Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.07.2021, Az. VI ZR 1118/20

6. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 3641

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Gegenstand

Verjährung der Ansprüche des geschädigten Fahrzeugerwerbers im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal: Grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der Anspruchsentstehung; Verjährungshemmung bei Erhebung einer Musterfeststellungsklage; Verstoß gegen Treu und Glauben bei Anmeldung der Ansprüche zum Klageregister ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung


Leitsatz

1. Die Annahme grober Fahrlässigkeit (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) setzt im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal zumindest in einem ersten Schritt die Feststellung voraus, dass der geschädigte Fahrzeugerwerber von dem sogenannten Dieselskandal Kenntnis erlangt hat.

2. Die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB setzt lediglich voraus, dass die Musterfeststellungsklage selbst innerhalb der Verjährungsfrist erhoben wird. Dagegen kann die Anspruchsanmeldung zum Klageregister - im zeitlichen Rahmen des § 608 Abs. 1 ZPO - auch später erfolgen.

3. Die Berufung auf den Hemmungstatbestand des § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB verstößt nicht allein deshalb gegen Treu und Glauben, weil der Gläubiger seinen Anspruch ausschließlich zum Zweck der Verjährungshemmung zum Klageregister der Musterfeststellungsklage angemeldet hat.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 25. Juni 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger erwarb im September 2013 in einem Autohaus einen gebrauchten [X.] zu einem Kaufpreis von 22.490 €. Das von der Beklagten hergestellte Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der [X.] ([X.] 5) ausgestattet.

2

Am 22. September 2015 erklärte die Beklagte in einer Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG a.F., dass bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren vom [X.] auffällige Abweichungen zwischen den auf dem Prüfstand gemessenen Emissionswerten und denen im realen Fahrzeugbetrieb festgestellt worden seien. Anfang Oktober 2015 richtete die Beklagte eine Internetplattform ein, auf der die Fahrzeughalter die Betroffenheit ihres konkreten Fahrzeugs ermitteln konnten. Das [X.] ([X.]) kam mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 zu dem Ergebnis, dass die Motoren der [X.] mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete gegenüber der Beklagten die Entfernung der Abschalteinrichtung und die Ergreifung geeigneter Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit im Rahmen eines Rückrufs an. Die Beklagte informierte die Öffentlichkeit mit Pressemitteilungen vom 15. Oktober, 25. November, 10. und 16. Dezember 2015 über technische Lösungen, mit deren Umsetzung ab Januar 2016 begonnen werde, und teilte mit, dass die betroffenen Fahrzeughalter angeschrieben und über die weiteren Schritte informiert würden. Die Medien berichteten umfangreich über die genannten Geschehnisse.

3

Am 17. September 2019 veräußerte der Kläger das Fahrzeug zu einem Preis von 10.000 € weiter.

4

Der Kläger behauptet, er habe sich im Dezember 2018 zum Klageregister zu einer gegen die Beklagte geführten Musterfeststellungsklage angemeldet und die Anmeldung im Juni 2019 wieder zurückgenommen.

5

Mit seiner im Juli 2019 eingereichten Klage hat der Kläger zuletzt Erstattung des Kaufpreises nebst Zahlung von Delikts- und Prozesszinsen gegen Zahlung eines Wertersatzes von höchstens 10.000 € statt Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.

6

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

I.

7

Das Berufungsgericht hat seine unter BeckRS 2020, 30657 veröffentlichte Entscheidung damit begründet, dass ein etwaiger Anspruch des [X.] aus § 826 [X.] gemäß § 195, § 199 Abs. 1 [X.] mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt sei.

8

Zur Frage des Verjährungsbeginns hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass eine auch Ende des Jahres 2015 noch bestehende Unkenntnis des [X.] von den nach § 826 [X.] anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners auf grober Fahrlässigkeit beruhen würde. Bereits im letzten Quartal des Jahres 2015 seien alle Umstände in der Öffentlichkeit bekannt geworden, die dem Kläger die notwendige Kenntnis von der bewussten Manipulation von Dieselmotoren durch die Beklagte und der damit verbundenen Gefahr einer Betriebsstilllegung hätten vermitteln können. Bei dieser Sachlage habe es sich dem Kläger geradezu aufdrängen müssen, dass auch sein Fahrzeug betroffen sein konnte, und er habe unschwer entsprechende Erkundigungen einholen können. Auf eine entsprechende Information durch die Beklagte oder den Händler habe er sich nicht verlassen dürfen. Der Verjährungsbeginn zum Ende des Jahres 2015 sei nicht wegen Unzumutbarkeit der Klageerhebung hinausgeschoben gewesen.

