BT-Drucksache 17/11603

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10823, 17/10824, 17/10825 - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013 (Haushaltsgesetz 2013)

Vom 19. November 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/11603
17. Wahlperiode 19. 11. 2012

Entschließungsantrag
der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch, Dr. Dietmar Bartsch, Steffen Bockhahn,
Roland Claus, Michael Leutert, Dr. Kirsten Tackmann, Jan van Aken, Agnes Alpers,
Herbert Behrens, Karin Binder, Matthias W. Birkwald, Heidrun Bluhm, Christine
Buchholz, Eva Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge, Sevim Dag˘delen, Dr. Diether
Dehm, Heidrun Dittrich, Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann, Klaus Ernst,
Wolfgang Gehrcke, Nicole Gohlke, Diana Golze, Annette Groth, Dr. Gregor Gysi,
Heike Hänsel, Dr. Rosemarie Hein, Inge Höger, Dr. Barbara Höll, Andrej Hunko,
Ulla Jelpke, Dr. Lukrezia Jochimsen, Katja Kipping, Harald Koch, Jan Korte,
Jutta Krellmann, Katrin Kunert, Caren Lay, Sabine Leidig, Ralph Lenkert,
Stefan Liebich, Ulla Lötzer, Thomas Lutze, Ulrich Maurer, Dorothee Menzner,
Cornelia Möhring, Kornelia Möller, Niema Movassat, Wolfgang Neskovic,
Thomas Nord, Petra Pau, Jens Petermann, Richard Pitterle, Yvonne Ploetz,
Ingrid Remmers, Paul Schäfer (Köln), Michael Schlecht, Dr. Ilja Seifert, Kathrin
Senger-Schäfer, Raju Sharma, Dr. Petra Sitte, Kersten Steinke, Sabine Stüber,
Alexander Süßmair, Frank Tempel, Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich,
Kathrin Vogler, Johanna Voß, Sahra Wagenknecht, Halina Wawzyniak,
Harald Weinberg, Katrin Werner, Jörn Wunderlich, Sabine Zimmermann und der
Fraktion DIE LINKE.

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
– Drucksachen 17/10200, 17/10202, 17/10823, 17/10824, 17/10825 –

Entwurf eines Gesetzes
über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2013
(Haushaltsgesetz 2013)

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

• Während die Bundesregierung in der Europäischen Union von Krisengipfel

zu Krisengipfel stolpert, verzichten die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU
und FDP und die Bundesregierung in Deutschland darauf, die Verursacher
und Nutznießer der Krise in die Pflicht zu nehmen. Stattdessen organisieren
sie die Vergesellschaftung der Milliardenverluste der Finanzbranche. Be-
schlossen hat die Koalition eine Pseudo-Bankenabgabe, die bei der derzeiti-
gen Befüllungsgeschwindigkeit des Restrukturierungsfonds auch in 100 Jah-
ren nicht ausreichen wird, um eine Finanzkrise abzufedern. Die Koalitions-

Drucksache 17/11603 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

fraktionen und die Bundesregierung bedienen weiterhin die Interessen der
Finanzbranche – aktuell zum Beispiel durch das Abschaffen des Privatkun-
dengeschäfts der bundeseigenen Finanzagentur. Die SPD will zur Bundes-
tagswahl 2013 mit einem Kanzlerkandidaten antreten, der wie wenige andere
auf deutscher Seite verantwortlich ist für die Finanzkrise. Als Bundesminis-
ter der Finanzen deregulierte er zusammen mit dem damaligen SPD-Koali-
tionspartner BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Vorfeld der Finanzkrise die
Finanzmärkte. Bereits vorher setzte er als Finanzminister von Nordrhein-
Westfalen bei der Europäischen Kommission Regeln durch, die es Privat-
banken wie der Deutschen Bank ermöglichte, Verbriefungen und andere Gift-
papiere bei den Landesbanken abzuladen. Diese Giftpapiere führten in der
Folge zu Milliardenverlusten, mit denen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler
belastet wurden und werden. Über Re-Regulierung der Finanzmärkte und
Stärkung der Eigenkapitalanforderungen hinaus müssen spekulative Exzesse
durch eine Finanztransaktionssteuer und einen „Finanz-TÜV“ eingedämmt,
Privatbanken vergesellschaftet werden. Der Bankensektor muss auf seine
Kernfunktionen Zahlungsverkehr, Ersparnisbildung und Finanzierung zu-
rückgeführt und entsprechend geschrumpft werden, damit die Steuerzahle-
rinnen und Steuerzahler nicht immer wieder aufs Neue erpresst werden. Die
unabhängige Finanzberatung durch Verbraucherzentralen muss ausgebaut
und der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. als „Finanz-Wächter“ ge-
stärkt werden. Statt Europa in einen Abwärtsstrudel hinein zu sparen, ist eine
grundlegende Richtungsänderung der auf Außenhandelsüberschüsse und das
Niederkonkurrieren anderer Volkswirtschaften abzielenden Wirtschaftspoli-
tik der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung notwendig. Das deut-
sche Lohndumping muss beendet, die Inlandsnachfrage gestärkt, dem Aus-
einanderdriften der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Ost- und
Westdeutschland entgegengewirkt werden.

• Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP setzen die Politik der Um-
verteilung von unten nach oben, die ihre Vorgängerregierungen begonnen ha-
ben, entschlossen fort und vertiefen die Spaltung des Landes. Die Koalitions-
fraktionen und die Bundesregierung höhlen die Einnahmebasis des Staates
gezielt aus, um mit Einsatz des Druckmittels Schuldenbremse einen angeb-
lichen Sachzwang für Sozialabbau zu schaffen. Die neoliberalen Bundes-
regierungen der vergangenen Jahrzehnte haben die Steuern für Unternehmen
und Besserverdienende fortlaufend gesenkt, gleichzeitig über Mehrwertsteu-
ererhöhungen die Belastungen für Normal- und Geringverdiener erhöht. Im
Ergebnis fehlen dem Bund Mittel für die Ausgabenfinanzierung, die Schulden
des Bundes belaufen sich inzwischen auf über 1,3 Bio. Euro (Stand: 30. Juni
2012, Statistisches Bundesamt). Umverteilt wird zu Lasten der Arbeitenden,
Arbeitslosen, Rentnerinnen, Rentner und Kranken. Bis zum Jahr 2011 reichte
der Bund die Einnahmen aus einem Mehrwertsteuer-Prozentpunkt in Höhe
von 8 Mrd. Euro an die Bundesagentur für Arbeit weiter, um damit Arbeits-
förderung zu finanzieren. Diese Mittel sollen laut Regierungsentwurf des
Bundeshaushalts 2013 vollständig gestrichen werden. Weiter gekürzt werden
die Eingliederungsleistungen, die dazu beitragen, dass Menschen in Arbeit
kommen können. Der Haushaltsentwurf enthält keine Mittel zur Renten-
angleichung Ost an West. Der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rentenver-
sicherung soll im Jahr 2013 um 1 Mrd. Euro gekürzt werden.

• Statt öffentliche Unternehmen zu privatisieren und öffentliche Ausgaben zu
kürzen, bedarf es öffentlicher Investitionen in gesellschaftlich sinnvolle Be-
reiche. Die Fraktion DIE LINKE. fordert ein europaweites Zukunftsinvesti-
tionsprogramm, gerichtet auf den Ausbau der gesellschaftlichen Infrastruk-
tur, auf den sozial-ökologischen Umbau der Industrie, auf die Unterstützung

der Energiewende in Richtung regenerativer Energien und mit Schwerpunk-
ten in den Bereichen Bildung, Kultur und Gesundheit. Zu finanzieren ist die-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/11603

ses Programm über eine EU-weit koordinierte Erhöhung der Besteuerung
von Vermögen und hohen Einkommen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

• ein wirksames und in sich schlüssiges Zukunftsprogramm aufzulegen;

• Hartz IV insbesondere durch die Förderung und Schaffung neuer Arbeits-
plätze zu überwinden;

• die Rüstungsausgaben endlich deutlich zu senken, auf neue Rüstungsprojekte
zu verzichten sowie sämtliche Auslandseinsätze der Bundeswehr 2013 zu be-
enden. Großwaffensysteme, die nicht unmittelbar der Territorialverteidigung
dienen, werden ab dem Jahr 2013 einem Ausphasungs- und Verschrottungs-
prozess unterzogen. Die frei werdenden Gelder werden für soziale und
bildungspolitische Projekte, die Entwicklungszusammenarbeit und einen
Konversionsfonds genutzt.

