Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.02.2015, Az. X ZR 161/12

10. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 15402

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Gegenstand

Patentnichtigkeitssache betreffend ein Europäisches Patent: Nichtigerklärung wegen eines nicht-ursprungsoffenbarten Merkmals - Wundbehandlungsvorrichtung


Leitsatz

Wundbehandlungsvorrichtung

Ein mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes europäisches Patent ist nicht deshalb für nichtig zu erklären, weil der Patentanspruch ein Merkmal enthält, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, sofern dieses Merkmal zu einer Beschränkung des Schutzgegenstands und nicht zu einem Aliud führt. Bei der Prüfung der Patentfähigkeit ist das nicht-ursprungsoffenbarte Merkmal insoweit außer Betracht zu lassen, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf (Fortführung von BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010, Xa ZB 14/09, GRUR 2011, 40 Rn. 18 ff. - Winkelmesseinrichtung; Urteil vom 21. Juni 2011, X ZR 43/09, GRUR 2011, 1003 Rn. 24 ff. - Integrationselement).

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 4. Senats ([X.]) des [X.] vom 3. Juli 2012 aufgehoben.

Das [X.] Patent 1 088 569 wird mit Wirkung für die [X.] für nichtig erklärt, soweit sein Gegenstand über folgende Fassung der Patentansprüche hinausgeht:

"1. Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks auf eine Oberflächenwunde in einem Säuger, die umfasst: ein poröses Polster (102) aus offenem, eine Verbindung schaffendem, zellförmigen Weichschaum, eine Pumpe (6), eine Saugleitung (101) zum Verbinden des porösen Polsters mit der Pumpe (6), einem Verbinder zum Verbinden des Polsters mit der Saugleitung, eine chirurgische Abdeckung (701) zum Bilden einer luftdichten Abdichtung über der [X.], über dem Polster und über dem Verbinder, wobei der Verbinder einen Ausguss (602) zum Verbinden des von der Pumpe (6) ferngelegenen Endes der Saugleitung (101) mit der [X.] aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass der Verbinder eine scheibenartige Schale (601) umfasst, deren untere Fläche mit dem porösen Polster in Kontakt steht, und wobei die Saugleitung (101) als innere Bohrung (606) in einer Multilumenleitung ausgebildet ist, die ferner Kanäle (607) umfasst, mittels deren ein Aufnehmer (108) den Druck an der [X.] misst.

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei das poröse Polster (102) einen Polyvinylalkoholschaum umfasst.

3. Vorrichtung nach Anspruch 1 oder 2, wobei die chirurgische Abdeckung (701) ein Loch (702) für den Ausguss (602) aufweist, durch das dieser sich hindurch erstreckt.

4. Vorrichtung nach Anspruch 3, wobei die chirurgische Abdeckung (701) eine Kunststofffolie (701) umfasst, die mit einem druckempfindlichen Klebstoff zum Befestigen des porösen Polsters (102) und des [X.] an der Wunde beschichtet ist."

Im Übrigen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Patentgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die [X.] erteilten [X.] Patents 1 088 569 (Streitpatents), das aus einer am 8. Januar 2001 eingereichten Teilanmeldung hervorgegangen ist. Diese geht zurück auf eine als [X.]/18007 veröffentlichte internationale Patentanmeldung vom 14. November 1996 ([X.]), die beim [X.] als [X.] Anmeldung 865 304 geführt wird. Das Streitpatent betrifft eine tragbare Wundbehandlungseinrichtung und umfasst fünf Patentansprüche. Patentanspruch 1, auf den die weiteren Ansprüche unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"Apparatus for applying negative pressure to a superficial wound in a mammal which comprises a porous pad (102) of open, [X.] flexible foam, a pump (6), a suction tube (101) for connecting the porous pad to the pump (6), [X.], a surgical drape (701) for forming an [X.], [X.], [X.] (602) for connecting the end of the suction tube (101) [X.] (6) to the wound site, [X.] in that the connector comprises a disc-like cup (601) having its lower face in contact with said porous pad."

2

Die Klägerin zu 1 hat das Streitpatent in vollem Umfang, die Klägerin zu 2 im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 angegriffen. Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei nicht patentfähig und beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und mit zuletzt sechs Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

3

Gegen das Urteil des Patentgerichts wendet sich die Berufung der Beklagten, die in erster Linie weiterhin die Abweisung der Klagen begehrt und hilfsweise das Streitpatent in beschränkten Anspruchsfassungen verteidigt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

I. Das Streitpatent betrifft eine tragbare Vorrichtung zur Wundbehandlung.

5

1. Nach der Schilderung der Streitpatentschrift waren im Stand der Technik, etwa aus der internationalen Anmeldung [X.]/05873, Vorrichtungen zur Behandlung von Wunden bekannt, bei denen der Wundheilungsprozess durch Anlegen von Unterdruck gefördert werde. Eine solche Vorrichtung umfasse ein poröses, für Flüssigkeiten durchlässiges [X.], das in die Wunde eingeführt werden könne, einen Verband, mit dem die Wunde abgedeckt und luftdicht abgedichtet werde, eine Abflussleitung, die das [X.] mit einer Saugpumpe verbinde, so dass Unterdruck an die Wunde angelegt und Flüssigkeiten aus dieser abgesaugt werden könne, und schließlich einen Behälter, in dem die abgesaugte Flüssigkeit gesammelt werde.