9

Die Verjährung sei auch nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] durch Beitritt zur Musterfeststellungsklage gehemmt worden. Der Kläger habe trotz eines gerichtlichen Hinweises keine Bestätigung des [X.] noch im Jahre 2018 vorgelegt. Eine spätere Anmeldung habe keine rückwirkende [X.] bewirken können. Im Übrigen wäre, so das Berufungsgericht weiter, selbst eine rechtzeitige Anmeldung rechtsmissbräuchlich gewesen, da der Kläger nicht in Abrede stelle, dass die Anmeldung von vornherein nur erfolgt sei, um nach ihrer Rücknahme auch noch im Jahr 2019 [X.] erheben zu können.

II.

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht wegen Verjährung abgewiesen werden.

1. Mit Erfolg wendet sich die Revision bereits gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die dreijährige Verjährungsfrist habe mit dem Schluss des Jahres 2015 begonnen. Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lässt sich dem Kläger keine grobe Fahrlässigkeit [X.]. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.] vorwerfen.

a) Gemäß § 195 [X.] beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 [X.] mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 [X.]) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.]).

b) Zwar unterliegt die tatrichterliche Beurteilung, ob einer Partei der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis zu machen ist, der Nachprüfung durch das Revisionsgericht nur dahin, ob der Streitstoff umfassend, wi[X.]pruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (vgl. zuletzt etwa Senatsurteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 16 mwN). Auch unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten [X.] ist die Würdigung des Berufungsgerichts aber rechtsfehlerhaft.

c) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der [X.] vorgeworfen werden können (Senatsurteil vom 26. Mai 2020 - [X.], NJW 2020, 2534 Rn. 19).

Dabei bezieht sich die grob fahrlässige Unkenntnis ebenso wie die Kenntnis auf Tatsachen, auf alle Merkmale der Anspruchsgrundlage und bei der Verschuldenshaftung auf das Vertretenmüssen des Schuldners, wobei es auf eine zutreffende rechtliche Würdigung nicht ankommt. Ausreichend ist, wenn dem Gläubiger aufgrund der ihm grob fahrlässig unbekannt gebliebenen Tatsachen hätte zugemutet werden können, zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen eine bestimmte Person aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos Klage - sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage - zu erheben (Senatsurteil vom 26. Mai 2020 - [X.], NJW 2020, 2534 Rn. 20 mwN).

Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von [X.] oder Person des Schädigers zu entfalten. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. nur Senatsurteil vom 26. Mai 2020 - [X.], NJW 2020, 2534 Rn. 21 f.; [X.], Urteil vom 15. März 2016 - [X.], NJW-RR 2016, 1187 Rn. 34; jeweils mwN).

d) Die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.] trägt der Schuldner. Soweit es um Umstände aus der Sphäre des Gläubigers geht, hat dieser aber an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Schuldners getan hat (vgl. [X.], Versäumnisurteil vom 17. Juni 2016 - [X.], NJW 2017, 248 Rn. 12; Urteil vom 3. Juni 2008 - [X.], [X.], 2576 Rn. 25 mwN).

e) Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres von der festgestellten Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten und des [X.] sowie der sich hieran anschließenden umfangreichen Medienberichterstattung über den sogenannten [X.] auf eine grob fahrlässige Unkenntnis des [X.] [X.]. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 [X.] schließen. Dazu hätte es zumindest in einem ersten Schritt noch der ergänzenden Feststellung bedurft, dass der Kläger diese Berichterstattung wahrgenommen und damit allgemein vom sogenannten [X.] Kenntnis erlangt hat. Ohne diesen Zwischenschritt knüpft der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit letztlich an die unterbliebene Kenntnisnahme des [X.] von der Medienberichterstattung über den sogenannten [X.] an; dem Kläger wird mit anderen Worten das Unterlassen eines wenigstens gelegentlichen Nachrichten- und Medienkonsums zum Vorwurf gemacht. Dies ist rechtsfehlerhaft, denn niemand ist von Rechts wegen gehalten, im [X.] etwaiger deliktischer Schuldner generell die Medien zu verfolgen (vgl. KG, Urteil vom 1. Oktober 2009 - 2 U 17/03 Kart, juris Rn. 27; [X.] in MünchKomm [X.], 8. Aufl., § 199 Rn. 31).

