Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2022, Az. III ZR 263/20

3. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 520

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Gegenstand

Verjährung kaufrechtlicher Gewährleistungsansprüche in einem sog. Dieselfall


Leitsatz

Zur Verjährung von kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche in einem sogenannten Dieselfall.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 14. September 2020, berichtigt durch Beschluss vom 28. Oktober 2020, im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] gegen die Abweisung seiner Klageanträge zu 1, 3 und 4 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger erwarb im Januar 2016 von der Beklagten ein von dieser hergestelltes gebrauchtes Fahrzeug. Das von den Parteien zum Abschluss des Kaufvertrags verwendete Bestellformular enthält folgende Klausel:

"Bei Vorführ- und Geschäftsfahrzeugen beginnt der Lauf der Verjährungsfrist für Sachmängel - in Abänderung der in Ziffer [X.] der Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen enthaltenen Regelung - mit der Erstzulassung lt. Eintrag im Fahrzeugbrief. In jedem Fall bleibt aber eine Verjährungsfrist von einem Jahr erhalten."

2

Das laut Eintrag im Fahrzeugbrief am 7. Mai 2015 erstmals zugelassene Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs [X.] ausgestattet und unterliegt einem noch nicht bestandskräftigen Rückruf durch das [X.] ([X.]). Für den Fahrzeugtyp wurde eine Typgenehmigung nach der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 des [X.] und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen ([X.] und [X.]) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (im Folgenden: VO [[X.]] Nr. 715/2007) erteilt.

3

Die Abgasreinigung erfolgt über die Abgasrückführung ([X.]), bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des [X.] geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Aufgrund einer temperaturabhängigen Steuerung des [X.] ("[X.]") wird die Abgasrückführung bei geringeren Außentemperaturen zurückgefahren.

4

Dem Kläger wurde das Fahrzeug am 14. Januar 2016 übergeben. Mit Schreiben vom 5. Januar 2018 rügte er die Verwendung des [X.]s als Mangel und forderte die Beklagte auf, einen Anspruch auf Nachlieferung eines mangelfreien Ersatzfahrzeugs anzuerkennen. Unter dem 12. Januar 2018 erklärte er unter Bezugnahme auf ein ablehnendes Antwortschreiben der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag.

5

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit dem [X.] ein deliktischer Schadensersatzanspruch zu. Bei dem [X.] handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, die die Beklagte gegenüber dem [X.] bewusst verschwiegen habe. Zudem erachtet der Kläger seinen Rücktritt vom Kaufvertrag für wirksam.

6

Das [X.] hat die auf Zahlung von 48.853,33 € (Kaufpreis abzgl. Nutzungsentschädigung) nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs (Klageantrag zu 1), Zahlung von [X.] (Klageantrag zu 2), Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 3) und Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Klageantrag zu 4) gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit Ausnahme der [X.] verfolgt der Kläger mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision sein Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

9

Der Kläger könne sich im Zusammenhang mit dem [X.] nicht auf ein deliktisches Verhalten der [X.] berufen. Zwar könne im Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, grundsätzlich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegen. Unabhängig von der Frage, ob die Implementierung des vom Kläger beschriebenen [X.]s in tatsächlicher Hinsicht objektiv mit den einschlägigen (unions-)rechtlichen Vorschriften vereinbar sei, stelle sich jedoch das Inverkehrbringen eines solchermaßen konzipierten Fahrzeugs subjektiv jedenfalls nicht als sittenwidrige Handlung der [X.] dar.

Bei einer die Abgasreinigung (Abgasrückführung und Abgasnachbehandlung) beeinflussenden [X.]teuerungssoftware wie dem hier in Rede stehenden [X.], die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeite wie auf dem Prüfstand und bei der Gesichtspunkte des Motor- oder Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft erwogen werden könnten, könne bei Fehlen jedweder konkreter Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden beziehungsweise Verantwortlichen bei der [X.] in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Solche Anhaltspunkte seien weder konkret vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Dass auf Seiten der [X.] die Erkenntnis eines möglichen Gesetzesverstoßes zumindest in Form eines billigenden Inkaufnehmens desselben vorhanden gewesen sei, sei vom Kläger weder dargetan noch aus den Gesamtumständen ersichtlich.

