Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 26.09.2022, Az. VIa ZR 124/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6630

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Gegenstand

Musterfeststellungsklage: Hemmung der Verjährung bei Anspruchsanmeldung in einem Dieselfall


Leitsatz

Die Verjährung wird nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a BGB nur gehemmt, wenn ein Verbraucher einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage anmeldet.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11a. Zivilsenats des [X.] vom 16. Dezember 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger kaufte unter der Firma "M.                          " bei einem Händler am 24. Mai 2013 einen [X.] als Neufahrzeug für brutto 37.503 € (netto 31.515,13 €). In das Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs [X.] eingebaut. Der Motor enthielt eine Software, die auf dem Prüfstand vom regulären [X.] 0 in den stickoxid-optimierten Modus 1 wechselte (Umschaltlogik). Die Software wurde im [X.] 2015 öffentlich bekannt und vom [X.] als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet.

2

Der Kläger hat gegen die Beklagte am 11. September 2020 Klage erhoben und beantragt, sie zur Zahlung von 25.422,63 € zuzüglich Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.077,74 € nebst Verzugszinsen zu verurteilen und den Annahmeverzug der Beklagten festzustellen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 22.482,05 € nebst Prozesszinsen und zur Zahlung weiterer Prozesszinsen für die Zeit ab Zustellung der Klage bis zum 24. November 2021 aus einem weiteren Betrag in Höhe von 742,60 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs verurteilt und festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache wegen eines [X.] in Höhe von 1.214,49 € erledigt sei. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie die vollständige Zurückweisung der Berufung des [X.] begehrt.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision der [X.] hat Erfolg. Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war. Inhaltlich ist das Urteil jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81 f.).

I.

4

Das Berufungsgericht hat, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, ausgeführt:

5

Der Kläger habe gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch aus §§ 826, 31 [X.]. Der Anspruch bestehe entsprechend seinem Antrag, bei dem der [X.] Kläger einen Vorteil in Höhe der gesetzlichen Umsatzsteuer bereits zu seinen eigenen Lasten eingerechnet habe, im Umfang des Nettokaufpreises abzüglich der Nutzungsvorteile, die auf 9.033,08 € zu schätzen seien, mithin in Höhe von 22.482,05 € Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs. Der Anspruch aus §§ 826, 31 [X.] sei jedoch gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 [X.] verjährt. Der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2015 begonnen. Der Kläger habe zwar unstreitig seine Forderung zur Musterfeststellungsklage vor dem [X.] (4 MK 1/18) angemeldet. Die Verjährung sei indessen nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] gehemmt worden, weil der Kläger das Fahrzeug nicht als Verbraucher, sondern als Unternehmer erworben habe.

6

Der Kläger habe jedoch gegen die Beklagte einen Anspruch aus §§ 826, 852 [X.]. [X.] habe die Beklagte den Betrag, der ihr über ihre Vertragshändlerin vom Kaufpreis des [X.] zugeflossen sei, nämlich 85% des Nettokaufpreises, also 26.787,86 €. Allerdings sei der Anspruch aus §§ 826, 852 [X.] auf den Betrag dessen, was der Kläger in [X.] nach §§ 826, 31 [X.] habe verlangen können, also auf 22.482,05 €, begrenzt. Weitere Abzüge könne die Beklagte nicht vornehmen. Die Klägerin könne die Zahlung von Prozesszinsen verlangen, und zwar nicht nur aus dem in der Hauptsache ausgeurteilten Betrag, sondern auch aus einem weiteren Betrag in Höhe von 742,60 €, weil zum Zeitpunkt der Klagezustellung der Schadensersatzanspruch höher gewesen sei. Weiter sei der Erledigungsantrag in beantragter Höhe begründet.

II.

7

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

8

1. Noch rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des [X.] gemäß §§ 826, 31 [X.] ([X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316; Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16) die von der [X.] erhobene Einrede der Verjährung entgegensteht (§ 214 Abs. 1 [X.]), weil die Anmeldung des Anspruchs des [X.] zur Musterfeststellungsklage die Verjährung nicht innerhalb der laufenden Verjährungsfrist gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] gehemmt hat und die Erhebung der Klage im September 2020 nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zu einer Hemmung der zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenen dreijährigen Verjährungsfrist führen konnte.

