Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.03.2012, Az. V ZR 115/11

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8311

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

ZIVIL- UND ZIVILVERFAHRENSRECHT ALLGEMEINES GLEICHBEHANDLUNGSGESETZ MEINUNGSFREIHEIT STAATSEXAMEN LEHRBUCHFÄLLE

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Persönlichkeitsrechtsverletzung: Hausverbot für Vorsitzenden der NPD in einem Wellnesshotel


Leitsatz

1. Hat sich ein Hotelbetreiber vertraglich verpflichtet, einen Gast zu beherbergen, bedarf die Erteilung eines Hausverbots der Rechtfertigung durch besonders gewichtige Sachgründe.

2. Hat sich ein Hotelbetreiber die Entscheidung darüber vorbehalten, wen er als Gast aufnimmt, ist er in seiner unternehmerischen Entscheidung frei, ob und unter welchen Voraussetzungen er anderen den Aufenthalt in seinen Räumen gestattet; die Erteilung eines Hausverbots muss in diesem Fall nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 18. April 2011 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Erteilung des Hausverbots für den Zeitraum vom 6. bis zum 10. Dezember 2009 ohne Erfolg geblieben ist.

Im Umfang der Aufhebung wird auf die Berufung des [X.] das Urteil der 12. Zivilkammer des [X.] (Oder) vom 22. Juni 2010 abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das dem Kläger von der Beklagten erteilte Hausverbot rechtswidrig war, soweit es den Zeitraum vom 6. bis zum 10. Dezember 2009 betrifft.

Im Übrigen bleibt die Berufung des [X.] zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Ehefrau des [X.] buchte bei einem Touristikunternehmen für beide Eheleute einen Aufenthalt in einem von der Beklagten betriebenen Hotel für die Zeit vom 6. bis zum 10. Dezember 2009. Nachdem das Touristikunternehmen die Buchung zunächst bestätigt hatte, teilte es am 19. November 2009 mit, dass ein Aufenthalt in dem Hotel der Beklagten nicht möglich sei, und bot verschiedene Unterbringungsalternativen sowie eine kostenfreie Stornierung an. Auf Nachfrage erteilte die Beklagte dem Kläger am 23. November 2009 ein Hausverbot. Dieses begründete sie mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 damit, dass die politische Überzeugung des [X.] - dieser war seinerzeit Bundesvorsitzender der [X.] ([X.]) - nicht mit dem Ziel des Hotels zu vereinbaren sei, jedem Gast nach Möglichkeit ein exzellentes Wohlfühlerlebnis zu bieten.

2

Der Kläger, der sich dadurch diskriminiert sieht, möchte mit der Klage den Widerruf des Hausverbots erreichen. Hierzu verweist er u.a. darauf, dass er sich bei seinen früheren Aufenthalten in dem Hotel nicht politisch geäußert habe. Da er dies bei künftigen und daher auch bei dem gebuchten Aufenthalt ebenso habe halten wollen, hätte das Hausverbot nicht ausgesprochen werden dürfen.

3

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in NJW-RR 2011, 890 ff. veröffentlicht ist, hält das Hausverbot für rechtmäßig. Eine das Persönlichkeitsrecht des [X.] verletzende Diskriminierung liege nicht vor. Die [X.] habe als Betreiberin eines sog. Wellnesshotels ein berechtigtes Interesse daran, ihren Gästen eine ruhige und friedliche Atmosphäre zu bieten. Daraus folge zugleich das Recht, einen Gast von der Nutzung des Hotels auszuschließen, sofern dessen politische Überzeugung befürchten lasse, dass sich andere Gäste provoziert fühlen könnten. Davon sei bei dem Kläger als dem (im [X.]punkt der Entscheidung des [X.] noch) [X.] einer rechtsextremen [X.], der selbst wiederholt in der Öffentlichkeit rechtsextremistisches Gedankengut geäußert habe, auszugehen. Die konkrete Besorgnis, der Kläger werde während des [X.] seine politische Auffassung bekunden, sei für die Erteilung des Hausverbots nicht erforderlich. Es genüge bereits der Eindruck, die [X.] beherberge in ihrem Hotel Rechtsextremisten. Darauf, dass sich der Kläger schon mehrfach dort aufgehalten habe, ohne dass Beschwerden an die [X.] herangetragen worden seien, komme es nicht an, weil die Anwesenheit des [X.] möglicherweise in der Zukunft durch andere Gäste missbilligt werde. Schließlich stünden dem erteilten Hausverbot weder Grundrechte des [X.] entgegen noch werde dessen politische Überzeugung durch das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (A[X.]) geschützt. Eine Ausgrenzung aus dem öffentlichen Leben finde durch das Hausverbot nicht statt, zumal der Kläger auf ein anderes Hotel in der Region ausweichen könne.

