LG Hannover, Urteil vom 14.02.2022, Az. 13 O 129/21

13. Zivilkammer | REWIS RS 2022, 1278

DATENSCHUTZ SCHADENSERSATZ DSGVO ART. 82 DSGVO

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Gegenstand

Schadensersatz i.H.v. 5000,- Euro aus Art. 82 DSGVO wegen Negativeintragung


Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem [X.] zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 282,15 € freizustellen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 71% und die Beklagte zu 29%.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld aufgrund eines [X.] zu Lasten des [X.]ägers in der Auskunftei der Beklagten.

Der [X.]äger hatte mit der [X.] (nachfolgend: [X.]) unter der Meldeadresse seiner Eltern einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen, den sein Bruder nutzte. Im November / Dezember 2017 konnten die fälligen Beträge aus dem Vertragsverhältnis von der [X.] nicht abgebucht werden. Der [X.]äger wohnte zu dieser [X.] bereits nicht mehr bei seinen Eltern. Die [X.] veranlasste wegen der Forderungen im Januar 2018 einen [X.] bei der Beklagten (auf Anlage [X.] im [X.] [X.]äger wird Bezug genommen). Zum April 2018 kündigte die [X.] den Vertrag. Anlässlich eines Besuchs bei seinen Eltern erfuhr der [X.]äger dann im März 2018 durch ein [X.] von der Forderung. Im April 2018 glich der [X.]äger die Forderung aus. Im April 2019 nahm er Kontakt zur Beklagten auf, um den [X.] löschen zu lassen. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 12.04.2019 (auf Anlage [X.] im [X.] [X.]äger wird Bezug genommen) ab und verwies darauf, dass die Adresse "... [X.]" bestätigt worden,

[X.] jedoch nicht zu verzeichnen gewesen seien. Mit anwaltlichem Schreiben vom [X.] ließ der [X.]äger die [X.] und die Beklagte zur Löschung bzw. zum Widerruf der Datenmeldung auffordern (auf Anlagen [X.] und [X.] im [X.] [X.]äger wird Bezug genommen). Die [X.] lehnte das mit Schreiben vom 03.07.2019 unter Hinweis auf die Berechtigung zum Eintrag ab, da die Forderung zunächst nicht bezahlt worden sei (auf Anlage [X.] im [X.] [X.]äger wird Bezug genommen). Sie verwies dabei auch auf zwei Mahnschreiben vom 27.11.2017 und 13.12.2017. Mit Schreiben vom 12.07.2019 lehnte die Beklagte eine Löschung des Eintrages ab (auf Anlage [X.] im [X.] [X.]äger wird Bezug genommen). Mit [X.]ageschrift vom 28.05.2020 reichte der [X.]äger beim [X.] [X.]age auf Löschung des [X.]es ein, in der das [X.] vom 25.01.2021 - 13 O 133/20 - erlassen wurde. Da der [X.] am 04.03.2021 noch immer gespeichert war (auf Anlage [X.] im [X.] [X.]äger wird Bezug genommen), ließ der [X.]äger die Beklagte mit Schreiben vom 09.03.2021 zur Erfüllung des [X.]s auffordern. Mit Schreiben vom 15.03.2021 teilte die Beklagte mit, dass die Löschung vorgenommen sei; er war in einer Auskunft vom 07.09.2021 nicht mehr enthalten (auf Anlage [X.] 7 im [X.] [X.]äger wird Bezug genommen). Mit Schreiben vom [X.] ließ der [X.]äger von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von insgesamt 17.500,00 € fordern, dessen Zahlung die Beklagte mit Schreiben vom [X.] (auf Anlage [X.] im [X.] [X.]äger wird Bezug genommen) ablehnte.

Streitig ist zwischen den Parteien, ob und inwieweit Darlehen aufgrund des Eintrags nicht oder nicht so gewährt wurden, wie sie ohne diesen Eintrag gewährt worden wären.