6

Wie eine solche, im Stand der Technik bekannte Vorrichtung aussieht, zeigt beispielsweise die Figur 10 der erwähnten internationalen Anmeldung,

Abbildung

bei der Bezugszeichen 210 die Wunde, Bezugszeichen 36 ein poröses, flüssigkeitsdurchlässiges Schaumstoffpolster (foam pad), Bezugszeichen 37 den Schlauch und Bezugszeichen 43 die luftdichte [X.] bezeichnet.

7

Das technische Problem, welches das Streitpatent lösen soll, besteht darin, eine Vorrichtung bereitzustellen, die eine solche Wundbehandlung mit Unterdruck bequemer macht und ihre Anwendung insbesondere auch bei mobilen, also nicht bettlägerigen Patienten erlaubt.

8

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt die Streitpatentschrift eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern):

Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks auf eine Oberflächenwunde in einem Säuger [1], umfassend

1. ein poröses [X.] (102) aus offenem, eine Verbindung schaffendem, zellförmigen Weichschaum (a porous pad of open, [X.] flexible foam); [1.1]

2. eine Pumpe (6); [1.2]

3. eine Saugleitung (101) zum Verbinden des porösen [X.]s mit der Pumpe; [1.3]

4. einen Verbinder zur Verbindung des [X.]s mit der Saugleitung [1.4], der

a) einen Ausguss ([X.]) (602) zum Verbinden des von der Pumpe ferngelegenen Endes der Saugleitung (101) mit der [X.] aufweist, [1.6]

b) eine scheibenartige Schale (a [X.]) (601) umfasst, deren untere Fläche (lower face) mit dem porösen [X.] in Kontakt steht; [1.7a und 1.7b]

5. eine chirurgische Abdeckung (701) zum Bilden einer luftdichten Abdichtung über der [X.], über dem [X.] und über dem Verbinder. [1.5]

9

3. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

a) Der Verbinder weist nach Merkmal 4a einen Ausguss ([X.]) auf, der dazu dient, das von der Pumpe entfernte Ende der Saugleitung mit der [X.] zu verbinden, während im Stand der Technik, wie etwa aus der oben wiedergegebenen Figur 10 ersichtlich, das Ende des Schlauchs in das [X.] eingeführt wurde. Nach der Beschreibung kann entweder der Ausguss das Ende des Schlauchs aufnehmen oder aber das Schlauchende in den Ausguss eingesetzt und zusätzlich in den Schaum gedrückt werden ([X.]. 5, [X.] 37 bis 39 und [X.] 45 bis 47). Die Anordnung und Größe des [X.] überlässt das Streitpatent dem Fachmann, bei dem es sich hier, wie das Patentgericht unbeanstandet angenommen hat, um einen Diplom-Ingenieur der Medizintechnik handelt, der mit der Entwicklung von [X.] zur Behandlung von Wunden vertraut ist und für die medizinischen Aspekte der Wundheilung einen entsprechend kundigen Arzt konsultiert.

b) Der Verbinder umfasst nach Merkmal 4b eine scheibenartige Schale ([X.]). Es handelt sich demnach um eine Vorrichtung, die einerseits die Form einer Schale aufweist, also nicht völlig eben ist, sondern an ihrem Rand aus [X.] heraus gebogen ist, andererseits aber scheibenartig, also flach ausgestaltet ist. Unter einer scheibenartigen Schale versteht das Streitpatent mithin eine Schale, deren Höhe deutlich geringer ist als ihr Durchmesser. Ein solches Verständnis des Merkmals wird auch dadurch nahegelegt, dass die [X.] am Körper getragen können werden soll (vgl. Figuren 3A und [X.]), weshalb es vorteilhaft ist, sie möglichst flach zu halten. Hierfür spricht weiter, dass die Figuren [X.] und 6C Schalen zeigen, die praktisch flach sind und nur einen minimal aufgebogenen Rand aufweisen.

Für diese Auslegung spricht ergänzend, dass das Streitpatent in den Absätzen 6 und 7 die internationale Anmeldung [X.] 94/20041 ([X.] = [X.]) als nächstliegenden Stand der Technik bezeichnet, deren Inhalt der Oberbegriff von Patentanspruch 1 wiedergebe. Der Umstand, dass Patentanspruch 1 das Merkmal 4b als einziges kennzeichnendes Merkmal ausweist, legt den Schluss nahe, dass die in [X.] in den dortigen Figuren 2 bis 5 mit den Bezugszeichen 29a, 29b, 29c und [X.] gekennzeichneten Vorrichtungen nicht als scheibenartig anzusehen sein sollen. Die Auffassung der Klägerin zu 1, Absätze 6 und 7 des Streitpatents seien bei der Auslegung nicht zu berücksichtigen, weil sie in der [X.] nicht enthalten waren, trifft nicht zu. Bei der Ermittlung der mit einem Patentanspruch gegebenen Lehre sind Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, die die technische Lehre des Patentanspruchs erläutern und veranschaulichen und daher nach ständiger Rechtsprechung nicht nur für die Bestimmung des Schutzbereichs (Art. 69 Abs. 1 EPÜ, § 14 [X.]), sondern ebenso für die Auslegung des Patentanspruchs heranzuziehen sind. Dabei darf der Patentanspruch weder nach Maßgabe dessen ausgelegt werden, was sich nach Prüfung des Standes der Technik als patentfähig erweist, noch nach Maßgabe des Sinngehalts der [X.]. Grundlage der Auslegung ist vielmehr allein die Patentschrift ([X.], Urteil vom 17. Februar 2012 - [X.], [X.]Z 194, 107 Rn. 27 f. - Polymerschaum).