Zukunftsprogramm

553,6 Mrd. Euro für Kitaausbau

553,3 Mrd. Euro für BAföG und Sonderprogramm zur Bekämpfung der Aus-
bildungslosigkeit

553,0 Mrd. Euro für eine kommunale Investitionspauschale

553,0 Mrd. Euro für einen Energiesparfonds und erhöhte Förderung erneuer-
barer Energien

552,5 Mrd. Euro für die Beseitigung des Investitionsstaus bei den Kranken-
häusern

551,0 Mrd. Euro für Prävention und Gesundheitsförderung

711 Mio. Euro für den Hochschulpakt

500 Mio. Euro für die nichtkommerzielle Pharmaforschung

181 Mio. Euro für die Sicherung von ausreichend Wohnraum, die Fortset-
zung der Programme der Städtebauförderung, des Stadtum-
baus Ost und Nutzung der Erfahrungen in den alten Ländern
bei der Förderung städtebaulicher Entwicklungs- und Sa-
nierungsmaßnahmen

120 Mio. Euro für Zuschüsse zu den Umstellungskosten aus der Freigabe
von Frequenzen (Digitale Dividende)

562 Mio. Euro für ein qualitativ hochwertiges Integrationskursangebot für
möglichst viele Betroffene und eine faire Bezahlung der
Lehrkräfte, und um Verschlechterungen des Sprachkursan-
gebots rückgängig zu machen

550 Mio. Euro bundesweit für die Errichtung und Sanierung von Sportstät-
ten für den Breitensport „Goldener Plan 3.0“ (unter ausge-
wogener Berücksichtigung von Frauensportarten)

530 Mio. Euro für eine Deutsche Digitale Bibliothek, um das Feld nicht
Privaten zu überlassen

530 Mio. Euro für ein Sonderprogramm für die Ausbildung von Erziehe-
rinnen und Erziehern

Drucksache 17/11603 – 4 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

528 Mio. Euro für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regio-
nalen Infrastruktur in strukturschwachen Gebieten in den
neuen und alten Bundesländern und gleicher Teilhabe von
Frauen und Männern an Arbeit sowie gleichberechtigter
Förderung von Genossenschaften

520 Mio. Euro für die Etablierung eines verbraucherorientierten „Finanz-
Wächters“ und den Aufbau einer unabhängigen flächende-
ckenden Finanzberatung

555,0 Mio. Euro für die bessere Ausstattung des Bereichs des Bundesbeauf-
tragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit

551,5 Mio. Euro für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes

551,4 Mio. Euro für das Technische Hilfswerk (THW)

Mit Arbeitsförderung Massenarbeitslosigkeit bekämpfen

Neben der Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze durch das Zukunftsprogramm
sind erforderlich

515,0 Mrd. Euro zur Erhöhung der Regelsätze der Grundsicherung für Ar-
beitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
und im Alter auf 500 Euro pro Monat, Zahlung angemesse-
ner Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für
ALG-II-Bezieherinnen und -Bezieher, Eingliederung der
Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsge-
setz in die regulären Grundsicherungssysteme und die Auf-
hebung der Anrechnung des Elterngeldes/bzw. Betreuungs-
gelds auf die Arbeitslosengeld-II-Beziehenden

556,1 Mrd. Euro Bundesleistungen für Unterkunft und Heizung

v56,0 Mrd. Euro Bundesbeteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung

v54,0 Mrd. Euro Kinderzuschlag

552,7 Mrd. Euro zur Aufstockung der Gelder für aktive Arbeitsmarktpolitik
und Ermöglichung der Umwandlung von passiven in aktive
Leistungen, um so den Ausbau öffentlich geförderter Be-
schäftigungsverhältnisse voranzutreiben (Deckungsfähig-
keit des Arbeitslosengeld II und der Bundesleistungen für
Unterkunft und Heizung mit den Leistungen zur Eingliede-
rung in Arbeit). Dabei sind 100 Mio. Euro für die Förderung
des Breitensports vorgesehen.

