Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18.12.2023, Az. 2 BvR 1368/23

2. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2023, 9013

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Rechtsschutzgarantie im Auslieferungsverfahren durch unzureichende fachgerichtliche Prüfung, inwieweit das Anwesenheitsrecht des angeklagten Beschwerdeführers im Zielstaat gewahrt sein wird - hier: Auslieferung eines türkischen Staatsangehörigen an die Türkei zur Strafverfolgung


Tenor

1. Der Beschluss des [X.] vom 4. September 2023 - 2 AR (Ausl) 108/22 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz, soweit dessen Auslieferung an die [X.] Justizbehörden für zulässig erklärt wurde; er wird in diesem Umfang aufgehoben.

2. Der Beschluss des [X.] vom 15. September 2023 - 2 AR (Ausl) 108/22 - wird insoweit gegenstandslos.

3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung an das [X.] zurückverwiesen. Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

5. Das [X.] hat dem Beschwerdeführer für das Verfassungsbeschwerdeverfahren seine notwendigen Auslagen zu erstatten.

6. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 15.000 (in Worten: fünfzehntausend) [X.] festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Auslieferung eines [X.] Staatsangehörigen zum Zwecke der Strafverfolgung an die [X.] [X.].

2

1. Dem Auslieferungsverfahren liegt ein Haftbefehl des 8. Schwurgerichts von [X.] vom 14. Juli 2021 zugrunde. Darin wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, gemeinsam mit drei Mitangeklagten und weiteren Personen an der bandenmäßigen Einfuhr von Betäubungsmitteln aus dem [X.] Ausland beteiligt gewesen zu sein. Er habe von [X.] aus den Erwerb von circa neun Kilogramm kokainhaltiger Substanzen sowie deren Einfuhr aus den [X.] in die [X.] organisiert und mit den Mitangeklagten abgesprochen, die am 22. Januar 2020 aus den [X.] kommend den Grenzübergang in Richtung [X.] passiert hätten. Mit [X.] vom 18. Februar 2022 ersuchte die Botschaft der [X.] [X.] die [X.] Behörden um Auslieferung des Beschwerdeführers.

3

2. Mit Urteil des [X.] vom 29. April 2022 wurde der Beschwerdeführer in anderer Sache zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und acht Monaten verurteilt, und es wurde die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Seit dem 26. Juli 2022 befindet sich der Beschwerdeführer im Maßregelvollzug; das Strafende ist auf den 13. November 2025 notiert.

4

3. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ordnete das [X.] am 12. Dezember 2022 gegen den Beschwerdeführer die förmliche Auslieferungshaft an.

5

4. Das [X.] ersuchte mit [X.] vom 16. Dezember 2022 die Botschaft der [X.] [X.] um Übermittlung ausdrücklicher, völkerrechtlich verbindlicher und auf den Einzelfall bezogener Zusicherungen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Auslieferung für die Dauer seiner Inhaftierung in einem Gefängnis inhaftiert werde, das den Anforderungen nach Art. 3 [X.] und den in den [X.] Strafvollzugsgrundsätzen des Ministerkomitees des Europarates festgelegten Mindeststandards entspreche, und er keiner Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 [X.] unterworfen werde. Die [X.] Behörden würden um Übermittlung einer ausdrücklichen und auf den Einzelfall bezogenen Zusicherung gebeten, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Auslieferung für die Dauer seiner Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt [X.] inhaftiert werde.

6

5. Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsätzen vom 13. Januar 2023 und 2. Februar 2023, den Haftbefehl wegen Unzulässigkeit der Vollstreckung der Auslieferungshaft aufzuheben. Er machte insbesondere geltend, eine den Voraussetzungen der [X.] entsprechende Unterbringung müsse in der [X.] zu jedem Zeitpunkt der Inhaftierung gewährleistet sein. In der [X.] des [X.] vom 16. Dezember 2022 werde erstmals konkret die Haftanstalt in [X.] genannt. Diese liege über 400 Kilometer entfernt von der Stadt [X.], in welcher sich das erkennende Gericht befinde. Es sei somit davon auszugehen, dass er zur Wahrnehmung gerichtlicher Termine nach [X.] und dort in eine andere Haftanstalt als diejenige in [X.] verbracht werde. Die Generalstaatsanwaltschaft trat diesen Einwendungen entgegen und beantragte, den Haftbefehl des [X.]s vom 12. Dezember 2022 aufrechtzuerhalten.

7

6. Mit [X.] vom 22. Februar 2023 teilte die Botschaft der [X.] [X.] mit, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Auslieferung in der Justizvollzugsanstalt [X.] untergebracht werde. Das Justizministerium der [X.] [X.] sichere ausdrücklich zu, dass der Beschwerdeführer nach seiner Auslieferung für die Dauer seiner Inhaftierung in einer Justizvollzugsanstalt inhaftiert werde, die den Anforderungen nach Art. 3 [X.] und den in den [X.] Strafvollzugsgrundsätzen des Ministerkomitees des Europarates festgelegten Mindeststandards entspreche, und er keiner Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 [X.] unterworfen werde. Der für den Ort der Inhaftierung zuständigen [X.] Auslandsvertretung werde die Möglichkeit eingeräumt, den Beschwerdeführer zu besuchen und sich vor Ort über die bestehenden Verhältnisse zu informieren. Der Beschwerdeführer machte mit [X.] vom 20. März 2023 geltend, die Angaben in der [X.] vom 22. Februar 2023 seien unzureichend, da sich diese ausschließlich auf die Haftanstalt in [X.] bezögen. Es komme aber nicht nur auf die Zielhaftanstalt an, sondern es müssten auch Anstalten, in denen er nur kurzzeitig untergebracht werde, den Vorgaben der [X.] entsprechen.

