Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.07.2019, Az. 2 BvE 4/19

2. Senat | REWIS RS 2019, 5893

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

§§ 44a, 44b AbgG gewähren nur bei eigener Betroffenheit des jeweiligen Bundestagsabgeordneten ein organstreitfähiges Recht - hier: erfolglose, da unzulässige Anträge im Organstreitverfahren bzgl der Feststellung des Wahlergebnisses des Vizepräsidenten des BVerfG sowie bzgl seiner Ernennung


Tenor

Die Anträge werden verworfen.

Gründe

1

Die Antragsteller wenden sich als fraktionslose Mitglieder des 19. Deutschen [X.]es gegen die Feststellung des Ergebnisses der Wahl von Prof. Dr. [X.] zum [X.] des [X.] durch den Antragsgegner zu 2. sowie seine Ernennung zum [X.] des [X.] durch den Antragsgegner zu 1.

2

1. Die Wahl der vom [X.] zu berufenden [X.] ist in § 6 Abs. 1 [X.] geregelt, der durch das [X.] zur Änderung des [X.]gesetzes vom 24. Juni 2015 ([X.]) neu gefasst wurde.

§ 6 [X.]

(1)

(2)

(3) Das älteste Mitglied des Wahlausschusses beruft die Mitglieder des Wahlausschusses unverzüglich unter Einhaltung einer Ladungsfrist von einer Woche ein und leitet die Sitzung, die fortgesetzt wird, bis Vorschläge über alle zu wählenden [X.] beschlossen sind.

(4) Die Mitglieder des Wahlausschusses sind zur Verschwiegenheit über die ihnen durch ihre Tätigkeit im Wahlausschuss bekanntgewordenen persönlichen Verhältnisse der [X.]ewerber sowie über die hierzu im Wahlausschuss gepflogenen Erörterungen und über die Abstimmung verpflichtet.

(5) Ein Wahlvorschlag wird mit mindestens acht Stimmen der Mitglieder des Wahlausschusses beschlossen.

3

In den §§ 44a, 44b [X.] finden sich [X.]estimmungen zum Verhältnis der Mandatsausübung von [X.] des [X.]es zu deren sonstigen Tätigkeiten. Die § 44a Abs. 1 bis 4, § 44b [X.] wurden neu gefasst durch das [X.] zur Änderung des [X.]gesetzes vom 22. August 2005 ([X.]G[X.]l I S. 2482).

§ 44a [X.]

(1)

(2)

(3)

(4)

(5)

§ 44b [X.]

Der [X.] gibt sich Verhaltensregeln, die insbesondere [X.]estimmungen enthalten müssen über

1. die Fälle einer Pflicht zur Anzeige von Tätigkeiten vor der Mitgliedschaft im [X.] sowie von Tätigkeiten neben dem Mandat;

2. die Fälle einer Pflicht zur Anzeige der Art und Höhe der Einkünfte neben dem Mandat oberhalb festgelegter Mindestbeträge;

3. die Pflicht zur Rechnungsführung und zur Anzeige von Spenden oberhalb festgelegter Mindestbeträge sowie Annahmeverbote und Ablieferungspflichten in den in den Verhaltensregeln näher bestimmten Fällen;

4. die Veröffentlichung von Angaben im Amtlichen Handbuch und im Internet;

5. das Verfahren sowie die [X.]efugnisse und Pflichten des Präsidiums und des Präsidenten bei Entscheidungen nach § 44a Abs. 3 und 4.

4

2. Der gegenwärtige Vizepräsident des [X.] gehörte seit 2009 bis zu seiner Wahl zum [X.] des [X.] dem Deutschen [X.] an und war zuletzt Stellvertretender Vorsitzender der [X.]/[X.]. Gegenüber dem Antragsgegner zu 2. machte er veröffentlichungspflichtige Angaben zu seinen entgeltlichen Tätigkeiten neben dem [X.]mandat, unter anderem als Rechtsanwalt sowie Mitglied des Vorstands einer Rechtsanwalts AG und als Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.

5

3. Der Wahlausschuss für die [X.] des [X.] schlug dem Deutschen [X.] nach mehrheitlicher [X.]eschlussfassung in der Sitzung vom 19. November 2018 vor, Prof. Dr. [X.] als Nachfolger für den [X.] des [X.] im [X.] Prof. Dr. [X.] zu wählen (vgl. [X.]TDrucks 19/5861). Der Wahlvorschlag wurde aufgrund einer interfraktionellen Vereinbarung als [X.] in die Tagesordnung der 65. Sitzung des [X.]es vom 22. November 2018 aufgenommen. Nach Durchführung des Wahlverfahrens gab einer der für den Antragsgegner zu 2. amtierenden Vizepräsidenten des [X.]es bekannt, dass der Abgeordnete Dr. [X.] mit der erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zum [X.] des [X.] gewählt sei. Der Abgeordnete nahm die Wahl an (vgl. [X.] 19/65, [X.], [X.]]). An der Wahl hatte die Antragstellerin zu 1. teilgenommen, der Antragsteller zu 2. fehlte entschuldigt.