Der [X.]äger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das [X.] Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 1.000,00 Euro [X.] Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem [X.] für den [X.]raum vom 10.01.2018 bis zum 12.04.2019,

2. die Beklagte zu verurteilen, angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das [X.] Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 9.500,00 Euro [X.] Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem [X.] für den [X.]raum vom 13.04.2019 bis zum 25.01.2021,

3. die Beklagte zu verurteilen, angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das [X.] Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 7.000,00 Euro [X.] Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem [X.] für den [X.]raum vom [X.] bis zum 15.03.2021,

4. die Beklagte zu verurteilen, den [X.]äger von dem verbleibenden Rest der entstandenen außergerichtlichen Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14 Nr. 2300 W RVG in Höhe von 711,03 Euro nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die [X.]age abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Eintrag nicht rechtswidrig gewesen sei, weil die Mahnungen der [X.] an die Eltern des [X.]ägers übersandt und ihm damit auch ohne seine Kenntnis zugegangen sei. Zudem habe der [X.]äger keinen kausalen Schaden nachgewiesen. Schließlich treffe die Beklagte bis zum [X.] auch kein Verschulden, sie habe davon ausgehen dürfen, dass der Eintrag der [X.] rechtmäßig gewesen sei.

Entscheidungsgründe

1

I.

2

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

3

A. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das [X.] örtlich gemäß § 44 Abs. 1 [X.] zuständig.

4

B. Die Klage ist in Höhe eines Betrages von 5.000,00 € (nachfolgend zu 1.) nebst Verzugszinsen (nachfolgend zu 2.) sowie im Hinblick auf die Freistellung des [X.] von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 282,15 € (nachfolgend zu 3.) begründet. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen (nachfolgend zu 4.).

5

Im Einzelnen:

6

1. Der Kläger kann von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 5.000,00 € aus Art. 82 Abs. 1 [X.] verlangen.

7

a. Die von der [X.] veranlassten [X.] vom 10.01.2018 haben den Kläger rechtswidrig in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

8

Eine nicht von den Bestimmungen des zum [X.]punkt des [X.] insoweit noch maßgeblichen § 28a [X.] (Art 6 Abs. 1 Buchst, f [X.] (i.V.m. § 31 [X.] n.F.) gilt gern, deren Art. 99 Abs. 2 ab dem 25.05.2018) gedeckte Übermittlung personenbezogener Daten stellt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, das als sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 [X.] Schutz genießt ([X.], Urteil vom [X.]/82-, Rn. 14, juris; [X.], Urteil vom 12.09.2014- 1-16 U 7/14-, Rn. 5, juris). Nach §4 Abs. 1 [X.] a.F. ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit das [X.] oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Eine Einwilligung hat der Kläger nicht erteilt. Deswegen ist die Übermittlung der Daten aus dem Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der [X.] an die Beklagte an § 28a [X.] a.F. zu messen. Vorliegend scheitert deren Zulässigkeit schon an der Voraussetzung des § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst, a) [X.] a.F., weil sich nicht feststellen lässt, dass die [X.] den Kläger mindestens zweimal schriftlich gemahnt hat.

9

Die Darlegungs- und Beweislast für die Zulässigkeit der Übermittlung von Daten trägt grundsätzlich die übermittelnde Stelle (vgl. [X.], Urteil vom 21.10.2014 - 1-15 U 107/14-, Rn. 59, juris; [X.] a.a.[X.], Rn. 5; [X.], Urteil vom 14.07.2020- 9 O 145/19-, Rn. 31, 47) resp. vorliegend die Beklagte als die die Daten verarbeitende Stelle [X.]. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. Im Übrigen beruft sich die Beklagte auf die Mahnungen als ihr günstige - weil sie zur Aufnahme des [X.] in ihre Auskunftei berechtigende - Tatsache und trägt damit auch nach allgemeinen Grundsätzen die Last des Beweises (vgl. [X.] in: [X.], [X.], 16. Aufl. 2020, § 130 [X.], Rn. 33).