Merkmal 4b besagt weiter, dass die Unterseite der scheibenartigen Schale mit dem porösen [X.] in Kontakt steht, was dahin zu verstehen ist, dass die konkave Seite der Schale mit dem [X.] in einem flächigen Kontakt steht. Nach der Beschreibung des Streitpatents wird die Schale auf die poröse Abdeckung der Wunde gedrückt und durch eine chirurgische Abdeckung gesichert ([X.]. 5 [X.] 43 bis 45). Berücksichtigt man einerseits, dass die Schale scheibenartig, also flach ausgebildet ist, und andererseits, dass das poröse [X.] aus [X.] besteht, also nachgiebig ist, ergibt sich hieraus für den Fachmann, dass die Schale zwar nicht notwendigerweise vollflächig, aber auch nicht nur punktuell oder mit ihrem Rand, also entlang einer Linie auf dem [X.] aufsitzt, sondern im Wesentlichen flächig auf diesem aufliegt. Aus fachlicher Sicht besagt dies, dass der Innenraum der Schale jedenfalls im Wesentlichen mit dem aus Weichschaum bestehenden [X.] ausgefüllt ist, so dass keine größeren Freiräume bestehen bleiben. Dieses Verständnis des Merkmals ergibt sich für den Fachmann auch daraus, dass eine solche Gestaltung zu dem gewünschten, für eine tragbare Vorrichtung vorteilhaften flachen Aufbau beiträgt.

Angaben über die Größe der Schale, insbesondere dazu, ob sie so dimensioniert sein muss, dass sie das gesamte [X.] abdeckt, sind Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen.

c) Nach Merkmal 5 umfasst die Vorrichtung eine chirurgische Abdeckung zur Herstellung einer luftdichten Abdichtung über [X.], [X.] und Verbinder. Daraus ergibt sich, dass nicht nur das [X.], sondern auch der Verbinder unter der chirurgischen Abdeckung liegen muss.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Das Streitpatent sei vollen Umfangs für nichtig zu erklären, weil sein Gegenstand in sämtlichen verteidigten Fassungen über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe. Das Merkmal M1.7b, wonach die untere Fläche der vom Verbinder umfassten scheibenartigen Schale mit dem porösen [X.] in Kontakt stehe, sei der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend zu entnehmen. In der [X.] sei nicht offenbart, dass der Verbinder der beanspruchten Vorrichtung eine scheibenartige Schale umfasse, deren untere Fläche mit dem porösen [X.] in Kontakt stehe. Den Figuren 6A bis 6D der [X.] sei solches nicht zu entnehmen. Auch aus der Gesamtoffenbarung der [X.] ergebe sich nicht, dass die Schale so ausgestaltet sein müsse, dass ihre untere Fläche mit dem porösen [X.] in Kontakt stehe, ebenso bleibe offen, mit welchem Anteil bzw. in welchem Umfang die Unterseite der Schale mit dem [X.] in Kontakt stehe.

Die Einfügung des Merkmals M1.7b könne nicht als bloße Einschränkung des Gegenstands des Anspruchs 1 verstanden werden, sondern führe zu einer anderen Lehre ([X.]). Während der Fachmann den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen die Lehre entnehme, dass die scheibenförmige Schale so ausgebildet sei, dass sie mit dem Rand, jedenfalls aber nicht mit der unteren Fläche auf das poröse [X.] aufgesetzt werde, setze das eingefügte Merkmal genau dies voraus. Da sämtliche Hilfsanträge dieses Merkmal aufwiesen, seien sie unzulässig. Ob der weitere [X.] fehlender Patentfähigkeit vorliege, könne damit dahinstehen.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im [X.] nicht in vollem Umfang stand.

1. Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegenstand der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 über den Inhalt der [X.] in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.

a) Nach Art. II § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] ist ein [X.]s Patent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Der danach maßgebliche Inhalt der Anmeldung ist anhand der Gesamtheit der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu ermitteln. Er ist nicht auf den Gegenstand der in der Anmeldung formulierten Patentansprüche beschränkt. Entscheidend ist vielmehr, was der mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgestattete Fachmann des betreffenden Gebiets der Technik den ursprünglichen Unterlagen als zur Erfindung gehörend entnehmen kann ([X.]Z 194, 107 Rn. 45 - Polymerschaum).

b) Eine unzulässige Erweiterung ist hier darin zu sehen, dass die erfindungsgemäße Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks auf eine Oberflächenwunde nur durch ein poröses [X.], eine Pumpe, eine Saugleitung, einen Verbinder mit scheibenartiger Schale und Ausguss zur Verbindung des [X.]s mit der Saugleitung sowie eine chirurgische Abdeckung gekennzeichnet ist. In dieser allgemeinen Form ist die Vorrichtung in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen - das ist hier die [X.] - nicht als erfindungsgemäß offenbart.