6

Der [X.]undesrat wählte in seiner 972. Sitzung vom 23. November 2018 den zum [X.] des [X.] gewählten Prof. Dr. [X.] einstimmig zum Vizepräsidenten des [X.] (vgl. [X.]R-Plenarprotokoll 972, [X.]). Am 30. November 2018 wurde er durch den Antragsgegner zu 1. ernannt.

7

Mit ihren am 22. Mai 2019 eingegangenen Anträgen begehren die Antragsteller die Feststellung, dass die Ernennung des Herrn Prof. Dr. [X.] zum [X.] des [X.] durch den Antragsgegner zu 1. und die Feststellung des Antragsgegners zu 2., Herr Prof. Dr. [X.] sei zum [X.] des [X.] gewählt, nichtig sind. Zur [X.]egründung führen die Antragsteller im Wesentlichen aus:

8

1. Die Anträge seien zulässig. Die Feststellung des Wahlergebnisses und die Ernennung seien taugliche Antragsgegenstände eines [X.]. Es handele sich um Maßnahmen der Antragsgegner, die Rechte der [X.] verletzten. [X.] würden Verstöße gegen Art. 38 Abs. 1 und Art. 97 Abs. 1 GG sowie das in Art. 20 Abs. 1 GG Ausdruck findende Demokratieprinzip. Auch die Sechs-Monats-Frist des § 64 Abs. 3 [X.] sei eingehalten. Die Wahlergebnisfeststellung datiere vom 22. November 2018, die Ernennung vom 30. November 2018.

9

2. Die Anträge seien auch begründet. Wahl, Feststellung des Wahlergebnisses und Ernennung seien schon deshalb nichtig, weil § 6 Abs. 1 [X.] gegen das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG verstoße. Das Demokratieprinzip verlange, dass Abgeordnete vor allem wirtschaftliche Einflüsse Dritter offenlegten, die die Willensbildung durch das Wahlvolk beeinträchtigen könnten. Die [X.] des § 6 Abs. 1 [X.] kenne keine derartige systematische Sicherstellung der Erfassung demokratiegefährdender Dritteinflüsse und sei ihrerseits nichtig.

Unabhängig davon liege ein bewusster Verstoß gegen die einfachgesetzliche [X.]estimmung des § 44a [X.] vor, weil der Antragsgegner zu 2. nicht offengelegt habe, dass der Vizepräsident des [X.] in seiner Zeit als [X.] in erheblichem, wohl überwiegendem Umfang Vermögenszuwendungen aus dritten, ungeklärten Quellen erhalten habe. Angesichts zahlreicher ungeklärter Detailfragen zum Einkommen des [X.] aus seiner früheren Tätigkeit als Rechtsanwalt, während derer er auch Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskanzlei gewesen sei, bestehe die Vermutung eines unzulässigen, mit dem freien Mandat eines [X.] unvereinbaren Interessenkonflikts. Er habe daher §§ 44a, 44b [X.] missachtet; zugleich seien die von ihm in offensichtlich verschleiernder Weise gemachten Angaben vom Antragsgegner zu 2. nicht überprüft und damit bewusst falsch veröffentlicht worden. Dies verletze die Antragsteller in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, der ein umfassendes Frage-, Informations- und Auskunftsrecht der [X.] gewährleiste. Die nicht wahrheitsgemäße Information und die Offenlegungsmängel führten ferner zu einem Verstoß gegen Art. 97 Abs. 1 GG und das Demokratieprinzip. Da Wahl, Feststellung des Wahlergebnisses und die Ernennung hiervon infiziert seien, seien sämtliche Maßnahmen nichtig.

Die Anträge sind unzulässig.

Die Anträge sind nur zum Teil statthaft.

1. Die verfassungsgerichtliche Prüfung ist im [X.]verfahren auf den durch den Antrag umschriebenen Verfahrensgegenstand beschränkt. Zwar ist das [X.]undesverfassungsgericht bei der Auslegung von Anträgen nicht an deren Wortlaut gebunden. Entscheidend ist vielmehr der eigentliche Sinn des mit einem Antrag verfolgten prozessualen [X.]egehrens (vgl. [X.]VerfGE 68, 1 <68>; 129, 356 <364>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 15). Dieser kann sich auch aus der Antragsbegründung ergeben (vgl. [X.]VerfGE 68, 1 <64>; 136, 277 <301 f. Rn. 66>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 15).