II.

5

Die Revision ist teilweise begründet.

6

1. Gegenstand des Rechtsstreits ist zum einen die Frage, ob das Hausverbot hätte erteilt werden dürfen, soweit der Kläger dadurch an seinem bereits gebuchten Aufenthalt in dem Hotel der [X.]n gehindert wurde. Darüber hinaus und - ausweislich der Klagebegründung - vor allem will der Kläger durch die der Sache nach beantragte Aufhebung (vgl. auch [X.], NJW-RR 2010, 760) des Hausverbots erreichen, dass die aus seiner Sicht auch für die Zukunft fortwirkende Diskriminierung beseitigt wird. Mit dieser Unterscheidung gehen unterschiedliche rechtliche Maßstäbe einher, an denen sich das Hausverbot messen lassen muss. Sie führen dazu, dass das Hausverbot, soweit es den gebuchten Aufenthalt betrifft, rechtswidrig war, im Übrigen aber rechtmäßig ist.

7

2. Zu Unrecht erachtet das Berufungsgericht das Hausverbot auch insoweit für rechtmäßig, als dem Kläger dadurch der bereits vor dessen Ausspruch für die [X.] vom 6. bis zum 10. Dezember 2009 gebuchte Aufenthalt in dem Hotel der [X.]n untersagt wurde.

8

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die [X.] aufgrund ihres Hausrechts grundsätzlich befugt ist, für das von ihr betriebene Hotel ein Hausverbot auszusprechen. Das Hausrecht beruht auf dem Grundstückseigentum oder -besitz (§§ 858 ff., 903, 1004 [X.]) und ermöglicht es seinem Inhaber, in der Regel frei darüber zu entscheiden, wem er den Zutritt gestattet und wem er ihn verwehrt ([X.], Urteil vom 20. Januar 2006 - [X.], [X.], 1054 Rn. 7; Urteil vom 30. Oktober 2009 - [X.], [X.], 534, 535 Rn. 11; [X.], Urteil vom 8. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 62, 70 mwN). In ihm kommt insbesondere die - ihrerseits aus der grundrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 [X.]) fließende - Befugnis des Eigentümers zum Ausdruck, mit der Sache grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen (§ 903 Satz 1 [X.]). Darüber hinaus ist das Hausrecht Ausdruck der durch Art. 2 Abs. 1 [X.] gewährleisteten Privatautonomie, die die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben schützt ([X.], NJW 1994, 36, 38 mwN). Dazu gehört, dass rechtlich erhebliche Willensentscheidungen in der Regel keiner Rechtfertigung bedürfen; das gilt in gleicher Weise für die Entscheidung, ob und in welchem Umfang einem Dritten der Zugang zu einer bestimmten Örtlichkeit gestattet wird.

9

b) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass aus der speziellen zivilrechtlichen Regelung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 21 A[X.] keine Einschränkungen des Hausrechts der [X.]n hergeleitet werden können. Abgesehen davon, dass es bereits zweifelhaft erscheint, ob Verträge über den Aufenthalt in einem Wellnesshotel überhaupt unter den Tatbestand der Norm fallen (für [X.] bejahend [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 19 A[X.] Rn. [X.]/Krieger, A[X.], 3. Aufl., § 19 Rn. 8), scheitert das Eingreifen der Vorschrift jedenfalls daran, dass der Gesetzgeber bewusst davon Abstand genommen hat, das Diskriminierungsverbot auf Benachteiligungen wegen politischer Überzeugungen zu erstrecken (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, [X.]. 16/2022, [X.]). Auch die der Regelung zugrunde liegenden [X.][X.] vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. [X.] 2000 Nr. L 180 S. 22) und 2004/113/[X.] des Rates vom 13. Dezember 2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen (ABl. [X.] 2004 Nr. L 373 [X.]) enthalten insoweit keine weitergehenden Anforderungen [X.]/[X.]/Krieger, aaO, 3. Aufl., § 19 Rn. 2; [X.]/[X.] in [X.]/Bertzbach, A[X.], 2. Aufl., § 19 Rn. 8; [X.]/Mohr, A[X.], § 19 Rn. 8).