8

7. Das [X.] teilte mit Verfügung vom 22. März 2023 mit, es sei aus früheren anhängigen Verfahren bekannt, dass in der Justizvollzugsanstalt [X.] inhaftierte Personen in einem laufenden Strafverfahren in der Anstalt verblieben und mittels [X.] zu der gegen sie geführten Hauptverhandlung zugeschaltet würden. Der Verfügung beigefügt waren Vermerke des [X.] zu den Haftbedingungen in der [X.], insbesondere in der Justizvollzugsanstalt [X.], aus den Jahren 2019 und 2022.

9

8. Mit Beschluss vom 6. April 2023 wies das [X.] die Einwendungen des Beschwerdeführers gegen den [X.] des Senats vom 12. Dezember 2022 zurück. Die [X.] Justizbehörden hätten zugesichert, dass der Beschwerdeführer in der Haftanstalt [X.] den [X.] Mindeststandards entsprechende Haftbedingungen vorfinden und keiner Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 3 [X.] unterworfen sein werde. Derartige Zusicherungen hätten die [X.] Behörden bereits in früheren bei dem Senat anhängig gewesenen Auslieferungsverfahren erteilt, ohne dass sich nachfolgend Anhaltspunkte für ihre fehlende Belastbarkeit ergeben hätten. Andere valide Informationen dazu, dass entweder Verfolgte nach ihrer Auslieferung entgegen vorausgegangenen Zusicherungen nicht in der Justizvollzugsanstalt [X.] untergebracht worden seien oder in dieser Haftanstalt menschenrechtswidrige Haftbedingungen herrschten, lägen nicht vor.

Soweit der Beschwerdeführer auf die erhebliche Entfernung zwischen der Haftanstalt in [X.] und der Stadt [X.] als dem Ort, an dem vermutlich die Hauptverhandlung stattfinden werde, [X.], hätten die [X.] Behörden zugesichert, dass er nach seiner Auslieferung in der Haftanstalt [X.] untergebracht sein werde. Dem Senat sei aus anderen Auslieferungsverfahren mit der [X.] bekannt, dass in dieser Haftanstalt inhaftierte Verfolgte während der Dauer einer Hauptverhandlung dort verblieben seien und mittels Bild- und Tonübertragung an der Hauptverhandlung teilgenommen hätten. Daher halte der Senat die Einholung einer diesbezüglichen Zusicherung der [X.] Justizbehörden für entbehrlich.

9. Der Beschwerdeführer teilte mit Schriftsätzen vom 3. Mai und 26. Mai 2023 mit, wenn er in der Haftanstalt in [X.] inhaftiert werde, aber in [X.] vor Gericht gestellt werden solle, könne angesichts einer Fahrzeit von mindestens rund acht Stunden nicht gewährleistet werden, dass der Hin- und Rücktransport an einem Tag erfolgen könne. Vor diesem Hintergrund sei zu erwarten, dass sich ein Strafgefangener zur Aufgabe seines Anwesenheitsrechts in der Hauptverhandlung gezwungen sehe oder zumindest seine Zustimmung zu einer Videoübertragung protokolliert werde. Aus keiner der bisherigen [X.]n gehe hervor, wer in der [X.] überhaupt über das Anwesenheitsrecht eines Angeklagten in der Hauptverhandlung bestimme. Es sei anzunehmen, dass das Gericht und nicht der Angeklagte dies entscheide. Nach Art. 199 der [X.] Strafprozessordnung könne das Gericht jederzeit verlangen, dass der Angeklagte bei der Verhandlung persönlich anwesend sei, und "wenn dies nicht für notwendig erachtet wird", könnten die Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragung durchgeführt werden. Art. 6 [X.] gebe dem Angeklagten das Recht, persönlich bei der Hauptverhandlung anwesend zu sein. Das Recht auf persönliche Teilnahme sei zwar in Art. 6 [X.] nicht ausdrücklich genannt, aber als ein wesentliches, nicht abwägbares Element eines fairen Verfahrens anerkannt (unter Verweis auf [X.] , [X.], Urteil vom 18. Oktober 2006, Nr. 18114/02). Abgesehen davon, dass die Bild- und Tonübertragung die Anwesenheit des Betroffenen bei der Gerichtsverhandlung nicht ersetzen könne, werde aus der [X.] berichtet, dass sie zwar manchmal als Alibi praktiziert werde, aber wegen Stromausfällen nicht funktioniere (unter Verweis auf Yerdelen, [X.] 2018, [X.]). Die dann zum Behelf eingesetzte Anwesenheit eines vom Staat verpflichteten Verteidigers oder Rechtsbeistands befriedige das Recht des Angeklagten auf persönliche Teilnahme nach Art. 6 [X.] nicht. Sein Recht auf ein Gespräch mit seinem Verteidiger ohne Überwachung durch Dritte werde ebenfalls ausgehebelt. Es sei nicht gewährleistet, dass der Angeklagte seinen vom Gericht bestellten Verteidiger überhaupt persönlich kennenlerne. Die Praxis, dass in der Justizvollzugsanstalt [X.] inhaftierte Personen in einem laufenden Strafverfahren in der Anstalt verblieben und mittels [X.] zu der gegen sie geführten Hauptverhandlung zugeschaltet werden könnten, verstoße gegen Art. 6 [X.], zumal in dem Raum, in dem die Videokonferenz stattfinde, kein Wahl- oder Pflichtverteidiger zur Verfügung stehe, sodass der Gefangene keine audiovisuellen Kommunikationsmöglichkeiten mit seinem Verteidiger ohne Überwachung durch Dritte habe. Die Generalstaatsanwaltschaft trat der Argumentation des Beschwerdeführers mit Schriftsätzen vom 16. Mai und 1. Juni 2023 entgegen.

