BT-Drucksache 16/1564

Für einen Schutz der Opfer von Zwangsverheiratungen, für die Stärkung ihrer Rechte und die längerfristige Bekämpfung der Ursachen patriarchaler Gewalt

Vom 19. Mai 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/1564
16. Wahlperiode 19. 05. 2006

Antrag
der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Karin Binder, Ulla Jelpke, Wolfgang Neskovic,
Petra Pau, Jan Korte, Kersten Naumann, Dr. Hakki Keskin, Klaus Ernst, Frank
Spieth, Dr. Martina Bunge, Inge Höger-Neuling, Elke Reinke, Diana Golze, Jörn
Wunderlich, Katja Kipping, Dr. Ilja Seifert, Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Dietmar
Bartsch, Dr. Lothar Bisky, Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Roland Claus,
Dr. Diether Dehm, Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann, Wolfgang Gehrcke,
Heike Hänsel, Lutz Heilmann, Hans-Kurt Hill, Cornelia Hirsch, Dr. Barbara Höll,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Monika Knoche, Katrin Kunert, Michael Leutert, Ulla
Lötzer, Dr. Gesine Lötzsch, Ulrich Maurer, Dorothee Menzner, Kornelia Möller,
Dr. Norman Paech, Bodo Ramelow, Paul Schäfer (Köln), Volker Schneider
(Saarbrücken), Dr. Herbert Schui, Dr. Petra Sitte, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel
Troost, Alexander Ulrich, Sabine Zimmermann, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine
und der Fraktion DIE LINKE.

Für einen Schutz der Opfer von Zwangsverheiratungen, für die Stärkung ihrer
Rechte und die längerfristige Bekämpfung der Ursachen patriarchaler Gewalt

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

1. Gewalt gegen Frauen und Mädchen stellt die weltweit verbreitetste und all-
täglichste Menschenrechtsverletzung dar. Sie ereignet sich häufig im „Stil-
len“ (Privaten) bzw. erfährt nur eine ungenügende Aufmerksamkeit. Patriar-
chale Gewalt kennt keine Grenzen und findet in allen kulturellen, religiösen
und sozialen Schichten einer Gesellschaft statt.

2. Eine Form patriarchaler Gewalt ist die Zwangsverheiratung. In Deutschland
haben Zwangsverheiratungen von Frauen und Mädchen besonders mit Mig-
rationshintergrund erst in den letzten Jahren eine größere Beachtung in der
Öffentlichkeit erlangt. Genauere und verlässliche Zahlen und Erkenntnisse
über den Umfang und die Gestalt von Zwangsheiraten in Deutschland liegen
dessen ungeachtet immer noch nicht vor. Fest steht jedoch, dass die konkret
Betroffenen dringender Hilfe und Unterstützung bedürfen, denn das Recht
auf Selbstbestimmung und freie Wahl der Lebenspartnerin/des Lebenspart-
ners ist ein unteilbares Menschenrecht. Zur grundlegenden Stärkung der
Rechtsposition und Handlungsoptionen der Opfer von Zwangsverheiratun-
gen sind aufenthaltsrechtliche Korrekturen und Maßnahmen zu ihrem effek-

tiven Schutz, zur Beratung und Information, sowie allgemeine Präventions-,
Schulungs- und Aufklärungsmaßnahmen vorrangig.

3. Maßnahmen zur Verhinderung von Zwangsheiraten und zum Schutz der Opfer
dürfen nicht zu ungerechtfertigten Pauschalisierungen und zur Ausgrenzung
von Migrantinnen/Migranten in Deutschland instrumentalisiert werden. So-
wohl Frauenverbände als auch Migrantenvereine müssen in die Konzeption
und Ausgestaltung geeigneter Maßnahmen einbezogen werden. Diese müssen

Drucksache 16/1564 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

an den patriarchalen Begründungsmustern für Zwangsehen und Ehrbegriffe
ansetzen und sowohl die Eltern als auch die (männlichen) Familienangehöri-
gen, als auch gesellschaftliche Institutionen mit einbeziehen. Aktivitäten zum
„empowerment“ der Betroffenen müssen von der individuellen Autonomie
und den konkreten Lebensplänen der Frauen ausgehen und Wünsche nach
einer Bewahrung kultureller oder auch familiärer Wurzeln respektieren. Dies
kann nur gelingen in einem politischen Rahmen, der die pluralistische Gestalt
und den Einwanderungscharakter unserer Gesellschaft vorbehaltlos anerkennt.
Die Fortsetzung der repressiven und ausgrenzenden Ausländerinnen-/Auslän-
derpolitik der Vergangenheit wird den Rückgriff auf patriarchale und traditio-
nelle Verhaltensmuster auf Seiten der Migrantinnen/Migranten eher stärken.