aa) Die Beschreibung der [X.] geht wie diejenige des Streitpatents von der internationalen Patentanmeldung [X.]/05873 aus. Die dort beschriebene Vorrichtung sei wirksam zur Behandlung einer Vielzahl von Wunden unterschiedlicher Art und Größe. Jedoch könne die Behandlung eine längere [X.] in Anspruch nehmen, was nicht bei einem bettlägerigen, wohl aber bei einem nicht an das Bett gebundenen Patienten ein Problem darstelle. Als Aufgabe der Erfindung wird es bezeichnet, eine Vorrichtung bereitzustellen, die in der Anwendung komfortabler ist, insbesondere bei in gewissem Umfang mobilen Patienten, und weitere aus der Beschreibung ersichtliche Vorteile aufweist. Hierzu wird zunächst eine tragbare Vorrichtung zur Stimulierung der Wundheilung vorgeschlagen, die ein Gehäuse mit einer Saugpumpe und einem Behälter zur Aufnahme abgesaugter Wundflüssigkeit enthält und [X.]el zur Verbindung mit Verbandmaterial in der Wundregion sowie einen Tragegurt oder Gürtel zum Abstützen des Gehäuses umfasst, wobei die zweckmäßige Ausgestaltung des Gehäuses, der Saugpumpe und ihres Antriebs sowie des Behälters näher beschrieben wird.

Sodann wird erörtert, dass es bei einer tragbaren Vorrichtung schwieriger sei als bei der im Stand der Technik beschriebenen statischen, den an der zu behandelnden [X.] herrschenden Druck zu bestimmen, da er teilweise von der hydrostatischen Höhe zwischen Pumpe und Wunde abhänge und diese sich in Abhängigkeit von den Bewegungen des Patienten verändere. Dieses Problem soll durch eine zusätzliche Leitung gelöst werden, die die [X.] mit vorzugsweise in dem Gehäuse untergebrachten [X.] verbindet. Diese könnten wiederum mit einem [X.] verbunden sein, der für die Einhaltung eines vorbestimmten Druckbereichs sorge. Eine solche Einrichtung lasse sich auch bei einer nicht-tragbaren Vorrichtung verwenden. Sie erlaube es auch, über die veränderten Druckverhältnisse einen vollständig mit Wundflüssigkeit gefüllten Behälter zu detektieren.

Diesen allgemeinen Ausführungen folgt die Beschreibung der in den Zeichnungen dargestellten Ausführungsformen. Dabei wird unter Bezugnahme auf Figur 1 u.a. ein als Saugleitung dienender Schlauch 101 und ein zweiter Schlauch 106 beschrieben, der die [X.] zur Messung oder Überwachung des Drucks mit einem Druckentlastungsventil 8 und einem Messfühler 108 verbindet. Die Schläuche 101 und 106 könnten in einem mehrlumigen Schlauch (multi-lumen tube) kombiniert werden. Dies wird als bevorzugt und in den Figuren 5A bis 5F und in modifizierter Form in 6E dargestellt bezeichnet. Sodann kommt die Beschreibung auf die Figuren 6A bis 6D zu sprechen, die verschiedene Ansichten eines [X.] zum Anschließen des mehrlumigen Schlauchs an die [X.] zeigten. Nur an dieser Stelle wird der Verbinder dahin beschrieben, dass er eine scheibenförmige Schale umfasst, die einen Ausguss aufweist, der so bemessen ist, dass er das Ende des mehrlumigen Schlauchs aufnehmen kann (S. 8).

In Übereinstimmung mit diesen Ausführungen der Beschreibung ist Anspruch 1 der Anmeldung auf eine tragbare Vorrichtung mit Gehäuse, Saugpumpe, Behälter und Tragegurt gerichtet, der nebengeordnete Anspruch 3 auf eine Behandlungsvorrichtung u.a. mit [X.] und der ebenfalls nebengeordnete Anspruch 5 auf eine Behandlungsvorrichtung u.a. mit einer Saugleitung und einer zusätzlichen Leitung, die ein poröses [X.] mit eine Überwachung des Drucks an der [X.] ermöglichenden [X.] verbindet.

Die in der [X.] offenbarten Ausführungsformen der Erfindung werden damit zum einen durch die eine Tragbarkeit erlaubenden [X.]el (Anspruch 1), zum anderen durch [X.]el gekennzeichnet, die eine [X.] ermöglichen (Ansprüche 3 und 5). Nur im Kontext der [X.] und der hierzu neben der Saugleitung erforderlichen zweiten Leitung findet der Verbinder Erwähnung. Die Saugleitung und die [X.]sleitung können in einer unterteilten Schlauchleitung (multi-partitioned tube) zusammengefasst werden ([X.] S. 5 unten), und der Ausguss des [X.] kann diesen mehrlumigen Schlauch aufnehmen.

bb) Dem ist nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass als zum Patentschutz angemeldete Erfindung auch eine Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks auf eine Oberflächenwunde beschrieben wird, die weder [X.]el aufweist, die ihre Tragbarkeit sicherstellen, noch [X.]el, die es ermöglichen, den Druck an der [X.] zu erfassen, sondern lediglich aus einem porösen [X.], einer chirurgischen Abdeckung, einer Pumpe, einer Saugleitung und einem [X.] und Saugleitung verbindenden Verbinder bestehen, der einen die Saugleitung aufnehmenden Ausguss und eine scheibenartige Schale umfasst.