10. Das [X.] stellte die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung des Beschwerdeführers wegen der im Auslieferungsersuchen vom 18. Februar 2022 bezeichneten Straftat mit Beschluss vom 5. Juni 2023 zurück. Den [X.] Justizbehörden werde Gelegenheit gegeben, ergänzende Informationen zur Art und Weise der Teilnahme des Beschwerdeführers an der im Falle seiner Auslieferung anstehenden Hauptverhandlung wegen der ihm in dem Auslieferungsersuchen vorgeworfenen Tat zu übermitteln. Der [X.] wurde aufrechterhalten.

Die Teilnahme eines inhaftierten Angeklagten an einer außerhalb der Justizvollzugsanstalt durchgeführten Gerichtsverhandlung per Bild- und Tonübertragung verstoße nicht generell gegen die aus Art. 6 [X.] folgenden strafprozessualen Mindestgarantien, insbesondere nicht gegen den aus Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c [X.] folgenden Grundsatz des fairen Verfahrens. Vielmehr habe der [X.] in mehreren Verfahren diese Art der Teilnahme an einer Hauptverhandlung mit dem aus Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c [X.] und dem Grundsatz des fairen Verfahrens abgeleiteten Recht des Angeklagten auf Anwesenheit und effektive Teilnahme in der Hauptverhandlung für vereinbar erklärt, sofern bestimmte Bedingungen eingehalten würden (unter Verweis auf [X.] , [X.], Urteil vom 18. Oktober 2006, Nr. 18114/02; [X.], Entscheidung vom 9. November 2006, Nr. 26260/02; [X.], Urteil vom 5. Januar 2007, Nr. 45106/04; [X.], in: [X.], [X.], 26. Aufl. 2012, Art. 6 [X.] Rn. 659, 663; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl. 2021, § 24 Rn. 120 ff.). Voraussetzung hierfür sei, dass mit der Nutzung der Videotechnik ein legitimes Ziel verfolgt werde und der Angeklagte bei ihrem Einsatz nicht durch technische Komplikationen daran gehindert sei, die Hauptverhandlung ununterbrochen zu verfolgen und an ihr mitzuwirken. Darüber hinaus müsse auch bei dieser Form der Teilnahme an der Hauptverhandlung die Vertraulichkeit des Gesprächs zwischen dem Angeklagten und seinem Verteidiger sichergestellt sein.

Der Senat sehe sich im vorliegenden Fall angesichts des von dem Beschwerdeführer in Bezug genommenen Aufsatzes des Hochschullehrers Dr. Yerdelen (in [X.] 2018, [X.]) gleichwohl zu näherer Aufklärung veranlasst, unter welchen rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen seine Teilnahme an der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht in [X.] sowie an einer etwaigen Berufungsverhandlung mit einer erneuten Beweisaufnahme mittels [X.] stattfinden werde. So sei unter anderem zu erfragen, ob angesichts der Entfernung zwischen dem Strafgericht in [X.] und der Justizvollzugsanstalt [X.] davon auszugehen sei, dass das Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung durch den Einsatz von [X.] gewahrt werde, und falls ja, wie sichergestellt werde, dass der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung bei der Vernehmung von Zeugen oder der Anhörung von Sachverständigen die Mimik und Gestik der betreffenden Personen ausreichend wahrnehmen könne und umgekehrt; ob der Beschwerdeführer während der Verhandlung die Möglichkeit habe, selbst gegenüber dem Gericht Erklärungen abzugeben oder Fragen an geladene Zeugen oder hinzugezogene Sachverständige zu stellen, und auf welche Weise es ihm ermöglicht werde, die im Rahmen der Beweisaufnahme durchgeführte Inaugenscheinnahme von Beweismitteln mitzuverfolgen; wie mit technischen Störungen während der Verhandlung umgegangen werde; ob an den Verhandlungsterminen die Möglichkeit bestehe, dass ein Verteidiger in dem Raum anwesend sei, in dem sich der Beschwerdeführer in der Justizvollzugsanstalt [X.] zur Teilnahme an der Hauptverhandlung per Videokonferenz aufhalten werde, und wenn dem nicht so sei, ob beziehungsweise in welcher Weise seine vertrauliche Kommunikation während der Verhandlung mit dem im Gerichtssaal anwesenden Verteidiger ohne Überwachung durch Dritte gewährleistet werde.

11. Der Beschwerdeführer merkte mit [X.] vom 19. Juli 2023 an, die [X.] Behörden seien nicht gefragt worden, ob und in welchem Umfang er im Falle einer Hauptverhandlung das Recht habe, persönlich an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Er bitte um Aufklärung, ob der Senat in früheren Verfahren davon ausgegangen sei, dass der Umstand, dass der Angeklagte nicht persönlich an Gerichtsverhandlungen teilnehmen könne, sondern nur durch Einsatz von [X.] zugeschaltet werde, kein Auslieferungshindernis darstelle. Das [X.] erwiderte mit Verfügung vom 3. August 2023, es werde davon ausgegangen, dass Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c [X.] dem Einsatz von [X.] nicht entgegenstehe, wenn die vom [X.] eingehalten würden.

