Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.06.2022, Az. III ZR 216/20

3. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 3069

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BEWEISKRAFT DES TATBESTANDS TATBESTANDSBERICHTIGUNGSANTRAG

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Gegenstand

Beweiskraft des Tabestands bei nachgelassenem Schriftsatz


Leitsatz

Zum Verhältnis von § 314 ZPO und § 283 ZPO.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 7. September 2020 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt den beklagten Fahrzeughersteller aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns, hilfsweise im Wege gewillkürter Prozessstandschaft, auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug sowie auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

2

Der Ehemann der Klägerin erwarb von der Beklagten im Juli 2015 ein gebrauchtes, von ihr hergestelltes Fahrzeug, das mit einem Dieselmotor der Baureihe [X.] ausgestattet ist. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 des [X.] und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen ([X.] und [X.]) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (im Folgenden: VO [[X.]] Nr. 715/2007) mit der Schadstoffklasse [X.] erteilt.

3

Die Abgasreinigung erfolgt in dem Fahrzeug über die Abgasrückführung ([X.]), bei der ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des [X.] geführt wird und dort erneut an der Verbrennung teilnimmt. Aufgrund einer temperaturabhängigen Steuerung des [X.] ("[X.]") wird die Abgasrückführung außerhalb eines bestimmten Temperaturbereichs zurückgefahren.

4

Die Klägerin macht geltend, die [X.]teuerungssoftware in dem Fahrzeug sei in unzulässiger Weise so konfiguriert und bedatet worden, dass ausschließlich der Prüfstandtest nach dem [X.] bestanden werde. Mit der Klage verlangt sie Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs die Zahlung von [X.] (Erstattung des Kaufpreises und angefallener Finanzierungskosten) nebst Zinsen, die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet, sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

5

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

I.

7

Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerin habe gegen die Beklagte weder vertragliche noch deliktische Ansprüche. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich insbesondere nicht aus § 826 BGB. Der Klägerin (richtig: dem Ehemann der Klägerin) sei von der [X.] nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich ein Schaden zugefügt worden. Das Verhalten der [X.], ein mit einem Motor ausgestattetes Fahrzeug, in dessen Steuerung ein [X.] installiert sei, in den Verkehr zu bringen, sei im vorliegenden Fall nicht als sittenwidrige Handlung einzustufen.

8

Bei einer die Abgasreinigung (Abgasrückführung und Abgasnachbehandlung) beeinflussenden Motorsteuerungssoftware wie dem hier in Rede stehenden [X.], die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeite wie auf dem Prüfstand und bei der Gesichtspunkte des Motor- oder Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft erwogen werden könnten, könne bei Fehlen jedweder konkreter Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden beziehungsweise Verantwortlichen bei der [X.] in dem Bewusstsein agiert hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Solche Anhaltspunkte seien weder konkret vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Dass auf Seiten der [X.] die Erkenntnis eines möglichen Gesetzesverstoßes zumindest in Form eines billigenden Inkaufnehmens desselben vorhanden gewesen sei, sei von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin weder dargetan noch aus den Gesamtumständen ersichtlich. Die europarechtliche Gesetzeslage sei nicht eindeutig. Eine Auslegung, wonach ein [X.] eine zulässige Abschalteinrichtung darstelle, sei jedenfalls nicht unvertretbar. Ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes könne aber nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden.

9

Vor dem Hintergrund des fehlenden sittenwidrigen, täuschenden Verhaltens der [X.] bleibe auch kein Raum für eine deliktische Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB, § 263 StGB. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Verantwortlichen mit dem Vorsatz gehandelt hätten, über eine Eigenschaft des Fahrzeugs zu täuschen. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB [X.]. Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO ([X.]) Nr. 715/2007 beziehungsweise [X.]. §§ 6, 27 [X.]-FGV lasse sich kein Schadensersatzanspruch der Klägerin herleiten, weil ein Schutzgesetzcharakter dieser Vorschriften zu verneinen sei.

Schließlich seien (mögliche) vertragliche Ansprüche zum Zeitpunkt der [X.] bereits verjährt gewesen, weil die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB seinerzeit bereits abgelaufen sei. Das [X.] habe zutreffend festgestellt, dass § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB und damit die regelmäßige Verjährungsfrist nicht zur Anwendung gelange. Die Beklagte habe der Klägerin weder in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einen Schaden zugefügt noch sei ihr ein arglistiges Verschweigen im Sinne dieser Norm vorzuwerfen.

