Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 08.12.2011, Az. 1 BvR 2514/11

1. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2011, 637

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen BGH-Rspr zur Bankenhaftung für Aufklärungspflichtverletzungen in Bezug auf Rückvergütungen - Berufsfreiheit betroffener Banken auch im Hinblick auf Vertrauensschutz (Art 20 Abs 3 GG) nicht verletzt - Differenzierung gegenüber Aufklärungspflichten über Innenprovisionen bzw Anforderungen an freie Anlageberater sachlich gerechtfertigt - Zur Vereinbarkeit von § 552a S 1 ZPO mit Art 103 Abs 1 GG


Gründe

1

Die [X.]beschwerde betrifft eine zivilrechtliche Auseinandersetzung über die Haftung der Beschwerdeführerin - einer Bank - aus Anlageberatung wegen geltend gemachter [X.]en im Zusammenhang mit sogenannten Rückvergütungen.

I.

2

Auf Empfehlung der Beschwerdeführerin beteiligte sich der Ehemann der Klägerin des Ausgangsverfahrens in den Jahren 2003 und 2004 treuhänderisch mit jeweils 25.000 € zuzüglich 5 % [X.] an der "[X.]" (im Folgenden: [X.]) und an der "[X.] 4 GmbH & Co. KG" (im Folgenden: [X.]). Gegenstand der beiden Fonds war die Finanzierung und Vermarktung von Filmproduktionen.

3

Die Verkaufsprospekte beider Fonds enthielten Angaben zu Provisionen und vergleichbaren Vergütungen, die nicht in die Filmproduktion fließen sollten. Im Prospekt zu [X.] wurden Kosten für die Eigenkapitalvermittlung in Höhe von 8,9 % des [X.] ausgewiesen. Der Prospekt zu [X.] führte Kosten für die Eigenkapitalvermittlung in Höhe von 4,9 % des [X.], eine Platzierungsgarantiegebühr und eine Finanzvermittlungsgebühr in Höhe von jeweils 2 % des [X.] auf. Als Empfängerin dieser Vergütungen und des [X.] wurde in beiden [X.] die "VIP Beratung für Banken AG" benannt.

4

Tatsächlich leitete die "VIP Beratung für Banken AG" beim [X.] Fonds 8,25 % und beim [X.] Fonds zwischen 8,45 % und 8,72 % der von ihr vereinnahmten Provisionen an die Beschwerdeführerin als anlegerberatende Bank weiter, ohne dass dies dem Ehemann der Klägerin offengelegt wurde.

5

Im Ausgangsverfahren nahm die Klägerin aus abgetretenem Recht die Beschwerdeführerin im Wege des Schadensersatzes auf Rückabwicklung der Beteiligungen und des für die Finanzierung der Beteiligung an dem [X.] Fonds aufgenommenen Darlehens in Anspruch. Sie stützte den Schadensersatzanspruch unter anderem darauf, dass die Beschwerdeführerin ihren Ehemann - entgegen der Rechtsprechung des [X.] - nicht über die an sie geflossenen Rückvergütungen aufgeklärt und damit einen bei der Anlageberatung bestehenden Interessenkonflikt nicht offengelegt habe.

6

Das Landgericht wies die Klage ab. Das [X.] verurteilte die Beschwerdeführerin hingegen im Wesentlichen antragsgemäß. Die Beschwerdeführerin habe den Ehemann der Klägerin pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass ihr im Zusammenhang mit dem Vertrieb der beiden Fonds Rückvergütungen in Höhe von 8,25 % ([X.]) und 8,45 % bis 8,72 % ([X.]) gewährt worden seien. Es reiche nicht aus, in den [X.] anzugeben, dass das [X.] und ein weiterer Teil des [X.] für die Eigenkapitalvermittlung verwendet werde, weil sich daraus nicht ergebe, dass und in welcher Höhe gerade die Beschwerdeführerin als beratende Bank an dieser Vergütung partizipiere. Diese [X.] sei auch kausal für die Anlageentscheidung geworden. Stehe die [X.] - wie hier - fest, streite für den Anleger eine entsprechende Vermutung und der Aufklärungspflichtige müsse beweisen, dass der Anleger die Anlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte. Die Beschwerdeführerin habe aber nichts Substantielles dazu vorgetragen, ob und warum der Ehemann der Klägerin die Anlage auch bei richtiger Aufklärung erworben hätte.

