Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 14.09.2023, Az. 2 BvR 107/21

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2023, 6412

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

VERFASSUNG BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) STAATSRECHT UND STAATSORGANISATIONSRECHT ASYL- UND AUSLÄNDERRECHT ASYL VERFASSUNGSBESCHWERDE THÜRINGER VERFASSUNGSGERICHTSHOF AUFENTHALTSRECHT BVERFG AFD

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Urteil des VerfGH Weimar im Normenkontrollverfahren bzgl der Thüringer Verordnung über die Härtefallkommission (juris: HärtefKV TH 2005) - insb keine Verletzung von Art 101 Abs 1 S 2 GG iVm Art 100 Abs 1 GG bzw iVm Art 100 Abs 3 GG


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Entscheidungsgründe

1

[X.], die Fraktion der Alternative für [X.] im [X.], wendet sich gegen ein Urteil des [X.] (im Folgenden: [X.]), welche die [X.] Verordnung über die Härtefallkommission (im Folgenden: Härtefallverordnung) betraf.

2

1. Der [X.] entschied auf eine abstrakte Normenkontrolle der Beschwerdeführerin hin mit Urteil vom 16. Dezember 2020 - [X.] 14/18 -, dass die Härtefallverordnung mit der [X.] Verfassung vereinbar sei.

3

a) Einer Vorlage der bundesgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] an das [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG habe es nicht bedurft, da diese Norm mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die Besetzung der Härtefallkommission und das Verfahren, wie sie tätig werde, habe insbesondere nicht durch ein Parlamentsgesetz geregelt werden müssen, da die Härtefallkommission nur vorbereitend tätig werde.

4

b) Die Härtefallverordnung sei auch mit dem Demokratieprinzip der [X.] Verfassung vereinbar, da das Handeln der Härtefallkommission aufgrund seines rein vorbereitenden Charakters nicht als Ausübung von Staatsgewalt zu werten sei. Der Umstand, dass ein Ersuchen der [X.] mitursächlich für die spätere Ausübung von Staatsgewalt durch die oberste [X.]behörde sei, führe nicht dazu, dass es selbst als eine Form der Ausübung von Staatsgewalt anzusehen sei. Andernfalls müssten auch allgemein an die Verwaltung gerichtete Anträge als Ausübung von Staatsgewalt qualifiziert werden. Das Ersuchen der Härtefallkommission stelle auch kein Vorschlagsrecht mit [X.] dar, da das Ersuchen der Härtefallkommission für die oberste [X.]behörde nicht bindend und die Härtefallkommission organisatorisch in die oberste [X.]behörde eingegliedert sei, so dass es sich bei dieser nicht um einen "anderen Verwaltungsträger" im Sinne von [X.] 83, 60 (73) handele.

5

c) [X.]so wenig sei die Verordnung wegen eines Verstoßes gegen Art. 33 Abs. 2 GG verfassungswidrig. Art. 33 Abs. 2 GG sei bereits kein Prüfungsmaßstab im landesverfassungsgerichtlichen Verfahren. Er sei kein in die [X.] Verfassung hineinwirkendes [X.].

6

d) Die Regelung zur Zusammensetzung der [X.] verstoße auch nicht gegen den Gleichheitssatz, weil lediglich die in der Härtefallverordnung aufgeführten Institutionen Vertreter als Mitglieder der [X.] entsenden könnten. Die Beteiligung von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen lasse sich jedenfalls unter dem Gesichtspunkt rechtfertigen, dass Entscheidungen, die Aufenthaltserlaubnisse von Ausländern beträfen, möglichst aufgrund einer pluralistischen Meinungsbildung und unter Beteiligung besonders qualifizierter und sachnaher Kreise vorbereitet werden sollten. Dem Verordnungsgeber habe hinsichtlich der Einrichtung und Zusammensetzung der Härtefallkommission zudem ein Gestaltungsspielraum offen gestanden. Auch habe berücksichtigt werden dürfen, dass mit zunehmender Größe die Leistungsfähigkeit eines Gremiums zu leiden drohe.

7

2. Die Entscheidung erging mit 8:1 Stimmen. Der [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.] gab zu der Entscheidung ein Sondervotum ab.

8

Mit ihrer am 14. Januar 2021 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 GG, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 3 GG, Art. 103 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.