Zwar mag es naheliegen, dass der Kläger allgemein vom sogenannten [X.] Kenntnis genommen hat. Dies festzustellen ist jedoch Sache des Tatrichters, wobei der Senat auf die Mitwirkungspflicht des Gläubigers (soeben sub d) und darauf hinweist, dass sich der Tatrichter bewusst sein sollte, dass eine Überzeugungsbildung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO nicht immer eine mathematisch lückenlose Gewissheit voraussetzt (Senatsurteil vom 13. Dezember 1977 - [X.], [X.]Z 71, 339, 346, juris Rn. 28). Selbst nach dem strengen Maßstab des § 286 ZPO bedarf es keines naturwissenschaftlichen Kausalitätsnachweises und auch keiner an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der verbleibenden Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 2019 - [X.], NJW 2020, 1072 Rn. 8 mwN).

f) Soweit die Beklagte geltend macht, es sei unstreitig beziehungsweise nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen, dass der Kläger Kenntnis vom sogenannten [X.] hatte, hat das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen. Dem Revisionsgericht ist es aber verwehrt, entsprechende Feststellungen zu treffen (vgl. nur Senat, Urteil vom 16. März 2021 - [X.]/20, [X.], 798 Rn. 17).

2. Der von der Beklagten erhobenen Einrede nach § 214 Abs. 1 [X.] steht darüber hinaus eine Hemmung der Verjährung durch die Anmeldung des entsprechenden klägerischen Anspruchs zum Klageregister der Musterfeststellungsklage entgegen. Die Hemmungswirkung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] tritt im Falle eines wirksam angemeldeten Anspruchs grundsätzlich bereits mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und nicht erst mit wirksamer Anmeldung des Anspruchs zu deren Register ein, auch wenn die [X.] selbst erst nach Ablauf der ursprünglichen Verjährungsfrist erfolgt. Dem Kläger ist es auch nicht nach § 242 [X.] verwehrt, sich auf diesen [X.] zu berufen.

a) Gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.], in [X.] getreten am 1. November 2018 (Art. 6, Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage vom 12. Juli 2018, [X.]l. I 1151), hemmt die Erhebung einer Musterfeststellungsklage (§§ 606 ff. ZPO) die Verjährung für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch [X.]elbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den [X.] der Musterfeststellungsklage.

b) Im Streitfall ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass vor Ablauf des Jahres 2018 eine Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte erhoben wurde, dass der Kläger die nunmehr streitgegenständlichen Ansprüche wirksam zum entsprechenden Klageregister angemeldet hat (vgl. § 608 Abs. 1, 2 und 4 ZPO) und den Ansprüchen [X.]elbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den [X.] der Musterfeststellungsklage. Unter diesen Voraussetzungen war die Erhebung der Musterfeststellungsklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] grundsätzlich geeignet, die Verjährung der Klageforderung zu hemmen, und zwar auch dann, wenn - wie vom Berufungsgericht angenommen - eine Anmeldung zum Klageregister noch im Jahr 2018 nicht feststellbar ist, was für die revisionsrechtliche Prüfung daher dahinstehen kann.

aa) Die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] setzt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts lediglich voraus, dass die Musterfeststellungsklage selbst innerhalb der Verjährungsfrist erhoben wird, während die [X.] zum Klageregister - im zeitlichen Rahmen des § 608 Abs. 1 ZPO - auch später erfolgen kann (ebenso [X.], Urteil vom 8. März 2021 - 1 U 56/20, juris Rn. 36; [X.], Urteil vom 31. März 2021 - 13 U 354/20, juris Rn. 41; [X.], Urteil vom 1. April 2020 - 12 U 198/19, juris Rn. 70; [X.], Urteil vom 16. Juli 2020 - 7 U 169/19, BeckRS 2020, 17081 Rn. 55; Augenhofer, [X.], 83 ff.; [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 204 [X.] Rn. 2; [X.]/Bleckwenn in [X.]/[X.], Musterfeststellungsklage, § 5 Rn. 56 ff.; [X.], NJW 2020, 2588 Rn. 19; [X.]/[X.], [X.], 89, 94 f.; Vollkommer in [X.], ZPO, 33. Aufl., § 608 Rn. 5; [X.]/[X.] in [X.], [X.], Stand 18.6.2020, § 204 Rn. 48h; [X.] in [X.] [X.], Stand 1.6.2021, § 204 Rn. 117; [X.] in [X.] ZPO, [X.]., § 608 Rn. 18; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 18. Aufl., § 608 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.], 1504, 1509; [X.], [X.] 2020, 322, 324; Tolani, NJW 2019, 2751, 2753; [X.], [X.] 2018, 623, 634; [X.], [X.], 429, 435; [X.], [X.], 1966, 1970; zweifelnd [X.], [X.] 2019, 404, 405 ff.; [X.], Beschluss vom 5. Februar 2020 - 3 U 7392/19, juris Rn. 5; [X.], Urteil vom 7. April 2020 - 10 U 455/19, juris Rn. 68 ff.; [X.] in [X.], 6. Aufl., § 606 ZPO Rn. 50 ff.; tendenziell auch [X.]/[X.]/Salger, [X.], 2883 ff.). Diese Auslegung entspricht in der Gesamtbetrachtung von Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] dem in der Norm zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers (vgl. zur Auslegung von Gesetzen etwa [X.] 133, 168 Rn. 66).