12. Mit [X.] vom 25. Juli 2023 teilte die Botschaft der [X.] [X.] mit, bei der Befragung von Zeugen oder der Anhörung von Sachverständigen in der Hauptverhandlung würden hochauflösende Kameras eingesetzt. Durch Heranzoomen seien der Beschwerdeführer und die Anwesenden in der Lage, jeweils Mimik und Gestik der betreffenden Personen angemessen wahrzunehmen. Er könne während der Verhandlung über die [X.] gegenüber dem Gericht Erklärungen abgeben oder Fragen an geladene Zeugen oder Sachverständige stellen. Bei der Beweisaufnahme würden die Beweismittel auf den Bildschirm projiziert, sodass sie vom Beschwerdeführer mitverfolgt werden könnten. Der Einsatz von [X.] im Gerichtssaal und in der Justizvollzugsanstalt [X.] an Verhandlungstagen werde von geschultem Personal durchgeführt, das in der Lage sei, auf technische Störungen zu reagieren. Im Falle einer Unterbrechung der Bild- und Tonübertragung werde die Verhandlung nach Behebung der Störung fortgesetzt. Auf seinen Antrag hin könne er bei der Teilnahme an Verhandlungen per Videokonferenz in der Justizvollzugsanstalt von seinem Verteidiger oder Anwalt begleitet werden.

13. Mit [X.] vom 18. August 2023 wies der Beschwerdeführer darauf hin, die Haftbedingungen, die ihn in der [X.] erwarten würden, seien bislang nicht vollständig aufgeklärt, da unklar sei, in welchen Haftanstalten er außer in der Justizvollzugsanstalt [X.] untergebracht sein werde. Die Rechtsprechung des [X.] trage nicht die Auffassung, dass das Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung im vorliegenden Fall bei persönlicher Abwesenheit durch den Einsatz von [X.] gewahrt werden könne, weil in dem ihn erwartenden Verfahren bisher keine gerichtliche Hauptverhandlung mit Tatsachenfeststellungen stattgefunden habe.

14. Das [X.] erklärte mit Beschluss vom 4. September 2023 die Auslieferung des Beschwerdeführers und die Aufschiebung seiner Übergabe bis zur Erledigung der in der Bundesrepublik [X.] bestehenden [X.] für zulässig. Der [X.] vom 12. Dezember 2022 wurde aufrechterhalten.

Die Auslieferung widerspreche nicht den wesentlichen Grundsätzen der [X.] Rechtsordnung im Sinne von § 73 Satz 1 [X.]. Angesichts der von den [X.] Justizbehörden in der [X.] vom 22. Februar 2023 gemachten Zusicherungen sei der Einwand des Beschwerdeführers, ihm würden nach einer Auslieferung menschenrechtswidrige Haftbedingungen in der [X.] drohen, unbegründet. Insoweit werde auf die Ausführungen im Senatsbeschluss vom 6. April 2023 verwiesen.

Auch der Einwand des Beschwerdeführers, seine mögliche Teilnahme an der nach seiner Auslieferung an die [X.] Justizbehörden anstehenden Hauptverhandlung vor dem zuständigen Strafgericht in [X.] mittels Bild- und Tonübertragung sei mit den in Art. 6 [X.] verankerten menschenrechtlichen Verfahrensgarantien des Angeklagten in einem Strafprozess unvereinbar, sei unbegründet. Diese Art der Mitwirkung eines Angeklagten an einer außerhalb der Justizvollzugsanstalt durchgeführten Gerichtsverhandlung verstoße nach der Rechtsprechung des [X.] nicht generell gegen die aus Art. 6 [X.] folgenden strafprozessualen Mindestgarantien und sei insbesondere mit dem aus Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c [X.] sowie aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens abgeleiteten Recht des Angeklagten auf Anwesenheit in und effektive Teilnahme an der Hauptverhandlung vereinbar, sofern bestimmte Bedingungen eingehalten würden. Zur Aufklärung der im vorliegenden Fall gegebenen Rahmenbedingungen der möglichen Mitwirkung des Beschwerdeführers in der Hauptverhandlung vor dem Strafgericht [X.] sei die Übermittlung von konkreten Informationen der [X.] Justizbehörden zur Ausgestaltung des Einsatzes der [X.] für erforderlich erachtet worden. Der Senat gehe unter Zugrundelegung der durch die [X.] Justizbehörden in der [X.] vom 25. Juli 2023 mitgeteilten Angaben davon aus, dass im vorliegenden Fall das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren, vor allem auf Anwesenheit in und effektive Teilnahme an der anstehenden Hauptverhandlung vor dem Strafgericht in [X.], unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] ausreichend gewährleistet sei. Anhaltspunkte für eine fehlende Belastbarkeit der von den [X.] Justizbehörden übermittelten Informationen seien nicht ersichtlich.

15. Am 8. September 2023 beantragte der Beschwerdeführer, gemäß § 33 [X.] erneut über die Zulässigkeit der Auslieferung zu entscheiden und den Aufschub der Auslieferung anzuordnen. Art. 6 [X.] gebe nach der Rechtsprechung des [X.] dem Angeklagten in einem Strafverfahren das Recht, persönlich in der Hauptverhandlung anwesend zu sein (unter Verweis auf [X.] , [X.], Urteil vom 18. Oktober 2006, Nr. 18114/02). Die vom Senat herangezogene Literatur und Rechtsprechung trage nicht die Auffassung, dass das Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung im vorliegenden Fall, nämlich bei seiner vollständigen persönlichen Abwesenheit in einem erstinstanzlichen Strafverfahren, in dem bis jetzt keine gerichtliche Hauptverhandlung mit Tatsachenfeststellungen stattgefunden habe, durch den Einsatz von [X.] gewahrt werden könne, zumal diese in der [X.] nicht einmal zuverlässig funktioniere.