c) Das Berufungsgericht hat aber übersehen, dass die [X.] ihr Hausrecht bezogen auf die [X.] vom 6. bis zum 10. Dezember 2009 deshalb nicht frei ausüben konnte, weil sie vertraglich verpflichtet war, dem Kläger den gebuchten Aufenthalt in dem Hotel zu gestatten. Mit der Bestätigung der Buchung seitens des [X.] erwarb nämlich nicht nur seine Ehefrau, sondern auch der Kläger selbst jedenfalls nach den Regeln des Vertrages zugunsten Dritter einen auf die Erbringung der vereinbarten Leistungen gerichteten Anspruch (vgl. auch [X.], Urteil vom 17. Januar 1985 - [X.], [X.]Z 93, 271, 274 ff.).

d) Von diesem Vertrag hat sich die [X.] weder durch eine Anfechtung noch durch eine Kündigung aus wichtigem Grund wirksam gelöst, ohne dass es auf die - nicht festgestellten - Einzelheiten der vertraglichen Beziehungen zwischen der [X.]n, dem Touristikunternehmen sowie dem Kläger und dessen Ehefrau ankäme.

aa) Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 [X.] wegen eines Irrtums über eine Eigenschaft des [X.] scheitert schon daran, dass die [X.] sie nicht unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 [X.] erklärt hat. Dass die [X.] den Kläger wegen dessen politischer Überzeugung nicht als Gast in ihrem Hotel wünschte, hat sie erstmals mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 geltend gemacht. Diese - nachgeschobene - Begründung mag bei wohlwollender Betrachtung als Anfechtungserklärung zu verstehen sein. Den Grund kannte die [X.] aber zumindest seit der auf ihre Veranlassung hin vorgenommenen Stornierung der Buchung durch das Touristikunternehmen am 19. November 2009. Die damit mehr als zwei Wochen später erklärte Anfechtung kann nicht als unverzüglich angesehen werden (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 6. Aufl., § 121 Rn. 7 mwN).

bb) Soweit in der Erteilung des Hausverbots zudem eine Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund durch die [X.] zu erblicken sein sollte, ginge diese schon deshalb ins Leere, weil das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund regelmäßig eine, nicht notwendig schuldhafte, Vertragsverletzung durch eine Vertragspartei voraussetzt (vgl. [X.], Urteil vom 26. April 2002 - [X.] 20/01, [X.]Z 150, 365, 369). Daran fehlt es.

e) Die zivilrechtliche Bindung, durch deren Begründung die [X.] ihre Interessen freiwillig - privatautonom - gestaltet hat, führt dazu, dass die Berufung auf die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 [X.]) und die unternehmerische Freiheit (Art. 12 [X.]) sowie die Ausübung der Eigentumsrechte (Art. 14 [X.]) deutlich an Gewicht verlieren. Dasselbe würde für das Recht gelten, sich durch die Erteilung eines Hausverbots politisch zu positionieren (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 [X.]); hierauf hat sich die [X.] allerdings nicht berufen. Diese Grundrechte treten bei der gebotenen Abwägung hinter das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 [X.]) des von dem Hausverbot Betroffenen sowie das Diskriminierungsverbot (Art. 3 [X.]) zurück, da diese Regelungen insbesondere über die zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 [X.] ebenfalls mittelbar in das Zivilrecht einwirken. Die Abwägung führt dazu, dass ein den [X.] durch besonders gewichtige Sachgründe bedarf. Solche Sachgründe lagen entgegen der Auffassung des [X.] nicht vor, soweit das Hausverbot den bereits gebuchten Aufenthalt betraf, wobei nur solche Gründe zu würdigen sind, auf die es von vornherein gestützt worden ist oder die in den Tatsacheninstanzen unter Beachtung der §§ 296, 529 ff. ZPO in den Prozess eingeführt worden sind.