II.

Die Revision ist unbeschränkt zulässig. Entgegen der Auffassung der [X.] hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision nicht auf einen deliktischen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB beschränkt.

1. Allerdings kann sich eine Beschränkung der Revisionszulassung, die - wie hier - nicht schon in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthalten ist, auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des [X.], dass die Entscheidungsformel im Lichte der Urteilsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen des Urteils klar ergibt. Das ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des [X.] stellt, der Gegenstand eines Teilurteils oder eines eingeschränkt eingelegten Rechtsmittels sein kann(st. Rspr., zB Senatsurteile vom 13. August 2020 - [X.], [X.], 1862 Rn. 13 und vom 24. März 2022 - [X.]/20, juris Rn. 15). Demgegenüber ist eine Beschränkung der Zulassung auf andere Rechtsfragen, Anspruchselemente oder einzelne von mehreren Anspruchsgrundlagen nicht zulässig (Senatsurteile vom 27. Juni 2019 - [X.], NVwZ 2019, 1696 Rn. 7 und vom 13. August 2020 aaO, [X.]. [X.]).

2. Daran gemessen wäre eine etwaige Beschränkung der Revisionszulassung auf einen Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB jedenfalls unwirksam. Ob sich eine Beschränkung des Rechtsmittels überhaupt hinreichend deutlich aus den Entscheidungsgründen ergibt, kann daher auf sich beruhen.

III.

Das angefochtene Urteil hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 826 BGB zu Recht verneint. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dem Ehemann der Klägerin nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zugefügt.

Ob ein Verhalten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist eine Rechtsfrage, die der uneingeschränkten Kontrolle des [X.] unterliegt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 23. September 2021 - [X.]/20, [X.], 2153 Rn. 16 und vom 24. März 2022 - [X.]/20, juris Rn. 13, [X.]. [X.]).

a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Ausstattung des Fahrzeugs mit einem [X.] keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Ehemanns der Klägerin darstellt.

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des [X.] reicht allein der Umstand, dass die Abgasrückführung durch eine temperaturabhängige Steuerung des [X.] bei bestimmten Außentemperaturen reduziert (und möglicherweise ganz abgeschaltet) wird, nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein [X.] Gepräge zu geben. Dabei kann zugunsten der Klägerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung objektiv als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO ([X.]) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist.

Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, wäre der darin liegende - revisionsrechtlich zu unterstellende - Gesetzesverstoß aber für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedarf es vielmehr weiterer Umstände. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz des [X.]s eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinnen erstrebt hat. Bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des [X.]s das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. Senatsurteile vom 23. September 2021 aaO Rn. 22 und vom 24. März 2022 aaO Rn. 15; [X.], Urteile vom 20. Juli 2021 - [X.] 1154/20, [X.], 2105 Rn. 13 und vom 16. September 2021 - [X.]/20, [X.], 2108 Rn. 16, [X.]. [X.]). Das Berufungsgericht hat ein solches Vorstellungsbild und Verhalten dieser Personen nicht festzustellen vermocht. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

aa) Bei einer Abschalteinrichtung, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (Senatsurteil vom 24. März 2022 aaO Rn. 16, vgl. auch [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 30). So liegt der Fall auch hier.

(1) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die temperaturabhängige Steuerung des [X.] im Fahrzeug des Ehemanns der Klägerin im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens, das [X.] lasse eine voll wirksame Abgasreinigung nur in einem Temperaturbereich zwischen 17 und 30°C zu (vgl. [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 15 ff). Selbst dann erfolgt die Abgasreinigung nicht in der Weise, dass bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der [X.] gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird (vgl. Senat aaO Rn. 17; [X.], Beschluss vom 9. März 2021 - [X.] 889/20, [X.], 652 Rn. 27).