Die europarechtliche Gesetzeslage sei nicht eindeutig. Eine Auslegung, wonach ein [X.] eine zulässige Abschalteinrichtung darstelle, sei jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes könne aber nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden. Daran ändere auch die Rückrufaktion des [X.], von der das Fahrzeug des [X.] betroffen sei, nichts, da es für die Vertretbarkeit der Gesetzesauslegung auf die Umstände zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs ankomme.

Vor dem Hintergrund des fehlenden sittenwidrigen, täuschenden Verhaltens der [X.] bleibe auch kein Raum für eine deliktische Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB. Sofern die Beklagte nicht in dem Bewusstsein gehandelt habe, ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattetes Fahrzeug in den Verkehr zu bringen, fehle es auch an dem Nachweis einer willentlichen Täuschung des Käufers über das Nichtvorhandensein einer solchen Einrichtung. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 [X.] lasse sich kein Schadensersatzanspruch des [X.] herleiten, weil ein Schutzgesetzcharakter dieser Vorschriften beziehungsweise von Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 VO ([X.]) Nr. 715/2007 zu verneinen sei.

Soweit sich der Kläger in erster Instanz auf gewährleistungsrechtliche Ansprüche wegen eines Mangels infolge des in dem Fahrzeug installierten [X.]s berufen habe, seien solche Ansprüche jedenfalls verjährt. Die zweijährige Verjährungsfrist für die Haftung wegen Sachmängeln habe entsprechend der zwischen den Parteien im Kaufvertrag getroffenen Vereinbarung am Tag der "Erstzulassung lt. Eintrag im Fahrzeugbrief" (7. Mai 2015) begonnen. Sie sei weit vor der Aufforderung der [X.] zur Nacherfüllung im Januar 2018 abgelaufen gewesen. Eine Ausnahme von der Möglichkeit der Verkürzung der Verjährungsfrist sei nicht gegeben, weil die Anspruchsvoraussetzungen eines deliktischen Anspruchs beziehungsweise eines arglistigen Verhaltens der [X.] nicht gegeben seien.

II.

Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Entgegen der Auffassung der [X.] hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision nicht auf etwaige deliktische Ansprüche wegen der Funktion eines [X.]s beschränkt.

1. Allerdings kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung, die - wie hier - nicht schon in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthalten ist, auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], dass die Entscheidungsformel im Lichte der Urteilsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen des Urteils klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann(st. Rspr., zB Senatsurteile vom 27. Juni 2019 - [X.], NVwZ 2019, 1696 Rn. 7 mwN und vom 5. November 2020 - [X.], [X.] 2021, 50 Rn. 5).

2. Daran gemessen lässt sich den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils nicht mit der gebotenen Deutlichkeit entnehmen, dass das Berufungsgericht eine Prüfung seiner Entscheidung nur in einem beschränkten Umfang ermöglichen wollte. Es hat die Zulassung der Revision damit begründet, dass die Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein [X.] eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, ebenso wie die Frage einer Haftung der [X.] gemäß § 826 BGB grundsätzliche Bedeutung habe. Dieser Begründung lässt sich nicht entnehmen, dass die Revisionszulassung, wie grundsätzlich möglich (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Januar 2021 - [X.], juris Rn. 7 ff), auf deliktische Ansprüche beschränkt werden sollte. Die Frage, ob es sich bei dem [X.] um eine gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO ([X.]) Nr. 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung handelt, stellt sich auch für kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche (vgl. [X.], Urteil vom 8. Dezember 2021 - [X.], [X.], 330 Rn. 37 ff, 60). Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es unbeachtlich, dass das Berufungsgericht solche Ansprüche als jedenfalls verjährt angesehen hat, so dass es insoweit auf die Zulässigkeit des [X.]s nicht ankam. Denn mit Blick auf deliktsrechtliche Ansprüche hat es die Zulässigkeit des [X.]s gleichermaßen offengelassen.

III.

Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings einen Schadensersatzanspruch des [X.] gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB verneint. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zugefügt.

Ob ein Verhalten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des [X.] unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 23. September 2021 - [X.]/20, [X.], 2153 Rn. 16 und vom 13. Januar 2022 - [X.]/20, juris Rn. 17; [X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - [X.] 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 14; Beschluss vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, [X.], 652 Rn. 14).

a) Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des [X.] reicht allein der Umstand, dass die Abgasrückführung durch eine temperaturabhängige Steuerung des [X.] bei bestimmten Außentemperaturen reduziert (und möglicherweise ganz abgeschaltet) wird, nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein [X.] Gepräge zu geben. Dabei kann zugunsten des [X.] in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO ([X.]) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wäre der darin liegende - revisionsrechtlich zu unterstellende - Gesetzesverstoß aber für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz des [X.]s eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinnen erstrebt hat. Bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des [X.]s in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2021 aaO Rn. 22 und vom 13. Januar 2022 aaO Rn. 22; Senatsbeschluss vom 25. November 2021 - [X.]/20, juris Rn. 14; [X.], Urteile vom 20. Juli 2021 - [X.] 1154/20, [X.], 2105 Rn. 13; vom 16. September 2021 - [X.]/20, [X.], 2108 Rn. 16; jew. mwN).

b) Das Berufungsgericht hat den hiernach bereits für den Vorwurf der Sittenwidrigkeit erforderlichen Vorsatz in Bezug auf die - vom erkennenden Senat wie vom Berufungsgericht unterstellte - Unzulässigkeit des von der [X.] verbauten [X.]s unter Würdigung der Gesamtumstände nicht festzustellen vermocht. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Bei einer Abschalteinrichtung, die - wie hier - im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 30; Beschluss vom 9. März 2021 aaO Rn. 28).

bb) Zu Recht hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass eine zweifelhafte Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit des [X.]s bestand (vgl. Senatsurteil vom 13. Januar 2022 aaO Rn. 24; Senatsbeschluss vom 25. November 2021 aaO Rn. 15; [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 31). Aus dem im Berufungsurteil zitierten Bericht der vom [X.] und digitale Infrastruktur eingesetzten Untersuchungskommission "[X.]" vom April 2016 ergibt sich, dass in dem hier fraglichen Zeitraum [X.] von allen Autoherstellern verwendet und mit dem Erfordernis des [X.] begründet wurden. Nach Einschätzung der Untersuchungskommission handelt es sich bei der Verwendung eines [X.]s angesichts der Unschärfe der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Buchst. [X.] ([X.]) Nr. 715/2007, wonach zum Schutz des [X.] vor Beschädigungen und zur Gewährleistung eines sicheren Fahrzeugbetriebs notwendige Abschalteinrichtungen zulässig sind, um keine eindeutigen Gesetzesverstöße, sofern ohne die Verwendung des [X.]s dem Motor Schaden drohe und "sei dieser auch noch so klein" (vgl. [X.], Bericht der Untersuchungskommission [X.], Stand April 2016, [X.]). Zutreffend verweist das Berufungsgericht zudem auf die breit geführte Diskussion um die Zulässigkeit und den erheblichen Aufwand, mit dem die Unzulässigkeit des [X.]s begründet wird. Zwischenzeitlich hat sich der [X.] auf Vorlage eines [X.] Gerichts mit der bis dahin ungeklärten Auslegung der genannten Vorschrift befassen müssen (vgl. [X.], NJW 2021, 1216).

cc) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gesehen, dass die für die Beklagte handelnden Personen gleichwohl das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Erfolglos rügt die Revision in diesem Zusammenhang, das Berufungsgericht habe den Vortrag des [X.] zu einer bewussten Täuschung der Behörden im [X.] durch Verheimlichung der Abschalteinrichtung unberücksichtigt gelassen.