4. Geplante Regelungen zur Einschränkung des Ehegattennachzugs sind nicht
geeignet, um Zwangsverheiratungen wirksam bekämpfen zu können, und
greifen massiv in die grundrechtlich geschützten Rechte von Eheleuten ein.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zum Schutz der Frauen und zur Verhinderung von Zwangsheiraten und
Zwangsehen eng aufeinander abgestimmte Maßnahmen zu ergreifen und
Länder und Gemeinden dabei miteinzubeziehen, insbesondere soweit der
Bund keine eigene Gesetzgebungs- oder Handlungskompetenz besitzt;

2. vorrangig aufenthaltsrechtliche Änderungen zur Stärkung der Rechte von
zwangsverheirateten Frauen vorzunehmen und dabei

a) in § 31 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) sicherzustellen, dass
Opfern einer Zwangsheirat ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erteilt
wird, damit sie sich aus ihrer Zwangslage befreien können ohne Angst, ab-
geschoben und im Herkunftsland womöglich erneut patriarchaler Gewalt
ausgesetzt zu werden,

b) im Rahmen des § 37 AufenthG verschleppten zwangsverheirateten
Frauen, die als Minderjährige ihren rechtmäßigen Aufenthalt in Deutsch-
land hatten, ein unbeschränktes Recht auf Wiederkehr einzuräumen unab-
hängig von Nachweisen eigenen Erwerbseinkommens oder einer be-
stimmten Aufenthaltsdauer,

c) in § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG dafür Sorge zu tragen, dass für die betrof-
fenen Frauen ein Aufenthaltstitel in Fällen der „Heiratsverschleppung“
nicht erlischt,

d) bei jugendlichen Migrantinnen/Migranten vorsorglich die Erteilung einer
Niederlassungserlaubnis von Amts wegen (statt auf Antrag) vorzusehen
(§ 35 Abs. 1 AufenthG),

e) in § 25 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum wirksa-
men Schutz der in Deutschland lebenden zwangsverheirateten oder von
Zwangsverheiratungen bedrohten Mädchen und Frauen ohne einen ge-
sicherten Aufenthaltstitel vorzusehen,

f) eine Erhöhung des Ehegattennachzugsalters auf 21 Jahre und die Forde-
rung nach Deutschkenntnissen vor einer Einreise im Rahmen des Fami-
liennachzugs als ungeeignete und unverhältnismäßige Eingriffe in den
vom Artikel 6 Abs. 1 des Grundgesetzes erfassten Schutzbereich der Ehe
zu unterlassen;

3. Maßnahmen zur Verbesserung der rechtlichen Lage zwangsverheirateter
Frauen zu ergreifen, insbesondere

a) durch Einfügung der besonders schweren Form der Nötigung in § 5 des
Strafgesetzbuches (StGB) als Nummer 6b oder in § 6 StGB als Num-
mer 4a die Zwangsheirat unter das „Weltrechtsprinzip“ zu stellen, um

die Regelungslücke in Bezug auf „Ferienverheiratungen“ in der Rechts-
praxis zu schließen,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/1564

b) durch Aufnahme der besonders schweren Form der Nötigung nach § 240
Abs. 4 Nr. 1 StGB in den Katalog nebenklagefähiger Delikte nach § 395
Abs. 1 Nr. 1 der Strafprozessordnung (StPO) Opfern von Zwangsverhei-
ratungen die Möglichkeit zu eröffnen, im Strafprozess als Nebenklägerin-
nen aufzutreten, damit sie aktiv am Prozess teilnehmen und über beson-
dere Verfahrensrechte verfügen können (Informationen über Haftverscho-
nung und Entlassung des Angeklagten, Anonymisierung der eigenen
Adresse, eigenständiges Anwesenheits- und Akteneinsichtsrecht usw.),

c) durch Aufnahme der besonders schweren Form der Nötigung nach § 240
Abs. 4 Nr. 1 StGB in § 397a Abs. 1 Satz 1 StPO der Nebenklägerin auf
ihren Antrag hin eine rechtsanwaltliche Vertretung beizuordnen, da dies
angesichts der von Prozessbeginn an schwierigen Rechtsfragen (etwa zum
Zeugnisverweigerungsrecht) und angesichts des zumeist ungesicherten
Einkommens der Betroffenen dringend erforderlich ist,

d) in privatrechtlichen Angelegenheiten getrennte Anhörungen und Verneh-
mungen zu ermöglichen (§ 613 Abs. 1 und § 357 Abs. 1 der Zivilprozess-
ordnung (ZPO),

e) die familienrechtlichen Zuständigkeitsregelungen so auszugestalten, dass
der Wohnort der Frauen und Kinder nach einer Trennung unbekannt bleibt,
um Gefährdungen und Bedrohungen auszuschließen (§ 606 Abs. 1 ZPO),

f) Personen, die durch die Ausübung einer Drohung zur Eheschließung mit
beigetragen haben, vom gesetzlichen Erbrecht auszuschließen, es sei
denn, dass die Aufhebbarkeit der Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht
hätte geltend gemacht werden können,

g) die Antragsfrist zur Aufhebung einer Zwangsehe von einem Jahr auf drei
Jahre zu verlängern;