9

1. Sie sei in ihrem Recht auf den gesetzlichen [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 GG verletzt. Die Entscheidung des [X.]s, § 23a Abs. 2 [X.] nicht dem [X.] vorzulegen, sei nicht mehr im Sinne des vom [X.] in der Entscheidung [X.] 138, 64 (89 ff. Rn. 76 ff.) herausgearbeiteten strengen [X.] vertretbar gewesen. Der [X.]gesetzgeber sei, wie im Sondervotum ausgeführt, verpflichtet gewesen, Regelungen zur Zusammensetzung der Härtefallkommission zu treffen. Die Befugnis der Härtefallkommission, durch ein entsprechendes Ersuchen den Weg zu einem neuen Aufenthaltstitel zu ebnen, sei normativ grundlegend und damit wesentlich.

2. Sie sei zudem in ihrem Recht auf den gesetzlichen [X.] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 3 GG verletzt. Der [X.] sei von der Entscheidung [X.] 83, 60 (73) abgewichen, wonach auch die Ausübung von Vorschlagsrechten als Ausübung von Staatsgewalt, die [X.] Legitimation bedürfe, zu qualifizieren sei, wenn ein anderer Verwaltungsträger bei der Ausübung seiner Entscheidungsbefugnisse von ihnen rechtlich abhängig sei. Die Entscheidung der Härtefallkommission sei für die anschließende Entscheidung der obersten [X.]behörde nicht nur mitursächlich, sondern unabdingbar.

3. Des Weiteren sei sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt. Die [X.]mehrheit habe sich weder mit ihrem Vortrag befasst, wonach Art. 33 Abs. 2 GG anwendbar sei, da die [X.] Verfassung grundgesetzkonform auszulegen sei, noch mit ihrem Vortrag, wonach Art. 33 Abs. 2 GG selbst dann einschlägig sei, wenn man die Tätigkeit der Härtefallkommission nicht als Ausübung von Staatsgewalt einordne.

4. Verletzt sei zudem das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Die Ansicht des [X.]s, Art. 33 Abs. 2 GG sei kein in die [X.] Verfassung hineinwirkendes [X.], erscheine evident falsch. Das [X.] habe bereits mindestens dreimal entschieden, dass die Grundrechte des Grundgesetzes die Verfassungsautonomie der Länder begrenzten (Verweis auf [X.] 42, 312 <325>; 97, 298 <314 f.> und [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 31. März 2016 - 2 BvR 1576/13 -, Rn. 54).

b) Willkürlich sei zudem die Auffassung des [X.]s, die Regelung zur Zusammensetzung der [X.] verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Tatsächlich seien die Vertreter der Kirchen in der Härtefallkommission im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung überrepräsentiert. Von einer pluralistischen Meinungsbildung könne angesichts dessen keine Rede sein. Auch hätten Härtefallkommissionen anderer [X.]länder deutlich mehr Mitglieder, ohne deshalb nicht mehr leistungsfähig zu sein.

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, da sie jedenfalls unbegründet ist.

Der Verfassungsbeschwerde kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]G zu (vgl. [X.] 90, 22 <24 f.>; 96, 245 <248>). Die Annahme ist auch nicht nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]G zur Durchsetzung der als verletzt gerügten Rechte gemäß § 90 Abs. 1 [X.]G angezeigt (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>; 111, 1 <4>). Denn die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.

1. Der [X.] hat nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 GG verstoßen.

a) Nach Art. 100 Abs. 1 GG hat ein Gericht, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung des Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des [X.]es einzuholen. Für die Beurteilung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ist grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts maßgebend, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (vgl. [X.] 88, 187 <194>; 138, 1 <15 Rn. 41>; 141, 1 <11 Rn. 22>).

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach niemand seinem gesetzlichen [X.] entzogen werden darf, gibt den einzelnen Rechtsuchenden einen Anspruch darauf, dass der Rechtsstreit von ihrem gesetzlichen [X.] entschieden wird (vgl. [X.] 17, 294 <299>; 26, 281 <291>). Sie können die Beachtung der gesetzlichen wie der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsordnung fordern und deren Missachtung als Verletzung des grundrechtsgleichen Rechts im Wege der Verfassungsbeschwerde rügen (vgl. [X.] 138, 64 <87 Rn. 69>).

Zu den Rechtssätzen, die den zur Entscheidung berufenen [X.] bestimmen, zählen auch Vorschriften, die ein Gericht zur Vorlage einer Sache an ein anderes Gericht verpflichten (vgl. [X.] 13, 132 <143>; 101, 331 <359>). Dabei können sich Vorlageverpflichtungen nicht nur aus Regelungen des Gesetzesrechts ergeben, sondern erst recht auch aus verfassungsrechtlichen Bestimmungen wie den Vorlagepflichten nach Art. 100 Abs. 1 und Abs. 3 GG (vgl. [X.] 13, 132 <143>; 117, 330 <356>; 138, 64 <86 Rn. 66>).