aa) Die von der [X.]n gegebene Begründung, wonach die politische Überzeugung des [X.] in einem Widerspruch zu dem Ziel des Hotels stehe, jedem Gast nach Möglichkeit ein „exzellentes Wohlfühlerlebnis“ zu bieten, trägt nicht die Weigerung, dem Kläger den bereits gebuchten Aufenthalt in dem Hotel zu gestatten. Da keine Verfahrensrügen gegen die tatsächlichen Feststellungen des [X.] erhoben worden sind, ist der [X.] als Revisionsgericht an den festgestellten Sachverhalt gebunden (§ 559 ZPO). [X.] Feststellungen, aufgrund deren konkrete Störungen durch den Kläger zu befürchten wären, liegen nicht vor. Insbesondere hat das Berufungsgericht keine Tatsachen festgestellt, aufgrund deren die Befürchtung bestanden hätte, dass der Kläger bei dem beabsichtigten Aufenthalt in dem von der [X.]n betriebenen Hotel - anders als bei seinen vorherigen Besuchen - durch Äußerung rechtsextremer Thesen Unruhe gestiftet hätte.

bb) Der [X.]n bleibt angesichts der eingegangenen vertraglichen Bindung auch die Berufung darauf versagt, berechtigte Belange anderer Hotelgäste begründeten ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung des Hausverbots. Zwar liegt die Annahme durchaus nahe, dass die Anwesenheit des [X.] mit Blick auf die von diesem und dessen [X.] vertretenen rechtsextremen Positionen bei anderen Gästen Missfallen erregen oder gar als Provokation empfunden wird. Das Bestehen unterschiedlicher politischer Auffassungen ist der freiheitlichen - wesentlich durch das Mehrparteiensystem geprägten - [X.] Grundordnung indessen immanent (vgl. [X.]E 2, 1, 12 f.). Das schließt die Möglichkeit ein, im alltäglichen Leben und damit auch in einem Wellnesshotel mit einer Person zusammenzutreffen, die innerhalb einer - nicht verbotenen - politischen [X.] eine hervorgehobene Funktion innehat. Es begründet als solches keine rechtlich erhebliche Beeinträchtigung, die etwa Ansprüche gegen den Hotelbetreiber aus einem mit diesem geschlossenen Beherbergungsvertrag oder, sofern der Aufenthalt auf der Grundlage eines Reisevertrags erfolgt, gegen den Reiseveranstalter (vgl. §§ 651c ff. [X.]) auslösen könnte.

cc) Die Befürchtung, die Anwesenheit des [X.] in dem Hotel könne zu Beschwerden anderer Gäste oder gar dazu führen, das diese ihren Hotelaufenthalt vorzeitig beenden oder von einem neuerlichen Aufenthalt Abstand nehmen werden, vermag bereits deshalb ein Hausverbot nicht zu tragen, weil es auch insoweit jedenfalls an hinreichend konkreten Anhaltspunkten für eine solche Annahme fehlt. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des [X.] hat sich der Kläger bereits mehrmals in dem Hotel der [X.]n aufgehalten, ohne dass es deshalb zu Beanstandungen gekommen wäre. Die abstrakte Möglichkeit, es könne sich bei einem weiteren - rein privaten und nicht von der parteipolitischen Funktion des [X.] geprägten - Aufenthalt anders verhalten, reicht für die Erteilung eines Hausverbots nicht aus. Vor diesem Hintergrund kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, ein Aufenthalt des [X.] werde die wirtschaftlichen Interessen der [X.]n in rechtlich erheblicher Weise beeinträchtigen.

dd) Schließlich macht die [X.] schon nicht geltend, dass ein Aufenthalt des [X.] in ihrem Hotel die naheliegende Gefahr begründet, sie werde dadurch in der öffentlichen Wahrnehmung mit den von diesem bzw. der [X.] vertretenen politischen Positionen identifiziert.