4. a) Voraussetzungen zu schaffen, dass Beratungs-, Betreuungs- und Schutz-
angebote und -einrichtungen für Frauen und Mädchen ausgebaut und spe-
ziell in Bezug auf die Opfer von Zwangsheiraten qualifiziert, vernetzt und
verstärkt werden, wobei diese Angebote Folgendes gewährleisten müssen:

● niedrigschwellige Hilfe, absolute Anonymität und Vertrauenswürdigkeit,

● interkulturelle Kompetenz und qualifizierte Sprachmittlung,

● Angebot einer sicheren Lebensperspektive und eines realistischen und
die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen berücksichtigenden
Auswegs aus der Zwangslage (unmittelbare Zufluchtsmöglichkeiten;
Sicherung des Lebensunterhalts; Unterstützungsleistungen im Umgang
mit Behörden, Polizei und Gerichten; Gewährleistung von Schulbe-
such, Ausbildung oder Beruf usw.).

Die Beratungs- und Hilfsangebote werden als Anlaufstellen (mehrspra-
chig) bekannt gemacht, sowohl unter den potentiell Betroffenen als auch
unter den Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern in öffentlichen Einrichtungen und
Behörden.

Zudem wird eine bundesweite Telefonhotline eingerichtet, die Opfern von
Zwangsheirat und Menschenhandel anonym, kostenfrei und mehrsprachig
Hilfe anbietet.

Zeugenschutzprogramme werden für Opfer von Zwangsheiraten und
häuslicher Gewalt geöffnet und entsprechend den oben genannten Krite-
rien weiterentwickelt;

b) im Sinne der Prävention über Zwangsheiraten aufzuklären, wobei fol-
gende Gesichtspunkte besonders beachtet werden:
● Aufklärungskampagnen (Plakate, Internetangebote, Informationsbro-
schüren usw.) erfolgen in sachlicher und nicht ausgrenzender Form,

Drucksache 16/1564 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

● Mitarbeiterinnen/Mitarbeier von Schulen, Behörden, Beratungsstellen
und Frauenhäusern, medizinischen Einrichtungen usw. werden beson-
ders sensibilisiert und fortgebildet,

● Migrantenverbände und Vereine werden bei der Aufklärungsarbeit ein-
bezogen und beteiligt, auch als Expertinnen/Experten in eigener Sache,
die die Mehrheitsgesellschaft über die besondere Lage und Lebens-
weise von Migrantinnen/Migranten in Deutschland aufklären können,

● Zwangsverheiratungen und patriarchale Herrschafts- und Gewaltfor-
men werden in den Schulen frühzeitig und offen thematisiert. Dabei
werden tradierte geschlechtsspezifische Rollen- und Denkmuster unter
Berücksichtigung der Vielfalt der Glaubensrichtungen und Herkünfte
der Kinder in Frage gestellt. Männliche Kinder und Jugendliche wer-
den besonders angesprochen. Eltern sind in geeigneter Form einzube-
ziehen (etwa über deutsche und muttersprachliche Elternbriefe, über
Migrantenvereine, durch Elternkurse, Elternbeauftragte, gemeinsame
Projekte usw.);

5. eine umfassende und unabhängige Studie zur Erforschung von Zwangsver-
heiratungen in Deutschland in Auftrag zu geben, um auf dieser Grundlage die
Geeignetheit der bisherigen Maßnahmen und die Notwendigkeit weiterer
Initiativen überprüfen zu können. Untersucht werden sollten quantitative und
qualitative Erscheinungsformen der Zwangsehe in Abgrenzung zu arrangier-
ten und „Imam-Ehen“ sowie die Ursachen von Zwangsverheiratungen und
Erfolg versprechende Interventions- und Überwindungsmöglichkeiten;

6. die bisherigen Erfahrungen mit der 37. Strafrechtsänderung (§ 240 Abs. 4
Nr. 1 StGB: Zwangsehe als besonders schwere Form der Nötigung) im Rah-
men einer praxisnahen Untersuchung der Gerichtspraxis auszuwerten und zu
evaluieren;

7. ein in sich schlüssiges und nicht auf Abwehr und Auslese bedachtes Integra-
tionskonzept vorzulegen, das durch den aktiven Einbezug der Migrantinnen
und Migranten sowie durch positive Maßnahmen zur Verbesserung ihrer so-
zialen, rechtlichen und politischen Lage langfristig dazu beitragen könnte,
traditionellen und patriarchalen Verhaltens- und Denkmustern entgegenzu-
wirken.