(2) Zutreffend hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass eine zweifelhafte Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit des [X.]s bestand (vgl. zB Senatsurteile vom 13. Januar 2022 - [X.], [X.], 539 Rn. 24 und vom 24. März 2022 aaO Rn. 18; Senatsbeschluss vom 25. November 2021 - [X.]/20, juris Rn. 15; [X.], Urteil vom 16. September 2021 aaO Rn. 31).

bb) [X.] ist auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht keine greifbaren Anhaltspunkte dafür gesehen hat, dass die für die Beklagte handelnden Personen gleichwohl das Bewusstsein hatten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Die Revision zeigt weder vom Berufungsgericht festgestellten noch von diesem übergangenen entscheidungserheblichen Sachvortrag der insoweit darlegungsbelasteten Klägerin auf, dem solche Anhaltspunkte zu entnehmen sind. Soweit sie gegenüber dieser Feststellung der Vorinstanz geltend macht, die Beklagte habe in Täuschungsabsicht das [X.] gegenüber dem [X.] verheimlicht, fehlt es an der Erhebung einer ordnungsgemäß begründeten Verfahrensrüge (§ 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

(1) Die ordnungsgemäße Begründung einer Verfahrensrüge erfordert, dass die Tatsachen, die den Mangel ergeben, konkret bezeichnet und dessen Auswirkungen auf die Entscheidung aufgezeigt werden (Senatsurteile vom 23. September 2021 aaO Rn. 24 und vom 28. Oktober 2021 - [X.], NJW-RR 2022, 243 Rn. 25; [X.], Urteil vom 13. Juli 2021 - [X.] 128/20, [X.], 1609 Rn. 16 [X.]). Geht die Rüge dahin, dass ein Tatsachenvortrag nicht berücksichtigt wurde, muss dieser unter Angabe der Fundstelle in den Schriftsätzen der Tatsacheninstanzen genau bezeichnet werden. Darüber hinaus muss sich aus dem Vorbringen des Revisionsführers ergeben, dass es sich um prozessual berücksichtigungsfähiges Vorbringen, insbesondere um Tatsachenbehauptungen von ausreichender Substanz handelte ([X.] aaO [X.]).

(2) Daran gemessen fehlt es hier an der Rüge eines konkreten [X.]. Die Revision verweist nur auf den Instanzvortrag der Klägerin, die Beklagte habe die Existenz und die konkrete Ausgestaltung des [X.]s der Genehmigungsbehörde gegenüber nicht offengelegt. Die von der Revision daran anknüpfende ohnedies keinesfalls zwingende Schlussfolgerung, dass die unterlassene Offenlegung in Täuschungsabsicht erfolgt sein müsse, war jedoch nicht Gegenstand des vorinstanzlichen Vortrags.

Soweit die Ausführungen der Revision auf die Erhebung einer Verfahrensrüge in Gestalt einer Gehörsrüge abzielen, fehlt es im Übrigen an Vortrag dazu, dass das Vorbringen der Klägerin insoweit prozessual beachtlich gewesen ist. Dabei kann offenbleiben, ob der Vortrag zur unterlassenen Offenlegung des [X.]s im Ansatz geeignet war, das Bewusstsein über die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu begründen (vgl. dazu Senatsurteil vom 24. März 2022 aaO Rn. 22; [X.], Beschluss vom 15. September 2021 - [X.], juris Rn. 20). Denn die Beklagte hat, wie im Tatbestand des Berufungsurteils durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil festgestellt, demgegenüber erklärt, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens alle seinerzeit erforderlichen Angaben gemacht zu haben. Auf den von der Revision in Bezug genommenen Klägervortrag hat die Beklagte erwidert, dass die im Rahmen des Genehmigungsverfahrens offenzulegenden Angaben zu dem verwendeten Emissionsminderungssystem erfolgt seien, wozu Angaben zu etwaigen Abschalteinrichtungen nicht gehört hätten. Die Revision zeigt nicht auf, ob die Klägerin diesen offensichtlich eine Reaktion erfordernden Sachvortrag der [X.] bestritten und wenn ja, was sie darauf erwidert hat (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 2021 aaO Rn. 17).

b) Zu weiteren Abschalteinrichtungen hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die insoweit von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Berufungsgericht habe übergangen, dass die Klägerin über das [X.] hinaus zu offensichtlich unzulässigen, weil auf die Prüfstanderkennung bezogenen Abschalteinrichtungen sowie einer Manipulation des [X.] vorgetragen habe, greift nicht durch.