(1) Nach dem Wortlaut von § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] wird die Verjährung gehemmt "durch die Erhebung einer Musterfeststellungsklage". Diese zunächst eindeutig erscheinende Formulierung gibt allerdings für sich genommen noch keinen zwingenden Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers, weil die Hemmung nach dem weiteren [X.] (nur) "für einen Anspruch [greift], den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch [X.]elbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den [X.] der Musterfeststellungsklage". Die Verwendung der vollendeten Vergangenheitsform ("angemeldet hat", "angemeldeter Anspruch") kann zwar nicht so verstanden werden, als ob die [X.] der Erhebung der Musterfeststellungsklage vorangehen müsse, da eine solche Abfolge tatsächlich gar nicht möglich ist (vgl. § 607 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 608 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; [X.]/[X.] in [X.], [X.], Stand 18.6.2020, § 204 Rn. 48b). Sie lässt aber immerhin Raum für die Annahme, auch die Anmeldung des Anspruchs zum Klageregister müsse noch in [X.] erfolgen (so etwa [X.] in [X.], 6. Aufl., § 606 Rn. 52; [X.]/[X.]/Salger, [X.], 2883; auf die missverständliche Formulierung hinweisend bereits [X.]-Kessel, Stellungnahme zum Gesetzentwurf, [X.] für Recht und Verbraucherschutz, [X.]. 19/15, [X.], 129).

(2) Dass allein die Erhebung der Musterfeststellungsklage den Zeitpunkt bestimmt, in dem die Hemmung beginnt, erhellt jedoch in systematischer Hinsicht ein Vergleich mit der (älteren) Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 6a [X.], der zufolge die Verjährung "durch die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren" nach dem [X.] gehemmt wird (vgl. § 10 Abs. 2 bis 4 KapMuG). Die Hemmung beginnt hier nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut erst mit der Anmeldung und damit der individuellen Rechtsverfolgungsmaßnahme des vom Musterverfahren betroffenen Gläubigers; auf den Zeitpunkt der Stellung des Musterfeststellungsantrags kommt es nicht an. In deutlichem Gegensatz hierzu stellt die Formulierung in § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] auf die Erhebung der Musterfeststellungsklage ab. Folgerichtig hat der Gesetzgeber die Vorschrift nicht etwa als [X.] Nr. 6b, sondern als Nr. 1a - und damit in systematischer Folge zu § 204 Abs. 1 Nr. 1 [X.] (Hemmung durch Erhebung der Klage) - eingepasst (vgl. Augenhofer, [X.], 83, 84 mwN).

(3) Die Entstehungsgeschichte von § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] bestätigt, dass es für den Beginn der [X.] auf den Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage ankommt (vgl. Augenhofer, [X.], 83, 84 f.; [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 204 [X.] Rn. 2 f.).