Berlin, den 19. Mai 2006

Sevim Dagdelen
Karin Binder
Ulla Jelpke
Wolfgang Neskovic
Petra Pau
Jan Korte
Kersten Naumann
Dr. Hakki Keskin
Klaus Ernst
Frank Spieth
Dr. Martina Bunge
Inge Höger-Neuling
Elke Reinke
Diana Golze
Jörn Wunderlich
Katja Kipping
Dr. Ilja Seifert

Dr. Dietmar Bartsch
Dr. Lothar Bisky
Heidrun Bluhm
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Diether Dehm
Werner Dreibus
Dr. Dagmar Enkelmann
Wolfgang Gehrcke
Heike Hänsel
Lutz Heilmann
Hans-Kurt Hill
Cornelia Hirsch
Dr. Barbara Höll
Dr. Lukrezia Jochimsen
Monika Knoche
Katrin Kunert

Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothee Menzner
Kornelia Möller
Dr. Norman Paech
Bodo Ramelow
Paul Schäfer (Köln)
Volker Schneider (Saarbrücken)
Dr. Herbert Schui
Dr. Petra Sitte
Dr. Kirsten Tackmann
Dr. Axel Troost
Alexander Ulrich
Sabine Zimmermann
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
Hüseyin-Kenan Aydin Michael Leutert

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/1564

Begründung

1. „Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist das weltweit verbreitetste und all-
täglichste Menschenrechtsproblem“, formuliert die Schweizer Sektion von
amnesty international (ai) im Rahmen ihrer Kampagne „Gewalt gegen
Frauen – Ein weltweiter Menschenrechtsskandal“. Diese Menschenrechts-
verletzungen erstrecken sich, so ai weiter, „über alle kulturellen und religiö-
sen Grenzen hinweg, quer durch Schichten und Altersklassen, in allen Län-
dern der Welt“.

Die Ächtung und Bekämpfung patriarchaler Gewalt ist eine Aufgabe der Ge-
samtgesellschaft: Vereine und Verbände, Einzelpersonen und Initiativen, vor
allem aber auch staatliche Behörden, Institutionen und Organisationen müs-
sen aktiv werden. Keine Kultur und keine Tradition kann solche Menschen-
rechtsverletzungen rechtfertigen, denn jeder Mensch, jede Frau hat ein unhin-
tergehbares Recht auf Selbstbestimmung und ein Leben ohne gewalttätige
Übergriffe. Dabei sind Frauen nicht einseitig nur als passive Opfer zu betrach-
ten, denn gerade indem sie immer wieder aus patriarchalen Strukturen und
Gewaltverhältnissen ausbrechen, zeigen sie Mut und Stärke, die der vollen
Unterstützung der Gesellschaft bedürfen. Das Ausmaß und die Verbreitung
von Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist erschreckend: „Weltweit ist jede
dritte Frau in ihrem Leben mit einer Form der Gewalt konfrontiert, weil sie
eine Frau ist, und weil Männer damit ihre Herrschaftssysteme aufrecht erhal-
ten wollen“ (ai). In Deutschland erleben zwei von fünf Frauen in ihrem Leben
sexuelle oder körperliche Gewalt, jede vierte Frau erlebt diese vom eigenen
Partner. In Frankreich wird jeden vierten Tag eine Frau von ihrem Partner oder
Ex-Partner umgebracht, in der Schweiz wurden 2005 etwa 40 Frauen Opfer
„häuslicher Gewalt“. Die russische Regierung schätzte die Zahl der von ihren
(Ex-)Partnern ermordeten Frauen gar auf 14 000 (für das Jahr 1999; Angaben
nach: Ralf Streck: „Gewalt gegen Frauen auf dem Vormarsch“; http://
www.telepolis.de/r4/artikel/22/22297/1.html). Nach Zahlen der Weltgesund-
heitsorganisation, so ai in seiner Kampagne „Hinsehen und Handeln“, entfal-
len fast 70 Prozent aller Morde an Frauen auf ihre Partner oder Ex-Partner.
„Häusliche Gewalt“ ist damit – noch vor Krebs oder Verkehrsunfällen – die
Hauptursache für Tod oder Gesundheitsschädigungen bei Frauen zwischen 16
und 44 Jahren.