Allerdings ist eine Fassung des Patentanspruchs, die gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen eine Verallgemeinerung enthält, nicht unter allen Umständen ausgeschlossen. In Bezug auf die Frage, ob die Priorität einer Voranmeldung zu Recht in Anspruch genommen wird, hat der [X.] entschieden, dass dies unter der Voraussetzung zulässig ist, dass sich die in der Voranmeldung anhand eines Ausführungsbeispiels oder in sonstiger Weise beschriebenen Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der in der Nachanmeldung umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der in der Nachanmeldung offenbarten Allgemeinheit bereits der Voranmeldung als zu der angemeldeten Erfindung gehörend entnehmbar ist ([X.], Urteil vom 11. Februar 2014 - [X.], [X.]Z 200, 63 Rn. 25 - Kommunikationskanal). Die gleichen Maßgaben gelten für die Frage danach, ob der erteilte Patentanspruch gegenüber den ursprünglichen Anmeldeunterlagen eine unzulässige Erweiterung aufweist.

Nach dieser Maßgabe beruht Patentanspruch 1 auf einer unzulässigen Erweiterung. Der Fachmann vermag den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht ohne weiteres die allgemeine technische Lehre zu entnehmen, [X.] und zur Pumpe führende Saugleitung einer [X.] durch eine Einrichtung zu verbinden, die einen Ausguss zur Aufnahme der Saugleitung und eine scheibenartige Schale zur Aufnahme des [X.]s umfasst.

Der Verbinder ist in der [X.] vielmehr nur als Element einer Vorrichtung offenbart, in der er den konkret beschriebenen Zweck erfüllt, die Anbindung eines mehrlumigen Schlauchs an die [X.] zu gewährleisten. Er steht mithin in untrennbarem Zusammenhang mit einer Wundbehandlungsvorrichtung, die auch ein [X.]smittel aufweist, wobei die hierfür erforderliche weitere Leitung mit der ohnehin erforderlichen Saugleitung vorzugsweise in einem mehrlumigen Schlauch zusammengefasst ist, der von dem Ausguss des [X.] aufgenommen wird. Weder Beschreibung noch Ansprüche der [X.] bieten einen Anhalt für die Annahme, der Fachmann entnehme ihr, dass ihm mit der Ausgestaltung des [X.] als mit einem Ausguss oder einer Tülle versehener flacher Schale eine Ausführungsform der Vorrichtung zum Ausüben eines Unterdrucks vorgestellt wird, für die unabhängig von den Ausführungsformen, die sich mit der tragbaren Ausgestaltung oder den [X.]eln zur [X.] beschäftigen, Patentschutz angestrebt wird und die mithin - für sich betrachtet - als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart wird.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die [X.] kurz vor der oben genannten Passage der Beschreibung des Ausführungsbeispiels auch eine Leitung erwähnt, die nur eine Bohrung aufweist (single bore tube, [X.] unten). Der betreffenden Passage ist lediglich zu entnehmen, dass die ansonsten vorgesehene geteilte Leitung (partitioned tube) nicht bis zur [X.] reichen muss, sondern an ihrem Ende ein kurzes Stück einer einlumigen Leitung aufweisen kann. Dem entspricht es, dass - etwas später (S. 8 [X.]e) - ausgeführt wird, dass, sofern dies gewünscht wird, das Ende der Leitung auch durch den Ausguss führen und bis in den Weichschaum reichen kann. Dies ändert nichts daran, dass an den genannten Stellen im Grundsatz weiterhin ein mehrlumiger Schlauch gemeint ist, und vermag den sich aus dem Gesamtinhalt der Beschreibung ergebenden Zusammenhang der Offenbarung der Ausgestaltung des [X.] mit einer Vorrichtung zum Ausüben und Überwachen eines Unterdrucks nicht in Frage zu stellen.

c) Danach hat das Patentgericht im Ergebnis zutreffend angenommen, dass Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung auf einer unzulässigen Erweiterung beruht und daher keinen Bestand haben kann. Eine andere Beurteilung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass das Streitpatent aus einer Teilanmeldung hervorgegangen ist. Die Anforderungen an die Ursprungsoffenbarung sind in einem solchen Fall nicht geringer.

2. Dagegen hält das angefochtene Urteil der Nachprüfung nicht stand, soweit das Patentgericht angenommen hat, der ehemalige Hilfsantrag 6 neu, den die Beklagte nunmehr als Hilfsantrag I stellt, beruhe auf einer unzulässigen Erweiterung.

Nach Hilfsantrag I wird Patentanspruch 1 um ein weiteres Merkmal ergänzt, wonach die Saugleitung (101) als innere Bohrung (606) in einer Multilumenleitung ausgebildet ist, die ferner Kanäle (607) umfasst, mittels deren ein Aufnehmer (108) den Druck an der [X.] misst (Merkmal 6).