7

Die vom [X.] gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zugelassene Revision der Beschwerdeführerin wies der [X.] nach entsprechendem Hinweis (veröffentlicht in [X.], [X.] ff.) im [X.] nach § 552a ZPO zurück (veröffentlicht in [X.], [X.] 1506 ff.). Ein Zulassungsgrund liege nicht vor. Da das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des [X.] zu Recht angenommen habe, dass die Beschwerdeführerin den Ehemann der Klägerin über die an sie geflossenen Rückvergütungen hätte aufklären müssen, habe die Revision auch keine Aussicht auf Erfolg. Die dagegen erhobene Anhörungsrüge der Beschwerdeführerin blieb ohne Erfolg (veröffentlicht in [X.], [X.] 1804).

II.

8

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte aus Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG und macht geltend:

9

1. Die angegriffenen Entscheidungen verletzten sie in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die ihr vom [X.] auferlegte Aufklärungspflicht über die von ihr vereinnahmten Provisionen beschränke ihre Berufsausübung. Dieser Eingriff sei nicht zu rechtfertigen, weil er gegen den rechtstaatlich gebotenen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoße (Art. 20 Abs. 3 GG).

2. Der [X.] differenziere zudem in seiner Rechtsprechung ohne sachlichen Grund und deshalb gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßend zwischen [X.] und Rückvergütungen. Während nach seiner Rechtsprechung über [X.] ungefragt erst bei dem Überschreiten eines Schwellenwertes von 15 % der [X.] aufgeklärt werden müsse, sei die beratende Bank bei Rückvergütungen stets - unabhängig von deren Höhe - zur Offenlegung verpflichtet. Eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ergebe sich weiter daraus, dass die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nach der Rechtsprechung des [X.] nur für beratende Banken gelte und nicht für freie, nicht bankgebundene Anlageberater. Zudem gehe der [X.]. Zivilsenat des [X.] in den angegriffenen Entscheidungen hinsichtlich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden von einer vollständigen Beweislastumkehr zugunsten des Anlegers aus. Dies stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des [X.], der dem Anleger hinsichtlich der Kausalität nur eine Beweiserleichterung zubillige und es dem Anlageberater damit ermögliche, diese Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens "zu entkräften", was offensichtlich weniger voraussetze als den vollen Gegenbeweis. Für diese Ungleichbehandlung fehle ebenfalls eine sachliche Rechtfertigung.

3. Der [X.] habe ihr Recht auf [X.] (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) verletzt, indem er es unterlassen habe, im Wege der Anrufung des [X.]s für Zivilsachen (§ 132 Abs. 2 GVG) die sachlich nicht gerechtfertigten Unterschiede in der Rechtsprechung des III. und des [X.]. Zivilsenats zur Aufklärungspflichtigkeit der Rückvergütungen und zu den [X.] hinsichtlich der Kausalität auszuräumen.

4. Schließlich sei sie in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG). Wäre - wie von ihr vorgetragen - zur Kenntnis genommen worden, dass nicht sie, sondern der klagende Anleger die Grundlage der Vermutung darzulegen und zu beweisen habe, dass es keine vernünftige [X.] gegeben habe, wäre die Klage wegen Beweisfälligkeit abzuweisen gewesen. Zudem habe das [X.] ihre [X.] zur fehlenden Kausalität der unterbliebenen Aufklärung über die Rückvergütungen verfahrensfehlerhaft als unsubstantiiert gewertet und damit gehörswidrig übergangen. Soweit der [X.] feststelle, dass die an sie - die Beschwerdeführerin - gezahlten Provisionen bei [X.] zum Teil aus dem [X.] geflossen seien, widerspreche dies ihrem Vortrag. Die in den angegriffenen Entscheidungen des [X.] getroffene Abgrenzung zwischen [X.] und Rückvergütungen lasse eine von ihr - der Beschwerdeführerin - in Bezug genommene kritische Anmerkung in einer Zeitschrift unberücksichtigt und verletze damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Darüber hinaus habe das [X.] zur Frage der Rechtzeitigkeit der [X.], die zwischen den Parteien streitig gewesen sei, beweisbewehrten Vortrag übergangen. Schließlich habe ihr der [X.] eine mündliche Verhandlung vorenthalten, indem er zu Unrecht die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 552a ZPO für gegeben erachtet habe, und damit ebenfalls ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

III.

Die [X.]beschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a [X.]). Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b [X.]), weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>). Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffenen Entscheidungen gegen die als verletzt gerügten verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerin verstoßen könnten, sind auf Grundlage des Vorbringens der [X.]beschwerde nicht ersichtlich.