Gemäß § 67 [X.] stellt das [X.]undesverfassungsgericht im Verfahren nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung gegen eine [X.]estimmung des Grundgesetzes verstößt. Eine Entscheidung im [X.]verfahren besitzt daher keine rechtsgestaltende Wirkung, so dass das [X.]undesverfassungsgericht im [X.]verfahren eine bestimmte Maßnahme weder aufheben noch für nichtig erklären oder den Antragsgegner zu einem bestimmten Verhalten verpflichten kann (vgl. [X.]VerfGE 136, 277 <301 Rn. 64> unter Hinweis auf [X.]VerfGE 1, 351 <371>; 20, 119 <129>; 124, 161 <188>).

Nach diesen Grundsätzen ist der Antrag zu a) nicht statthaft. Er zielt auf die Feststellung der Nichtigkeit des Ernennungsakts durch den Antragsgegner zu 1. und damit auf eine Feststellung mit gestaltender Wirkung (vgl. [X.]VerfGE 136, 277 <302 Rn. 67>; 138, 125 <131 f. Rn. 19>).

2. Zwar bestehen auch hinsichtlich des Antrags zu b) Zweifel, ob mit der Nichtigkeitsfeststellung der [X.]ekanntgabe des Wahlergebnisses durch den Antragsgegner zu 2. nicht eine Feststellung mit rechtsgestaltender Wirkung begehrt wird. Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, denn der Antrag ist aus anderen Gründen unzulässig.

Nach § 64 Abs. 3 [X.] muss der Antrag im [X.]verfahren binnen sechs Monaten, nachdem die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden ist, gestellt werden. Die Vorschrift enthält eine gesetzliche Ausschlussfrist, nach deren Ablauf im [X.]verfahren Rechtsverletzungen nicht mehr geltend gemacht werden können (vgl. [X.]VerfGE 118, 277 <320>).

Die Antragsfrist ist eingehalten. Die Wahl und die [X.]ekanntgabe des Wahlergebnisses im [X.] fanden in der 65. Sitzung des [X.]es am 22. November 2018 statt. Die Ernennung durch den Antragsgegner zu 1. erfolgte am 30. November 2018.

Ein Antragsteller muss gemäß § 64 Abs. 1 [X.] geltend machen, dass er oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder Unterlassung des Antragsgegners in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist (1.). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Antrags zu b) nicht gegeben, die Antragsteller sind insoweit nicht antragsbefugt (2.).

1. [X.]ei dem [X.] handelt es sich um eine kontradiktorische Parteistreitigkeit (vgl. [X.]VerfGE 126, 55 <67>; 138, 256 <258 f. Rn. 4>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 18); er dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. [X.]VerfGE 104, 151 <193 f.>; 118, 244 <257>; 126, 55 <67 f.>; 140, 1 <21 f. Rn. 58>; 143, 1 <8 Rn. 29>; 147, 31 <37 Rn. 17 f.>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 18; stRspr). [X.] des [X.] ist auf Seiten des Antragstellers die Durchsetzung von Rechten (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 18). Der [X.] eröffnet daher nicht die Möglichkeit einer objektiven [X.]eanstandungsklage (vgl. [X.]VerfGE 118, 277 <319>; 126, 55 <68>; 138, 256 <259 Rn. 5>; 140, 1 <21 f. Rn. 58>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 18). Für eine allgemeine oder umfassende, von eigenen Rechten des Antragstellers losgelöste, abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit einer angegriffenen Maßnahme ist im [X.] kein Raum (vgl. [X.]VerfGE 73, 1 <30>; 80, 188 <212>; 104, 151 <193 f.>; 118, 277 <318 f.>; 136, 190 <192 Rn. 5>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 18). Das Grundgesetz kennt keinen allgemeinen Gesetzes- oder Verfassungsvollziehungsanspruch, auf den die Organklage gestützt werden könnte (vgl. [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 18, unter Hinweis auf [X.]ethge, in: [X.]/Schmidt-[X.]leibtreu/[X.]/[X.]ethge, [X.], § 64 Rn. 63 [Januar 2017]). Auch eine Respektierung sonstigen ([X.] kann im [X.] nicht erzwungen werden; er dient allein dem Schutz der Rechte der Staatsorgane im Verhältnis zueinander, nicht aber einer allgemeinen Verfassungsaufsicht (vgl. [X.]VerfGE 100, 266 <268>; 118, 277 <319>; 126, 55 <68>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 18).