Rentengerechtigkeit herstellen

554,9 Mrd. Euro zur Umsetzung des Prinzips gleiche Rente für gleiche Leis-
tung und erste Schritte zu einer Angleichung der Ostrenten
auf Westniveau. Zudem Verzicht auf die Kürzungen des
Bundeszuschusses an die gesetzliche Rentenversicherung
durch das Haushaltsgleitgesetz 2013 und die Beitragssatz-
reduzierung.

Gerechtes Elterngeld auch für Menschen mit niedrigem Einkommen

554,0 Mrd. Euro zur Aufstockung des Mindestelterngeldes und Verlängerung
der Bezugsdauer (auf bis zu 24 Monate)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 5 – Drucksache 17/11603

Rechte für Menschen mit Behinderung

500 Mio. Euro für die Realisierung von Maßnahmen zur Umsetzung der
UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behin-
derungen, unter anderem für Maßnahmen zur Schaffung
umfassender Barrierefreiheit

Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit

552,2 Mrd. Euro für die Verstärkung der entwicklungsorientierten Not- und
Übergangshilfe, für den Wiederaufbau in Haiti und Pakis-
tan, für die Unterstützung Ostafrikas, für den Ausbau des zi-
vilen Friedensdienstes, für die Verstärkung der finanziellen
und technischen Zusammenarbeit, für Klimaschutzmaßnah-
men in Entwicklungsländern

Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus

522 Mio. Euro zur Absicherung und Stärkung der Auseinandersetzung mit
dem Rechtsextremismus

Finanzierung

561 Mrd. Euro durch stärkere Beteiligung der wirtschaftlich Leistungsfähi-
gen an den Kosten des Gemeinwesens durch Erhöhung des
Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer, Sonderabgabe
auf Boni in der Finanzbranche, Einführung einer Millionär-
steuer, Einführung einer Finanztransaktionssteuer, Besteue-
rung von Gewinnen beim Verkauf von Anteilen an Kapital-
gesellschaften, Rücknahme der Senkung des Körperschaft-
steuersatzes von 25 Prozent auf 15 Prozent, Kapitalerträge
wieder zum persönlichen Steuersatz versteuern, Abschöp-
fung der leistungslos erzielten Sondergewinne der Strom-
versorgungsunternehmen aus dem Emissionshandel, Aus-
bau der Steuerfahndung bei Großunternehmen und Banken

555 Mrd. Euro durch die Beendigung sämtlicher Auslandseinsätze sowie
den Verzicht auf militärische Offensivmittel, insbesondere
auf die Resttranchen des Kampfflugzeugs Eurofighter, auf
die Modernisierung des Kampfflugzeugs Tornado, auf das
Transportflugzeug A400M, auf den Schützenpanzer Puma
sowie durch weitere Einsparungen im investiven Bereich
des Einzelplans 14

552,8 Mrd. Euro durch den Abschluss des Schiedsgerichtsverfahrens wegen
der Verzögerung bei der Einführung und der anfänglichen
Mängel beim Aufbau des Lkw-Mautsystems

562 Mio. Euro durch den Stopp von sozial und ökologisch unsinnigen Ver-
kehrsgroßprojekten, wie der Fehmarnbeltquerung, dem
Ausbau der Elbe und der Weser sowie Stuttgart 21, die in
kommenden Jahren dem Bund 2,1 Mrd. Euro kosten würden

558 Mio. Euro durch Verzicht auf Projekte, Programme und Systeme im
Bereich der Sicherheit und Überwachung – unter anderem
Körperscanner, biometrische Grenzkontrollen und staatli-
che Überwachungssoftware – deren Sicherheitsgewinn
nicht nachgewiesen ist. Sie bergen neue Gefahren und Miss-
brauchspotentiale. Stattdessen personell und qualitativ gut
ausgestattete Sicherheitsbehörden und Polizeidienststellen

vor Ort.

Drucksache 17/11603 – 6 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

Angegeben ist jeweils der Änderungsbetrag im Vergleich zum Regierungsent-
wurf unter Berücksichtigung der Beratungsergebnisse im Haushaltsausschuss
des Deutschen Bundestages.

Berlin, den 19. November 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.