(1) Soweit der Kläger vorträgt, die Beklagte habe im [X.] bewusst das [X.] nicht offengelegt und die Typgenehmigung somit erschlichen, handelt es sich um Behauptungen ohne die erforderliche Substanz für die Sittenwidrigkeit des Vorgehens der [X.]. Daraus lässt sich ein entsprechendes Vorstellungsbild der [X.] hinsichtlich der Unzulässigkeit des [X.]s nicht herleiten (vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 2021 aaO). Die Beklagte hat vorgetragen, dem [X.] mit dem Antrag auf Erteilung der Typgenehmigung mitgeteilt zu haben, dass die Abgasrückführungsrate abhängig von der Außentemperatur erfolge. Die Revision zeigt nicht auf, dass der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Kläger darauf substantiiert erwidert und für seine gegenteilige Behauptung Beweis angeboten hat.

(2) Auch aus einer etwaig unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des [X.]s gegenüber dem [X.] folgen keine Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein agierten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Revision greift die Feststellung, dass alle Autohersteller [X.] einsetzen, nicht an. Selbst wenn die Beklagte erforderliche Angaben zu den Einzelheiten der temperaturabhängigen Steuerung unterlassen haben sollte, folgt daraus nichts für ihren (bedingten) Vorsatz. Denn sie musste davon ausgehen, dass das [X.] im Falle unvollständiger Angaben nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG eine Ergänzung verlangen würde, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit des [X.]s in dem betreffenden Fahrzeug zu prüfen (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 26 mwN).

(3) Aus dem von der Revision zitierten Beschluss des [X.]. Zivilsenats vom 19. Januar 2021 ([X.] 433/19, [X.], 354) folgt nichts anderes. In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren hatte das Berufungsgericht Vorbringen übergangen, mit dem der dortige Kläger unter ausdrücklicher Bezugnahme auf einen von der [X.] in einem Parallelverfahren vorgelegten und ein nach seiner Behauptung vergleichbares Fahrzeug betreffenden Typgenehmigungsbogen geltend gemacht hatte, die Beklagte habe im [X.] in Bezug auf die Abgasrückführung lediglich angegeben, diese sei "kennfeldgesteuert" (vgl. [X.] aaO Rn. 23). Solchen Vortrag hat der Kläger im vorliegenden Verfahren nicht gehalten.

2. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht weiter an, dass Ansprüche des [X.] aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.] oder Art. 5 VO ([X.]) Nr. 715/2007 oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB, § 31 BGB wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit einem [X.] nicht bestehen (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2021 - [X.]/20, [X.], 2153 Rn. 14 und vom 28. Oktober 2021 - [X.], NJW-RR 2022, 243 Rn. 13; [X.], Urteile vom 23. März 2021 - [X.] 1180/20, [X.], 986 Rn. 19 und vom 16. September 2021 aaO Rn. 35 ff; Beschluss vom 9. März aaO Rn. 10). Dies zieht die Revision nicht in Zweifel.

3. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann jedoch ein Anspruch des [X.] auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 434 Abs. 1, § 440, § 323 Abs. 1, §§ 346, 348 BGB nicht verneint werden. Das Berufungsgericht hat einen solchen Anspruch in Erwägung gezogen, Feststellungen zu den materiellen Voraussetzungen aber nicht getroffen, weil es kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche - ihr Bestehen unterstellt - aufgrund der in den Kaufvertrag einbezogenen Klausel zur Verkürzung der Verjährungsfrist für verjährt erachtet hat. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme, dass der Rücktritt des [X.] vom Kaufvertrag jedenfalls gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist, weil der etwaige [X.] zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bereits verjährt gewesen ist.

a) Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend angenommen, dass es sich bei der Klausel im Kaufvertrag, wonach "der Lauf der Verjährungsfrist für Sachmängel" - bei einer Mindestverjährungsfrist von einem Jahr - bereits mit der Erstzulassung laut Eintrag im Fahrzeugbrief beginnt, um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der [X.] zur Verjährung ihrer Haftung wegen Sachmängeln handelt.

b) Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Klausel halte einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB stand.

aa) Das Berufungsgericht hat unterstellt, dass der Kläger den Kaufvertrag als Verbraucher geschlossen hat. Damit ist für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass die in § 309 BGB geregelten Klauselverbote (unmittelbar) Anwendung finden.