Für die Annahme eines Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG genügt indes nicht jede irrtümliche Überschreitung der den Gerichten gezogenen Grenzen (vgl. [X.] 87, 282 <284>). Durch einen schlichten error in procedendo wird niemand seinem gesetzlichen [X.] entzogen (vgl. [X.] 3, 359 <365>; 138, 64 <87 Rn. 71>). Eine Verletzung der Garantie des gesetzlichen [X.]s liegt indes vor, wenn ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl. [X.] 82, 286 <299>; 87, 282 <284 f.>; 131, 268 <312>) oder wenn die maßgeblichen Verfahrensnormen in objektiv willkürlicher beziehungsweise offensichtlich unhaltbarer Weise fehlerhaft angewandt wurden (vgl. [X.] 29, 45 <49>; 42, 237 <241>; 58, 1 <45>; 76, 93 <96>; 79, 292 <301>; 95, 48 <63 f.>; 101, 331 <359 f.>).

Dies gilt grundsätzlich auch für die Verletzung einer Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG (vgl. [X.] 117, 330 <356>; 130, 1 <41 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Mai 2016 - 2 BvR 1947/15 -, Rn. 36; Beschluss der [X.] des [X.] vom 21. Dezember 2021 - 2 BvR 1844/20 -, Rn. 54) und Art. 100 Abs. 3 GG (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 25. Juli 1990 - 1 BvR 1438/89 -, juris, Rn. 3; Beschluss der [X.] des [X.] vom 27. Oktober 1997 - 1 BvR 1604/97, 1 BvR 1615/97, 1 BvR 1659/97 -, juris, Rn. 31 ff.; Beschluss der [X.] des [X.] vom 21. Dezember 2021 - 2 BvR 1844/20 -, Rn. 54). Anderes gilt hingegen, wenn ein Gericht die Vorlage an das [X.] unterlässt, da es in nicht vertretbarer Weise die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des betreffenden Gesetzes annimmt. In diesem Fall gilt angesichts der im Range von Verfassungsrecht geregelten Vorlagepflicht ein Maßstab, nach dem bereits bei mangelnder Vertretbarkeit einer verfassungskonformen Auslegung von einer Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG auszugehen ist (vgl. [X.] 138, 64 <89 ff. Rn. 76 ff.>; Beschluss der [X.] des [X.] vom 2. Mai 2016 - 2 BvR 1947/15 -, Rn. 37 f.).

b) Gemessen an diesen Maßstäben hat der [X.] nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 1 GG verstoßen.

Die Ansicht des [X.]s, § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] sei mit dem Grundgesetz vereinbar, ist vertretbar und nicht willkürlich.

aa) § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] steht, wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, mit dem Parlamentsvorbehalt in Einklang. Dieser im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot wurzelnde Vorbehalt gebietet, dass in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit diese staatlicher Regelung zugänglich ist, die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden (vgl. [X.] 49, 89 <126>; 61, 260 <275>; 80, 124 <132>; 83, 130 <142, 151 f.>; 101, 1 <34>; 136, 69 <114 Rn. 102>; 150, 1 <96 Rn. 191>). Diesem Erfordernis trägt § 23a Abs. 2 [X.] Rechnung, indem er in eng begrenzten Ausnahmefällen Abweichungen von den ausdifferenzierten Regelungen des Aufenthaltsgesetzes zulässt, wobei die Abweichungsmöglichkeit durch die vorgeschaltete Prüfungsebene der Härtefallkommission sogar noch weiter eingeschränkt wird. Vorgaben zur Besetzung der Härtefallkommissionen musste der [X.]gesetzgeber nicht machen, da die Härtefallkommissionen die Entscheidungen der obersten [X.] nur vorbereiten. [X.] dies unterscheidet sie von der [X.]prüfstelle in der von der Beschwerdeführerin genannten Entscheidung [X.] 83, 130 (131 ff. und 153).

bb) [X.]so steht § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetze bestimmt werden müssen. Denn die Ermächtigung des § 23a Abs. 2 Satz 1 [X.] wird durch § 23a Abs. 2 Sätze 2-4 [X.] präzisiert. Zu berücksichtigen ist zudem auch hier, dass die Härtefallkommissionen die Entscheidungen der obersten [X.] nur vorbereiten (vgl. [X.] 153, 310 <354 Rn. 102; 161, 299 <349 f. Rn. 126>).

