Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 22.10.2021, Az. 1 BvR 1416/17

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2021, 1661

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Mangelnde Darlegungen zum Fortbestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen bei entscheidungserheblichen Änderungen der Sach- und Rechtslage


Tenor

Der Antrag auf Zulassung eines Beistands wird abgelehnt.

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

[X.] betrifft die Versagung von Prozesskostenhilfe, die der Beschwerdeführer zur Durchsetzung einer Befreiung als Härtefall nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Rundfunkbeitragsstaatsvertrag ([X.]) von der [X.] begehrt.

2

Der [X.] Beschwerdeführer und Antragsteller des Ausgangsverfahrens zog im Oktober 2014 aus [X.] ([X.]) nach [X.], um an einer Musikhochschule ein Klavierstudium aufzunehmen. Nach eigenen Angaben bezog er aus verschiedenen Quellen monatliche Einkünfte in einer Gesamthöhe von 530 Euro, von denen ihm nach Abzug von Wohnkosten monatlich 250 Euro zur Bestreitung des Lebensunterhalts verblieben. Dieser Betrag lag wesentlich unterhalb der damals geltenden Regelsätze nach dem [X.] ([X.]) beziehungsweise dem [X.] ([X.]). Ein vom Beschwerdeführer gestellter Antrag auf Ausbildungsförderung nach dem [X.] ([X.]) wurde in Ermangelung des Vorliegens der persönlichen Anspruchsvoraussetzungen abgelehnt. Einen Antrag auf Befreiung von der [X.] lehnte die beklagte Rundfunkanstalt damals ebenfalls ab. Die daraufhin beantragte Prozesskostenhilfe wurde ihm weder vom Verwaltungsgericht noch vom Oberverwaltungsgericht bewilligt. Die beabsichtigte Rechtsverteidigung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Beschwerdeführer sei nicht allein aus Gründen seines sehr geringen Einkommens als Härtefall von der [X.] zu befreien.

3

Der Beschwerdeführer hat gegen die Entscheidung des [X.] im Verfahren über die Prozesskostenhilfe Verfassungsbeschwerde erhoben und die Zulassung eines pensionierten Richters am Amtsgericht als Beistand im Verfassungsbeschwerdeverfahren beantragt. Er macht geltend, durch die Versagung der Prozesskostenhilfe in seinen Rechten aus Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 3 GG verletzt zu sein.

4

[X.] des Ausgangsverfahrens haben dem [X.] vorgelegen. Der [X.], [X.] und Verbraucherschutz des [X.] und der [X.] als Beklagter des Ausgangsverfahrens hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer auch ohne die Gewährung von Prozesskostenhilfe Klage erhoben hat, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist, und ihm zum 1. Oktober 2019 Ausbildungsförderung nach dem [X.] bewilligt wurde. Auf seinen Antrag hin ist er seitdem auch von der [X.] befreit.

5

Die beantragte Zulassung eines Beistands ist abzulehnen, weil sie mangels Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde der Sache nicht objektiv dienlich ist. Eine im pflichtgemäßen Ermessen des [X.]s stehende Zulassung nach § 22 Abs. 1 Satz 4 [X.]G kommt nur in Betracht, wenn die Zulassung subjektiv notwendig und objektiv sachdienlich ist (vgl. [X.] 8, 92 <94>; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 21. Juni 2017 - 1 BvR 781/17 -, Rn. 2).

6

[X.] ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil kein zwingender Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 [X.]G vorliegt und auch sonst kein Grund für ihre Annahme ersichtlich ist. [X.] ist unzulässig; damit hat sie keine Aussicht auf Erfolg (vgl. [X.] 90, 22 <25 f.>).

7

1. [X.] ist unzulässig, weil aus ihrer Begründung nicht hervorgeht, dass noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung des [X.]s besteht. Ein Beschwerdeführer ist angehalten, seine Verfassungsbeschwerde bei entscheidungserheblicher Veränderung der Sach- und Rechtslage aktuell zu halten und die Beschwerdebegründung gegebenenfalls auch nachträglich zu ergänzen (vgl. [X.] 106, 210 <214 f.>; [X.], Beschluss des [X.] vom 8. Juni 2021 - 1 BvR 2771/18 -, Rn. 57, 64; Beschluss der [X.] des [X.] vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 273/16 -, Rn. 5). Ihn trifft eine aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 [X.]G fließende [X.] für das (Fort-)Bestehen der Annahme- und Zulässigkeitsvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung des [X.]s. Denn der außerordentliche Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde dient primär der Durchsetzung subjektiver von der Verfassung gewährter Rechtspositionen, die nicht bereits anderweitig durchgesetzt sind oder absehbar durchgesetzt werden (vgl. [X.], in: [X.], [X.]G, § 90 Rn. 6 ff.).

8

Dieser [X.] ist der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht nachgekommen, obschon Anlass dafür bestand, von einer entscheidungserheblichen Veränderung der Sachlage auszugehen. Im Zeitpunkt ihrer Erhebung bestand für die Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ein Rechtsschutzbedürfnis. Nachdem der Beschwerdeführer aber auch ohne Prozesskostenhilfe Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und das [X.] seine ständige Rechtsprechung zur Anwendung der rundfunkbeitragsrechtlichen Härtefallklausel geändert hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2019 - BVerwG 6 [X.] 10.18 -, Leitsatz 3, Rn. 22 ff.), hätte es eines ergänzenden Vortrags dazu bedurft, ob und inwieweit das Rechtsschutzbedürfnis für eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde fortbesteht. Der Beschwerdeführer hat aber selbst nach Zustellung der Verfassungsbeschwerde nicht zur Existenz und zum Fortgang des anhängigen Klageverfahrens vor den Verwaltungsgerichten vorgetragen.

9

2. Ausweislich der beigezogenen Verfahrensakte und der Stellungnahme des beklagten [X.] steht eine Entscheidung des [X.] über die vom Beschwerdeführer beantragte [X.] gegen das erstinstanzliche Urteil aus. In dieser prozessualen Situation, in der die Durchsetzung verfassungsrechtlicher Rechtspositionen noch im fachgerichtlichen Verfahren erfolgen kann, ist die Verfassungsbeschwerde auch mangels Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 [X.]G) unzulässig. Auf Grundlage der Rechtsprechung des [X.]s zur Anwendung der rundfunkbeitragsrechtlichen Härtefallklausel (vgl. [X.]K 19, 181; [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 30. November 2011 - 1 BvR 3269/08 u.a. -) und infolge der Rechtsprechungsänderung des [X.]s ist es zudem auch nicht aussichtslos, dass der Beschwerdeführer die Durchsetzung seines aktualisierten [X.] - die verbleibende Befreiung von der [X.] bis zum 1. Oktober 2019 - im anhängigen Klageverfahren erreichen kann.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.]G abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1416/17

22.10.2021

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, 13. Juni 2017, Az: 3 O 10/17, Beschluss

§ 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 4 Abs 6 S 1 RdFunkBeitrStVtr

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 22.10.2021, Az. 1 BvR 1416/17 (REWIS RS 2021, 1661)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1661

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