bb) Gemäß § 309 Nr. 7 Buchst. a und [X.] kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Verschuldenshaftung für Körper- und Gesundheitsschäden nicht, für sonstige Schäden nur für den Fall einfacher Fahrlässigkeit ausgeschlossen oder begrenzt werden. Eine Begrenzung der Haftung im Sinne dieser Vorschriften ist auch die zeitliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit entsprechender Schadensersatzansprüche durch Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfristen (vgl. [X.], Urteile vom 15. November 2006 - [X.]II ZR 3/06, [X.]Z 170, 31 Rn. 19 m. umfangr. [X.] und vom 29. Mai 2013 - [X.]II ZR 174/12, [X.], 1672 Rn. 15).

cc) Nach dem für das Revisionsverfahren maßgeblichen Sachverhalt verstößt die oben beschriebene Klausel zur Verjährungsfrist gegen diese Vorgaben. Sie führt hiernach dazu, dass der Beginn der Verjährung von sämtlichen Ansprüchen des Käufers wegen Sachmängeln bei gebrauchten Fahrzeugen abweichend von der gesetzlichen Regelung in § 438 Abs. 2 BGB, wonach die Verjährung mit Ablieferung des Fahrzeugs beginnt, vorgezogen und auf diese Weise die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB auf bis zu ein Jahr verkürzt wird. Dem steht nicht entgegen, dass sich die Klausel nach ihrem Wortlaut auf den "Lauf der Verjährungsfrist für Sachmängel" bezieht. Sie ist - zumindest gemäß § 305c Abs. 2 BGB - so auszulegen, dass damit die Verjährung von Ansprüchen wegen Sachmängeln nicht nur im engeren Sinne gemeint ist und die zeitliche Haftungsbegrenzung auch (Folge-)Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit erfasst (vgl. [X.], Urteil vom 29. Mai 2013 aaO Rn. 16 f). In diesem Sinne hat auch das Berufungsgericht die Klausel verstanden. Ihren Anwendungsbereich einschränkende Bestimmungen hat es nicht festgestellt.

c) Die verbotswidrige Begrenzung der Haftung für die in § 309 Nr. 7 Buchst. a und [X.] aufgeführten Fälle hat zur Folge, dass die Klausel insgesamt unwirksam ist. An ihre Stelle treten gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Regelungen zur Verjährung gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB. Eine geltungserhaltene Reduktion kommt nicht in Betracht (vgl. zB [X.], Urteil vom 15. November 2006 aaO Rn. 21 f).

d) Dem Kläger wurde das Fahrzeug am 14. Januar 2016 übergeben. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen, wann der [X.] das Rücktrittsschreiben des [X.] vom 12. Januar 2018 zugegangen ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies noch innerhalb der zweijährigen Verjährungsfrist für den [X.] geschehen ist.

IV.

Nach alldem ist das angefochtene Urteil im tenorierten Umfang aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat ist zu einer eigenen Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht in der Lage, weil der Rechtsstreit wegen der [X.] tatrichterlichen Feststellungen zum Rücktritt des [X.] vom Kaufvertrag nicht endentscheidungsreif ist.

[X.]     

        

Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. [X.] ist wegen Ortsabwesenheit
verhindert zu unterschreiben

        

Böttcher

                 

[X.]

                 
        

Herr     

        

     Liepin     

        

Meta

III ZR 263/20

24.03.2022

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 15. April 2021, Az: III ZR 263/20, Beschluss

§ 306 Abs 2 BGB, § 309 Nr 7 Buchst a BGB, § 309 Nr 7 Buchst b BGB, § 434 Abs 1 BGB, § 437 Nr 2 Alt 1 BGB, § 438 Abs 1 Nr 3 BGB, § 438 Abs 2 BGB, Art 3 Nr 10 EGV 715/2007, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007, § 6 EG-FGV, § 27 EG-FGV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.03.2022, Az. III ZR 263/20 (REWIS RS 2022, 520)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 520 WM 2022, 1074 REWIS RS 2022, 520 MDR 2022, 892-893 REWIS RS 2022, 520

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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