aa) Der für das Revisionsverfahren maßgebliche Prozessstoff bestimmt sich nach § 559 ZPO. Der Beurteilung des [X.] unterliegt gemäß § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist.

bb) Der Senat hat aufgrund der Beweiskraft des Tatbestands gemäß § 314 ZPO davon auszugehen, dass das mündliche Vorbringen der Klägerin in der zweiten Instanz keinen Vortrag zu anderen Abschalteinrichtungen oder zum OBD-System beinhaltete. Das Berufungsgericht hat im Tatbestand seines Urteils festgestellt, die Berufungsbegründung des [X.] befasse sich ausschließlich mit dem Vorwurf des Einbaus eines unzulässigen [X.]s. Entgegen der von der Revision in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Auffassung bezieht sich diese Feststellung nicht nur auf den Inhalt des [X.] im Sinne von § 520 ZPO, sondern auf das gesamte Vorbringen der Klägerin in der Berufungsinstanz (vgl. Senat, Urteil vom 24. März 2020 aaO Rn. 23 [zu [X.], Urteil vom 14. September 2020 - 12 U 2021/19, BeckRS 2020, 24352 Rn. 10]; [X.], Urteile vom 16. September 2021 - [X.]/20 aaO Rn. 27 [zu [X.], Urteil vom 12. Oktober 2020 - 12 U 1525/19, BeckRS 2020, 26331 Rn. 10] und [X.], juris Rn. 27 [zu [X.], Urteil vom 16. November 2020 - 12 U 2252/19, BeckRS 2020, 34061 Rn. 10]; Beschluss vom 13. Oktober 2021 - [X.], juris Rn. 21 [zu [X.], Urteil vom 16. November 2020 - 12 U 863/20, BeckRS 2020, 52878 Rn. 10]). Das Berufungsgericht hat dem Begriff "Berufungsbegründung" erkennbar eine entsprechend weite Bedeutung beigemessen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass es im Tatbestand neben der vorstehenden Feststellung als Vortrag der Klägerin nur noch deren Rechtsauffassung wiedergegeben hat, der Einbau des [X.]s sei als sittenwidrig zu bewerten und das Klagebegehren sei somit sowohl unter kaufrechtlichen als auch unter deliktsrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Überdies bestand für das Berufungsgericht kein Anlass, nur den Inhalt des Schriftsatzes wiederzugeben, den die Klägerin binnen der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 ZPO beim Berufungsgericht eingereicht hat. Im Gegenteil wäre es verpflichtet gewesen, auch etwaigen späteren wesentlichen Vortrag im Tatbestand zu berücksichtigen (§ 313 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Eine etwaige Unrichtigkeit der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellung kann grundsätzlich nur im Berichtigungsverfahren (§ 320 ZPO) geltend gemacht und gegebenenfalls behoben werden. Eine Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO kommt zur Richtigstellung eines derartigen Mangels nicht in Betracht ([X.], Urteil vom 12. Mai 2015 - [X.] 102/14, [X.], 1562 Rn. 49; vgl. auch [X.], Urteile vom 20. Juli 2021 - [X.] 1154/20, [X.], 2105 Rn. 18 und vom 16. September 2021 aaO Rn. 27 [X.]). Einen Tatbestandsberichtigungsantrag hat die Klägerin jedoch nicht gestellt. Die tatbestandliche Feststellung steht damit der Annahme entgegen, dass erstinstanzliches Vorbringen zu weiteren Abschalteinrichtungen Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen ist.

