Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2022, Az. III ZR 270/20

3. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 514

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Gegenstand

Haftung eines Automobilherstellers in einem sog. Dieselfall: Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung bei Ausstattung eines Fahrzeugs mit einem Thermofenster


Leitsatz

Zur Haftung eines Automobilherstellers nach § 826 BGB in einem sogenannten Dieselfall.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 14. September 2020 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb von der Beklagten im August 2013 ein gebrauchtes, von ihr hergestelltes Fahrzeug, das mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgestattet ist und keinem Rückruf durch das [X.] ([X.]) unterliegt. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 des [X.] und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen ([X.] und [X.]) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (im Folgenden: VO [[X.]] Nr. 715/2007) mit der Schadstoffklasse [X.] erteilt.

3

Die Abgasreinigung erfolgt über die Abgasrückführung ([X.]), bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des [X.] geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Aufgrund einer temperaturabhängigen Steuerung des [X.] ("[X.]") wird die Abgasrückführung bei geringeren Außentemperaturen zurückgefahren.

4

Der Kläger macht geltend, die Beklagte habe das [X.] in Form einer verbotenen Abschaltvorrichtung exakt auf die Prüfbedingungen im [X.] (NEFZ) abgestimmt und so im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens unter Vorspiegelung der Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte die [X.]-Übereinstimmungsbescheinigung und die damit einhergehende Betriebserlaubnis erlangt.

5

Das [X.] hat die auf Zahlung von 28.847,70 € (Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung) nebst Delikts- und Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des [X.] ist unbegründet.

I.

7

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 826 BGB, weil diese ihm nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt habe. Der Senat teile die Bedenken der [X.] hinsichtlich der mangelnden beziehungsweise nicht ausreichend konkreten Darlegung einer unzulässigen Abschalteinrichtung durch den Kläger. Der Vortrag, das in dem Fahrzeug vorhandene [X.] sei exakt auf die Prüfbedingungen im [X.] abgestimmt, erfolge ersichtlich ohne nähere Angaben zur Funktions- und Wirkweise des Abgasrückführungssystems ins Blaue hinein. Die Anforderungen an einen schlüssigen Klägervortrag im Rahmen der deliktischen Haftung zur Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung seien hier nicht erfüllt. Dies könne jedoch vorliegend dahinstehen. Unabhängig von der Frage, ob vorliegend die Implementierung des [X.]s in tatsächlicher Hinsicht objektiv mit den einschlägigen (unions-)rechtlichen Vorschriften vereinbar sei, stelle sich das Inverkehrbringen eines derart konzipierten Fahrzeugs subjektiv jedenfalls nicht als sittenwidrige Handlung der [X.] dar.

9

Bei einer die Abgasreinigung (Abgasrückführung und Abgasnachbehandlung) beeinflussenden [X.]teuerungssoftware wie dem hier in Rede stehenden [X.], die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeite wie auf dem Prüfstand und bei der Gesichtspunkte des Motor- oder Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft erwogen werden könnten, könne bei Fehlen jedweder konkreter Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden beziehungsweise Verantwortlichen bei der [X.] in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Solche Anhaltspunkte seien weder konkret vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Allein der Umstand, dass andere mit einem Motor aus der Serie [X.] ausgestattete Fahrzeuge von einer Rückrufaktion des [X.] betroffen seien, sei hierfür nicht ausreichend. Dass auf Seiten der [X.] die Erkenntnis eines möglichen Gesetzesverstoßes zumindest in Form eines billigenden Inkaufnehmens desselben vorhanden gewesen sei, sei von dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Kläger weder dargetan noch aus den Gesamtumständen ersichtlich. Die europarechtliche Gesetzeslage sei nicht eindeutig. Eine Auslegung, wonach ein [X.] eine zulässige Abschalteinrichtung darstelle, sei jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes könne aber nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden.