3. Rechtlich nicht zu beanstanden ist das Hausverbot dagegen, soweit dem Kläger dadurch für die Zukunft der Zutritt zu dem Hotel untersagt wird.

a) Ein vertraglicher Anspruch des [X.], aufgrund dessen die [X.] bei der Ausübung ihres Hausrechts Einschränkungen unterläge, besteht nach Ablauf der [X.], für die der Hotelaufenthalt gebucht war, nicht mehr.

b) Die [X.] war insoweit auch nicht aus sonstigen Gründen an der Erteilung eines Hausverbots gehindert.

aa) Einschränkungen bei der Ausübung des Hausrechts können sich, abgesehen von einer vertraglichen Bindung des Hausrechtsinhabers, insbesondere daraus ergeben, dass dieser die Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr öffnet und dadurch seine Bereitschaft zu erkennen gibt, generell und unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem den Zutritt zu gestatten, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegt ([X.], Urteil vom 20. Januar 2006 - [X.], [X.], 1054 Rn. 8; [X.], Urteil vom 3. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 39, 43 mwN). Das schließt es zwar auch in solchen Fällen nicht aus, dass der Berechtigte die Befugnis zum Aufenthalt nach außen hin erkennbar an rechtlich zulässige Bedingungen knüpft (vgl. [X.], Urteil vom 3. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 39, 43; Urteil vom 8. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 62, 70 - jeweils mwN). Geschieht dies jedoch nicht oder sind die Bedingungen erfüllt, bedarf ein gegenüber einer bestimmten Person ausgesprochenes Verbot, die Örtlichkeit (künftig) zu betreten, zumindest grundsätzlich eines sachlichen Grundes, weil auch in solchen Konstellationen die Grundrechte des Betroffenen, namentlich dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 [X.]) und das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 [X.]), bei der gebotenen Abwägung einem willkürlichen Ausschluss entgegen stehen ([X.], Urteil vom 30. Oktober 2009 - [X.], [X.], 534, 535 Rn. 13).

In solchen Fallgestaltungen tritt die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 [X.]) des Hausrechtsinhabers in ihrem Gewicht zurück. Das ist deshalb gerechtfertigt, weil bei einer Öffnung der Örtlichkeit für den allgemeinen Publikumsverkehr der Person des einzelnen Besuchers oder Kunden regelmäßig nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Hier liegt die Annahme besonders nahe, es sei unter Verzicht auf eine Prüfung im Einzelfall jedem der Zutritt gestattet, der sich im Rahmen des üblichen Verhaltens bewegt (vgl. [X.], Urteil vom 20. Januar 2006 - [X.], [X.], 1054 [Flughafenterminal] und vom 30. Oktober 2009 - [X.], [X.], 534 [Fußballstadion]; [X.], Urteil vom 3. November 1993 - [X.], [X.]Z 124, 39 [[X.]]; ebenso bereits [X.], Urteil vom 13. Juli 1979 - I ZR 138/77, [X.], 700 [Apotheke] und vom 25. April 1991 - I ZR 283/89, NJW-RR 1991, 1512 [Getränkemarkt]).

bb) Diese Erwägungen sind indes auf die Erteilung eines Hausverbots für ein Hotel mit [X.] nicht übertragbar. Mit dem Betrieb eines Wellnesshotels soll erkennbar nur ein eingeschränkter Besucher- oder Kundenkreis angesprochen werden. Aus der Sicht potentieller Gäste tritt klar zutage, dass sich der Hotelbetreiber eine individuelle Entscheidung darüber vorbehalten wird, ob er demjenigen, der um eine Beherbergung nachsucht oder aus sonstigen Gründen das Hotelgelände betreten will, den Zutritt gestattet. Ein solcher Vorbehalt ist im Grundsatz nicht zu beanstanden (vgl. [X.], Vertragsfreiheit und Hausrecht gewerblicher Anbieter, 2003, [X.]5; [X.], [X.], 873, 874). Er ist ebenfalls Ausdruck der Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 [X.]), der unternehmerischen Freiheit (Art. 12 [X.]) sowie der Freiheit des Eigentums (Art. 14 [X.]; § 903 Satz 1 [X.]) und beruht auf dem legitimen Interesse, innerhalb der durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen auf die Zusammensetzung des Publikums Einfluss auszuüben. Daraus folgt, dass der Hausrechtsinhaber nicht nur im Bereich privater Lebensgestaltung, sondern auch in seiner unternehmerischen Entscheidung frei ist, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen er anderen den Aufenthalt in seinen Räumen gestattet. Die privatautonome Erteilung eines Hausverbots muss daher auch insoweit in der Regel nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden.