2. Der [X.] hat auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 3 GG verstoßen.

a) Will das Verfassungsgericht eines [X.] bei der Auslegung des Grundgesetzes von einer Entscheidung des [X.]s abweichen, so hat es nach Art. 100 Abs. 3 GG die Entscheidung des [X.]s einzuholen. Unter der "Entscheidung" eines Verfassungsgerichts, von der das Vorlagegericht abweichen möchte, ist nicht nur die Urteilsformel, sondern auch die aus den Gründen ersichtliche Auslegung des Grundgesetzes zu verstehen, ohne die die Entscheidungsformel nicht gewonnen werden konnte. Für die Feststellung einer Abweichung kommt es auf das Ergebnis der [X.] an. Eine bloß abweichende Begründung des gleichen [X.] stellt keine andere Auslegung des Grundgesetzes dar. Die Abweichung ist also durch einen Vergleich mit den tragenden Rechtssätzen der anderen verfassungsgerichtlichen Entscheidung festzustellen. Entscheidend ist, ob das [X.]verfassungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einer bestimmten, die Auslegung des Grundgesetzes betreffenden Frage von einem ebensolchen Rechtssatz in einer Entscheidung des [X.]s abweichen will (vgl. [X.] 3, 261 <264 f.>; 18, 407 <413>; 36, 342 <359>; 163, 239 ).

b) Der [X.] hat danach auch nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 100 Abs. 3 GG verstoßen.

aa) Die genannten Voraussetzungen für eine Vorlagepflicht lagen nicht vor. Der [X.] hat keinen tragenden Rechtssatz aufgestellt, mit dem er von einem tragenden Rechtssatz des [X.]s abgewichen wäre. Er hat sich in seinem Urteil vielmehr mit der Rechtsprechung des [X.]s zur Ausübung von Staatsgewalt auseinandergesetzt und ist unter Anwendung dieser allgemeinen Maßstäbe zu dem Ergebnis gekommen, dass die Tätigkeit der Härtefallkommission nicht als Ausübung von Staatsgewalt zu qualifizieren sei, da die Härtefallkommission nur vorbereitend tätig werde. Derartige einzelfallbezogene Fragen der Subsumtion sind nicht Gegenstand des Vorlageverfahrens nach Art. 100 Abs. 3 GG (vgl. [X.] 163, 239 <249 Rn. 25>).

bb) Eine andere Bewertung ist auch nicht deshalb geboten, weil der [X.] die Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 3 GG mithilfe einer nicht vertretbaren oder gar willkürlichen Subsumtion unter einen tragenden Rechtssatz des [X.]s umgangen hätte. Der [X.] ist entgegen dem Beschwerdevorbringen insbesondere nicht von der Entscheidung [X.] 83, 60 (73) und der dort wiederum genannten Entscheidung [X.] 26, 186 (196 f.) abgewichen, wonach auch die Ausübung von Vorschlagsrechten [X.] hat und damit als Ausübung von Staatsgewalt [X.] Legitimation bedarf, wenn ein anderer Verwaltungsträger bei der Ausübung seiner Entscheidungsbefugnisse von ihnen rechtlich abhängig ist. Denn im Gegensatz zu der Justizverwaltung in der Entscheidung [X.] 26, 186 (195 ff.) ist die oberste [X.]behörde hier nicht gezwungen, eine bestimmte Personenzahl auszuwählen. Vielmehr kann sie die Härtefallersuchen, welche die Härtefallkommission an sie richtet, auch ablehnen.

3. [X.]so wenig hat der [X.] gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen.

a) Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (vgl. [X.] 60, 175 <210 ff.>; 64, 135 <143 f.>; 65, 227 <234>; 86, 133 <144>). Das entscheidende Gericht muss die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen (vgl. [X.] 21, 191 <194>; 96, 205 <216>). Grundsätzlich ist allerdings davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Nur dann, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass ein Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. [X.] 25, 137 <140 f.>; 85, 386 <404>; 96, 205 <216 f.>).

Bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe hat das Gericht eine gewisse Freiheit. Es ist nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen ausdrücklich zu befassen. Dies gilt insbesondere, wenn der Vortrag nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich war (vgl. [X.] 47, 182 <188 f.>; 86, 133 <145 f.>).

b) Gemessen daran hat der [X.] nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen, weil er den Vortrag der Beschwerdeführerin zur Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 GG nicht hinreichend gewürdigt hätte.