Vor dem Hintergrund des fehlenden sittenwidrigen, täuschenden Verhaltens der [X.] bleibe auch kein Raum für eine deliktische Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Verantwortlichen mit dem Vorsatz gehandelt hätten, den Kläger über eine Eigenschaft des Fahrzeugs zu täuschen und ihm dadurch einen Vermögensschaden zuzufügen. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB [X.]. Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 [X.] ([X.]) Nr. 715/2007 beziehungsweise [X.]. §§ 6, 27 [X.]-FGV lasse sich kein Schadensersatzanspruch des [X.] herleiten, weil ein Schutzgesetzcharakter dieser Vorschriften zu verneinen sei. Schließlich seien die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 831 BGB nicht gegeben, weil der Vortrag des [X.] nicht ausreiche, die Verwirklichung der objektiven und subjektiven Tatseite einer deliktsrechtlichen Norm durch Mitarbeiter der [X.] zu belegen.

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des [X.] aus § 826 BGB zu Recht verneint. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zugefügt.

Ob ein Verhalten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des [X.] unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 23. September 2021 - [X.]/20, [X.], 2153 Rn. 16 und vom 13. Januar 2022 - [X.]/20, juris Rn. 17; [X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - [X.] 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 14; Beschluss vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, [X.], 652 Rn. 14).

a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Ausstattung des Fahrzeugs mit einem [X.] keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des [X.] darstellt.

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des [X.] reicht allein der Umstand, dass die Abgasrückführung durch eine temperaturabhängige Steuerung des [X.] bei bestimmten Außentemperaturen reduziert (und möglicherweise ganz abgeschaltet) wird, nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein [X.] Gepräge zu geben. Dabei kann zugunsten des [X.] in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] ([X.]) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wäre der darin liegende - revisionsrechtlich zu unterstellende - Gesetzesverstoß aber für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz des [X.]s eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinnen erstrebt hat. Bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des [X.]s das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2021 aaO Rn. 22 und vom 13. Januar 2022 aaO Rn. 22; Senatsbeschluss vom 25. November 2021 - [X.]/20, juris Rn. 14; [X.], Urteil vom 20. Juli 2021 - [X.] 1154/20, [X.], 2105 Rn. 13; vom 16. September 2021 - [X.]/20, [X.], 2108 Rn. 16; [X.]. [X.]). Das Berufungsgericht hat ein solches Vorstellungsbild und Verhalten dieser Personen nicht festzustellen vermocht. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. [X.], Urteil vom 16. September aaO Rn. 30; Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 28). So liegt der Fall auch hier.

(1) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die temperaturabhängige Steuerung des [X.] im Fahrzeug des [X.] im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb. Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich um kein "System der Prüfstanderkennung und des Betriebs des Fahrzeugs in zwei verschiedenen Modi" (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 19). Der Kläger selbst hat nach den - für das Revisionsverfahren bindenden (§§ 314, 559 ZPO) - tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Wirkungsweise des [X.]s vorgetragen, dass die Abgasrückführung bei einstelligen Außentemperaturen und "in manchen Fällen sogar" bei Temperaturen unter 17°C reduziert werde beziehungsweise die Abgasreinigung bei Temperaturen über 33°C nicht mehr voll funktionsfähig sei. Im Übrigen führt auch nach dem von der Revision in Bezug genommenen Klägervortrag in der Berufungsbegründung das [X.] nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der [X.] gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird. In dem dort auszugsweise wiedergegebenen Urteil des [X.] vom 9. Mai 2018 (23 O 220/18, juris) zu einem - so der Kläger - "vergleichbaren Sachverhalt" wird die Wirkungsweise des [X.]s gleichermaßen (nur) dahingehend beschrieben, dass die Abgasrückführung temperaturabhängig zurückgefahren wird.