Zu den einschneidendsten Formen patriarchaler Gewalt in Deutschland gehö-
ren körperliche Misshandlungen und Morde in Beziehungen, Vergewaltigun-
gen, Menschenhandel und auch Zwangsverheiratungen, vor allem, wenn sie
mit sexueller Nötigung, alltäglicher Unterdrückung und Gewalt einhergehen.
Dass in Einzelfällen auch junge Männer Opfer von Zwangsverheiratungen
werden oder unter patriarchalen Rollenzuweisungen leiden können, muss be-
dacht und ernst genommen werden; angesichts der geringen Fallzahlen und
der grundlegend anderen Abhängigkeitsverhältnisse wird im Folgenden hier-
auf jedoch nicht mehr Bezug genommen.

2. Zwangsverheiratungen in Deutschland betreffen zumeist Frauen und Mäd-
chen mit Migrationshintergrund, die hier aufgewachsen sind und im Rahmen
einer „Ferienverheiratung“ oder aber auch in Deutschland gegen ihren Willen
und unter Androhung von Gewalt oder einem „empfindlichen Übel“ verhei-
ratet werden. Bei „Heiratsverschleppungen“ werden Frauen und Mädchen
sogar dauerhaft gegen ihren Willen ins Ausland verbracht, und sie verlieren
hierdurch unter Umständen ihr Aufenthaltsrecht in Deutschland. Deshalb
sind aufenthaltsrechtliche Änderungen zur Absicherung des Aufenthalts-
rechts von zwangsverheirateten Frauen vorrangig. Ohne diese Maßnahmen
könnte der deutsche Staat indirekt zum „Helfershelfer“ der Täter werden,
wenn etwa Frauen, die sich nach einiger Zeit aus einer Zwangsehe befreien

konnten, eine Wiederkehr nach Deutschland aufgrund aufenthaltsrechtlicher

Drucksache 16/1564 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bestimmungen versagt würde. Genauso benötigen Frauen aus dem Ausland
unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts Schutz und einen sicheren Auf-
enthaltsstatus, wenn sie sich in Deutschland aus einer Zwangsehe lösen konn-
ten, da eine erzwungene Rückkehr regelmäßig mit erheblichen Gefährdungen
im Herkunftsland verbunden ist. Ein solches eigenständiges Aufenthaltsrecht
ist auch erforderlich, damit sich Frauen ohne Angst vor einer Abschiebung
Hilfe suchend an deutsche Behörden wenden können.

3. Über das Phänomen der Zwangsverheiratungen wird in Deutschland verstärkt
seit etwa 2003 öffentlich berichtet und diskutiert. Zugleich mangelt es immer
noch an umfassenden Studien, belastbaren Zahlen und wissenschaftlichen
Untersuchungen zum Thema (zum Grad der Verbreitung, zum gesellschaft-
lichen Umfeld, zu unterschiedlichen Erscheinungsformen usw.), aber auch
zum Umgang der Justiz mit Zwangsverheiratungen und zu etwaigen Proble-
men der Gerichtspraxis. Diesbezüglich besteht dringender Forschungsbedarf.
Mit dem Bericht der „Fachkommission Zwangsheirat“ der baden-württem-
bergischen Landesregierung vom Januar 2006 liegen zwar ein erster Versuch
eines Überblicks und die Auswertung einer (nichtrepräsentativen) Erhebung
in Baden-Württemberg vor. Die Anregung weiterer wissenschaftlicher Un-
tersuchungen und Studien zum Thema gehört allerdings auch zu den Hand-
lungsempfehlungen dieser Kommission. Unabhängig vom aktuellen wissen-
schaftlichen Kenntnisstand und dem genauen Grad der Verbreitung von
Zwangsverheiratungen sind Maßnahmen zum Schutz der Opfer von Zwangs-
verheiratungen und zur Stärkung ihrer Rechte vorrangig und schnellstmöglich
in die Praxis umzusetzen, um weitere Verletzungen der körperlichen und see-
lischen Integrität der Betroffenen zu unterbinden.

Zwangsverheiratungen sind kein „religiös“ begründetes oder begründbares
Phänomen. Sie sind auch kein „muslimisches“ Problem, denn auch in Fami-
lien christlichen, orthodoxen oder buddhistisch-hinduistischen Glaubens
kommt es zu Zwangsheiraten. Die Praxis der Zwangsverheiratungen basiert
vielmehr auf patriarchal geprägten Vorstellungen und Traditionen, die zudem
abhängig sein können vom Bildungsstand, der sozialen oder regionalen Her-
kunft der Eltern bzw. der Familienverbände. Zwangsverheiratungen in
Deutschland sind auch kein „Problem von Ausländerinnen und Ausländern“,
sondern ein Problem der deutschen Gesellschaft. Die meisten zwangsverhei-
rateten Frauen, die sich etwa an die Berliner Kriseneinrichtung PAPATYA
wenden, sind hier aufgewachsen, und ganz überwiegend haben die Betroffe-
nen einen verfestigten Aufenthaltsstatus oder auch die deutsche Staatsange-
hörigkeit; ebenso verhält es sich mit denjenigen, die Zwangsverheiratungen
planen und in die Praxis umsetzen (vgl. hierzu auch den Bericht der „Fach-
kommission Zwangsheirat“, S. 32 f.). Vor diesem Hintergrund wäre es fatal
und unverantwortlich zu glauben, Zwangsverheiratungen ließen sich mit
strafrechtlichen oder gar ausländerrechtlichen Mitteln einfach „aus der Welt
schaffen“.