1. Die Beschwerdeführerin ist - auch eingedenk des rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes - nicht in ihrer Berufsausübungsfreiheit verletzt (Art. 12 Abs. 1 GG).

a) Die mit dem Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2006 ([X.] ZR 56/05, [X.], 226 ff.) begründete Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht einer beratenden Bank über an sie verdeckt fließende Rückvergütungen enthält keine Rechtsprechungsänderung, die unter dem Gesichtspunkt rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) bedenklich sein könnte. Es gab zuvor keine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung. Mit diesem Urteil hat der [X.] vielmehr eine bereits angelegte Rechtsprechungslinie fortgeführt. Er verweist in einer der angegriffenen Entscheidungen in diesem Zusammenhang auf seinen Beschluss vom 29. Juni 2010, in dem er bereits nachvollziehbar dargelegt hat, dass es sich insoweit um keine Änderung seiner Rechtsprechung handele ([X.] ZR 308/09, [X.], [X.] 1694 f.). Schon in den Jahren 1989 und 1990 hat der [X.] in zwei Entscheidungen bei [X.] verheimlichte Kick-Back-Vereinbarungen zwischen Anlagevermittler und Broker zu Lasten des Anlegers missbilligt, den Vermittler zur Herausgabe der Rückvergütungen an den Anleger für verpflichtet gehalten und dem Berufungsgericht aufgegeben, Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit § 263 StGB zu prüfen (Urteile vom 28. Februar 1989 - [X.] ZR 70/88 -, [X.], [X.] 1047 <1050 f.> und vom 6. Februar 1990 - [X.] ZR 184/88 -, [X.], [X.] 462 <464>). Mit Urteil vom 19. Dezember 2000 ([X.] ZR 349/99, [X.], 235 ff.) hat der [X.] entschieden, dass eine Bank gegenüber ihrem Kunden offenzulegen hat, wenn sie mit dessen Vermögensverwalter vereinbart, diesen an den von ihr vereinnahmten Provisionen und Depotgebühren des Kunden zu beteiligen. Dies wurde ausdrücklich damit begründet, dass durch eine solche Gebührenteilungsvereinbarung für den Vermögensverwalter ein Anreiz geschaffen werde, nicht allein das Interesse des Kunden, sondern auch das eigene Interesse an einer möglichst hohen Vergütung zu berücksichtigen. Über diese von ihr geschaffene Gefährdung des Kundeninteresses habe die Bank ihren Kunden aufzuklären (vgl. [X.], 235 <239>).

b) Soweit die [X.]beschwerde beanstandet, dass der [X.] in seinen nachfolgenden Entscheidungen die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen abweichend von seinen im Grundsatzurteil vom 19. Dezember 2006 aufgestellten Maßstäben nachträglich erweitert habe, ist dies unter dem Gesichtpunkt des Vertrauensschutzes bereits deshalb unerheblich, weil die Beschwerdeführerin für die hier in Rede stehenden Anlageberatungen in den Jahren 2003 und 2004 kein Vertrauen in den Fortbestand eines erst im [X.] ergangenen Urteils gesetzt haben kann.

2. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen die Beschwerdeführerin auch nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Soweit der [X.] die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen unabhängig vom Erreichen eines bestimmten Prozentsatzes der [X.] für gegeben erachtet, ist das durch den Zweck der Aufklärungspflicht sachlich gerechtfertigt, einer Fehlvorstellung des Anlegers über die Neutralität der Beratungsleistung zu begegnen. Die zur Rechtslage vor dem 1. Juli 2005 vertretene Auffassung des [X.], im Prospekt eines Fonds seien Angaben zu [X.] erst bei Überschreiten einer Schwelle von 15 % des [X.] geschuldet (vgl. [X.], 110 <118 ff.>), verfolgte ersichtlich den - abweichenden - Zweck, Fehlvorstellungen des Anlegers über die Werthaltigkeit und Rentabilität der Anlage zu begegnen (zur Rechtslage ab dem 1. Juli 2005 vgl. § 8g [X.] in Verbindung mit § 4 Satz 1 Nr. 12 Vermögensanlagen-VerkaufsprospektVO: "Der Verkaufsprospekt muss über die Vermögensanlagen angeben: [...] in welcher Gesamthöhe Provisionen, insbesondere Vermittlungsprovisionen oder vergleichbare Vergütungen, geleistet werden.").