Die [X.] [X.] vom 22. Februar 2023 erwähne nicht, dass bei den etwa 75 [X.] Auslieferungsersuchen an [X.] pro Jahr stets behauptet werde, die Verfolgten würden in der Haftanstalt [X.] im geschlossenen Vollzug Typ T untergebracht. [X.] man die aus den [X.] Auslieferungsersuchen bekannten hohen Haftstrafen mit ein, müsse die Haftanstalt [X.] sogar dann überbelegt sein, wenn sie ausschließlich für aus der Bundesrepublik [X.] ausgelieferte Verfolgte reserviert sei.

16. Das [X.] lehnte mit Beschluss vom 15. September 2023 den Antrag auf Aufschub der Auslieferung an die [X.] Behörden ab. Die durch den Beschwerdeführer im [X.] vom 8. September 2023 vorgetragenen Einwendungen seien nicht geeignet, eine andere Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zu begründen.

17. Am 21. September 2023 teilte das [X.] der [X.] [X.] mit, dass die Auslieferung des Beschwerdeführers seitens der Bundesregierung bewilligt worden sei. Auf die durch die [X.] [X.] abgegebenen Zusicherungen werde verwiesen. Die Übergabe des Beschwerdeführers komme erst in Betracht, wenn den [X.] [X.]n genüge getan sei.

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde, die er mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbindet, rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 25 und Art. 103 Abs. 1 [X.].

Das [X.] habe seine Auslieferung in die [X.] zur Strafverfolgung für zulässig erklärt, ohne eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung einzuholen, dass er in der [X.] an der ihm bevorstehenden Hauptverhandlung vor dem Strafgericht persönlich teilnehmen könne. Der Senat habe die Rechtsprechung des [X.] nicht ausreichend erfasst, der zufolge Art. 6 [X.] einer teilweisen Substitution der persönlichen Anwesenheit durch Ton-Bild-Übertragung nur in besonders gelagerten Fällen nicht entgegenstehe. Dem persönlichen Erscheinen des Angeklagten komme bei einer Berufungsverhandlung nach der Rechtsprechung des [X.] nicht die gleiche entscheidende Bedeutung zu wie bei der Hauptverhandlung. Im Rechtsmittelverfahren müsse ein "legitimes Ziel" für ein Fernverfahren festgestellt werden, das in der vorliegenden Konstellation nicht existiere. Anders als das [X.] Recht, mit dem sich der [X.] in der Entscheidung [X.], Urteil vom 5. Januar 2007, Nr. 45106/04, eingehend auseinandergesetzt habe, sehe das [X.] Recht keine gesetzliche Ausgestaltung eines "Fernverfahrens" vor. Auch das [X.] habe sich in mehreren Entscheidungen mit dem Anwesenheitsrecht des Angeklagten in einer gegen ihn geführten strafgerichtlichen Hauptverhandlung und zudem mit der Bedeutung des insoweit notwendigen Grundrechtsschutzes im Auslieferungsverfahren befasst (unter Verweis auf [X.] 140, 317). Das [X.] habe die Auslieferung für zulässig erklärt, obwohl der Beschwerdeführer im Falle seiner Auslieferung kein unmittelbares Teilnahmerecht an einer von ihm zu erwartenden strafgerichtlichen Hauptverhandlung in der [X.] habe, wodurch zu besorgen sei, dass im Falle der Auslieferung das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz und der völkerrechtlich verbindliche Mindeststandard gemäß Art. 25 [X.] nicht eingehalten würden. "Anwesend" sei nämlich nur ein Angeklagter, der das Geschehen der Hauptverhandlung selbst in allen Einzelheiten sicher wahrnehmen und auf den Gang der Hauptverhandlung durch Fragen, Anträge und Erklärungen einwirken könne (unter Verweis auf [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 27. Dezember 2006 - 2 BvR 1872/03 -, Rn. 12).

2. Dem [X.] ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

3. Dem [X.] haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen.

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, da dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (vgl. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerf[X.]). Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das [X.] bereits entschieden.

Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist im tenorierten Umfang offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerf[X.]). Die angegriffene Entscheidung des [X.]s Celle vom 4. September 2023 verletzt den Beschwerdeführer, soweit seine Auslieferung an die [X.] Behörden für zulässig erklärt wird, in seinem Recht aus Art. 19 Abs. 4 [X.].

1. a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 [X.] enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. [X.] 67, 43 <58>; stRspr). Dabei gewährleistet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern verleiht dem Einzelnen einen substantiellen Anspruch auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle (vgl. [X.] 101, 106 <122 f.>; 103, 142 <156>; 113, 273 <310>; 129, 1 <20>). Im Rahmen des gerichtlichen Zulässigkeitsverfahrens im Vorgriff auf eine Auslieferung sind die zuständigen Gerichte verpflichtet, den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären und etwaige Auslieferungshindernisse in hinreichender Weise, also in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig, zu prüfen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2021 - 2 BvR 1282/21 -, Rn. 17). Zweck der gerichtlichen Zulässigkeitsprüfung im förmlichen Auslieferungsverfahren ist der präventive Rechtsschutz der betroffenen Person (vgl. [X.] 113, 273 <312>).

b) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s unterliegen die [X.] Gerichte bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Auslieferung der verfassungsrechtlichen Pflicht zu prüfen, ob die erbetene Auslieferung die gemäß Art. 79 Abs. 3 [X.] in Verbindung mit Art. 1 und Art. 20 [X.] unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grundsätze beziehungsweise das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz verletzt (vgl. [X.] 59, 280 <282 f.>; 63, 332 <337>; 108, 129 <136>; 140, 317 <355 Rn. 83 f.>). Sie sind zudem − insbesondere im Auslieferungsverkehr mit [X.], die nicht Mitgliedstaaten der [X.] sind − verpflichtet zu prüfen, ob die Auslieferung und die ihr zugrundeliegenden Akte den nach Art. 25 [X.] in der Bundesrepublik [X.] verbindlichen völkerrechtlichen Mindeststandard wahren (vgl. [X.] 59, 280 <282 f.>; 63, 332 <337 f.>; 75, 1 <19>; 108, 129 <136>; 113, 154 <162>).

Gemäß Art. 25 [X.] sind bei der Auslegung und Anwendung von Vorschriften des innerstaatlichen Rechts durch Verwaltungsbehörden und Gerichte die allgemeinen Regeln des Völkerrechts zu beachten. Hieraus folgt insbesondere, dass die Behörden und Gerichte grundsätzlich daran gehindert sind, innerstaatliches Recht in einer Weise auszulegen und anzuwenden, welche die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verletzt. Sie sind auch verpflichtet, alles zu unterlassen, was einer unter Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts vorgenommenen Handlung [X.] Hoheitsträger im Geltungsbereich des Grundgesetzes Wirksamkeit verschafft, und gehindert, an einer gegen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts verstoßenden Handlung [X.] Hoheitsträger bestimmend mitzuwirken (vgl. [X.] 75, 1 <18 f.>; stRspr).

Nicht nur im [X.] unter Mitgliedstaaten der [X.], sondern auch im allgemeinen völkerrechtlichen Auslieferungsverkehr gilt der Grundsatz, dass dem ersuchenden Staat im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtshilfe in Strafsachen sowie des Völkerrechts Vertrauen entgegenzubringen ist (vgl. [X.] 109, 13 <35 f.>; 109, 38 <61>; 140, 317 <349 Rn. 68>). Auch im allgemeinen Auslieferungsverkehr hat der ersuchende Staat ein erhebliches Interesse an der Aufrechterhaltung und Funktionsfähigkeit der gegenseitigen Rechtshilfe. Von der Begehung von Rechtsverletzungen, die die zukünftige Funktionsfähigkeit des Auslieferungsverkehrs zwangsläufig beeinträchtigen würden, wird ein ersuchender Staat schon deshalb regelmäßig Abstand nehmen (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2021 - 2 BvR 1282/21 -, Rn. 18 m.w.[X.]).

Dieser Grundsatz kann so lange Geltung beanspruchen, wie er nicht durch entgegenstehende Tatsachen, etwa systemische Defizite im Zielstaat, erschüttert wird (vgl. [X.] 109, 13 <35 f.>; 109, 38 <61>). Das ist der Fall, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass im Fall einer Auslieferung die unabdingbaren verfassungsrechtlichen Grund- sätze beziehungsweise das unabdingbare Maß an Grundrechtsschutz oder der verbindliche völkerrechtliche Mindeststandard gemäß Art. 25 [X.] nicht eingehalten werden. Dafür müssen stichhaltige Gründe gegeben sein, nach denen gerade im konkreten Fall eine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht, dass in dem ersuchenden Staat die Mindeststandards nicht beachtet werden (vgl. [X.] 140, 317 <350 Rn. 71>; [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 8. Dezember 2021 - 2 BvR 1282/21 -, Rn. 19 m.w.[X.]).

c) Die vom ersuchenden Staat im Auslieferungsverkehr gegebenen völkerrechtlich verbindlichen Zusicherungen sind geeignet, etwaige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Auslieferung auszuräumen, sofern nicht im Einzelfall zu erwarten ist, dass die Zusicherungen nicht eingehalten werden (vgl. [X.] 63, 215 <224>; 109, 38 <62>; [X.]K 2, 165 <172 f.>; 3, 159 <165>; 6, 13 <19>; 6, 334 <343>; 13, 128 <136>; 13, 557 <561>; 14, 372 <377 f.>; stRspr). Eine Zusicherung entbindet das über die Zulässigkeit einer Auslieferung befindende Gericht jedoch nicht von der Pflicht, zunächst eine eigene Gefahrenprognose anzustellen, um die Situation im Zielstaat und so die Belastbarkeit einer Zusicherung einschätzen zu können (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 30. Oktober 2019 - 2 BvR 828/19 -, Rn. 44 m.w.[X.]).

d) Zur Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz (vgl. Art. 20 Abs. 3 [X.]) gehört die Berücksichtigung der Gewährleistungen der [X.] und der Entscheidungen des [X.] im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung. Sind für die Beurteilung eines Sachverhalts Entscheidungen des [X.] einschlägig, so sind die von diesem in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Würdigung einzubeziehen und es hat eine Auseinandersetzung mit den vom Gerichtshof gefundenen [X.] stattzufinden (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 5. Juli 2006 - 2 BvR 1317/05 -, Rn. 12, und vom 2. Mai 2007 - 2 BvR 411/07 -, juris, Rn. 6, sowie Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 26. Februar 2018 - 2 BvR 107/18 -, Rn. 26; vgl. auch [X.] 111, 307 <323 f.>).