10

Soweit die [X.] Mahnungen an den Kläger unter dessen seinerzeit für ihn nicht mehr aktuelle Anschrift (nur noch) seiner Eltern gesandt hat, lässt sich deren Zugang beim Kläger unabhängig davon nicht feststellen, ob diese den Eltern des [X.] zugegangen sind. Der Kläger mag durch sein Verhalten, seine neue Adresse nicht an seine Vertragspartner mitgeteilt zu haben, eine Ursache dafür gesetzt haben, dass ihn die an ihn gerichtete Post und damit auch die Mahnungen nicht erreicht haben. Das ändert aber nichts daran, dass sich ein Zugang beim Kläger nicht feststellen lässt und ist für die Frage der Zulässigkeit der Datenverarbeitung zunächst ohne Belang. Nach dem Sinn und Zweck der in § 28 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst, a) bis c) [X.] aufgestellten Erfordernisse reicht eine bloße Versendung von Mahnungen nicht aus; vielmehr ist grundsätzlich ein Zugang beim Betroffenen erforderlich, um die beabsichtigte Warnfunktion zu erfüllen und diesem so entweder einen Ausgleich der Forderung zu ermöglichen oder ihn in die Lage zu versetzen, Einwendungen gegen die Forderung zu erheben (vgl. [X.]. 548/08, S. 25 f.); dabei obliegt auch allein dem Absender der Nachweis eines Zugangs von ihm versandter Schreiben, der das durch es ein geeignetes Versandverfahren sicher stellen könnte; das wäre im Hinblick auf die Folgen einer negativen Eintragung im Hinblick auf die Kreditwürdigkeit des Betroffenen auch ohne weiteres zumutbar und der [X.] trägt das Risiko, wenn er sich so der Möglichkeit des Nachweises begibt; auch ein Anscheinsbeweis greift insofern grundsätzlich nicht ein, weil es vielfache Ursache dafür geben kann, dass ein Schreiben den Empfänger nicht erreicht (vgl. [X.], a.a.[X.], Rn. 59, juris).

11

b. Die Beklagte hat gegen Art. 6 Abs. 1 [X.] durch die nicht im Sinne der Vorschrift rechtmäßige Datenverarbeitung verstoßen, weil diese gemessen an §§ 28a Abs. 1 Nr. 4 Buchst, a), 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. bzw. § 31 Abs. 2 Nr. 4 Buchst, a) [X.] n.F. (auch wenn diese Neufassung nicht mehr die Übermittlungsvoraussetzungen definiert, sondern nur Anforderungen an den Datenkranz, der für die Ermittlung von Wahrscheinlichkeitswerten verwendet werden darf, so werden dadurch die Übermittlungsvoraussetzungen doch zumindest mittelbar bestimmt und in [X.] durch den Gesetzgeber fortgeschrieben, vgl. [X.] in: [X.], [X.]/[X.], 3. Aufl. 2018, §31 [X.], Rn. 49) mangels (nachgewiesener) Mahnungen des [X.] durch die [X.] nicht rechtmäßig war.

12

c. Soweit der Kläger mithin in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt ist, bedarf es keiner Feststellung, dass es sich dabei um eine schwerwiegende handelt.

13

Anders als für die Zubilligung eines Schmerzensgeldes nach §§ 823 Abs. 1, 249, 253 [X.], Art 1 und 2 GG wird eine solche von Art. 82 GG nicht vorausgesetzt (vgl. ([X.]/[X.], [X.]. 1.11.2021, DS-GVO Art. 82 Rn. 32; [X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 82 Rn. 13; [X.], Urteil vom 04.09.2020 - 324 S 9/19 -, Rn. 34, juris; [X.], a.a.[X.], Rn. 55, juris).

14

d. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt.