b) Die vom [X.] bei Rückvergütungen hinsichtlich der [X.] der Anleger zwischen der Beratung durch eine Bank und durch einen freien, nicht an eine Bank gebundenen Anlageberater, der vom Kunden selbst keine Provisionen erhält, vorgenommene Differenzierung (vgl. [X.], Urteil vom 15. April 2010 - [X.]/09 -, [X.]Z 185, 185 <188 f.>; [X.], Urteil vom 3. März 2011 - [X.]/10 -, [X.], [X.] 640 <641> Rn. 13 ff.) ist in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der typischerweise unterschiedlichen Erwartungshaltung der Kunden zu rechtfertigen. Das Abstellen auf die typischerweise bestehende Erwartungshaltung eines Anlegers ist im Rahmen der Festlegung von Aufklärungspflichten folgerichtig, weil eine Aufklärung nach § 242 [X.] nur dann geschuldet ist, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben und den im Verkehr herrschenden Anschauungen redlicherweise Aufklärung erwarten darf (vgl. [X.], in: [X.], [X.], 70. Aufl. 2011, § 242 Rn. 37; in diesem Sinne auch [X.], Urteil vom 3. März 2011 - [X.]/10 -, [X.], [X.] 640 <641> Rn. 18).

c) Auch die Handhabung der [X.] zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden in den angegriffenen Entscheidungen ist von [X.] wegen nicht zu beanstanden. Die Auffassung, dass bereits die Verletzung der Aufklärungspflicht zu einer Beweislastumkehr führt, so dass der Aufklärungspflichtige - hier die Beschwerdeführerin - darlegen und beweisen muss, dass der Anleger die Kapitalanlage auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung erworben hätte, er also bei erteiltem Hinweis nicht anders entschieden hätte, entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. [X.], Urteil vom 16. November 1993 - [X.] ZR 214/92 -, [X.]Z 124, 151 <159 ff.>; [X.], Urteil vom 12. Mai 2009 - [X.] ZR 586/07 -, [X.], [X.] 1274 <1276> Rn. 22; [X.], Urteil vom 22. März 2010 - [X.]/08 -, [X.], [X.] 972 <973 f.> Rn. 17 und 23). Das Vorbringen der [X.]beschwerde, der [X.] habe in den angegriffenen Entscheidungen verdrängt, dass der [X.] des [X.] hinsichtlich der Rechtsfolgen der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens eine andere Meinung vertrete, vermag bereits deshalb keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen, weil die in diesem Zusammenhang angeführte Entscheidung (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 2006 - [X.] -, [X.], [X.] 668 <671>) zu dieser Frage keine tragenden Ausführungen enthält.

3. Die angegriffenen Entscheidungen des [X.] verletzen nicht die Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Voraussetzungen einer Vorlage an den [X.] für Zivilsachen gemäß § 132 Abs. 2 GVG, die das [X.] auf eine willkürfreie Handhabung zu überprüfen hat (vgl. [X.] 101, 331 <359 f.>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 17. Juli 2007 - 2 BvR 1255/07 -, [X.], [X.] 39), lagen nicht vor. Hinsichtlich der Aufklärungspflicht von Rückvergütungen besteht keine Divergenz in der Rechtsprechung des [X.]. Auch nach der Rechtsprechung des [X.] sind beratende Banken - wie die Beschwerdeführerin - verpflichtet, über Rückvergütungen aufzuklären (vgl. Urteile vom 15. April 2010 - [X.]/09 -, [X.]Z 185, 185 <187 f.> und vom 3. März 2011 - [X.]/10 -, [X.], [X.] 640 <641> Rn. 15). Soweit der [X.] im Urteil vom 9. Februar 2006 ([X.], [X.], [X.] 668 <671>) Zweifel geäußert hat, ob die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens zu einer Beweislastumkehr führt, sind diese von der [X.]beschwerde in Bezug genommen Ausführungen bereits deshalb nicht geeignet, eine Vorlagepflicht auszulösen, weil diese Rechtsfrage in jenem Urteil nicht tragend entschieden worden ist (vgl. [X.]K 2, 213 <220>).

4. Schließlich lässt sich dem Vorbringen der [X.]beschwerde auch nicht die Möglichkeit einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) entnehmen.

a) Dies gilt zunächst, soweit die Beschwerdeführerin die angebliche Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG damit begründet, dass ihr Vortrag zur Beweislastverteilung im Rahmen der Kausalitätsvermutung übergangen worden sei. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens greift nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dann  nicht ein, wenn eine pflichtgemäße Aufklärung beim Anleger einen [X.] ausgelöst hätte, weil es vernünftigerweise nicht nur eine, sondern mehrere Möglichkeiten aufklärungsrichtigen Verhaltens gab (vgl. [X.], Urteil vom 7. Mai 2002 - [X.] ZR 197/01 -, [X.]Z 151, 5 <12>; [X.], Urteil vom 13. Juli 2004 - [X.] ZR 178/03 -, [X.]Z 160, 58 <66>; [X.], Urteil vom 22. März 2010 - [X.]/08 -, [X.], [X.] 972 <974>). Das [X.] und der [X.] haben hier angenommen, dass die Darlegungs- und Beweislast für eine solche Ausnahme - genauso wie für die Widerlegung der Vermutung - die Beschwerdeführerin treffe, deren [X.] feststehe. Soweit die Beschwerdeführerin meint, sich hinsichtlich der Frage der Darlegungs- und Beweislast für den im Falle der pflichtgemäßen Anlageberatung ausgelösten [X.] des Anlegers auf abweichende, ihr günstige Rechtsprechung des [X.] bezogen zu haben, zeigt sie keine dahingehende Entscheidung auf.