4. Die Maßnahmen zur Verhinderung von Zwangsheiraten und zum Schutz der
Opfer dürfen nicht zu ungerechtfertigten Pauschalisierungen und zur allge-
meinen Ausgrenzung von Migrantinnen/Migranten in Deutschland instru-
mentalisiert werden. Das Frauenforum des Türkischen Bundes in Berlin-
Brandenburg (TBB) warnte in einer Presseerklärung vom 10. März 2005
„vor undifferenzierten und pauschalen Aussagen, die Vorurteile und rassisti-
sche Tendenzen gegenüber der türkischen Community und anderen Minder-
heiten stärken könnten“. Derzeit werden Migrantinnen häufig pauschal zu
Opfern gemacht und Migranten ebenso pauschal unter Tatverdacht und unter
das Verdikt der kulturellen Rückständigkeit gestellt. Dies geht an der Lebens-
wirklichkeit der Mehrheit der Migrantinnen/Migranten in Deutschland vor-

bei und bestärkt Vorurteile. Auch der Direktor des Deutschen Instituts für
Menschenrechte, Heiner Bielefeldt, fordert deshalb, dass „bei der notwendi-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/1564

gen öffentlichen Thematisierung nichtakzeptabler Unfreiheit pauschale, stig-
matisierende Zuschreibungen“ vermieden werden müssten („Zwangsheirat
und multikulturelle Gesellschaft – Anmerkungen zur aktuellen Debatte“,
S. 11).

Zwangsverheiratungen sind nicht die Regel bei Hochzeiten zwischen Men-
schen mit Migrationshintergrund. Zwangsverheiratungen werden auch von
einer überwältigenden Mehrheit der Migrantinnen und Migranten eindeutig
abgelehnt. Dies gilt auch in Bezug auf „arrangierte“ Ehen, die das Einver-
ständnis und die Zustimmung der Betroffenen voraussetzen, und die – bei
allen Schwierigkeiten einer genauen Abgrenzung und bei aller Kritik auch an
diesen Formen einer Fremdeinwirkung – zur realitätsnahen Analyse und Be-
wertung von unter Strafe gestellten Zwangsehen unterschieden werden müs-
sen: Knapp 90 Prozent aller jungen Frauen und Mädchen mit Migrationshin-
tergrund lehnen es grundsätzlich bzw. auch für sich persönlich ab, „wenn
Eltern mit ihrer Tochter gemeinsam einen Ehemann aussuchen“ (vgl.: Prof.
Dr. Ursula Boos-Nünning/Prof. Dr. Yasemin Karakasoglu: „Heiratsverhalten
und Partnerwahl von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshinter-
grund“, in: ZAR 10/2005, 331).

