BT-Drucksache 17/3913

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung -Drucksachen 17/2500, 17/2502, 17/3523, 17/3524, 17/3525- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011 (Haushaltsgesetz 2011)

Vom 22. November 2010


Deutscher Bundestag Drucksache 17/3913
17. Wahlperiode 22. 11. 2010

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Steffen Bockhahn,
Roland Claus, Michael Leutert, Jan van Aken, Agnes Alpers, Herbert Behrens,
Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Christine Buchholz,
Eva Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether Dehm,
Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst,
Wolfgang Gehrcke, Nicole Gohlke, Diana Golze, Annette Groth, Dr. Gregor Gysi,
Heike Hänsel, Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping, Harald Koch, Jan Korte,
Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Ralph Lenkert,
Stefan Liebich, Ulla Lötzer, Thomas Lutze, Ulrich Maurer, Dorothee Menzner,
Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Niema Movassat, Wolfgang Neskovic,
Thomas Nord, Petra Pau, Jens Petermann, Richard Pitterle, Yvonne Ploetz,
Ingrid Remmers, Paul Schäfer (Köln), Michael Schlecht, Dr. Ilja Seifert,
Kathrin Senger-Schäfer, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke,
Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Frank Tempel,
Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich, Kathrin Vogler, Johanna Voß,
Sahra Wagenknecht, Halina Wawzyniak, Harald Weinberg, Katrin Werner,
Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/2500, 17/2502, 17/3523, 17/3524, 17/3525 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2011
(Haushaltsgesetz 2011)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

● Schwarz-Gelb führt die Politik der Umverteilung von unten nach oben, die

ihre Vorgängerregierungen begonnen haben, entschlossen fort. Das Haus-
haltsgesetz, das Haushaltsbegleitgesetz und das sogenannte Zukunftspaket
von Koalition und Bundesregierung sind unsozial, ungerecht, unsolide und
vertiefen die Spaltung des Landes. Bei Hartz-IV-Beziehenden, Arbeitslosen
und Familien wird rigoros gespart. Bei Hartz IV soll mit dem Übergangs-
zuschlag das letzte Element, das nach Abschaffung der Arbeitslosenhilfe den
sozialen Absturz nach dem Arbeitslosengeld mildert, gestrichen werden. Die

Drucksache 17/3913 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

bereits auf ein klägliches Maß geschrumpften Rentenbeiträge werden voll-
ends abgeschafft. Eltern in Hartz IV, denen bei der Einführung des Eltern-
geldes bereits ein Jahr Erziehungsgeld gestrichen wurde, wird nun auch noch
das Mindestelterngeld von 300 Euro weggenommen. Koalition und Bundes-
regierung höhlen die Einnahmebasis des Staates gezielt aus, um mit Einsatz
des Druckmittels Schuldenbremse einen angeblichen Sachzwang für Sozial-
abbau zu schaffen.

● Der Anteil unsicherer, befristeter, schlecht bezahlter Arbeitsplätze steigt in
Deutschland dramatisch an. Inzwischen ist jede zweite offene Stelle dem
Bereich der Arbeitnehmerüberlassung, also der Leiharbeit zuzuordnen. Über
1,4 Millionen Menschen arbeiten und beziehen zugleich Hartz IV, soviel wie
noch nie. Die Politik von Koalition und Bundesregierung verwehrt vor allem
immer mehr jungen Menschen eine tragfähige Lebens- und Familienplanung.
Notwendig ist eine grundlegende Richtungsänderung der auf Außenhandels-
überschüsse und das Niederkonkurrieren anderer Volkswirtschaften abzie-
lenden Wirtschaftspolitik von Koalition und Bundesregierung. Das deutsche
Lohndumping muss beendet, die Inlandsnachfrage gestärkt, dem Auseinan-
derdriften der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Ost- und West-
deutschland entgegengewirkt werden.