Der Bundesrat bat in seiner Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 GG zum Regierungsentwurf, der die Einführung von § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] in seiner jetzigen Fassung vorsah (BT-Drucks. 19/2439, [X.]), die in Aussicht genommene Regelung mit folgender Begründung zu prüfen: "Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung führt […] dazu, dass […] gegebenenfalls auch erst lange Zeit nach dem eigentlichen Ablauf der Verjährungsfrist durch eine Anmeldung - quasi rückwirkend - noch eine Hemmung der Verjährung des individuellen Anspruchs erreicht werden kann. Es sollte vertieft geprüft werden, wie ‘ausufernde‘ Verjährungsläufe und die damit verbundene Rechtsunsicherheit vermieden werden können" ([X.]. 176/18, [X.] f.). Die Bundesregierung äußerte sich zu dieser Prüfbitte wie folgt: "Die Bundesregierung sieht den vom Bundesrat dargelegten Prüfbedarf nicht, da die Regelung über den Eintritt der [X.] mit Erhebung der Musterfeststellungsklage eindeutig ist. Mit der Erhebung der Musterfeststellungsklage wird, wie auch sonst nach § 204 Absatz 1 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches bei Klageerhebung üblich, die Verjährung der noch nicht verjährten Ansprüche gehemmt unter der Bedingung, dass die Verbraucherin oder der Verbraucher den Anspruch, dem [X.]elbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt, in dem Klageregister anmeldet. Erfolgt keine fristgerechte, wirksame Anmeldung des individuellen Anspruchs zum Klageregister, entfällt die verjährungshemmende Wirkung für diesen Anspruch wieder. Damit kann sich der Beklagte mit Erhebung der Musterfeststellungsklage darauf einstellen, dass bei Ansprüchen mit demselben Lebenssachverhalt zunächst [X.] eintritt und nur für die Verbraucher wieder entfällt, die ihre Ansprüche nicht bzw. nicht wirksam zum Klageregister anmelden" (BT-Drucks. 19/2701, [X.] f.; zum Normverständnis der Bundesregierung s. auch BT-Drucks. 19/2710, [X.] sowie die Begründung zur [X.], BAnz [X.], [X.]).

Der federführende Ausschuss des [X.] nahm die Äußerung der Bundesregierung zur Kenntnis und empfahl die Annahme des dem Regierungsentwurf entsprechenden - zur Verfahrensbeschleunigung parallel eingebrachten - [X.] (BT-Drucks. 19/2507) bezüglich § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] ohne Änderung auf der Grundlage des folgenden Normverständnisses der Bundesregierung: "Hinsichtlich der Frage der Verjährung sei festzuhalten, dass die [X.]sregelung zur Musterfeststellungsklage in das allgemeine Prinzip der Hemmung von Verjährung eingebaut worden sei. Danach werde mit Erhebung der Musterfeststellungsklage die Verjährung gehemmt. Der weitere Akt der Anmeldung sei hiervon losgelöst. Dementsprechend sei ein Anspruch auch nicht verjährt, wenn er später zum Klageregister angemeldet werde" (BT-Drucks. 19/2741, [X.]). Der [X.] folgte dieser Beschlussempfehlung (Plenarprotokoll 19/39, [X.]753B). Dass der Gesetzgeber hiervon abweichend eine Hemmung der Verjährung nur beabsichtigte, wenn auch die Anmeldung innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt ist, lässt sich aus den von der Beklagten zitierten Fundstellen im Gesetzgebungsverfahren nicht ableiten.

(4) Sinn und Zweck des § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] entsprechen diesem Normverständnis. Das politische Ziel, durch Einführung der Musterfeststellungsklage eine zum Ablauf des Jahres 2018 befürchtete Verjährung von Schadensersatzansprüchen im sogenannten "Abgasskandal" zu verhindern (vgl. Koalitionsvertrag [X.], [X.] und [X.] zur 19. Legislaturperiode, [X.]4) und die Rechtsverfolgung in [X.] mit Breitenwirkung zur Überwindung des sog. "rationalen Desinteresses" der betroffenen Verbraucher zu bündeln (vgl. BT-Drucks. 19/2439, [X.], 14), stützt die aufgezeigte verbraucherfreundliche Interpretation (vgl. Augenhofer, [X.], 83, 85; [X.] in [X.] [X.], Stand 1.6.2021, § 204 Rn. 118).

[X.]) Ob die Erhebung einer Musterfeststellungsklage rechtstechnisch zunächst die Verjährung aller potentiell betroffenen Ansprüche hemmt und die Hemmung im Sinne einer (auflösenden) Bedingung für solche Ansprüche wieder entfällt, die nicht wirksam zum Klageregister angemeldet werden (vgl. Bundesregierung, BT-Drucks. 19/2701, [X.] f.; Augenhofer [X.], 83, 84), oder erst die wirksame [X.] die Hemmung auslöst und dann ihrerseits auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurückwirkt (so etwa [X.] in [X.] ZPO, [X.]., § 608 Rn. 18.1; [X.], [X.] [X.], Stand 1.6.2021, § 204 Rn. 118; [X.], NJW 2020, 2588 Rn. 20 f. mwN), kann im Streitfall dahinstehen.

cc) § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] in der dargelegten Auslegung begegnet entgegen einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung ([X.], Beschluss vom 7. September 2020 - 3 U 2049/20, BeckRS 2020, 28274 Rn. 25) und Literatur (Grzeszick, NJW 2019, 3269 ff. und [X.], 459 ff.; [X.], [X.], 197, 202) vertretenen Auffassung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (ebenso Piekenbrock, [X.], 122 ff. und 461 f.; [X.], NJW 2020, 2588 Rn. 22 ff.).

