BT-Drucksache 16/121

Das Mandat für die Operation Enduring Freedom beenden - Einsätze des Kommandos Spezialkräfte in Afghanistan einstellen

Vom 30. November 2005


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Deutscher Bundestag Drucksache 16/121
16. Wahlperiode 30. 11. 2005

Antrag
der Abgeordneten Monika Knoche, Dr. Norman Paech, Paul Schäfer (Köln),
Hüseyin-Kenan Aydin, Dr. Dietmar Bartsch, Karin Binder, Dr. Lothar Bisky,
Heidrun Bluhm, Eva Bulling-Schröter, Dr. Martina Bunge, Roland Claus,
Sevim Dagdelen, Dr. Diether Dehm, Werner Dreibus, Dr. Dagmar Enkelmann,
Klaus Ernst, Wolfgang Gehrcke, Diana Golze, Dr. Gregor Gysi, Lutz Heilmann,
Hans-Kurt Hill, Cornelia Hirsch, Inge Höger-Neuling, Dr. Barbara Höll, Ulla Jelpke,
Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Hakki Keskin, Katja Kipping, Katrin Kunert,
Oskar Lafontaine, Michael Leutert, Ursula Lötzer, Dr. Gesine Lötzsch,
Ulrich Maurer, Dorothee Menzner, Kornelia Möller, Kersten Naumann,
Wolfgang Neskovic, Petra Pau, Bodo Ramelow, Elke Reinke, Volker Schneider
(Saarbrücken), Dr. Herbert Schui, Dr. Ilja Seifert, Dr. Petra Sitte, Frank Spieth,
Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Axel Troost, Alexander Ulrich, Gert Winkelmeier,
JörnWunderlich, Sabine Zimmermann und der Fraktion DIE LINKE.

Das Mandat für die Operation Enduring Freedom beenden –
Einsätze des Kommandos Spezialkräfte in Afghanistan einstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der DeutscheBundestag fordert die Bundesregierung auf, die Einsätze desKom-
mandos Spezialkräfte (KSK) in Afghanistan unverzüglich zu beenden und den
Abzug der Bundeswehrkontingente im Rahmen der Operationen Enduring Free-
dom (OEF) und Active Endeavour (OAE) insgesamt einzuleiten. Die für den mi-
litärischen Einsatz vorgehaltenen Finanzmittel sind für zivile Projekte vor Ort zu
verwenden.

Berlin, den 29. November 2005

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion
Begründung

Das erstmals am 16. November 2001 (Bundestagsdrucksache 14/7296) be-
schlossene und zuletzt am 8. November 2005 (Bundestagsdrucksache 16/26)
verlängerteMandat für die deutsche Beteiligung an denAnti-Terror-Operationen
Enduring Freedom und Active Endeavour sieht derzeit eine Höchstgrenze von
2 800 einzusetzenden deutschen Soldaten vor. Das Einsatzgebiet von OEF um-

Drucksache 16/121 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

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fasst die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien, Nord-Ost-Afrika sowie
angrenzende Seegebiete. Neben einigen hundertMarinesoldaten, die imRahmen
von OEF am Horn von Afrika und als Teil der OAE im Mittelmeer eingesetzt
sind, wird immer wieder eine unbekannte Zahl von Soldaten des KSK in Afgha-
nistan eingesetzt.

Laut Bundestagsmandat sind die KSK und die anderen eingesetzten Bundes-
wehreinheiten beauftragt, „Terroristen auszuschalten, Terroristen gefangen zu
nehmen sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten
abzuhalten“. Dieser Auftrag lässt darauf schließen, dass die eingesetzten Einhei-
ten, direkt oder indirekt, an der Festnahme von Personen beteiligt sind, die von
den US-Streitkräften in Guantánamo oder in anderen geheimen Gefangenlagern
unter menschenunwürdigen und völkerrechtswidrigen Verhältnissen festgehal-
ten werden.

Die Aktivitäten des KSK entziehen sich weitgehend der parlamentarischen
Kenntnis und Kontrolle. Weder Umfang noch genaues Einsatzgebiet sind dem
Deutschen Bundestag bekannt. Die Geheimhaltung über den Umfang der operie-
renden KSK widerspricht dem Gedanken von der Bundeswehr als Parlaments-
heer. Der Einsatz unterliegt nicht der demokratischen Kontrolle des Deutschen
Bundestages. Mit dem Sicherheitsbedürfnis des KSK kann die derzeitige Ge-
heimhaltungspraxis nicht begründet werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass ihr
völkerrechts- und verfassungswidriger Einsatz verschleiert bleiben soll.

Die Bundesregierung stützt sich zur Rechtfertigung der Militäreinsätze nach wie
vor auf den Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrages. Die diesemVertrag
zugrunde liegende Verteidigungssituation gemäß Artikel 51 der Charta der Ver-
einten Nationen (VN) ist nicht gegeben – so sie es denn jemals war. Ein bewaff-
neter Angriff gegen einen oder mehrere NATO-Staaten, der „als Angriff gegen
sie alle angesehen“werdenmuss, bestand und besteht nicht. Derwirklichkeitsna-
hen Wahrnehmung entspricht vielmehr, dass individuelle Terrorakte eine allge-
meine Gefährdung der NATO-Staaten keine „bewaffneten Angriffe“ im Sinne
der Artikel 51 der VN-Charta und 5 des NATO-Vertrages sind. Auch können für
denVerteidigungs- und Bündnisfall keine unbegrenztenAusnahmezustände aus-
gerufen werden. Ein dauerhafter Militäreinsatz in beliebigem Gebiet – wie es
hier vorliegt – ist überdies undurchschaubar und zweifelhaft.

In Afghanistan hat die ausländische Truppenpräsenz nicht verhindert, dass das
Land zum weltweit größten Anbaugebiet von Mohn und Lieferanten von Opium
undHeroin geworden ist. Es ist anzunehmen, dass die Gewinne aus demRausch-
gifthandel entscheidend zur weiteren Aufrüstung lokaler Armeen und zumWie-
deraufflammen bürgerkriegsähnlicherAuseinandersetzungen geführt und zur Si-
cherung der Vorherrschaft regionaler Warlords beigetragen haben. Die Instabili-
tät und beschränkte Reichweite der gegenwärtigen afghanischen Regierung ist
gerade auf die sich unkontrolliert ausdehnende Drogenökonomie zurückzufüh-
ren.

Die Erfahrungen seit dem September 2001 zeigen, dass mittels des militärischen
„Kriegs gegen Terror“, wie VN-Generalsekretär Kofi Annan es ausdrückte, „ge-
nau die Werte untergraben werden, die Terroristen ins Visier nehmen – die Men-
schenrechte und die Rechtsstaatlichkeit“. Statt militärischer Maßnahmen ist da-
her eine weltweite Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus erforderlich, die
auf Förderung der sozialen und politischen Rechte, Verringerung von Armut,
Bildungsnotstand und Arbeitslosigkeit aufbaut. Die Beendigung des OEF/OAE-
Mandats ist Voraussetzung für eine effektive und effiziente zivile Lösung.
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