Es muss auch bedacht werden, dass hinter arrangierten Ehen und Zwangshei-
raten in den seltensten Fällen „schlechte Eltern“ stehen, sondern dass diese
aus ihrer Sicht – aufgrund patriarchaler Traditions- und „Ehr“-Begriffe also
– das vermeintliche „Beste“ für ihre Kinder wollen. Der Bericht der „Fach-
kommission Zwangsheirat“ benennt als Motive der Eltern, dass sie ihre
Söhne und Töchter vor einem vermeintlichen „Sittenverfall“ bewahren und
sie dazu anhalten möchten, frühzeitig „Verantwortung für das eigene Leben“
zu übernehmen (a. a. O., 21). Selbst von den betroffenen Frauen und Mäd-
chen wird eine Zwangsverheiratung (zunächst) nicht unbedingt als „falsch“
angesehen (vgl. ebd., 36), was die Schwierigkeit einer Definition der
„Zwangsheirat“ und die Begrenztheit rein strafrechtlicher Mittel verdeutlicht.
Heiner Bielefeldt weist darauf hin, dass patriarchal-traditionell geprägte El-
tern Zwangsverheiratungen nutzen, um ihre Töchter „gut versorgt“ zu sehen
bzw. um sich der „Last“ zu entledigen, die „Unberührtheit“ ihrer Töchter
„schützen“ zu müssen (a. a. O., 13 f.). Diese Hintergründe und subjektiven
Motive zu benennen bedeutet nicht, Zwangsverheiratungen zu entschuldigen
oder in ihrem Unrechtsgehalt zu relativieren, denn objektiv sind sie ein Aus-
druck patriarchaler Gewalt und inakzeptabler Herrschaftsansprüche. Sie
geben jedoch Hinweise darauf, wo und in welcher Richtung Maßnahmen
anzusetzen sind, um längerfristige und nachhaltige Verhaltensänderungen zur
Vermeidung weiterer Zwangsverheiratungen bewirken zu können: Beratungs-
angebote und Präventionsmaßnahmen dürfen von den Betroffenen nicht
verlangen, ihre kulturelle Zugehörigkeit und familiäre Bindungen zu ver-
leugnen. Kinder und junge Mädchen müssen in Deutschland frühzeitig über
ihre Rechte aufgeklärt und in ihrer Selbstbestimmung gestärkt werden; natür-
lich gilt dies auch für erwachsene und/oder neu eingewanderte Frauen
(„empowerment“ der Betroffenen). Patriarchale Rollenmuster müssen in den
Schulen hinterfragt werden, gesellschaftliche Strukturen, Gesetze und
Arbeitsbedingungen usw., die partriarchale Rollen festigen, müssen beseitigt
werden. Eltern müssen in diese Aufklärungsarbeit mit einbezogen werden.
Auf die besonderen Anforderungen eines interkulturellen Ansatzes ist dabei
zu achten. Bei den Eltern muss die Überzeugung gestärkt werden, dass „das
Beste“ für ihre Kinder nicht durch ihre systematische Einengung und „Fremd-
bestimmung“ zu erreichen ist, sondern im Gegenteil durch die Förderung
ihrer jeweiligen Fähigkeiten und Entwicklungspotentiale und die Achtung
ihrer Selbstbestimmung.
Es ist offenkundig, dass sich diese Maßnahmen und Forderungen nicht auf
Familien mit Migrationshintergrund beschränken lassen. Da Zwangsverhei-

Drucksache 16/1564 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ratungen jedoch oftmals einen „Migrationshintergrund“ aufweisen, ist auf
eine besonders enge und vertrauliche Zusammenarbeit mit Vertreterinnen
und Vertretern von Migrantenorganisationen genauso zu achten wie die enge
Einbeziehung von Frauenorganisationen in die Erarbeitung und Ausgestal-
tung von Aufklärungs- und Schutzmaßnahmen. Zwangsverheiratete Frauen
dürfen nicht dazu gedrängt werden, mit einer Befreiung aus ihrer Zwangslage
zugleich auch alle familiären und /oder kulturellen Wurzeln kappen zu müs-
sen (vgl. Heiner Bielefeldt, a. a. O., 11). Dies mag – in freier Entscheidung –
eine von mehreren Optionen individueller Autonomie und Lebensgestaltung
sein. Es wäre aber „falsch, wenn der Eindruck entstünde, der einzige Weg der
Befreiung aus dem Autoritarismus bestimmter kultureller Milieus sei die
Assimilation an die Mehrheitsgesellschaft“ (Heiner Bielefeldt, ebd.). Dies
wäre eine andere Form des Zwangs und der Einengung individueller Freiheit
und Möglichkeiten. „Gesellschaftliche und staatliche Maßnahmen zur Über-
windung von Zwangsverheiratungen sollten getragen sein von einer politi-
schen Anerkennung der multikulturellen Gesellschaft“ (ebd., 27). Denn ohne
„interkulturelle Kompetenz auf der Grundlage eines freiheitlichen Konzepts
von Multikulturalismus“ wird „der Kampf gegen Zwangsverheiratungen
nicht gelingen“, so der Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte.