Mit dem Verhältnis des [X.]verfassungsrechts zum Grundgesetz hat der [X.] sich zu Beginn seiner Begründetheitsprüfung ausführlich auseinandergesetzt (Rn. 77 ff.). Die weiteren von der Beschwerdeführerin angesprochenen Fragen der Anwendbarkeit des Art. 33 Abs. 2 GG waren nach dem Rechtsstandpunkt des [X.]s, wonach es sich bei Art. 33 Abs. 2 GG nicht um in die [X.] Verfassung hineinwirkendes [X.] handele, unerheblich.

4. Keinen Erfolg hat die Rüge eines Verstoßes gegen das Willkürverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beschwerdeführerin insoweit überhaupt beschwerdefähig ist.

a) Gegen das Willkürverbot wird nicht bereits dann verstoßen, wenn die angegriffene Rechtsanwendung oder das Verfahren fehlerhaft sind. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Rechtsanwendung oder das Verfahren krass fehlerhaft und bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (vgl. [X.] 4, 1 <7>; 42, 64 <74>; 62, 189 <192>; 74, 102 <127>; 80, 48 <51>; 81, 132 <137>). Ein [X.]spruch ist in diesem Sinne objektiv unhaltbar, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist. Die Annahme von Willkür scheidet dagegen aus, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend auseinandergesetzt hat und seine Auffassung nicht jedes sachlichen Grundes entbehrt (vgl. [X.] 87, 273 <278 f.>; 89, 1 <14>; 96, 189 <203>).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen hat der [X.] nicht gegen das Willkürverbot verstoßen.

aa) Seine Ansicht, Art. 33 Abs. 2 GG sei im landesverfassungsgerichtlichen Verfahren kein Prüfungsmaßstab, entbehrt nicht jedes sachlichen Grundes.

Die Länder verfügen unter dem Grundgesetz über eine weitgehende Verfassungsautonomie. Grundsätzlich stehen die Verfassungsbereiche des [X.] und der Länder in dem föderativ gestalteten [X.]staat selbständig nebeneinander (vgl. [X.] 4, 178 <189>; 36, 342 <361>; 60, 175 <207 f.>; 96, 345 <368>; [X.], Beschluss des [X.] vom 25. Januar 2023 - 2 BvR 2189/22 -, Rn. 112). Ein Hineinwirken bestimmter Vorschriften des Grundgesetzes als ungeschriebene Bestandteile in die [X.]verfassung ist die Ausnahme (vgl. [X.] 27, 44 <55 f.>; 103, 332 <353>; 120, 82 <101>).

Eine Entscheidung des [X.]s, ob Art. 33 Abs. 2 GG als ungeschriebener Bestandteil in die [X.]verfassungen hineinwirkt, gibt es nicht (zu Art. 33 Abs. 5 GG vgl. demgegenüber [X.] 4, 115 <135>; 64, 367 <378>). Die von der Beschwerdeführerin genannten Entscheidungen [X.] 42, 312 (325) und 97, 298 (314 f.) betrafen nicht die Frage des [X.] grundgesetzlicher Bestimmungen, sondern landesverfassungsrechtliche Bestimmungen, die dem Grundgesetz widersprachen (vgl. dazu auch [X.] 96, 345 <365>). Der von der Beschwerdeführerin angeführte Beschluss der [X.] des [X.] des [X.]s vom 31. März 2016 - 2 BvR 1576/13 -, Rn. 54 betraf die Rechtmäßigkeit einer Beschränkung der Prüfung durch das [X.]verfassungsgericht auf offensichtliche und schwerwiegende Verstöße gegen das Grundgesetz, wobei die Kammer die Frage überdies offengelassen hat.

bb) Soweit die Beschwerdeführerin einen Verstoß gegen das Willkürverbot nach Art. 3 Abs. 1 GG rügt, da die Vertreter der Kirchen in der Härtefallkommission überrepräsentiert seien, setzt sie der Ansicht des [X.]s lediglich eigene Wertungen entgegen, ohne aufzuzeigen, warum das angegriffene Urteil willkürlich sein soll.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 107/21

14.09.2023

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Thüringer Verfassungsgerichtshof, 16. Dezember 2020, Az: 14/18, Urteil

Art 3 Abs 1 GG, Art 100 Abs 1 S 1 GG, Art 100 Abs 3 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 23a Abs 2 S 1 AufenthG 2004, HärtefKV TH 2005

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 14.09.2023, Az. 2 BvR 107/21 (REWIS RS 2023, 6412)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 6412

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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2 BvR 1844/20

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