9

a) Der Anspruch aus §§ 826, 31 [X.] verjährt gemäß § 195 [X.] in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 Abs. 1 [X.] mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

b) Beide Voraussetzungen lagen spätestens mit dem Schluss des Jahres 2016 vor. Der Anspruch des [X.] gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 [X.] entstand mit Abschluss des [X.] 2013. Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die subjektiven Merkmale des § 199 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bis zum Schluss des Jahres 2016 gegeben waren. Insoweit zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger habe nicht erheblich bestritten, dass er bereits im letzten Quartal 2015 Kenntnis vom "Diesel-" bzw. "Abgasskandal" im Allgemeinen gehabt habe (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.], NJW 2022, 1311 Rn. 17; Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.], [X.], 899 Rn. 18 f.). Es kann dahinstehen, ob der Kläger - wie vom Berufungsgericht angenommen - seine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs bereits im Jahr 2015 nicht erheblich bestritten hat, denn das Berufungsgericht hat durch Verweis auf den entsprechenden Vortrag der [X.] hinreichende Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger jedenfalls im Jahre 2016 die konkrete Betroffenheit seines Fahrzeugs ohne grobe Fahrlässigkeit hätte kennen müssen. Weiter hatte der Kläger Kenntnis von der Relevanz dieser Betroffenheit für seine Kaufentscheidung, wobei diese Kenntnis nicht gesondert festgestellt werden muss, sondern naturgemäß beim Geschädigten vorhanden ist (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.], [X.], 559 Rn. 30-32; Urteil vom 10. Februar 2022 - [X.], [X.], 899 Rn. 16, 26, 27).

c) Die Verjährung wurde auch nicht, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei erkannt hat, durch die Erhebung der Musterfeststellungsklage und die Anmeldung des Anspruchs des [X.] im Jahr 2018 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] gehemmt.

[X.]) Zwar ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger seinen Schadensersatzanspruch am 31. Dezember 2018 zu dem zu der Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte vor dem [X.] geführten Klageregister angemeldet hat (§ 608 Abs. 1 ZPO). Die Musterfeststellungsklage wurde - worauf es für den Zeitpunkt der Hemmung alleine ankommt ([X.], Urteil vom 29. Juli 2021 - [X.], [X.]Z 231, 1 Rn. 24; Urteil vom 19. Oktober 2021 - [X.], [X.], 97 Rn. 16; Urteil vom 27. Januar 2022 - [X.], [X.], 440 Rn. 11) - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (vgl. auch [X.], Beschluss vom 23. November 2018 - 4 MK 1/18, juris Rn. 1) der [X.] vor dem 15. November 2018 zugestellt.

[X.]) Der Kläger hat seinen Anspruch gegen die Beklagte aber nicht wirksam zum Klageregister angemeldet, weil er den Anspruch als Unternehmer und nicht als Verbraucher erworben hat und die Anmeldung eines Anspruchs durch einen Unternehmer von § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] nicht erfasst wird.

(1) Der Wortlaut der Regelungen des [X.] im Buch 6 der Zivilprozessordnung und deren Systematik ergeben, dass die Anmeldung zu einer Musterfeststellungsklage nur Verbrauchern eröffnet ist.

Nach § 608 Abs. 1 ZPO können Verbraucher Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die von den [X.] abhängen, zur Eintragung in das Klageregister anmelden. Nach § 613 Abs. 1 Satz 1 ZPO bindet ein rechtskräftiges Musterfeststellungsurteil das zur Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen einem angemeldeten Verbraucher und dem [X.] berufene Gericht, soweit dessen Entscheidung die [X.] und den Lebenssachverhalt der Musterfeststellungsklage betrifft. Außerdem ist nach § 613 Abs. 2 ZPO unter diesen Voraussetzungen ein Verfahren bis zur Entscheidung über die Musterfeststellungsklage auszusetzen, wenn ein Verbraucher nach Klageerhebung seinen Anspruch oder sein Rechtsverhältnis zum Klageregister anmeldet. Nach § 148 Abs. 2 ZPO kann ein Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von [X.] abhängt, die den Gegenstand eines anhängigen [X.] bilden, auf Antrag des [X.], der nicht Verbraucher ist, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des [X.] auszusetzen sei. Danach haben Unternehmer keinen Zugang zum Musterfeststellungsverfahren und können wirksam Forderungen nicht zum Klageregister anmelden.

