Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 11.01.2017, Az. 1 BvR 2322/16

1. Senat 2. Kammer | REWIS RS 2017, 17604

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

ÖFFENTLICHES RECHT BUNDESVERFASSUNGSGERICHT (BVERFG) USA GRUNDRECHTE VERFASSUNGSBESCHWERDE VATERSCHAFT KÜNSTLICHE BEFRUCHTUNG LEIHMUTTERSCHAFT

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung der Vaterschaftsfeststellung an im Ausland eingefrorenen Embryonen - hier: unter dem Gesichtspunkt der Substantiierung nicht hinreichend begründeter Parteivortrag zu den Voraussetzungen der geltend gemachten Grundrechtsverletzung


Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

1

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass die Gerichte es ablehnen, ihn als Vater von mehreren in einer [X.] [X.] kryokonservierten Embryonen festzustellen.

2

1. a) Der Beschwerdeführer lebt mit seinem Partner in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie leben im gemeinsamen Haushalt mit zwei im Jahr 2012 von einer Leihmutter in [X.] geborenen Töchtern. Nach Angaben des Beschwerdeführers wurden die Töchter mit seinen Spermazellen und Eizellen einer Spenderin in [X.] künstlich erzeugt. Parallel dazu sind neun Embryonen entstanden. Diese sind seither in einer [X.] [X.] kryokonserviert. Der Beschwerdeführer möchte die Embryonen "zur Geburt führen". Die Eizellenspenderin habe kein Interesse daran, die Embryonen selbst auszutragen. Sie habe diese "freigegeben", damit der Beschwerdeführer ihnen über Leihmütter zur Geburt verhelfen könne. Zwischenzeitlich wurden weitere der Embryonen [X.] Leihmüttern eingepflanzt.

3

b) Das Amtsgericht wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Vaterschaft an den extrakorporal aufbewahrten Embryonen mit angegriffenem Beschluss vom 26. Februar 2014 ab. [X.] sei [X.] Sachrecht anzuwenden. Das [X.] Abstammungsrecht, das an die durch die Geburt vermittelte Zugehörigkeit des Kindes zu einer bestimmten Frau als Mutter und [X.] als Vater anknüpfe, kenne keine pränatale gerichtliche Vaterschaftsfeststellung.

4

c) Die dagegen erhobene Beschwerde des Beschwerdeführers wies das [X.] mit angegriffenem Beschluss vom 31. Juli 2015 zurück, da das maßgebliche [X.] Recht die Möglichkeit einer Vaterschaftsfeststellung vor der Geburt des Kindes nicht eröffne.

5

d) Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers wies der [X.] mit angegriffenem Beschluss vom 24. August 2016 zurück.

6

Die Würdigung des [X.] halte der rechtlichen Nachprüfung stand. Die vor den zuständigen [X.]n Gerichten begehrte Feststellung der Vaterschaft für die kryokonservierten Embryonen sei nach dem anzuwendenden [X.]n Recht nicht möglich. Eine Vaterschaftsfeststellung vor der Geburt des Kindes sehe das [X.] Abstammungsrecht nicht vor. Auch unmittelbar aus der Verfassung folge kein Anspruch auf Vaterschaftsfeststellung oder auf die Zuerkennung eines gleichwertigen Zuordnungsstatus. Zum einen sei nicht ersichtlich, inwiefern die Embryonen eines Schutzes durch den Beschwerdeführer bedürften, den dieser nicht bereits jetzt - wenn auch auf vertraglicher Grundlage im Verhältnis zu der [X.] Reproduktionsklinik - sicherstellen könnte. Zum anderen bedürfe es zur Gewährleistung des Schutzes für die Embryonen ohnedies nicht der Feststellung eines [X.] oder eines vergleichbaren Status. Der Beschwerdeführer werfe Fragen der Fürsorge auf, die nicht dem Abstammungsrecht zugeordnet seien.