In diesem Zusammenhang ist schließlich zu berücksichtigen, dass die mar-
ginalisierte soziale Lage von Menschen mit Migrationshintergrund in
Deutschland einen „Nährboden“ für patriarchale Rollen- und Verhaltsmuster
darstellt: Die schlechten und entmutigenden Aussichten in Bezug auf Aus-
bildung und Arbeit können bei männlichen Jugendlichen mit Migrations-
hintergrund dazu beitragen, dass sie ihre in gesellschaftlicher Hinsicht macht-
lose und „schwache“ Position durch persönliche „Stärke“, patriarchales
Dominanzgebaren und „Machogehabe“ auszugleichen versuchen. Und wenn
Migrantinnen/Migranten rechtlich oder faktisch jede Möglichkeit der politi-
schen Mitbestimmung (Wahlrecht) und gesellschaftlichen Teilhabe vorent-
halten wird, kann dies dazu führen, dass die in dieser Hinsicht machtlosen
„Patriarchen“, „Familienoberhäupter“ und männlichen Familienmitglieder
umso mehr an ihrer „Verfügungsgewalt“ über Frauen im privaten Bereich
festhalten wollen. Die Politik der Vergangenheit, die ideologisch begründete
Leugnung einer Einwanderungssituation in Deutschland, das lange Festhal-
ten an einem völkisch fundierten Staatsbürgerschaftsrecht und die restriktive
Ausgestaltung des Asyl- und Ausländerrechts haben somit maßgeblich zur
Ausgrenzung vieler Menschen mit Migrationshintergrund und auch zu ihrer
schlechten sozialen Lage beigetragen. Diese Politik der Ausgrenzung und
Ablehnung hat auf Seiten der Migrantinnen/Migranten eher zu einer verstärk-
ten „Besinnung auf ihre Wurzeln“ beigetragen und damit überkommene Tra-
ditionen und die Bindungen an religiöse oder kulturelle Vorstellungen beför-
dert. Dies ist keine ausreichende Erklärung dafür, dass zum Beispiel nach der
Einschätzung der „Fachkommission Zwangsheirat“ Zwangsverheiratungen
in Deutschland in letzter Zeit zugenommen haben (sollen) (vgl. den Bericht
S. 29). Die Geschehnisse machen aber deutlich, dass nur eine Politik der „an-
nehmenden“ Integration, die vorbehaltlos von dem Faktum einer Einwande-
rungssituation in Deutschland ausgeht und auf Zwangsmittel der Ausweisung
und Abschiebung verzichtet, auf Dauer erfolgreich sein kann. Eine solche
gelingende Integrationspolitik ist vermutlich zugleich die beste Prävention
gegen Zwangsverheiratungen von Frauen und Mädchen aus Familien mit
Migrationshintergrund.

5. Regelungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Zwangsverheira-
tungen, die generell in die (Grund-)Rechte von Migrantinnen und Migranten
eingreifen – etwa die Forderung nach Einführung eines Nachzugsalters von

21 Jahren oder nach Deutschkenntnissen als Einreisebedingung beim Ehegat-
tennachzug – sind abzulehnen: Sie verhindern keine Zwangsverheiratung,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/1564

sondern verzögern lediglich die Einreise der Betroffenen oder verstärken un-
ter Umständen sogar noch den Druck auf die bereits Zwangsverheirateten im
Ausland. Mit Sicherheit be- oder verhindern solche Regelungen jedoch das
Recht auf Familienzusammenführung in der Mehrheit aller Fälle, in denen
keine Zwangsverheiratung vorliegt. In verfassungsrechtlicher Hinsicht sind
solche Maßnahmen deshalb ungeeignet und unverhältnismäßig.

Wer vorgibt, Zwangsverheiratungen bekämpfen zu wollen, sich aber zugleich
weigert, die erforderlichen aufenthaltsrechtlichen Schutzregelungen zu er-
lassen, macht deutlich, dass es ihm/ihr nicht vorrangig um den Schutz der
Opfer, sondern um andere Gründe, nämlich die pauschale Ausgrenzung von
Migrantinnen/Migranten geht. Auch die Ausländerbeauftragten der Bundes-
länder forderten auf ihrer Frühjahrskonferenz in Bremen entsprechende auf-
enthaltsrechtliche Regelungen (REUTERS, 25. April 2006).

Die Frage der Notwendigkeit weiterer Gesetzesänderungen sollte von den
Ergebnissen einer Auswertung der Gerichtspraxis und der Gesetzesfolgen-
abschätzung in Bezug auf die Änderung des § 240 Abs. 4 Nr. 1 StGB im Jahr
2005 abhängig gemacht werden. Vorrangig gegenüber Strafrechtsänderungen
sind Maßnahmen, die es den betroffenen Frauen ermöglichen (sie ermutigen
und schützen), eine Anzeige zu erstatten. In der Gerichtspraxis könnten eher
Beweisprobleme entscheidend sein, worauf der Vorsitzende des Strafrechts-
ausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer, Gunter Widmaier, hinwies
(vgl. Neue Osnabrücker Zeitung vom 20. April 2006). Er warnte im Zusam-
menhang der Debatte um einen speziellen Straftatbestand gegen Zwangsehen
vor gesetzgeberischem Aktionismus und forderte, zunächst den bestehenden
Tatbestand der Nötigung bei der Strafverfolgung konsequent anzuwenden.
Auch der Vizepräsident des Anwaltvereins, Georg Prasser, bedauerte die
„reflexartigen Rufe“ aus der Politik, die die Bauchgefühle in der Bevölke-
rung bedienten.

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.