(2) Zutreffend hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass eine zweifelhafte Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit des [X.]s bestand (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2022 aaO Rn. 24; Senatsbeschluss vom 25. November 2021 aaO Rn. 15; [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 31). Aus dem im Berufungsurteil zitierten Bericht der vom [X.] und digitale Infrastruktur eingesetzten Untersuchungskommission "[X.]" vom April 2016 ergibt sich, dass in dem hier fraglichen Zeitraum [X.] von allen Autoherstellern verwendet und mit dem Erfordernis des [X.] begründet wurden. Nach Einschätzung der Untersuchungskommission handelt es sich bei der Verwendung eines [X.]s angesichts der Unschärfe der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. [X.] ([X.]) Nr. 715/2007, wonach zum Schutz des [X.] vor Beschädigungen und zur Gewährleistung eines sicheren Fahrzeugbetriebs notwendige Abschalteinrichtungen zulässig sind, um keine eindeutigen Gesetzesverstöße, sofern ohne die Verwendung des [X.]s dem Motor Schaden drohe und "sei dieser auch noch so klein" (vgl. [X.], Bericht der Untersuchungskommission [X.], Stand April 2016, [X.]). Zutreffend verweist das Berufungsgericht zudem auf die breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit und den erheblichen Aufwand, mit dem die Unzulässigkeit des [X.]s begründet wird. Zwischenzeitlich hat sich der [X.] auf Vorlage eines [X.] Gerichts mit der bis dahin ungeklärten Auslegung der genannten Vorschrift befassen müssen (vgl. [X.], [X.], 1216).

bb) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die für die Beklagte handelnden Personen gleichwohl das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Revision zeigt weder vom Berufungsgericht festgestellten noch von diesem übergangenen entscheidungserheblichen Sachvortrag des insoweit darlegungsbelasteten [X.] auf, dem solche Anhaltspunkte zu entnehmen sind.

(1) [X.], das Berufungsgericht habe den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es die Substantiierungsanforderungen überspannt und den vom Kläger angebotenen [X.] zum Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines [X.]s nicht erhoben habe, geht insofern bereits am Inhalt des angefochtenen Urteils vorbei, als das Berufungsgericht das grundsätzliche Vorhandensein eines [X.]s als unstreitig erachtet und dessen objektive Unzulässigkeit unterstellt hat. [X.] Vortrag des [X.] hat es damit gerade nicht mangels hinreichender Substantiierung für unbeachtlich, sondern zu Recht nicht für beweisbedürftig gehalten.

(2) Soweit der Kläger behauptet hat, der Temperaturbereich des [X.]s sei auf die Bedingungen auf dem Prüfstand "exakt" zugeschnitten, kann dahinstehen, ob dies einen Anhaltspunkt dafür darstellen könnte, dass den für die Beklagte handelnden Personen ein darauf gründender Gesetzesverstoß bewusst gewesen ist. Das Berufungsgericht hat dieses Vorbringen zutreffend als prozessual unbeachtlich angesehen. Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger zur Wirkungsweise des [X.]s vorgetragen, dass die Abgasrückführung bei einstelligen Außentemperaturen und "in manchen Fällen sogar" bei Temperaturen unter 17°C reduziert werde und die Abgasreinigung bei Temperaturen über 33°C nicht mehr voll funktionsfähig sei. Auf diese Darstellung nimmt die Revision selbst Bezug. Von einer Abschalteinrichtung, die "exakt" auf die Prüfbedingungen im [X.] abgestimmt ist, kann damit schon nach dem eigenen Vorbringen des [X.], demzufolge die Temperatur des [X.] während der gesamten Prüfung zwischen 20°C und 30°C betragen soll, ersichtlich keine Rede sein (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 24).

(3) Auch aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des [X.]s gegenüber dem [X.] folgen keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein agierten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Revision greift die Feststellung, dass alle Autohersteller [X.] einsetzen, nicht an. Selbst wenn die Beklagte erforderliche Angaben zu den Einzelheiten der temperaturabhängigen Steuerung unterlassen haben sollte, folgt daraus nichts für den (bedingten) Vorsatz der [X.]. Denn sie musste davon ausgehen, dass das [X.] im Falle unvollständiger Angaben nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG eine Ergänzung verlangen würde, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit des [X.]s in dem betreffenden Fahrzeug zu prüfen (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 26 [X.]).