Mit Rechten im Sinne des § 64 Abs. 1 [X.] sind allein diejenigen Rechte gemeint, die dem Antragsteller zur ausschließlich eigenen Wahrnehmung oder zur Mitwirkung übertragen sind oder deren [X.]eachtung erforderlich ist, um die Wahrnehmung seiner Kompetenzen und die Gültigkeit seiner Akte zu gewährleisten (vgl. [X.]VerfGE 68, 1 <73>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 19). Im [X.] kann der einzelne Abgeordnete die Verletzung oder Gefährdung jedes Rechts, das mit seinem Status verfassungsrechtlich verbunden ist, geltend machen (vgl. [X.]VerfGE 94, 351 <362 f.>; 99, 19 <28>; 104, 310 <325>; 108, 251 <271 f.>; 118, 277 <317>). Das sind grundsätzlich ausschließlich die Rechte, die sich aus seiner organschaftlichen Stellung im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben (vgl. [X.]VerfGE 94, 351 <365>; 99, 19 <29>; 118, 277 <320>).

Für die Zulässigkeit eines [X.] erforderlich, aber auch ausreichend ist es, dass die von dem Antragsteller behauptete Verletzung oder unmittelbare Gefährdung seiner verfassungsmäßigen Rechte unter [X.]eachtung der vom [X.]undesverfassungsgericht entwickelten Maßstäbe nach dem vorgetragenen Sachverhalt möglich erscheint (vgl. [X.]VerfGE 138, 256 <259 Rn. 6>; 140, 1 <21 f. Rn. 58>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 20; stRspr).

2. Nach diesen Maßstäben haben die Antragsteller die Möglichkeit einer Verletzung von organstreitfähigen Statusrechten als Abgeordnete nicht dargetan. Dies gilt sowohl hinsichtlich eines Verstoßes gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG (a.) als auch hinsichtlich eines Verstoßes gegen Art. 97 Abs. 1 GG und das in Art. 20 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommende Demokratieprinzip (b.).

a) Soweit die Antragsteller eine Verletzung ihrer Statusrechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG darin sehen, dass der Antragsgegner zu 2. das Ergebnis der Wahl zum [X.] des [X.] bekannt gegeben hat, sind sie nicht antragsbefugt. Dies gilt sowohl hinsichtlich eines von den Antragstellern geforderten allgemeinen Informationsrechts (aa.) als auch im Hinblick auf die von ihnen gerügten Verstöße gegen §§ 44a, 44b [X.] (bb.).

aa) Die Möglichkeit einer Verletzung in einem von den Antragstellern in Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verorteten Statusrecht, über sämtliche, den [X.] betreffenden persönlichen Umstände, insbesondere solche finanzieller Art, umfassend informiert zu werden, ist nicht dargetan.

Zwar ergeben sich aus dem Status eines [X.] umfangreiche Frage- und Informationsrechte im Verhältnis zu der vom Parlament getragenen Regierung (vgl. statt vieler [X.]VerfGE 13, 123 <125>; 146, 1 <38 Rn. 85>; 147, 50 <126 Rn. 195>). Auch gebietet es das Wesen des [X.]es als Vertretung des Volkes, in der die Fragen der Staatsführung, insbesondere der Gesetzgebung, in Rede und Gegenrede der einzelnen [X.] zu erörtern sind (vgl. [X.]VerfGE 136, 277 <312 f. Rn. 100>), dass allen [X.] im parlamentarischen [X.]innenverhältnis ein Mindestmaß an Informationen und Erkenntnissen zugänglich ist, das für die Wahrnehmung des Mandats erforderlich ist. Das im parlamentarischen Verfahren nach Art. 42 GG gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen und trägt zu einer Willensbildung der [X.] bei, die sie in die Lage versetzt, die Verantwortung für ihre Entscheidung zu übernehmen (vgl. [X.]VerfGE 70, 324 <355>; 112, 363 <366>; 136, 277 <312 f. Rn. 100>). Die Willensbildung von [X.] in der durch das Grundgesetz errichteten parlamentarischen Demokratie kann nur dann eine taugliche Grundlage der Übernahme von [X.] sein, wenn sich die Willensbildung ohne Zwang in Freiheit und Gleichheit vollziehen kann.