● Koalition und Bundesregierung haben noch nichts unternommen, um eine
Wiederholung der Finanzkrise wirksam zu vermeiden. Die Finanzbranche
konsolidiert sich auf dem Rücken der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Diese verlieren jährlich 20 bis 30 Mrd. Euro durch Falschberatung. Denn
auch über zwei Jahre nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Bro-
thers ist der provisionsgetriebene Verkauf überteuerter, intransparenter und
ungeeigneter Finanzprodukte gängige Praxis. Selbst staatlich gestützte Ban-
ken betreiben noch Niederlassungen in Ländern, die Steuerbetrug fördern.
Beschlossen hat die Koalition eine Pseudo-Bankenabgabe, die nach oben ge-
deckelt ist und von der Vorstellung ausgeht, dass die nächste Finanzkrise
schwach ausfallen und erst in einem halben Jahrhundert stattfinden wird.
Eine solche Annahme ist nicht naiv, sondern bedient bewusst die Lobby-
Interessen der Finanzbranche zu Lasten der Steuerzahlerinnen und Steuer-
zahler. Gleichzeitig verlagern Banken ungehindert ihre spekulativen Angriffe
von Immobilien auf Rohstoffe und Nahrungsmittel. Das Leid der Opfer die-
ser neuen Spekulationswellen wird von den Akteuren in Kauf genommen.
Über die Stärkung der Eigenkapitalanforderungen hinaus müssen spekulative
Exzesse durch eine Finanztransaktionssteuer und einen Finanzmarkt-TÜV
eingedämmt werden. Der Bankensektor muss auf seine Kernfunktionen Zah-
lungsverkehr, Ersparnisbildung und Finanzierung zurückgeführt und entspre-
chend geschrumpft werden, damit die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
nicht noch einmal erpresst werden können.

● Die geplante Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke ist Ergebnis eines
undemokratischen Deals, den die Bundesregierung mit den Energiekon-
zernen getroffen hat. Die Bundesregierung hat bereitwillig die Rolle einer
Vollstreckerin der Lobby-Interessen von vier Atomkonzernen übernommen.
Koalition und Bundesregierung machen die Bevölkerung zu Geiseln der
Atomlobby. Die jetzige und künftige Generationen werden belastet durch
mehr Atommüll und eine dauerhaft schlechtere Energie-Infrastruktur – durch
die systematische Benachteiligung regenerativer Energiequellen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● ein wirksames und in sich schlüssiges Zukunftsprogramm aufzulegen;

● Hartz IV insbesondere durch die Förderung und Schaffung neuer Arbeits-

plätze zu überwinden;

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/3913

● die Rüstungsausgaben endlich deutlich zu senken sowie sämtliche Auslands-
einsätze der Bundeswehr zu beenden und die frei werdenden Gelder zu
nutzen, um diese in soziale Projekte und die Entwicklungszusammenarbeit
zu investieren und um einen Konversionsfonds einzurichten.

Zukunftsprogramm

4 Mrd. Euro für den Ausbau der Kinderbetreuung,

3 Mrd. Euro für Erwachsenenbildungsförderung und BAföG,

3 Mrd. Euro für eine kommunale Investitionspauschale,

3 Mrd. Euro für einen Energiesparfonds und erhöhte Förderung erneuerba-
rer Energien,

2,5 Mrd. Euro für die Beseitigung des Investitionsstaus bei den Kranken-
häusern,

1 Mrd. Euro für Prävention und Gesundheitsförderung,

600 Mio. Euro für Konversionsmaßnahmen,

590 Mio. Euro für den Hochschulpakt,

500 Mio. Euro für die nichtkommerzielle Pharmaforschung,

155 Mio. Euro für die Fortsetzung der Programme der Städtebauförderung,
des Stadtumbaus Ost und Nutzung der Erfahrungen in den alten
Bundesländern bei der Förderung städtebaulicher Entwick-
lungs- und Sanierungsmaßnahmen,

106 Mio. Euro für die energetische Gebäudesanierung,

100 Mio. Euro für die Aufstockung der Förderung der Integration von Zuwan-
derinnen und Zuwanderern,

93 Mio. Euro für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen
Infrastruktur in strukturschwachen Gebieten in den neuen und
alten Bundesländern und gleicher Teilhabe von Frauen und
Männern an Arbeit sowie gleichberechtigter Förderung von
Genossenschaften,

30 Mio. Euro für ein Sonderprogramm für die Ausbildung von Erzieherinnen
und Erziehern,

20 Mio. Euro für den Aufbau einer flächendeckenden Finanzberatung,

20 Mio. Euro für die Errichtung von Sportstätten für den Breitensport „Gol-
dener Plan Ost“ (unter ausgewogener Berücksichtigung von
Frauensportarten) und Ausdehnung des Programms auf alle
Bundesländer,

2,5 Mio. Euro für die Aufstockung der Förderung des Absatzes ostdeutscher
Produkte von kleinen und mittleren Unternehmen,

0,2 Mio. Euro für die Stiftung für das sorbische Volk.