7

2. Der Beschwerdeführer rügt einen Verstoß gegen seine im Interesse der Embryonen geltend gemachten Rechte aus Art. 6 Abs. 2, Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG. Der [X.] habe verkannt, dass sich ein Anspruch auf Vaterschaftsfeststellung unmittelbar aus der Verfassung herleiten lasse. Die extrakorporal gelagerten Embryonen benötigten verfassungsrechtlichen Schutz gerade durch die pränatale Vaterschaftszuordnung oder eine gleichwertige Zuordnung, damit sich der Erzeuger schützend vor das werdende Leben stellen könne. Der [X.] Gesetzgeber sei daher gehalten, eine abstammungsrechtliche vaterähnliche Schutzposition zur Verfügung zu stellen, um seiner verfassungsrechtlichen Schutzpflicht zu genügen.

8

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 [X.] liegen nicht vor. Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

9

Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt nicht den sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 [X.] ergebenden Substantiierungsanforderungen.

1. Der Beschwerdeführer zielt darauf ab, einen abstammungsrechtlichen Status zu erlangen, um "elterliche" Schutzverantwortung pränatal wahrzunehmen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung die zuvörderst den Eltern obliegende Pflicht (vgl. [X.] 133, 59 <73 f., Rn. 42>). Ob sich die verfassungsrechtliche Schutzverantwortung auf kryokonservierte Embryonen erstreckt, ob danach sicherzustellen wäre, dass die Embryonen "einer Geburt zugeführt werden" und ob eine solche etwaige Schutzverantwortung nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in erster Linie [X.] obläge, mit dessen Spermazellen die kryokonservierten Embryonen geschaffen wurden, bedarf hier keiner Klärung. Der Beschwerdebegründung ist die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Elternrecht des Beschwerdeführers auch unabhängig davon nicht zu entnehmen.

2. a) Die Begründung der Verfassungsbeschwerde soll dem [X.] eine zuverlässige Grundlage für die weitere Behandlung des Verfahrens verschaffen (vgl. [X.] 15, 288 <292>). Zur Begründung gehört, dass das angeblich verletzte Recht bezeichnet und der seine Verletzung enthaltende Vorgang substantiiert dargelegt wird (vgl. [X.] 81, 208 <214>). Wesentlicher Zweck des [X.] ist es sicherzustellen, dass das [X.] ohne weitere Ermittlungen über die [X.] befinden und sich darüber hinaus bei [X.] im Hinblick auf das Annahmeverfahren eine Meinung über die Erfolgsaussicht des Begehrens bilden kann (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des [X.] vom 18. Februar 1999 - 1 BvR 1840/98 - Rn. 7 m.w.[X.], juris; Beschluss der [X.] des [X.] vom 22. August 2012 - 1 BvR 573/12 -, juris, Rn. 13 m.w.[X.]).

b) Diesen Anforderungen wird die Verfassungsbeschwerde nicht gerecht. Insbesondere hat der Beschwerdeführer nicht plausibel aufgezeigt, dass die pränatale Zuordnung eines Vaterschaftsstatus oder eines vergleichbaren Status zum Schutz der im Ausland eingefrorenen Embryonen erforderlich sein könnte.

aa) Die Verfassungsbeschwerde stellt den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt nur lückenhaft dar. Der Beschwerdeführer teilt hierbei grundlegende Umstände, denen er selbst eine potentielle Bedeutung für die verfassungsrechtliche Beurteilung beimisst, nicht mit. Dies gilt etwa hinsichtlich Angaben zu den Bedingungen und Vereinbarungen der In-Vitro-Fertilisation und der Kryokonservierung der Embryonen im Verhältnis zur [X.] und zur Eizellenspenderin sowie zu den hierüber geschlossenen Verträgen. Ebenso fehlt jeglicher Vortrag dazu, ob und in welchem Umfang (Mit-)Bestimmungs-möglichkeiten oder umgekehrt (Mit-)Bestimmungshindernisse des Beschwerdeführers hinsichtlich des weiteren Schicksals der Embryonen bestehen. Weiterhin fehlt jegliche Darstellung, inwiefern in [X.] ein behördlicher und rechtlicher Rahmen betreffend den Umgang mit extrakorporal gelagerten Embryonen (nicht) zur Verfügung steht. Unter diesen Umständen ist nicht überprüfbar, ob der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Schutzbedarf überhaupt bestehen kann.

