsätzen schuldete die [X.] bis zum Weiterverkauf die Kaufpreiserstattung nur Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs (vgl. [X.]surteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 58, 66; vom 28. Oktober 2014 - [X.], NJW-RR 2015, 275 Rn. 25, 39; [X.], Urteil vom 9. Mai 2005 - [X.], NJW 2005, 2450, 2452, juris Rn. 18). Der Kläger musste das Fahrzeug nur deshalb herausgeben und übereignen, weil er andernfalls zusätzlich zum Schadensersatz auch das Fahrzeug gehabt hätte und dadurch besser gestellt wäre als ohne das schädigende Ereignis. Diese auf den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung beruhende Einschränkung des Schadensersatzanspruchs vermittelte der [X.]n keinen Anspruch auf Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs (vgl. [X.], Urteil vom 25. Januar 2013 - [X.], NJW-RR 2013, 825 Rn. 13).

Maßgeblicher [X.]punkt für die Berechnung des konkreten Schadens im Schadensersatzprozess und damit auch der anzurechnenden Vorteile ist - sofern der Schuldner nicht bereits vorher seine Ersatzpflicht erfüllt - grundsätzlich der [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung in einer Tatsacheninstanz (vgl. [X.]surteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 57; [X.], Urteil vom 13. November 2012 - [X.], [X.], 450 Rn. 23; [X.], Urteil vom 12. Juli 1996 - [X.], [X.], 1382, 1384, juris Rn. 18). Zu diesem [X.]punkt bestand der nach den oben genannten Grundsätzen anzurechnende Vorteil in dem durch den Weiterverkauf des Fahrzeugs erzielten marktgerechten Verkaufserlös von 7.000 €. In diesem Verkaufserlös setzt sich der anzurechnende Vorteil aus dem Fahrzeugerwerb fort (vgl. [X.], Urteil vom 13. November 2012 - [X.], [X.], 450 Rn. 24).

cc) Soweit die Revision geltend macht, die Differenz zwischen dem im Jahr 2014 gezahlten Kaufpreis und dem durch den Weiterverkauf erzielten Erlös entspreche dem - zusätzlich zum Erlös - anspruchsmindernd anzurechnenden Nutzungsvorteil mit der Folge, dass der Kläger im Ergebnis keinen Schaden mehr habe, greift das nicht durch. Das Berufungsgericht hat den anzurechnenden Nutzungsvorteil des [X.] (nur) auf [X.] berechnet und in dieser Höhe im Rahmen des [X.] berücksichtigt. Dies begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

(1) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der [X.] verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Es ist insbesondere nicht Aufgabe des [X.], dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben (st. Rspr., s. nur [X.]surteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 79 mwN).

(2) Im Streitfall hat das Berufungsgericht den Nutzungsvorteil berechnet, indem es die während der Besitzzeit des [X.] zurückgelegte Fahrstrecke mit dem Kaufpreis multipliziert und das Ergebnis durch die - unangefochten - geschätzte Restlaufleistungserwartung im Kaufzeitpunkt dividiert hat. Diese Methode der Vorteilsbemessung ist, wie der [X.] bereits entschieden hat, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; sie stellt sich als zulässige Ausübung des dem Tatrichter im Rahmen des § 287 ZPO zustehenden Ermessens dar (vgl. [X.]surteile vom 30. Juli 2020 - [X.], [X.]Z 226, 322 Rn. 12 f. mwN; vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 78 ff.).

Eine Gleichsetzung des [X.] mit dem eingetretenen Wertverlust ist entgegen der Ansicht der Revision nicht geboten (vgl. [X.]surteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 82). Der Weiterverkauf des Fahrzeugs hat keinen Einfluss auf den Wert der zuvor gezogenen Nutzungen. Entgegen der Ansicht der Revision ist nicht anzunehmen, dass der Kläger durch den Weiterverkauf den Wert des [X.] auf die Differenz zwischen dem ursprünglichen Kaufpreis und dem Erlös "konkretisiert" habe.

dd) In der Zuerkennung des nach Abzug des [X.] und des [X.] verbleibenden Schadensersatzanspruchs liegt daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch keine nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen ungerechtfertigte Überkompensation (vgl. [X.], Urteil vom 26. März 2020 - 7 U 167/19, juris Rn. 33; aA [X.], Urteile vom 27. Januar 2020 - 18 U 9/19, BeckRS 2020, 6997 Rn. 23; vom 22. November 2019 - 17 U 70/19, juris Rn. 30).

c) Der hilfsweise vorgebrachte Einwand der Revision, dass neben dem Erlös der Inzahlunggabe aus dem Weiterverkauf (7.000 €) und dem Nutzungsvorteil ([X.]) auch die "Wechselprämie" in Höhe von 6.000 €, die dem Kläger beim Kauf des neuen Fahrzeugs gewährt wurde, im Wege des [X.] auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen sei, greift ebenfalls nicht durch. Auf der Grundlage des für die revisionsrechtliche Prüfung maßgeblichen Sachverhalts liegen die Voraussetzungen der Vorteilsanrechnung nicht vor.

Zwar besteht zwischen der schädigenden Handlung und dem vom Kläger erzielten Vorteil ein adäquat kausaler Zusammenhang. Denn ohne den Kauf des von der [X.]n hergestellten Fahrzeugs hätte der Kläger dieses nicht in Zahlung geben und die Wechselprämie mit diesem Fahrzeug nicht in Anspruch nehmen können.

Der mit der Wechselprämie verbundene wirtschaftliche Vorteil steht aber bei wertender Betrachtung nicht der [X.]n als Schädigerin, sondern dem geschädigten Kläger zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts nicht davon ausgegangen werden kann, dass die dem Kläger im Rahmen der Weiterveräußerung gewährte Wechselprämie nur ein - anders bezeichneter - Teil des das Auto in seinem wirtschaftlichen Wert ersetzenden Kaufpreises bei der Veräußerung war. Denn nach den tatbestandlichen Feststellungen im Berufungsurteil hat die für die Voraussetzungen des [X.] darlegungsbelastete [X.] nicht behauptet, dass der Wert des Fahrzeugs höher als der vereinbarte Kaufpreis von 7.000 € war; in der Revisionsbegründung spricht die [X.] selbst von einem marktgerechten Preis. Bei der Wechselprämie handelt es sich um eine an den Kläger bezahlte Prämie für seine individuelle Entscheidung, Auto und ggf. Automarke zu wechseln, die mit dem konkret in Zahlung gegebenen Fahrzeug nur mittelbar und nichts mit dessen Substanz- oder Nutzungswert zu tun hat. Dem entspricht es, dass mangels Vortrags der [X.]n nicht davon ausgegangen werden kann, dass die [X.] selbst die Voraussetzungen für die Gewährung der Wechselprämie hätte erfüllen können.

d) Der im Rahmen der zulässigen Revision noch in Rede stehende Zinsanspruch des [X.] seit dem 20. Mai 2019 folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 [X.].

[X.]     

      

Offenloch     

      

Müller

      

Allgayer     

      

Linder     

      

Meta

VI ZR 533/20

20.07.2021

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 18. März 2020, Az: 3 U 167/19

§ 249 Abs 1 BGB, § 826 BGB, § 6 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2021, Az. VI ZR 533/20 (REWIS RS 2021, 3961)

Papier­fundstellen: WM2021,1817 MDR 2021, 1263 NJW 2021, 3594 REWIS RS 2021, 3961

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