aa) Für ein faires Strafverfahren ist es von zentraler Bedeutung, dass der Angeklagte persönlich am Verfahren teilnimmt (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 23. November 1993, Nr. 14032/88, § 35; [X.], Urteil vom 8. April 2010, Nr. 20508/03, § 30, m.w.[X.]; vgl. zum Ganzen auch [X.] 140, 317 <363 f. Rn. 102>). Dies dient nicht nur allgemein seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, sondern gibt dem Gericht auch die Möglichkeit, die Stichhaltigkeit seiner Aussagen zu prüfen und sie mit denen des Opfers und der Zeugen zu vergleichen (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 23. November 1993, Nr. 14032/88, § 35). Auch wenn das Recht auf persönliche Anwesenheit im Verfahren nicht ausdrücklich in Art. 6 Abs. 1 [X.] benannt wird, so folgt doch aus Sinn und Zweck dieser Gewährleistung, dass eine Person, die einer Straftat angeklagt ist, das Recht hat, an der Verhandlung teilzunehmen (vgl. [X.], [X.] v. Italy, Urteil vom 12. Februar 1985, Nr. 9024/80, § 27). Verfahren in Abwesenheit des Angeklagten können allerdings mit der Konvention vereinbar sein, wenn der Angeklagte auf sein Anwesenheits- und Verteidigungsrecht verzichtet hat oder ein Gericht die ihm zur Last gelegten Vorwürfe erneut in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht prüft, nachdem es den Angeklagten gehört hat (vgl. [X.], [X.] v. Italy, Urteil vom 12. Februar 1985, Nr. 9024/80, § 29 f.; [X.], Urteil vom 14. Juni 2001, Nr. 20491/92, § 55; vgl. auch [X.] 140, 317 <363 Rn. 101>). Ein Verzicht auf das Recht auf Anwesenheit ist nur wirksam, wenn er in eindeutiger Weise erklärt wird und durch ein Mindestmaß an Verfahrensgarantien abgesichert ist (vgl. [X.] , [X.], Urteil vom 18. Oktober 2006, Nr. 18114/02, §§ 73 ff.; [X.], Urteil vom 8. Dezember 2009, [X.], §§ 86 ff.).

bb) Der persönlichen Anwesenheit des Angeklagten kommt in einer Rechtsmittelverhandlung nicht dieselbe Bedeutung zu wie im erstinstanzlichen Verfahren (vgl. [X.] , [X.], Entscheidung vom 18. Oktober 2006, Nr. 18114/02, § 60). Rechtsmittelverfahren, in denen nur über Rechtsfragen, nicht aber über [X.] entschieden wird, stehen gegebenenfalls mit Art. 6 [X.] im Einklang, obwohl der Angeklagte der Verhandlung nicht persönlich beiwohnt, sofern er in erster Instanz anwesend war (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 8. April 2010, Nr. 20508/03, § 31; , [X.], Urteil vom 2. November 2010, [X.], § 96). Der [X.] nimmt insoweit eine Einzelfallbetrachtung vor, in der der Prüfungsumfang und die Entscheidungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts, der Gegenstand des Verfahrens und seine Bedeutung für den Angeklagten sowie die Art und Weise, in der die Interessen des Angeklagten vor Gericht geschützt werden, eine Rolle spielen (vgl. [X.] , [X.], Urteil vom 18. Oktober 2006, Nr. 18114/02, § 60; [X.], Urteil vom 8. April 2010, Nr. 20508/03, § 30 m.w.[X.]; zum Ganzen vgl. [X.]/[X.], in: [X.]/[X.]/Marauhn, [X.]/[X.] Konkordanzkommentar, 3. Aufl. 2022, [X.]. 14 Rn. 147 m.w.[X.]).

cc) Im Hinblick auf den Einsatz von [X.] in einem Rechtsmittelverfahren befand der [X.], dass die [X.] einer Teilnahme des abwesenden Angeklagten an der Verhandlung mittels [X.] nicht prinzipiell entgegenstehe, wenn diese Möglichkeit im nationalen Recht vorgesehen sei und der Einsatz dieser Technik im Einzelfall ein legitimes Ziel verfolge (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 5. Januar 2007, Nr. 45106/04, §§ 67 f.). Im konkreten Fall, der eine Anklage wegen Mordes und Mitgliedschaft in einer mafiösen kriminellen Vereinigung zum Gegenstand hatte, sah der Gerichtshof den Einsatz der [X.] angesichts der dafür streitenden öffentlichen Interessen, namentlich der Belange des [X.] und des Erfordernisses einer angemessenen Verfahrensdauer, und unter Einbeziehung des Umstands, dass der Angeklagte das Recht hatte, sich während der Verhandlung vertraulich mit seinem Verteidiger zu beraten, als gerechtfertigt an (vgl. [X.], [X.], Urteil vom 5. Januar 2007, Nr. 45106/04, §§ 67, 75).

2. Nach diesen Maßstäben hält die Zulässigkeitsentscheidung vom 4. September 2023 einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das [X.] hat nicht ausreichend aufgeklärt, ob der Beschwerdeführer nach seiner Auslieferung in einer Weise an der erstinstanzlichen strafrechtlichen Hauptverhandlung beteiligt sein wird, die dem Grundsatz des fairen Verfahrens genügt, und dadurch sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 [X.] verletzt.