15

Ein solches Verschulden ist - wie nach Auffassung der Kammer schon Art. 82 Abs. 3 [X.] zeigt - auch im Rahmen einer Haftung nach Art. 82 [X.] erforderlich und wird zunächst mit der Möglichkeit einer Exkulpation vermutet (vgl. [X.], Urteil vom 31.03.2021 - 9 U 34/21 -, Rn. 43, juris; [X.], Urteil vom 02.08.2019- 8 O 26/19-, Rn. 15, juris; [X.], a.a.[X.], Rn. 9; [X.], a.a.[X.], Rn. 17; a.A. wohl: [X.], [X.] vom 26.08.2021 - 8 [X.] (A) -, Rn. 39, juris).

16

Daran gemessen traf die Beklagte zunächst nicht der Vorwurf eines schulhaften Verhaltens, weil ihr die Prüfung der Voraussetzung der Übermittlung in § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Buchst, a) [X.] a.F. zunächst nicht oblag (vgl. [X.] Urt. v. 15.05.2002 - 21 O 97/01, BeckRS 2002, 31212889, beck-online). Die Beklagte musste mithin nicht ohne irgendeinen Anhaltspunkt überprüfen, ob der Kläger nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung der [X.] mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden war, sondern durfte sich vielmehr darauf verlassen, dass die [X.] als übermittelnde Stelle das getan hatte.

17

Die Beklagte hatte dann aber Anlass zur Prüfung dieser Frage, nachdem ihr der Kläger im April 2019 mitgeteilt hatte, dass er nicht gemahnt worden sei, die Voraussetzungen für die [X.] also - jedenfalls aus seiner Sicht - nicht Vorlagen. Soweit sie mangels der Kenntnis der Problematik der Mahnungen und ihres Zugangs beim Kläger deswegen bis dahin [X.]. Art. 82 Abs. 3 [X.] exkulpiert war und (noch) nicht schuldhaft handelte, gelingt ihr das für die [X.] ab April 2019 nicht mehr und das Verschulden der Beklagten seitdem ist zu vermuten. Die Beklagte hatte ab April 2019 Anlass, die Frage der Rechtmäßigkeit zu prüfen. Die ihr obliegende Sorgfalt hätte das auch erfordert und die Beklagte handelte seitdem mindestens fahrlässig, solange sie das nicht tat.

18

e. Der Kläger hat auch einen immateriellen Schaden erlitten.

19

Es kann dahinstehen, ob auch unter Berücksichtigung des weiten Schadensbegriffs (vgl. Erwägungsgrund 146) nicht bereits jeder Verstoß gegen die [X.] zu einer Ausgleichspflicht führt, weil der Verpflichtung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens eine benennbar und insoweit tatsächliche Persönlichkeitsverletzung gegenüberstehen muss ([X.], a.a.[X.]-, Rn. 33 f., juris). Denn jedenfalls eine in einer unrechtmäßigen Zugänglichmachung von Daten liegenden "Bloßstellung" stellt eine solche dar (vgl. [X.], a.a.[X.]; [X.], a.a.[X.], Rn. 19, juris; [X.], a.a.[X.], Rn. 55; [X.]/[X.], DS-GVO, 2. Auflage, Art. 82 Rn. 13).

20

Die Beklagte hat daran gemessen, die mit den [X.]n verbundenen Daten ihren Vertragspartnern zum Abruf bereit- und schon dadurch den Kläger "bloßgestellt". Bei der Beklagten handelt es sich um eine [X.], ein Warnsystem der Kreditwirtschaft, dessen Aufgabe es ist, ihren Vertragspartnern Informationen zur Verfügung zu stellen, um sie vor Verlusten im Kreditgeschäft mit natürlichen Personen zu schützen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 13.02.2015- 1-16 U 41/14-, Rn. 28, juris). Innerhalb dieses Systems hat die Beklagte die Daten nicht nur zur Verfügung gestellt, sie wurden ausweislich der Auskunft vom 04.03.2021 auch mehrfach und sowohl im Kontext privater Anfragen als auch bezogen auf die Tätigkeit des [X.] als Inhaber einer Physiotherapiepraxis abgerufen. Darauf, ob die [X.] auch dazu führten, dass dem Kläger kein Kredit oder ein solcher zu anderen (schlechteren) Bedingungen gewährt wurde als er ohne die Einträge gewährt worden wäre, kommt es indes für den immateriellen Ersatzanspruch nicht an.