Danach kann ein Wahlakt von [X.] mangelhaft und zu beanstanden sein, wenn dieser durch eine bewusste Falsch- oder Nichtinformation auch im parlamentarischen [X.]innenverhältnis in einem die Willensbildung zu verfälschen geeigneten Maße beeinflusst ist. Dazu bedarf es aber hinreichend konkreter Anhaltspunkte. Denn grundsätzlich ist es Aufgabe der [X.], sich die für ihre Entscheidungen und Abstimmungen notwendigen Informationen zu beschaffen (vgl. auch zur Wahl des [X.]undespräsidenten durch die [X.]undesversammlung, die ebenfalls wie die Wahl der [X.]undesverfassungsrichter "ohne Aussprache" stattfindet, [X.]VerfGE 136, 277 <315 f. Rn. 109>).

Solche konkreten Anhaltspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die von den Antragstellern erhobenen Vorwürfe, vom Antragsgegner zu 2. bewusst falsch über den Kandidaten informiert worden zu sein, sind ersichtlich spekulativ und ohne äußeren Anlass ins [X.]laue hinein vorgebracht.

bb) Die Antragsteller können ihre Antragsbefugnis auch nicht unter Hinweis auf die von §§ 44a, 44b [X.] konkretisierten Pflichten von [X.] in Ausübung ihres Mandats begründen. Nur soweit ein [X.] selbst durch konkrete Maßnahmen im Zusammenhang mit diesen Vorschriften in seinem Rechtskreis betroffen ist, wie beispielsweise bei der Aufforderung des [X.]spräsidenten, Erklärungen nach § 44a Abs. 4 Satz 1 [X.] abzugeben, kann er diesbezüglich eine Verletzung in seinen Rechten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geltend machen (vgl. [X.]VerfGE 118, 277 <319>). Angesichts des eindeutigen gesetzgeberischen Zwecks der §§ 44a, 44b [X.], im Zusammenspiel mit den Verhaltensregeln des [X.]es dem berechtigten Interesse der [X.]evölkerung nach mehr Transparenz im Parlament zu dienen und so das Vertrauen der [X.]ürgerinnen und [X.]ürger in die parlamentarische Demokratie zu stärken (vgl. [X.]TDrucks 15/5671, [X.], 4), folgt aus ihnen kein organstreitfähiges Recht der Antragsteller, den Antragsgegner zu 2. gegenüber einem anderen [X.] zur Prüfung der Einhaltung der sich aus §§ 44a, 44b [X.] ergebenden Anforderungen zu verpflichten.

Der Antrag zielt damit der Sache nach darauf ab, die [X.]eachtung der einfachrechtlichen Vorschriften in der von den Antragstellern bevorzugten Auslegung und Reichweite durchzusetzen und damit - lediglich - das objektive Recht zu wahren. Für ein solches, von eigenen Rechten der Antragsteller losgelöstes objektives [X.]eanstandungsbegehren ist in dem auf die Abgrenzung gegenseitiger verfassungsrechtlicher Kompetenzsphären gerichteten [X.]verfahren nach § 64 [X.] kein Raum (vgl. [X.]VerfGE 73, 1 <30>; 80, 188 <212>; 104, 151 <193 f.>; 118, 244 <257>; 118, 277 <319>; 126, 55 <67 f.>; 136, 277 <304 Rn. 73>; 136, 190 <192 Rn. 5>; 138, 256 <259 Rn. 5>; 140, 1 <21 f. Rn. 58>; 143, 1 <8 Rn. 29>; 147, 31 <37 Rn. 17 f.>; [X.]VerfG, [X.]eschluss des [X.] vom 11. Dezember 2018 - 2 [X.]vE 1/18 -, Rn. 18).

b) Die von den Antragstellern gerügten Verstöße gegen Art. 20 Abs. 1 GG und Art. 97 Abs. 1 GG weisen im vorliegenden Zusammenhang keine hinreichende [X.]eziehung zum organschaftlichen Status der [X.] auf. Soweit insbesondere § 6 Abs. 1 [X.] wegen des Fehlens von Offenlegungs- und Transparenzpflichten, wie sie etwa für [X.]sabgeordnete oder politische Parteien bestehen, für verfassungswidrig gehalten wird, beanstanden die Antragsteller lediglich ein aus ihrer Sicht objektives gesetzgeberisches Unterlassen, machen jedoch keine subjektive Verfassungsrechtsposition geltend.

Meta

2 BvE 4/19

02.07.2019

Bundesverfassungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: BvE

Art 38 Abs 1 S 2 GG, § 6 Abs 1 BVerfGG, § 63 BVerfGG, § 63ff BVerfGG, § 64 Abs 1 BVerfGG, § 44a AbgG, § 44b AbgG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 02.07.2019, Az. 2 BvE 4/19 (REWIS RS 2019, 5893)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5893

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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