Hartz IV überwinden

Neben der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze durch das Zukunftsprogramm
sind erforderlich:

11,2 Mrd. Euro zur Erhöhung der Regelsätze der Grundsicherung für Arbeitsu-
chende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und im Alter
auf 500 Euro pro Monat,
3,2 Mrd. Euro Kinderzuschlag,

Drucksache 17/3913 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

1,3 Mrd. Euro Aufstockung der Gelder für aktive Arbeitsmarktpolitik und
Ermöglichung der Umwandlung von passiven in aktive Leis-
tungen, um so den Ausbau öffentlich geförderter Beschäf-
tigungsverhältnisse voranzutreiben (Deckungsfähigkeit des
Arbeitslosengeld II und der Bundesleistungen für Unterkunft
und Heizung mit den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit).
Dabei sind 100 Mio. Euro für die Förderung des Breitensports
vorgesehen.

Sozialkassen stärken

5 Mrd. Euro angemessene Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung
für Arbeitslosengeld (ALG)-II-Bezieherinnen und -Bezieher
zahlen,

1,8 Mrd. Euro Verzicht auf die Streichung der Rentenbeiträge für ALG-II-
Empfangende,

9,5 Mrd. Euro Anhebung der Rentenbeiträge für ALG-II-Empfangende auf
0,5 Entgeltpunkte.

Rentengerechtigkeit herstellen

1,2 Mrd. Euro Angleichung der Ostrenten.

Gerechtes Elterngeld auch für Menschen mit niedrigem Einkommen

2,2 Mrd. Euro zur Aufstockung des Mindestelterngeldes und Verlängerung
der Bezugsdauer (auf bis zu 24 Monate).

Rechte für Menschen mit Behinderung

500 Mio. Euro für die Realisierung erster Maßnahmen zur Umsetzung der
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinde-
rung, unter anderem für Maßnahmen zur Schaffung umfassen-
der Barrierefreiheit.

Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit

2 Mrd. Euro für die Verstärkung der entwicklungsorientierten Not- und
Übergangshilfe, für den Wiederaufbau in Haiti und Pakistan,
für den Ausbau des zivilen Friedensdienstes, für die Verstär-
kung der Finanziellen und Technischen Zusammenarbeit, für
Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern.

Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus

22 Mio. Euro insbesondere zur Finanzierung der wegen fehlender Mittel ab-
gelehnten Modellprojekte.

Finanzierung

57 Mrd. Euro durch stärkere Beteiligung der wirtschaftlich Leistungsfähigen
an den Kosten des Gemeinwesens durch Erhöhung des Spitzen-
steuersatzes der Einkommensteuer, Sonderabgabe auf Boni
in der Finanzbranche, Einführung einer Millionärsteuer, Ein-
führung einer Finanztransaktionssteuer, Besteuerung von Ge-
winnen beim Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften,
Rücknahme der Senkung des Körperschaftsteuersatzes von
25 Prozent auf 15 Prozent, Kapitalerträge wieder zum persön-
lichen Steuersatz versteuern, Abschöpfung der leistungslos er-

zielten Sondergewinne der Stromversorgungsunternehmen aus

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dem Emissionshandel, Ausbau der Steuerfahndung bei Groß-
unternehmen und Banken,

4,2 Mrd. Euro durch die Beendigung sämtlicher Auslandseinsätze sowie den
Verzicht auf die dafür benötigten Waffensysteme, insbesondere
auf die Resttranchen des Kampfflugzeugs Eurofighter, auf das
Transportflugzeug A400M und auf den Schützenpanzer Puma
sowie weitere Einsparungen im investiven Bereich des Einzel-
plans 14,

2,8 Mrd. Euro durch den Abschluss des Schiedsgerichtsverfahrens wegen der
Verzögerung bei der Einführung und der anfänglichen Mängel
beim Aufbau des Lkw-Mautsystems.

Angegeben ist jeweils der Änderungsbetrag im Vergleich zum Regierungsent-
wurf unter Berücksichtigung der Beratungsergebnisse im Haushaltsausschuss.

Berlin, den 22. November 2010

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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