21

f. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des [X.] rechtfertigt und erfordert die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 5.000,00 €.

22

aa. Für den immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 [X.] gelten die im Rahmen von § 253 [X.] entwickelten allgemeinen Grundsätze ([X.]/[X.], a.a.[X.], Rn. 31; [X.], a.a.[X.], Rn. 9). Deswegen kann auch das Mitverschulden des Betroffenen analog § 254 [X.] bei der Bemessung der [X.] zu berücksichtigen sein (vgl. [X.]/[X.], a.a.[X.], Rn. 28; [X.]/[X.], a.a.[X.], Rn. 15; a.A. wohl [X.]/[X.]/Bergt, 3. Aufl. 2020, DS-GVO Art. 82; [X.], a.a.[X.]).

23

bb. Vorliegend rechtfertigt der Verstoß der Beklagten unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 €.

24

(1) Die Daten zur Bonität des [X.] sind schützenswerte und sensible Daten, die sowohl seine berufliche Tätigkeit als auch seine Kreditwürdigkeit im privaten Rahmen betreffen. Sie können maßgeblichen negativen Einfluss auf die Teilnahme am wirtschaftlichen Verkehr in diesen Bereichen haben, indem Kredite versagt oder vom Kläger angestrebte Verträge mit ihm nicht abgeschlossen werden. Dass die Beklagte als Warnsystem der Kreditwirtschaft mit ihren Auskünften und dem ersichtlich zu diesem Zweck und auf der Grundlage der Einträge ja errechneten [X.] (der -wenn auch die Algorithmen zu dessen Bildung nicht bekannt sind und der Wert damit nicht nachvollziehbar ist - sich am [X.] auf 55,2% (vgl. [X.]), am 04.03.2021 auf 69,56 € (vgl. [X.]) und am [X.] und mithin nach Löschung der [X.] auf 91,79% belief) auf derartiges keinen Einfluss ausübt, wird man nicht ernsthaft annehmen können. Dieser Einfluss - ohne dass es im Rahmen eines immateriellen Anspruchs der konkreten Feststellung der materiellen Nachteile bedarf - ist auch von einigem Gewicht; zutreffend weist das [X.] darauf hin, dass dadurch mittelbar Grundrechte wie die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt werden können ([X.], a.a.[X.], Rn. 58).

25

(2) Für die Bemessung des Schmerzensgeldes sind die [X.] sind April 2019 bis zur Löschung wohl kurz nach dem 04.03.2021 zu berücksichtigen und hatten damit ungefähr zwei Jahre Bestand.

26

(3) Sie fielen auch in einen [X.]raum, der aufgrund der [X.] ohnehin für am Wirtschaftsleben Teilnehmende mit großen wirtschaftlichen Risiken und Probleme verbunden war, der Kläger war damit für die Folgen der [X.] in besonderem Maße anfällig.

27

(4) Weiter ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Beklagte zwar einerseits zunächst kein erhebliches Verschulden traf, mit zunehmender Dauer des rechtswidrigen Zustandes ab den ersten Hinweisen durch den Kläger im April 2019 über die Klageerhebung im Mai 2020 ihr die Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Handelns hätten immer stärker hätten aufkommen müssen. Das gilt ganz besonders für die [X.] nach Erlass des [X.] vom 25.01.2021 und dem Umstand, dass die [X.] auch am 04.03.2021 noch gespeichert waren.