Die beschränkte Verteidigung der Beklagten mit diesem Hilfsantrag ist - entgegen der Auffassung des Patentgerichts - zulässig.

a) Das zusätzliche Merkmal 6 gewährleistet, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht aus den dargelegten Gründen über den Inhalt der [X.] hinausgeht. Die Verallgemeinerung, die nach den Ausführungen oben (unter [X.]) eine unzulässige Erweiterung begründete, ist dadurch rückgängig gemacht worden, dass der Aufnehmer 108 als [X.]smittel und die durch die Kanäle 607 einer Multilumenleitung ausgebildete zweite Leitung zur Verbindung zwischen [X.] und Pumpe in den Patentanspruch aufgenommen worden sind und die Ausgestaltung des [X.] in diesen Kontext gestellt worden ist, weil die vom Ausguss aufgenommene Saugleitung die innere Bohrung 606 der Multilumenleitung bildet.

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 beruht zwar insoweit auf einer unzulässigen Erweiterung, als in Merkmal 4b über die scheibenartige Schale ausgesagt ist, dass sie mit ihrer unteren Fläche mit dem porösen [X.] in Kontakt steht. Dies führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der beschränkten Verteidigung des Streitpatents nach Hilfsantrag I.

aa) Nach Merkmal 4b steht die scheibenartige Schale mit ihrer unteren Fläche mit dem porösen [X.] in Kontakt. Wie oben ausgeführt, versteht der Fachmann dieses Merkmal dahin, dass die konkave Seite der Schale mit dem [X.] in einem flächigen Kontakt steht.

Ein solcher flächiger Kontakt zwischen der konkaven Seite der Schale und dem [X.] ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart. Die [X.] zeigt in den Figuren [X.] und 6C sehr flache Schalen. Ferner kann ihr, insbesondere durch den Verweis auf die internationale Anmeldung [X.]/05873, aus der die oben wiedergegebene Figur 10 stammt, entnommen werden, wie ein [X.], mit dem die Wunde abgedeckt wird, gestaltet sein kann. Aus der [X.] ist jedoch nicht ersichtlich, wie die scheibenartige Schale auf das [X.] aufgesetzt wird. Es wird dort lediglich erläutert, die Schale werde auf die poröse [X.] gedrückt und durch eine chirurgische Abdeckung gesichert ([X.] (601) is pressed onto the porous dressing and secured by a surgical drape, [X.] S. 8). Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass es sich um ein [X.] aus [X.] handelt, ergibt sich aus diesen Angaben für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig, dass die scheibenartige Schale mit ihrer unteren Fläche mit dem porösen [X.] in flächigem Kontakt steht. Denn ob bei Befolgen dieser Anweisung ein flächiger Kontakt entsteht, hängt aus fachlicher Sicht von mehreren Umständen ab, insbesondere von der Höhe der Schale, vom Verhältnis der Größen von Schale einerseits und [X.] andererseits, von der Festigkeit oder Nachgiebigkeit des [X.]s und vom Maß des Drucks, mit dem die Schale auf das [X.] gepresst wird. Zu allen diesen Umständen enthält die [X.] keine näheren Angaben.

bb) Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Verteidigung der Beklagten mit Hilfsantrag I unzulässig ist.

(1) Nach der Rechtsprechung des [X.]s zu [X.] Patenten und Gebrauchsmustern müssen solche Schutzrechte, wenn ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, nicht für nichtig erklärt oder gelöscht werden, sofern die Änderung in der Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals besteht, die zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. Dagegen ist die Nichtigerklärung oder Löschung nicht zu vermeiden, wenn die Änderung dazu führt, dass der Gegenstand der Anmeldung gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen zu einem [X.] abgewandelt wird ([X.], Beschluss vom 5. Oktober 2000 - [X.], [X.], 140 - [X.]telegramm; Beschluss vom 21. Oktober 2010 - [X.], [X.], 40 - Winkelmesseinrichtung; Urteil vom 21. Juni 2011 - [X.], [X.], 1003 - Integrationselement; Beschluss vom 6. August 2013 - [X.], [X.], 1135 - [X.]). Die Frage, ob diese Rechtsprechung auch auf [X.] Patente Anwendung findet, hat der [X.] bislang offen gelassen ([X.], [X.], 40 Rn. 19 - Winkelmesseinrichtung). Sie ist - entgegen der Auffassung des [X.]s (Urteil vom 8. April 2014, [X.]. 2014, 436 - Fettabsaugevorrichtung) - zu bejahen.

(2) Der angeführten Rechtsprechung des [X.]s liegt die Überlegung zugrunde, dass die unzulässige Änderung des Gegenstands des Patents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen dessen Widerruf oder Nichtigerklärung nicht erfordert, wenn den berechtigten Interessen Dritter, insbesondere der Wettbewerber des [X.], und der Öffentlichkeit durch weniger schwerwiegende Maßnahmen Rechnung getragen werden kann.