Das [X.] hat zwar die einschlägigen Entscheidungen des [X.] zum Recht des Angeklagten auf Anwesenheit im Strafverfahren herangezogen, die dort vorgenommenen Differenzierungen aber nur unzureichend berücksichtigt und den an den Vorgaben des Gerichtshofs zu messenden Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt. Ausgehend von der Rechtsprechung des [X.] zur herausgehobenen Bedeutung des Rechts eines Angeklagten auf Anwesenheit in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (vgl. insoweit nur [X.], [X.] v. Italy, Urteil vom 12. Februar 1985, Nr. 9024/80, §§ 27 ff.; [X.], Urteil vom 23. November 1993, Nr. 14032/88, § 35; [X.], Urteil vom 8. April 2010, Nr. 20508/03, § 30 m.w.[X.]) hätte sich das [X.] bereits im Ausgangspunkt mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob dem Beschwerdeführer nach [X.]m Recht grundsätzlich das Recht zukommt, auf seinen Wunsch hin an einer gegen ihn gerichteten erstinstanzlichen Hauptverhandlung persönlich teilzunehmen. Obwohl sich die aus §§ 30, 73 [X.] fließende Pflicht des [X.]s zur umfassenden Sachaufklärung jedenfalls dann auch auf das insoweit einschlägige (Prozess-)Recht des ersuchenden Staates bezieht, wenn der Verfolgte - wie hier - substantiiert darlegt, im Falle seiner Auslieferung einem Strafverfahren ausgesetzt zu sein, in dem seinem Recht auf Anwesenheit nicht genügt werde (vgl. für dahingehende Aufklärungspflichten im Fall von Verurteilungen in Abwesenheit des Angeklagten [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], Internationaler [X.] in Strafsachen, § 30 Rn. 28 f. ), hat das [X.] nicht ermittelt, wie das Anwesenheitsrecht im Strafverfahren nach [X.]m Recht konkret ausgestaltet ist und unter welchen Bedingungen - etwa nach einer eindeutigen Verzichtserklärung seitens des Angeklagten (vgl. dazu [X.], [X.] v. Italy, Urteil vom 12. Februar 1985, Nr. 9024/80, § 29 f.; [X.], Urteil vom 14. Juni 2001, Nr. 20491/92, § 55) - Einschränkungen zugelassen sind. Die an die [X.] Behörden gerichtete Frage, ob "das Anwesenheitsrecht des Angeklagten in der Hauptverhandlung durch den Einsatz von [X.] gewahrt" werde, deutet vielmehr eine bereits feststehende Rechtsauffassung des Senats an und nimmt das Ergebnis der ihm obliegenden Prüfung, ob der Grundsatz des fairen Verfahrens durch die beabsichtigte Durchführung der anstehenden Hauptverhandlung überhaupt sichergestellt werden kann, in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vorweg.

Ausgehend von der Feststellung im Beschluss vom 5. Juni 2023, die Teilnahme eines inhaftierten Angeklagten an einer außerhalb der Justizvollzugsanstalt durchgeführten Gerichtsverhandlung per Bild- und Tonübertragung sei nach der Rechtsprechung des [X.] mit dem aus Art. 6 Abs. 3 Buchstabe c [X.] folgenden Grundsatz des fairen Verfahrens vereinbar, sofern bestimmte Bedingungen eingehalten würden, hat das [X.] weder die in der einschlägigen Rechtsprechung angelegte Differenzierung zwischen erstinstanzlichen Strafgerichtsverhandlungen und Rechtsmittelverfahren berücksichtigt (vgl. nur [X.] , [X.], Urteil vom 18. Oktober 2006, Nr. 18114/02, § 60) noch ermittelt, welches "legitime Ziel" mit der Nutzung der [X.] im konkreten Fall verfolgt wird.

Angesichts der dargestellten Defizite der Sachverhaltsaufklärung und insbesondere der offengelassenen Frage, ob der Beschwerdeführer nach seiner freien Entscheidung an der gegen ihn gerichteten Hauptverhandlung persönlich teilnehmen kann beziehungsweise diesbezüglich eine Wahl hat, genügen die angegriffenen Beschlüsse den Anforderungen von Art. 19 Abs. 4 [X.] nicht. Dies gilt selbst angesichts des Umstands, dass sich das [X.] eingehend mit den technischen Modalitäten des Einsatzes audiovisueller Übertragungstechnik während der anstehenden Hauptverhandlung vor dem Strafgericht in [X.] auseinandergesetzt und insoweit einzelfallbezogene Zusicherungen eingeholt hat.

3. Ob die angegriffenen Entscheidungen daneben gegen weitere Grundrechte verstoßen, muss vor diesem Hintergrund nicht entschieden werden.

Der Beschluss des [X.]s Celle vom 4. September 2023 - 2 AR (Ausl) 108/22 - wird, soweit er die Zulässigkeit der Auslieferung betrifft, aufgehoben; die Sache wird insoweit an das [X.] zurückverwiesen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerf[X.]).

Mit der Aufhebung der Zulässigkeitsentscheidung vom 4. September 2023 wird der Beschluss des [X.]s Celle vom 15. September 2023 - 2 AR (Ausl) 108/22 - insoweit gegenstandslos.

Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2, 3 BVerf[X.].

Die Festsetzung des [X.] für die anwaltliche Tätigkeit stützt sich auf § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des [X.] im verfassungsgerichtlichen Verfahren (vgl. [X.] 79, 365 <366 ff.>).

Meta

2 BvR 1368/23

18.12.2023

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 1. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend OLG Celle, 15. September 2023, Az: 2 AR (Ausl) 108/22, Beschluss

Art 19 Abs 4 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 30 IRG, § 73 IRG, StPO TUR

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 18.12.2023, Az. 2 BvR 1368/23 (REWIS RS 2023, 9013)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9013

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