b) Zu weiteren Abschalteinrichtungen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit die Revision geltend macht, das Fahrzeug enthalte neben dem [X.] weitere unzulässige Abschalteinrichtungen, etwa in Form einer Steuerungssoftware, die dazu führe, dass das Fahrzeug das Durchfahren des [X.] auf dem Prüfstand erkenne und abhängig davon die Abgasaufbereitung regele, hat sie keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhoben. Die Revisionsbegründung enthält nur die Behauptung, bei einer - hier aus den oben genannten Gründen vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei unterlassenen - Einholung des angebotenen [X.]es zum Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines [X.]s wären auch diese Abschalteinrichtungen festgestellt worden. Der Erhebung einer entsprechenden Verfahrensrüge steht zudem die - für das Revisionsverfahren bindende (§§ 314, 559 ZPO) - tatbestandliche Feststellung des Berufungsgerichts entgegen, dass sich die Berufung des [X.] ausschließlich mit dem Vorwurf des Einbaus eines unzulässigen [X.]s befasst hat (vgl. [X.], Urteile vom 20. Juli 2021 - [X.] 1154/20, [X.], 2105 Rn. 18 und vom 16. September 2021 aaO Rn. 27 [X.]).

2. Die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche ergeben sich auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund.

a) Einen Anspruch aus §§ 826, 831 BGB hat das Berufungsgericht zutreffend verneint, weil die für die Beklagte tätigen Personen dem Kläger aus den vorstehenden Gründen nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zugefügt haben (vgl. [X.], Urteil vom 8. März 2021 - [X.] 505/19, [X.], 799 Rn. 35).

b) Eine Haftung der [X.] aus § 823 Abs. 2 BGB [X.]. § 263 StGB scheitert bei dem hier vorliegenden Kauf eines Gebrauchtwagens schon an der erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden (vgl. [X.], Urteil vom 30. Juli 2020 - [X.] 5/20, [X.], 1715 Rn. 17 ff).

c) Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB [X.]. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV oder Normen der [X.] ([X.]) Nr. 715/2007.

aa) Der Kläger macht als verletztes Schutzgut sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht und damit den Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrags geltend. Diese Interessen werden vom Schutzzweck der in Rede stehenden Normen nicht erfasst (vgl. [X.], Urteile vom 25. Mai 2020 aaO Rn. 72 ff; vom 30. Juli 2020 aaO Rn. 10 ff und vom 16. September 2021 aaO Rn. 36 [X.]; siehe auch Senatsbeschluss vom 3. Februar 2022 - [X.]/21, zur [X.] bestimmt).

bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist hierzu eine Vorlage an den [X.] gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV entbehrlich. Die Richtigkeit der [X.] steht zur Überzeugung des Senats mit der nach der acte-clair-Doktrin erforderlichen Gewissheit (vgl. hierzu z.B. Senatsurteil vom 17. April 2014 - [X.]/13, [X.]Z 201, 11 Rn. 29 [X.]; [X.], NJW 1983, 1257, 1258; [X.], 111 Rn. 38 ff) fest. Der Senat nimmt Bezug auf die Urteile des [X.]. Zivilsenats vom 25. Mai 2020 (aaO Rn. 77) und vom 30. Juli 2020 (aaO Rn. 16) sowie auf den Beschluss des [X.]I. Zivilsenats vom 12. Januar 2022 ([X.]I ZR 438/21, juris Rn. 1 ff). Er macht sich die dortigen Ausführungen zu eigen (siehe auch Senatsbeschluss vom 3. Februar 2022 aaO).

Herrmann     

      

Arend     

      

Böttcher

      

Herr     

      

Liepin     

      

Meta

III ZR 270/20

24.03.2022

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 20. Mai 2021, Az: III ZR 270/20, Beschluss

§ 31 BGB, § 826 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 S 1 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 S 2 Buchst a EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2022, Az. III ZR 270/20 (REWIS RS 2022, 514)

Papier­fundstellen: WM 2022, 986 REWIS RS 2022, 514 MDR 2022, 760-761 REWIS RS 2022, 514

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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