Danach ist der Widerruf oder die Nichtigerklärung des Patents nicht geboten, wenn der Gegenstand des Patents gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen in unzulässiger Weise verallgemeinert worden ist. In diesem Fall kann die unzulässige Erweiterung dadurch behoben werden, dass die unzulässige Verallgemeinerung aus dem Patentanspruch gestrichen wird ([X.], [X.], 40 Rn. 14 - Winkelmesseinrichtung; [X.], [X.], 1003 Rn. 19 - Integrationselement; ebenso [X.], Entscheidung der [X.] vom 2. Februar 1994 - [X.], [X.]. 1994, 842 Rn. 11 - beschränkendes Merkmal/[X.] Pro-ducts).

Der Widerruf oder die Nichtigerklärung des Patents ist andererseits unumgänglich, wenn die Hinzufügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht offenbarten Merkmals dazu führt, dass der Patentanspruch des erteilten Patents eine andere Erfindung zum Gegenstand hat als die ursprüngliche Anmeldung, wenn das Patent also etwas schützt, das gegenüber dem der Fachwelt durch die ursprünglichen Unterlagen [X.] ein "[X.]" darstellt ([X.], [X.], 140, 141 - [X.]telegramm; [X.], [X.], 40 Rn. 21 - Winkelmesseinrichtung; [X.], [X.], 1003 Rn. 27 - Integrationselement; [X.], [X.], 1135 Rn. 16 - Tintenstrahldrucker). Die Aufrechterhaltung eines solchermaßen geänderten Anspruchs gefährdete die Rechtssicherheit für Dritte, die darauf vertrauen dürfen, dass aus der Patentanmeldung kein Patent hervorgeht, das einen weiteren oder anderen Gegenstand hat als denjenigen, der in der Anmeldung offenbart worden ist. Die Aufrechterhaltung eines mit dem Einspruch oder der Nichtigkeitsklage angegriffenen Patents mit der Maßgabe, dass das in Rede stehende Merkmal im Patentanspruch verbleibt, der Patentinhaber daraus aber keine Rechte herleiten kann, scheidet in einem solchen Fall aus, weil sie dazu führen würde, dass das Patent in der Fassung nach dem Einspruchs- oder [X.] einen anderen Gegenstand hätte als ursprungsoffenbart ([X.], [X.], 40 Rn. 23 - Winkelmesseinrichtung).

Der Widerruf oder die Nichtigerklärung eines Patents ist dagegen nicht erforderlich, wenn die Einfügung eines Merkmals, das in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt. In einem solchen Fall wird den berechtigten Interessen der Öffentlichkeit dadurch Rechnung getragen, dass das einschränkende Merkmal im Patentanspruch verbleibt und zugleich dafür gesorgt wird, dass im Übrigen aus der Änderung Rechte nicht hergeleitet werden können, insbesondere das nicht offenbarte Merkmal bei der Prüfung der Patentfähigkeit insoweit außer Betracht zu lassen ist, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf ([X.], [X.], 140, 142 f. - [X.]telegramm; [X.], [X.], 40 Rn. 16 - Winkelmesseinrichtung; [X.], [X.], 1003 Rn. 24 - Integrationselement; [X.], [X.], 1135 Rn. 16 - Tintenstrahldrucker).

(3) Diese Rechtsprechung des [X.]s steht nicht in Widerspruch zu den Regelungen des Europäischen Patentübereinkommens.

Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des [X.] führt die Aufnahme eines einschränkenden, in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals in den Patentanspruch regelmäßig zum Widerruf des Patents nach Art. 123 Abs. 2, 100 Buchstabe c EPÜ. Falle ein solches Merkmal unter Art. 123 Abs. 2 EPÜ, könne es weder im Patent beibehalten noch ohne Verstoß gegen Art. 123 Abs. 3 EPÜ aus den Ansprüchen gestrichen werden. Das Patent könne nur dann - ausnahmsweise - aufrechterhalten werden, wenn die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eine Grundlage dafür biete, dass die einschränkenden Merkmale ohne Verstoß gegen Art. 123 Abs. 3 EPÜ durch andere ersetzt werden könnten (Entscheidung der [X.] vom 2. Februar  1994 - [X.], [X.]. 1994, 842 Rn. 12 f. - beschränkendes Merkmal/[X.] Products).

[X.] und [X.] wenden bei der Entscheidung über die Nichtigerklärung eines [X.]n Patents, das mit Wirkung für die [X.] erteilt worden ist, nicht Art. 123 Abs. 2 und 3 EPÜ an, sondern entscheiden auf der Grundlage von Art. II § 6 [X.]. Mit der Schaffung dieser Norm hat der nationale Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Gründe für die Nichtigerklärung eines [X.]n Patents für das Hoheitsgebiet der [X.] nach Maßgabe von Art. 138 EPÜ aufzuführen. Nach Art. 138 EPÜ kann ein [X.]s Patent - vorbehaltlich des Art. 139 EPÜ - nur aus den dort abschließend aufgeführten Gründen für nichtig erklärt werden. Die Norm steht damit zwar einer Entscheidung des nationalen Gerichts entgegen, durch die ein [X.]s Patent auch dann für nichtig erklärt wird, wenn keiner der in Art. 138 EPÜ aufgeführten Gründe vorliegt. Sie eröffnet aber die Möglichkeit, dass das nationale Gericht auch bei Vorliegen eines solchen Grundes von der Nichtigerklärung des Patents absieht, ohne sich damit in Widerspruch zu Art. 123 EPÜ zu setzen, wie er von der [X.] verstanden wird.