bb) Auch ist der Verfassungsbeschwerde nicht zu entnehmen, dass ein Schutz der Embryonen gerade durch pränatale Vaterschaftsfeststellung gesichert werden müsste. Das Beschwerdevorbringen setzt sich nicht mit der naheliegenden Frage auseinander, ob das einfache [X.] Recht nicht bereits adäquate Möglichkeiten zum Schutze von extrakorporal aufbewahrten Embryonen eröffnet (dazu Coester-Waltjen, FamRZ 2015, S. 1982 m.w.[X.]). Insbesondere fehlt jegliche Befassung mit den gesetzlich geregelten Möglichkeiten pränataler Pflegschaft zur fürsorglichen Wahrnehmung der Interessen des [X.] (vgl. § 1912 BGB) und des nondum conceptus (vgl. § 1913 BGB). Dazu, ob gegebenenfalls auf Grundlage einer (analogen) Anwendung von § 1912 BGB oder § 1913 BGB die Möglichkeit einer Pflegschaft zur Wahrung der Interessen auch des extrakorporal aufbewahrten Embryos eröffnet sein könnte und weshalb entsprechende Fürsorgemöglichkeiten gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich wären, verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Vor diesem Hintergrund ist selbst bei Annahme eines verfassungsrechtlichen Schutzbedarfs nicht erkennbar, dass de lege [X.] keine ausreichenden Schutzvorkehrungen bereit stünden.

cc) Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb die Feststellung des Vaterstatus oder eines vergleichbaren abstammungsrechtlichen Status als Erzeuger die Rechtsstellung des Beschwerdeführers im Hinblick auf sein Ziel der Lebenserhaltung der im Ausland aufbewahrten Embryonen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht verbessern würde. Insbesondere ist weder dargetan noch ersichtlich, inwiefern es eines entsprechenden Status nach [X.]m Recht bedarf oder ein solcher förderlich wäre, um die in [X.] kryokonservierten Embryonen "einer Geburt zuzuführen". Insoweit fehlt etwa jeglicher Vortrag, weshalb seine Interessen durch die - im Übrigen weder vorgelegten noch ihrem Inhalt nach wiedergegebenen - Verträge mit der [X.] und der Eizellenspenderin nicht ausreichend gewahrt sein sollen. Dies gilt umso mehr, da nach dem eigenen Vortrag des Beschwerdeführers die Eizellenspenderin die Embryonen "freigegeben" hat, damit der Beschwerdeführer deren Austragung durch Leihmütter veranlassen kann, was nach seiner Darstellung in Bezug auf weitere der kryokonservierten Embryonen zwischenzeitlich geschehen ist.

3. Danach kann hier auch die verfassungsrechtlich ungeklärte Frage nach der territorialen Reichweite der Grundrechte offenbleiben. [X.] kann auch, inwieweit sich der Beschwerdeführer, der sich bewusst unter das Rechtsregime eines anderen Staates begeben hat, um die Verbotstatbestände des nationalen Embryonenschutzgesetzes zu umgehen, verfassungsrechtlich darauf berufen könnte, nach [X.]m Recht einen Status zu erlangen, der vermeintlich dem Schutz der im Ausland befindlichen Embryonen dienen soll.

4. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 2322/16

11.01.2017

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 2. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend BGH, 24. August 2016, Az: XII ZB 351/15, Beschluss

Art 6 Abs 1 GG, Art 6 Abs 2 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 11.01.2017, Az. 1 BvR 2322/16 (REWIS RS 2017, 17604)

Papier­fundstellen: NJW 2017, 948 REWIS RS 2017, 17604


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 2322/16

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 2322/16, 11.01.2017.


Az. XII ZB 351/15

Bundesgerichtshof, XII ZB 351/15, 24.08.2016.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

24 B 23.30860

Zitiert

1 BvR 573/12

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