28

(5) Gleichermaßen kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger eine zu den [X.]n führende Ursache selbst gesetzt hat. Dadurch, dass er der [X.] die Änderung seiner Adresse nicht mitgeteilt hat, hat er ihr die Möglichkeit genommen, ihn mit ihren Mahnungen auf dem zwar im Hinblick auf den Nachweis des Zugangs riskanten, aber immerhin ganz üblichen Versandweg eines einfachen Briefs auch zu erreichen. Das Verhalten des [X.] nach Kenntnis von den Rückständen lässt vermuten, dass es dann sogleich zum Ausgleich der Forderungen der [X.] gekommen wäre und die [X.] nicht lanciert worden wären.

29

cc. Nach alledem [X.] geschehen - ein einheitliches Schmerzensgeld zu bilden.

30

Die vom Kläger vorgenommene Berechnung nach [X.]abschnitten ist mithin nicht vorzunehmen. Soweit eine Bemessung eines Schmerzensgeldes nach (zwei) [X.]abschnitten ausnahmsweise dann vorgenommen werden kann, wenn es einerseits um die Zahlung von Kapital und andererseits um Rente geht (vgl. [X.], Urteil vom 08.06.1976 - [X.] -, juris), kommt eine solche im Übrigen und insbesondere bei einer Zahlung (nur) von Kapital nicht in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 11.02.2000 - 9 U 204/99 -, Rn. 17, juris; [X.], Beschluss vom 14.04.2020 -15 W 18/20 -, Rn. 17 -18, juris; jeweils m.w.[X.]).

31

2. Der Kläger kann Verzugszinsen ab dem 10.04.2019 aufgrund des ablehnenden Schreibens der Beklagten vom [X.] gern. §§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 [X.] verlangen, wobei entsprechend § 187 Abs. 1 [X.] die Verzinsung erst an dem auf den Verzugseintritt folgenden Tag beginnt (vgl. [X.]/Repgen (2019) [X.] § 187, Rn. 5; [X.], Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Aufl., Rn. 1 zu § 187 m.w.[X.]).

32

3. Schließlich hat der Kläger einen Anspruch auf Freistellung der zur Rechts Verfolgung erforderlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Bei einem Gegenstandswert von 5.000,00 € (maßgeblich ist der berechtigte Teils der außergerichtlich geltend gemachten Forderung (vgl. [X.], Urteil vom 18.07.2017 -VI [X.] -, Rn. 7, juris; [X.], Urteil vom 12.12.2017 - [X.] -, Rn. 5, juris)) belaufen sich diese nach §§13 Abs. 1, i.V.m. Nrn. 2300, 7002, 7008 VV [X.] auf die angemessene 1,3 Geschäftsgebühren nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer unter Anrechnung einer 0,65 Geschäftsgebühr gern. Vorbemerkung 3 Abs. 4 [X.], § 15a [X.], mithin auf (217,10 € + 20,00 € + 45,05 € =) 282,15 €.

33

4. Im Übrigen ist die Klage nach [X.] und deswegen abzuweisen, weil der Kläger auch die Zahlung von Prozess- oder auch Verzugszinsen auf die von ihm seinen Prozessbevollmächtigten geschuldeten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten Kläger nicht verlangen kann. Da er die Zahlung unmittelbar an seine Prozessbevollmächtigten begehrt, macht er insoweit einen Freistellungsanspruch geltend. Freistellungsansprüche fallen aber nicht unter § 288 [X.], da sie [X.] begründen ([X.] in: [X.], [X.], 16. Aufl. 2020, § 288 [X.], Rn. 6, m.w.[X.]).

34

II.

35

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2022 am 07.02.2022 eingegangene Schriftsatz vom gleichen Tag gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung gern. § 156 ZPO.

36

III.

37

Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZP[X.]

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Meta

13 O 129/21

14.02.2022

LG Hannover 13. Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

Zitier­vorschlag: LG Hannover, Urteil vom 14.02.2022, Az. 13 O 129/21 (REWIS RS 2022, 1278)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 1278

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10.000 Euro Schadensersatz aus Art. 82 DSGVO


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Zitiert

9 O 145/19

9 U 204/99

VI ZR 465/16

VI ZR 611/16

15 U 107/14

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