(4) Ein solches Absehen von der Nichtigerklärung ist auch bei einem [X.]n Patent angezeigt, wenn die Einfügung eines in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht oder nicht als zur Erfindung gehörend offenbarten Merkmals zu einer bloßen Einschränkung des angemeldeten Gegenstands führt.

Die [X.] hat eingeräumt, dass die von ihr vertretene Auffassung zu harten Folgen für den Patentinhaber führt ([X.], [X.]. 1994, 842 Rn. 13 - beschränkendes Merkmal/[X.] Products), weil er Gefahr läuft, nach einer Änderung seiner Anmeldung selbst dann in einer "unentrinnbaren Falle" zu sitzen und alles zu verlieren, wenn die Änderung den Schutzbereich des Patents einschränkt. Die oben wiedergegebene Rechtsprechung des [X.]s ermöglicht es demgegenüber, auf eine vollständige Nichtigerklärung des Patents zu verzichten, ohne dass Abstriche an der Wahrung der berechtigten Interessen Dritter und der Öffentlichkeit gemacht werden müssen. Sie trägt damit zugleich dem verfassungsrechtlichen Schutz des Eigentums (Art. 14 GG) Rechnung, der auch das Recht am Patent umfasst und den Patentinhaber vor hoheitlichen Eingriffen schützt, soweit diese nicht erforderlich sind. Das rechtfertigt es, diese Rechtsprechung auch auf [X.] Patente anzuwenden.

(5) Soweit Patentanspruch 1 das Merkmal enthält, dass die untere Fläche der scheibenartigen Schale mit dem porösen [X.] in Kontakt steht, liegt darin eine bloße Konkretisierung einer Anweisung zum technischen Handeln, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist.

(a) Ob es sich bei der Einfügung eines in den ursprünglichen Unterlagen nicht offenbarten Merkmals um eine bloße Einschränkung des angemeldeten Gegenstands handelt oder um ein [X.], bestimmt sich danach, ob damit lediglich eine Anweisung zum technischen Handeln konkretisiert wird, die in diesen Unterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart ist, oder ob damit ein technischer Aspekt angesprochen wird, der daraus weder in seiner konkreten Ausgestaltung noch auch nur in abstrakter Form als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist ([X.], [X.], 40 Rn. 22 - Winkelmesseinrichtung; [X.], [X.], 1003 Rn. 29 - Integrationselement; [X.], [X.], 1135 Rn. 26 f. - Tintenstrahldrucker).

(b) Danach ist Merkmal 4b - entgegen der Auffassung des Patentgerichts - nicht als [X.] einzuordnen. Soweit dieses Merkmal vorsieht, dass die scheibenartige Schale mit ihrer unteren Fläche mit dem porösen [X.] in Kontakt steht, wird damit kein neuer technischer Aspekt eingeführt. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Beschränkung im vorstehend ausgeführten Sinn, durch die dem Fachmann vermittelt wird, die scheibenartige Schale so flach auszugestalten, dass ein im Wesentlichen flächiger Kontakt zwischen ihrer unteren Fläche und dem porösen [X.] hergestellt wird, wenn die Scheibe auf das [X.] gedrückt und mittels der chirurgischen Abdeckung gesichert wird.

(6) Der Zulässigkeit der beschränkten Verteidigung steht auch nicht entgegen, dass es nicht zulässig ist, den Patentanspruch durch ein nicht-ursprungsoffenbartes Merkmal zu beschränken. Denn Merkmal 4b ist bereits im erteilten Patentanspruch 1 enthalten. Dass es Bestandteil des im Übrigen unbedenklichen [X.] ist, kann daher dessen Zulässigkeit nicht in Frage stellen.

3. Die Beurteilung des Patentgerichts, wonach Patentanspruch 1 nicht zulässigerweise in der Fassung des [X.] (früherer Hilfsantrag 6 neu) verteidigt werden kann, hält mithin der Prüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht (§ 119 Abs. 2, 3 [X.]). Eine eigene Entscheidung des Senats in der Sache ist nicht angezeigt (§ 119 Abs. 5 Satz 1 [X.]). Das Patentgericht hat die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 in der Fassung dieses [X.] bislang nicht geprüft. Bei dieser nunmehr erforderlichen Prüfung wird das Patentgericht das nicht-ursprungsoffenbarte Merkmal außer Betracht zu lassen haben.

[X.]

                   Kober-Dehm                        [X.]

Meta

X ZR 161/12

17.02.2015

Bundesgerichtshof 10. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BPatG München, 3. Juli 2012, Az: 4 Ni 15/10 (EU), Urteil

Art 2 § 6 Abs 1 S 1 Nr 3 IntPatÜbkG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.02.2015, Az. X ZR 161/12 (REWIS RS 2015, 15402)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15402


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZR 161/12

Bundesgerichtshof, X ZR 161/12, 17.02.2015.


Az. 4 Ni 15/10 (EU)

Bundespatentgericht, 4 Ni 15/10 (EU), 03.07.2012.


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