b) Die [X.], das [X.] habe Vorbringen der [X.] als unsubstantiiert und als Vortrag "ins Blaue hinein" gewertet und damit [X.] gehörswidrig übergangen, genügt nicht den [X.] aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 [X.]. Die Beschwerdeführerin hat den Schriftsatz, in dem der angeblich übergangene Vortrag enthalten gewesen sein soll, nicht vorgelegt, so dass eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Annahme des [X.]s nicht möglich ist (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 28. Mai 1998 - 1 BvR 329/98 -, NJW 1998, [X.] 2663 <2664>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Sentas vom 14. Mai 1999 - 2 BvR 684/99 -, juris Rn. 5). Die Beschwerdeführerin hat auch nicht im Einzelnen vorgetragen, wofür genau Beweis angetreten gewesen sein soll.

c) Auf das als übergangen gerügte Vorbringen zur Quelle der Rückvergütungen kommt es nicht an, weil die Aufklärungspflicht nach den angegriffenen Entscheidungen unabhängig davon besteht, ob die Rückvergütungen aus dem [X.] oder - wie die Beschwerdeführerin geltend macht - aus anderen offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen geflossen sind. Auf angeblich übergangenem Vorbringen zur Rechtzeitigkeit der [X.] für den Fonds [X.] können die Entscheidungen nicht beruhen; diese Frage spielt für die selbständig tragende [X.] der [X.] über Rückvergütungen keine Rolle. Soweit die [X.]beschwerde rügt, eine von der Revision in Bezug genommene kritische Anmerkung im Schrifttum sei nicht zur Kenntnis genommen worden, geht sie daran vorbei, dass der [X.] sich damit im Beschluss über die Zurückweisung der Anhörungsrüge ausdrücklich auseinandergesetzt hat.

d) Der [X.] hat den Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör auch nicht dadurch verletzt, dass er ihr durch die Zurückweisung der Revision im [X.] nach § 552a ZPO eine mündliche Verhandlung "vorenthalten" hat. Dass sich aus Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich kein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung ergibt (vgl. [X.] 36, 85 <87>; 89, 381 <391>) und sich der Gesetzgeber bei der Regelung des § 552a ZPO zulässigerweise dazu entschlossen hat, rechtliches Gehör in schriftlicher Form zu gewähren (vgl. § 552a Satz 2 i.V.m. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO), hat das [X.] bereits entschieden (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 17. März 2005 - 1 BvR 308/05 -, NJW 2005, [X.] 1485 <1486>). Diese schriftliche Anhörung hat im Ausgangsverfahren auch stattgefunden. Soweit die Beschwerdeführerin einen Gehörsverstoß daraus ableiten will, dass der [X.] zu Unrecht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Entscheidung im [X.] für gegeben erachtet habe, legt sie nicht hinreichend dar, dass die Entscheidung auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruht. Sie zeigt nicht auf, was sie im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem [X.] in revisionsrechtlich zulässiger Weise (vgl. § 559 Abs. 1 ZPO) noch weiter vorgetragen hätte (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 23. Februar 2010 - 1 BvR 2736/08 -, NVwZ 2010, [X.] 512 <516> Rn. 57).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2514/11

08.12.2011

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 3. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 19. Juli 2011, Az: XI ZR 191/10, Beschluss

Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 3 Abs 1 GG, § 280 BGB, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 132 Abs 2 GVG, § 522 Abs 2 S 2 ZPO, § 552a S 1 ZPO, § 552a S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 08.12.2011, Az. 1 BvR 2514/11 (REWIS RS 2011, 637)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 637


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2514/11

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2514/11, 08.12.2011.


Az. XI ZR 191/10

Bundesgerichtshof, XI ZR 191/10, 24.08.2011.

Bundesgerichtshof, XI ZR 191/10, 19.07.2011.

Bundesgerichtshof, XI ZR 191/10, 09.03.2011.


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