(1) In Ermangelung einer besonderen Übergangsvorschrift findet § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] - einem allgemeinen Rechtsgedanken entsprechend (vgl. [X.], Urteil vom 12. Juni 2018 - [X.], [X.], 310 Rn. 67 mwN) - Anwendung auch auf Ansprüche, die bereits vor Inkrafttreten der Norm am 1. November 2018 entstanden sind, zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht verjährt waren. Es handelt sich um einen Fall der unechten Rückwirkung (tatbestandlichen Rückanknüpfung), die grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar ist (vgl. [X.] 148, 217 Rn. 136; [X.], [X.], 702 Rn. 20; jeweils mwN; zu einer zivilrechtlichen [X.] [X.] 18, 70, 84, juris Rn. 43; speziell zu § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] Piekenbrock, [X.], 122, 124; [X.], NJW 2020, 2588 Rn. 27 f.; [X.], NJW 2019, 3269, 3270: echte Rückwirkung). Unzulässig ist ein unecht rückwirkendes Gesetz erst dann, wenn die Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen ([X.], [X.], 702 Rn. 23 mwN), was im Hinblick auf § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] jeweils nicht der Fall ist ([X.], NJW 2019, 3269, 3270 ff.). Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass sich die Musterfeststellungsklage auch für den jeweiligen Beklagten in ökonomischer Weise als positiv erweisen kann, weil sie geeignet ist, zahlreiche Parallelprozesse zu vermeiden und das hieraus folgende Kostenrisiko zu senken (vgl. BT-Drucks. 19/2439, S. 17).

(2) Von der unechten Rückwirkung des Gesetzes zu unterscheiden ist der materiell-rechtliche Gesichtspunkt, dass die Anmeldung eines Anspruchs zum Klageregister - rechtlich oder zumindest tatsächlich, vgl. soeben unter [X.]) - auf den Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage zurückwirkt. Auch insoweit bestehen indes keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da mit Erhebung der Musterfeststellungsklage in [X.] ein schutzwürdiges Vertrauen des Musterfeststellungsbeklagten in die künftige Verjährung anmeldefähiger Ansprüche schon nicht entstehen kann ([X.], NJW 2020, 2588 Rn. 26; vgl. auch Piekenbrock, [X.], 122, 126 ff.; aA insoweit unter dem Aspekt der unechten Rückwirkung Grzeszick, NJW 2019, 3269, 3270 ff.; ähnlich [X.], [X.], 197, 202).

c) Nicht frei von [X.] ist schließlich auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne der Beklagten diese Hemmung unter den besonderen Umständen des [X.] nicht entgegenhalten, § 242 [X.].

aa) Die Vorschriften über die Verjährung enthalten eine formale Regelung, die im Interesse der Rechtssicherheit aufgestellt worden ist, weshalb sich ihre Auslegung grundsätzlich eng an den Wortlaut des Gesetzes anlehnen muss (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 337, 343, juris Rn. 18 mwN). Es ist grundsätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Gläubiger eine verjährungshemmende Maßnahme ausschließlich zum Zweck der [X.] ergreift (vgl. zum Güteverfahren Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 337, 344 f., juris Rn. 22; [X.], Urteile vom 25. Mai 2016 - [X.], [X.], 907 Rn. 17; vom 28. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1548 Rn. 33).

[X.]) Dies schließt es zwar nicht aus, dass sich das Berufen auf einen [X.] im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich darstellen kann ([X.], Urteil vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 995 Rn. 9 f.; vgl. auch Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.]Z 123, 337, 345, juris Rn. 22; [X.], Urteile vom 28. September 2004 - [X.], [X.]Z 160, 259, 266, juris Rn. 20; vom 28. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1548 Rn. 34; vom 17. Februar 2016 - [X.], juris Rn. 12; vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 995 Rn. 7 ff.; vom 23. Juni 2015 - [X.], NJW 2015, 3160 Rn. 24; vom 16. Juli 2015 - [X.], [X.], 1559 Rn. 23; vgl. zudem bereits [X.], 412, 414 f.). Einen Rechtsmissbrauch hat der [X.] in der Vergangenheit etwa zu § 204 Abs. 1 Nr. 3 [X.] bei bewusst wahrheitswidrigen Angaben des Gläubigers im Mahnbescheidsantrag (vgl. [X.], Urteile vom 21. Dezember 2011 - [X.], [X.], 995 Rn. 7 ff.; vom 23. Juni 2015 - [X.], NJW 2015, 3160 Rn. 24; vom 16. Juli 2015 - [X.], [X.], 1559 Rn. 23) und zu § 204 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a [X.] bei fehlender Mitwirkungsbereitschaft des Antragsgegners im Güteverfahren angenommen, wenn der Antragsgegner dies dem Antragsteller schon im Vorfeld in eindeutiger Weise mitgeteilt hatte (vgl. [X.], Urteil vom 28. Oktober 2015 - [X.], [X.], 1548 Rn. 34; Beschluss vom 17. Februar 2016 - [X.], juris Rn. 12).