(2) Der Kläger ist, wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, in Bezug auf die angemeldete Forderung gegen die Beklagte kein Verbraucher im Sinne der §§ 606 ff., § 29c Abs. 2 ZPO, wobei unerheblich ist, dass allein aus der Unternehmereigenschaft des [X.] nach § 2 UStG nicht ohne weiteres auf seine Qualifikation als Unternehmer in anderen Regelungszusammenhängen geschlossen werden kann (vgl. [X.], Urteil vom 3. März 2020 - [X.], [X.], 781 Rn. 16 ff.).

Der Gesetzgeber hat in § 29c Abs. 2 ZPO gerade im Hinblick auf die neu geschaffene Musterfeststellungsklage für das Prozessrecht eine Legaldefinition des Verbrauchers aufgenommen. Danach ist Verbraucher jede natürliche Person, die bei dem Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Zu dieser Legaldefinition sah sich der Gesetzgeber veranlasst, weil der materiell-rechtliche Verbraucherbegriff des § 13 [X.] die [X.] an den Abschluss eines Rechtsgeschäfts mit einem Verbraucher anknüpft. Der Gesetzgeber hielt es zur verbesserten Durchsetzung von [X.] für zweckmäßig, den Begriff des Verbrauchers für die prozessuale Geltendmachung weiter zu fassen, um auch eine Einbeziehung konkurrierender gesetzlicher Ansprüche eines Verbrauchers zu ermöglichen. Aus diesem Grund sollte nicht auf die rechtsgeschäftliche Entstehung des einzelnen Anspruchs abgestellt werden, sondern vielmehr darauf, dass der Anspruchsteller bei Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen seiner gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelte (vgl. BT-Drucks. 19/2439, [X.]; [X.], Urteil vom 31. März 2021 - 5 MK 3/20, BeckRS 2021, 9159 Rn. 24; [X.] ZPO/[X.], Stand: 1. Juli 2022, § 606 Rn. 12).

Nach diesen Maßstäben war der Kläger kein Verbraucher im Sinne von § 29c Abs. 2 ZPO. Der Kläger hat den schadensauslösenden Kaufvertrag unter seiner Firma abgeschlossen. Das Fahrzeug war seinem Betrieb zugeordnet.

(3) Die Anmeldung eines vom Kläger nicht in der Eigenschaft als Verbraucher erworbenen Anspruchs hemmte nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] die Verjährung nicht.

(a) In der Literatur ist streitig, ob die Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] gehemmt wird, wenn ein Unternehmer seine Forderung zum Klageregister anmeldet. Einerseits wird vertreten, auch die Anmeldung eines "vermeintlichen Verbrauchers" hemme die Verjährung ([X.] ZPO/[X.], Stand: 1. Juli 2022, § 608 Rn. 22; [X.]/[X.], [X.], 2019, § 204 Rn. 48e; wohl auch [X.] in Musielak/[X.], ZPO, 19. Aufl. 2022, § 608 Rn. 3). Andererseits wird angenommen, die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] komme nur bei Ansprüchen von Verbrauchern gegen Unternehmer in Betracht, denn nur Verbraucher könnten ihre Ansprüche wirksam im Sinne des § 608 ZPO zum Klageregister anmelden (§ 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO; BeckOGK [X.]/[X.], Stand: 1. Juni 2022, § 204 Rn. 112).

(b) Die zuletzt genannte Ansicht trifft zu. Die Verjährung wird nur gehemmt, wenn ein Verbraucher einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage anmeldet.