cc) Die Verfahrensrüge der Klägerin greift auch nicht durch, soweit sie sich auf den Klägervortrag in dem vom Berufungsgericht nachgelassenen Schriftsatz vom 17. August 2020 bezieht. Dabei kann auf sich beruhen, ob die Beweiskraft des Tatbestands gemäß § 314 Satz 1 ZPO sich auch auf den Inhalt von nachgelassenen Schriftsätzen erstreckt, die nicht mehr Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind (verneinend: [X.]/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 314 Rn. 2). Die Wirkung des § 314 Satz 1 ZPO kann jedenfalls nur insoweit nicht mehr eingreifen, als der nachgelassene Schriftsatz gemäß § 283 ZPO berücksichtigungsbedürftiges Vorbringen enthält. Es muss sich auf neuen, verspäteten Sachvortrag des Gegners beziehen. Nicht berücksichtigungsbedürftig im nachgelassenen Schriftsatz ist hingegen neuer Sachvortrag, der über eine Replik hinausgeht oder sich auf früheres, lediglich wiederholtes Vorbringen des Gegners bezieht ([X.], Beschluss vom 27. Februar 2018 - [X.]/17, NJW 2018, 1686 Rn. 22 ff; [X.]/[X.], ZPO, 34. Aufl., § 283 Rn. 5). Das bedeutet, dass berücksichtigungsbedürftig in dem der Klägerin nachgelassenen Schriftsatz vom 17. August 2020 lediglich Vorbringen auf neuen Sachvortrag in dem verspäteten Schriftsatz der [X.] vom 24. Juli 2020 war. Neu in diesem Schriftsatz war hinsichtlich der (angeblichen) Abschalteinrichtungen allenfalls die detaillierte Darstellung der technischen Wirkungsweise der [X.]. Dass dieser Mechanismus keine Prüfstanderkennungssoftware beinhaltet, das heißt, auf dem Prüfstand und im Echtbetrieb gleichermaßen funktioniert, hatte die Beklagte indessen bereits in ihrer Berufungserwiderung vom 23. März 2020 vorgetragen.

Soweit sich das Bestreiten des [X.]vortrags in dem Schriftsatz vom 24. Juli 2020 durch die Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. August 2020 überhaupt auf den letztgenannten Punkt beziehen sollte, wäre es damit nicht mehr berücksichtigungsbedürftig.

Ist demgemäß revisionsrechtlich davon auszugehen, dass die im Fahrzeug des Ehemanns der Klägerin verbaute [X.] nicht nur bei erkanntem Prüfstandslauf aktiviert wird, fehlt es an dem auch aus der Sicht der Revision maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens der für die Beklagte handelnden Personen (vgl. [X.], Urteile vom 25. Mai 2020 - [X.] 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 16 ff und vom 13. Juli 2021 aaO Rn. 19; Beschluss vom 23. Februar 2022 - [X.], juris Rn. 25 [X.]).

2. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche ergeben sich auch nicht aus einem anderen Rechtsgrund.

a) Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises aus § 437 Nr. 2 Alt. 1, § 434 Abs. 1, § 440, § 323 Abs. 1, §§ 346, 348 BGB. Der von der Klägerin am 20. August 2019 erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag ist gemäß § 218 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls unwirksam, weil ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch wegen der Implementierung des [X.]s zu diesem Zeitpunkt bereits verjährt gewesen ist. [X.] ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Geltung der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 3 BGB unter Bezugnahme auf seine Ausführungen zu § 826 BGB mit der Begründung verneint hat, der [X.] sei kein arglistiges Verschweigen des - insoweit unterstellten - Mangels vorzuwerfen. Demzufolge war ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch gemäß § 437 Nr. 1 BGB nach Ablauf der zweijährigen Verjährungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB schon 2017 verjährt.

b) Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend für die in § 437 Nr. 3 BGB bezeichneten Ansprüche auf Schadensersatz und auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Sie sind wegen der von der [X.] erhobenen Einrede der Verjährung jedenfalls nicht durchsetzbar.

c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht schließlich angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte wegen des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit einem [X.] keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB [X.]. § 263 StGB (vgl. Senatsurteil vom 24. März 2022 aaO Rn. 26 [X.]) und § 823 Abs. 2 BGB [X.]. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 [X.]-FGV oder den Normen der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 27 ff [X.]) zustehen.

Herrmann   

      

   Arend   

      

Kessen

      

Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Herr ist wegen Urlaubs-
abwesenheit verhindert zu
unterschreiben.

      

      

      

      

Herrmann

      

Liepin   

      

Meta

III ZR 216/20

02.06.2022

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 16. September 2021, Az: III ZR 216/20, Beschluss

§ 283 ZPO, § 314 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 02.06.2022, Az. III ZR 216/20 (REWIS RS 2022, 3069)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3069 MDR 2022, 1076-1077 REWIS RS 2022, 3069

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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