cc) Dem ist der vorliegende Lebenssachverhalt nicht allein deshalb vergleichbar, weil der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Abrede gestellt hat, dass die Anmeldung von vornherein nur erfolgt sei, um nach ihrer Rücknahme auch noch im Jahr 2019 [X.] erheben zu können. Dieser Umstand rechtfertigt nicht die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben gegenüber der Beklagten (vgl. [X.], BeckRS 2021, 943 Rn. 84 mwN; BeckRS 2021, 6368 Rn. 45; [X.], [X.], 198 Rn. 26 ff.; [X.] in [X.] [X.], [X.]., § 204 Rn. 20b; [X.]/[X.] in [X.], [X.], Stand 18.6.2020, § 204 Rn. [X.]; [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl. § 204 [X.] Rn. 13; [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 18. Aufl., § 608 Rn. 1; Sutschet in [X.] [X.], [X.]., § 242 Rn. 69; [X.], BeckRS 2020, 13124 Rn. 15 ff.; BeckRS 2020, 28274 Rn. 24 ff.; [X.], Urteil vom 10. August 2020 - 3 U 269/19, juris Rn. 15; [X.]/[X.]/Salger, [X.], 1674, 1676; [X.] in [X.], Stand [X.], § 242 [X.] Rn. 1178.3; [X.], [X.], 1621, 1624; [X.]. in [X.]/[X.], [X.] AT/EG[X.], 4. Aufl., § 204 Rn. 55; [X.]/[X.] NJW 2019, 411, 412; [X.]/[X.] [X.], 1504, 1509 f.).

(1) Die Verjährung ist im Fall des § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] grundsätzlich auch dann gehemmt, wenn der Gläubiger seine Anmeldung zum Klageregister im weiteren Verlauf des [X.] wieder zurücknimmt, um im [X.] zu erheben. Der Gesetzgeber hat den [X.] des § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] nicht davon abhängig gemacht, dass der Gläubiger dauerhaft zum Klageregister angemeldet bleibt. Er hat dem Gläubiger vielmehr bewusst die Möglichkeit der Abmeldung vom Klageregister bis zu dem in § 608 Abs. 3 ZPO geregelten Zeitpunkt und der anschließenden Geltendmachung der Ansprüche im Wege der [X.] eingeräumt (vgl. § 613 Abs. 1 Satz 2 ZPO und hierzu BT-Drucks. 19/2439, [X.]8) und für diesen Fall eine spezifische Regelung über eine nachlaufende [X.] von sechsmonatiger Dauer getroffen (§ 204 Abs. 2 Satz 2 [X.]). Damit ist dem Gläubiger ausdrücklich die Option eröffnet worden, seine Entscheidung, in welcher Weise Rechtsschutz gesucht wird, zu ändern und gleichwohl noch für einen gewissen (weiteren) Zeitraum von der durch die Erhebung der Musterfeststellungsklage und die Anmeldung zu deren Register bewirkten [X.] zu profitieren (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 2021 - 13 U 354/20, juris Rn. 44).

Der Gesetzgeber hat den Zeitpunkt nach § 608 Abs. 3 ZPO, bis zu dem die Anmeldung wirksam zurückgenommen werden kann, zugunsten des geschädigten Verbrauchers im Lauf des Gesetzgebungsverfahren sogar noch geringfügig, aber entscheidend nach hinten geschoben (jetzt: Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz; demgegenüber Entwurfsfassung: Ablauf des Tages vor Beginn des ersten Termins, BT-Drucks. 19/2439, [X.]) und darauf abgestimmt, dass zu diesem Zeitpunkt das Gericht bereits auf sachdienliche Klageanträge hinzuwirken hatte, § 610 Abs. 4 ZPO. Damit hat der Gesetzgeber dem Gläubiger gezielt ermöglicht, sich noch vor Ablauf der Rücknahmefrist über die aus Sicht des Gerichts sachdienlichen Anträge und damit über den absehbaren Gegenstand des [X.] zu informieren (vgl. [X.], Musterfeststellungsklage, 2. Aufl., § 608 ZPO Rn. 41), und ihm damit die Entscheidung erleichtert, ob er an seiner Anmeldung festhalten will (BT-Drucks. 19/2741, [X.]5).