([X.]) Das ergibt zunächst der systematische Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften. Anders als die Regelungen zur Musterfeststellungsklage gemäß §§ 606 ff. ZPO spricht der [X.] des § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] zwar von einem Anspruch eines Gläubigers, nicht einschränkend von einem Anspruch eines Verbrauchers. Auch wird nur die in § 608 Abs. 1 ZPO formulierte Anmeldevoraussetzung, dass die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von den [X.] abhängen, ausdrücklich als Voraussetzung für die Hemmung in § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] genannt, wenn dort ausgesprochen wird, dass dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegen muss wie den [X.] der Musterfeststellungsklage (vgl. [X.] ZPO/[X.], Stand: 1. Juli 2022, § 608 Rn. 22; [X.]/[X.], [X.], 2019, § 204 Rn. 48e f.).

Gleichwohl setzt auch § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] eine Anmeldung als Verbraucher voraus. § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] verlangt, dass der Gläubiger seinen Anspruch zu dem zu der Musterfeststellungsklage geführten Klageregister "wirksam" angemeldet hat. Damit wird auf § 608 Abs. 2 ZPO verwiesen. Nach dieser Regelung ist eine Anmeldung nur wirksam, wenn sie frist- und formgerecht erfolgt und die dort genannten Angaben enthält, insbesondere die Angabe von Name und Anschrift des Verbrauchers. Die für die wirksame Anmeldung zur Musterfeststellungsklage maßgeblichen Kriterien gelten somit auch innerhalb des § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.].

Unerheblich ist, dass gemäß § 608 Abs. 2 Satz 3 ZPO die Richtigkeit der nach § 608 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu machenden Angaben bei der Anmeldung nicht geprüft wird, sondern erst im Nachfolgeprozess, wenn der Geschädigte seine individuellen Ansprüche gegen den Musterfeststellungsbeklagten geltend macht (vgl. [X.]/[X.], [X.], 2019, § 204 Rn. 48e). Denn die Verbindlichkeit der gesetzlichen Vorgaben hängt nicht vom Zeitpunkt ihrer Nachprüfung ab.

([X.]) Darüber hinaus spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte für eine einschränkende Auslegung des § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.]. Mit der Schaffung des neuen [X.]es in § 204 Abs. 1 Nr. 1a [X.] wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass angemeldete Verbraucher, die den Ausgang der Musterfeststellungsklage im Hinblick auf die Bindungswirkung des Musterfeststellungsurteils abwarten, nicht durch den Ablauf von Verjährungsfristen während der Dauer der Musterfeststellungsklage daran gehindert werden, ihren Anspruch nach Abschluss des [X.] erfolgreich gerichtlich durchzusetzen (BT-Drucks. 19/2439, [X.] zu Art. 6 Nr. 1). Anlass, Unternehmer in den gleichen Genuss der Hemmungswirkung zu bringen, besteht nicht, weil ein Unternehmer einen Anspruch zur Musterfeststellungsklage nicht anmelden kann (vgl. BeckOGK [X.]/[X.], Stand: 1. Juni 2022, § 204 Rn. 112). Konsequent wird daher von den prozessualen Wirkungen der Anmeldung, namentlich der Bindungswirkung des § 613 Abs. 1 ZPO, nur ein Verbraucher erfasst, nicht ein Unternehmer. Auch weist § 148 Abs. 2 ZPO dem Unternehmer den Weg zu einer eigenen Klage, die bei [X.] der Musterfeststellungsklage ausgesetzt werden kann (vgl. [X.]/[X.], [X.], 2019, § 204 Rn. 48e).

2. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht dem Kläger einen Anspruch auf [X.] nach §§ 826, 852 Satz 1 [X.] zuerkannt. Insbesondere hat es entgegen den Einwänden der Revision die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 852 Satz 1 [X.] hinreichend festgestellt. Daraus ergibt sich, dass die Bestellung des Fahrzeugs durch den Händler bei der [X.] auf der Bestellung durch den Kläger bei ihm beruht (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 28). Die insoweit erhobene Verfahrensrüge der Revision hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

3. Einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand hält dagegen die Berechnung des [X.]anspruchs durch das Berufungsgericht, weil es - die Beklagte nur im Ausgangspunkt nicht beschwerend - entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vom [X.] ausgegangen ist und die Regeln der Vorteilsausgleichung nur unvollständig angewandt hat.

a) Ausgangspunkt der Berechnung des Anspruchs aus § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 [X.] ist grundsätzlich der der [X.] zugeflossene [X.]. Denn regelmäßig ist die gesetzliche Umsatzsteuer untrennbarer Bestandteil der zivilrechtlich geschuldeten Leistung. Anderes hat das Berufungsgericht im Verhältnis der [X.] zum Händler nicht festgestellt. Der [X.] entspricht damit dem von der [X.] nach § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 [X.] [X.]en. Die Pflicht der [X.], vereinnahmte Umsatzsteuer abzuführen, könnte allenfalls ihre Entreicherung im Sinne des § 818 Abs. 3 [X.] zur Folge haben. Der [X.] ist indessen eine Berufung auf § 818 Abs. 3 [X.] nach § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 [X.] verwehrt ([X.], Urteil vom 12. September 2022 - [X.] unter [X.] mwN, zVb).

Für die Bemessung des von der [X.] [X.]en ist auch die Vorsteuerabzugsberechtigung des [X.] unerheblich. Obwohl dieser zum Vorsteuerabzug berechtigt war, bestimmte ein daraus resultierender Vorteil das [X.]e im Sinne der § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 [X.] nicht mit, sondern ist erst im Rahmen der auch auf den [X.]anspruch anwendbaren Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen (vgl. [X.], Urteil vom 12. September 2022 - [X.] unter [X.] mwN, zVb).

b) Überdies hat das Berufungsgericht die Grundsätze der Vorteilsausgleichung auf den Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 [X.] auch im Übrigen rechtsfehlerhaft nur unvollständig angewandt. Steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch nach §§ 826, 852 Satz 1 [X.] zu, ist von dem von der [X.] vereinnahmten [X.] der Wert der vom Kläger gezogenen Nutzungen in Abzug zu bringen. Zudem schuldet die Beklagte in diesem Fall [X.] nur Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des erworbenen Fahrzeugs (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 81 ff.; Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 16). Abweichend davon hat das Berufungsgericht den Kläger zwar zur Leistung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs verurteilt, den Nutzungsvorteil dagegen nur bei der Ermittlung des verjährten, zur Vergleichsbetrachtung herangezogenen Schadensersatzanspruchs des [X.] aus §§ 826, 31 [X.] berücksichtigt und nicht mit dem von ihm als erlangt ermittelten Betrag verrechnet.

4. Auch die Zinsberechnung des Berufungsgerichts ist nicht frei von [X.]. Die Beklagte schuldet aus § 291 [X.] Prozesszinsen aufgrund der Zustellung der Klage am 11. September 2020 erst ab dem 12. September 2020 ([X.], Urteil vom 24. Januar 1990 - [X.], NJW-RR 1990, 518, 519 [X.]; [X.], Urteil vom 15. November 2000 - 5 [X.], NJW 2001, 1517, 1519).

5. Wegen der nicht der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechenden Berechnung des Anspruchs aus §§ 826, 852 Satz 1 [X.] kann auch der Ausspruch über die Teilerledigung keinen Bestand haben.

III.

Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben, soweit darin zum Nachteil der [X.] erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Im Umfang der Aufhebung ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif im Sinne von § 563 Abs. 3 ZPO. Das Berufungsgericht wird abschließende Feststellungen zu einem Anspruch des [X.] auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu treffen haben.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen das Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem [X.] zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem [X.], [X.], durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

[X.]     

      

Möhring     

      

Krüger

      

Wille     

      

Liepin     

      

Meta

VIa ZR 124/22

26.09.2022

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 16. Dezember 2021, Az: 11a U 62/21

§ 31 BGB, § 195 BGB, § 199 Abs 1 BGB, § 204 Abs 1 Nr 1a BGB, § 214 Abs 1 BGB, § 826 BGB, § 608 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 26.09.2022, Az. VIa ZR 124/22 (REWIS RS 2022, 6630)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6630

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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