Nutzt der Gläubiger diese ihm vom Gesetz ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit der Anmeldungsrücknahme, handelt es sich daher grundsätzlich um einfachen Rechtsge-, nicht Rechtsmissbrauch.

(2) Aus den Umständen des [X.] ergibt sich nichts anderes. Weder ist dem Kläger vorzuwerfen, dass er bei der Anmeldung seiner Ansprüche zum Klageregister der Musterfeststellungsklage bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hätte, noch war die Anmeldung der Ansprüche von vornherein objektiv ungeeignet, zu einer Klärung der Anspruchsberechtigung und damit zu einem erfolgreichen Abschluss des Verfahrens zu führen. Die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von vornherein bestehende Absicht des [X.], die Anmeldung zum Klageregister wieder zurückzunehmen, um auch noch im Jahr 2019 [X.] erheben zu können, wäre als allein innere Willensbildung ohne jeden äußeren Nie[X.]chlag vielmehr jederzeit von ihm selbst revidierbar gewesen und stand einem Erfolg des Verfahrens daher nicht endgültig entgegen.

Auch im maßgeblichen Verhältnis zur Beklagten ist das Verhalten des [X.] nicht als treuwidrig zu beurteilen. Ein - dem Mahn- oder Güteverfahren vergleichbares - eigenständiges (vorgerichtliches) Verfahren wurde der Beklagten, die ohnehin bereits Beklagte des [X.] war, durch die vom Kläger vorgenommene Anmeldung seiner Ansprüche zum Klageregister nicht aufgezwungen; in der Rücknahme der Anmeldung mehrere Monate später liegt ebenfalls keine eigenständige Belastung der Beklagten. Diese konnte sich mit Erhebung der Musterfeststellungsklage und der nachfolgenden Anmeldung der streitgegenständlichen Ansprüche zum Klageregister vielmehr bereits auf die Möglichkeit einstellen, dass der Kläger nach Rücknahme seiner Anmeldung noch [X.] erheben könnte. Diesbezüglich wurde die Beklagte auch in zeitlicher Hinsicht nicht unbillig belastet, da die Option zum Umschwenken auf den Weg der [X.] durch die Beschränkung der Möglichkeit zur Rücknahme der Anmeldung bis zum Ablauf des Tages des Beginns der mündlichen Verhandlung in erster Instanz (§ 608 Abs. 3 ZPO) und durch die nachlaufende [X.] von sechs Monaten (§ 204 Abs. 2 Satz 2 [X.]) in zweifacher Hinsicht zeitlich limitiert ist (vgl. [X.], [X.], 198 Rn. 28; [X.]/[X.], [X.], [X.], Stand 18.6.2020, Rn. [X.]).

3. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig dar (§ 561 ZPO).

Ein etwaiger Anspruch des [X.] aus §§ 826, 31 [X.] (vgl. zur Haftung der Beklagten dem Grunde nach Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 12 ff.) ist durch die Weiterveräußerung des Fahrzeugs am 17. September 2019 nicht ohne Weiteres erloschen (vgl. - auch zur Anrechnung des Veräußerungserlöses im Wege des Vorteilsausgleichs - Senatsurteile vom 20. Juli 2021 - [X.] und [X.], zVb).

III.

Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist aufzuheben und mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

[X.]     

      

[X.]     

      

Müller

      

Klein     

      

Böhm     

      

Meta

VI ZR 1118/20

29.07.2021

Bundesgerichtshof 6. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 25. Juni 2020, Az: 8 U 34/20

§ 31 BGB, § 199 Abs 1 Nr 2 BGB, § 204 Abs 1 Nr 1a BGB, § 242 BGB, § 826 BGB, § 608 Abs 1 ZPO, § 608 Abs 3 ZPO, Art 5 Abs 2 EGV 715/2007

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.07.2021, Az. VI ZR 1118/20 (REWIS RS 2021, 3641)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 1188-1190 WM2021,1665 NJW 2021, 3250 REWIS RS 2021, 3641

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