cc) Etwas anderes folgt nicht daraus, dass die [X.] die Disposition über ihre Beherbergungskapazitäten teilweise einem Touristikunternehmen überlassen hat. Die darin zum Ausdruck kommende (teilweise) Öffnung des Hotels hat nicht zur Folge, dass die [X.] ihre Freiheit verliert, die Zusammensetzung des Hotelpublikums zu beeinflussen.

c) Auch der Umstand, dass die [X.] das Hausverbot auf die politische Überzeugung des [X.] gestützt hat, lässt dieses nicht als rechtswidrig erscheinen. Wie bereits dargelegt, ergeben sich insoweit keine Einschränkungen aus §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 21 A[X.]. Nichts anderes folgt aus der Regelung des Art. 3 Abs. 3 [X.], durch die unter anderem solche Benachteiligungen verboten werden, die an die politischen Anschauungen einer Person anknüpfen. Diese Bestimmung ist im Rechtsverkehr zwischen Privaten nicht unmittelbar anwendbar (vgl. [X.] in Dreier, [X.], 2. Aufl., Art. 3 Rn. 138; [X.] in v. Mangoldt[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., Art. 3 Abs. 3 Rn. 376 mwN). Ob ihr im Wege der mittelbaren Drittwirkung eine im Vergleich zu dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 [X.]) „größere Durchschlagskraft“ zukommt, wird - jedenfalls was die Diskriminierung wegen der politischen Anschauung betrifft - unterschiedlich beurteilt (bejahend [X.] in Maunz/[X.], [X.], Art. 3 Abs. 1 Rn. 516 [anders aber wohl Art. 3 Abs. 3 Rn. 172]; ähnlich [X.] in [X.]/[X.], [X.], 11. Aufl., Art. 3 Rn. 133; AK-[X.]/[X.], 3. Aufl., Art. 3 Abs. 2, 3 Rn. 93; [X.] in Dreier, aaO; einschränkend [X.] in [X.] Kommentar, [X.], Art. 3 Abs. 2 und 3 Rn. 607; [X.] in v. Mangoldt[X.]/[X.], aaO; [X.], [X.], [X.]/2, 1988, S. 1580 f.; [X.], Grundrechte als Abwehrrechte, 2003, [X.] ff., insbes. [X.]), kann aber dahinstehen.

Selbst wenn der Regelung des Art. 3 Abs. 3 [X.] auch im Verhältnis zwischen Privaten ein besonderes Gewicht beizumessen wäre, führte dies nicht dazu, dass sich das Interesse des [X.], nicht auf Grund seiner politischen Überzeugung durch die Erteilung eines Hausverbots benachteiligt zu werden, bei der gebotenen Abwägung gegenüber den ebenfalls grundrechtlich geschützten Interessen der [X.]n durchsetzte. Der Kläger sieht sich durch das Verbot, das Hotel der [X.]n zu nutzen, lediglich in seiner Freizeitgestaltung beeinträchtigt. Im Übrigen erfährt er dadurch, dass das Hausverbot schriftlich - und nicht etwa erst bei seiner Ankunft in dem Hotel - erteilt wurde, auch keine öffentliche Bloßstellung. Demgegenüber trägt die [X.] das wirtschaftliche Risiko für das von ihr betriebene Geschäftskonzept eines Wellnesshotels. Das lässt es gerechtfertigt erscheinen, der [X.]n - soweit sie nicht eine vertragliche Bindung eingegangen ist (dazu unter 2.) - die Freiheit einzuräumen, solchen Gästen den Zutritt zu verweigern, von denen sie annimmt, ihr Aufenthalt könne mit Blick auf die von ihnen vertretene politische Auffassung diesem Konzept abträglich sein.

4. Soweit die Revision Erfolg hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit nach § 563 Abs. 3 ZPO zur Endentscheidung reif ist. Da das dem Kläger erteilte Hausverbot, soweit die [X.] bereits eine vertragliche Bindung eingegangen war, auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht hätte ergehen dürfen, ist die [X.] entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 1 [X.] an sich verpflichtet, die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des [X.] zu beseitigen, indem sie das Hausverbot, wie von dem Kläger der Sache nach beantragt, aufhebt. Dem Umstand, dass eine Aufhebung mit Wirkung für die Vergangenheit nicht mehr in Betracht kommt, ist durch die Feststellung Rechnung zu tragen, dass das Hausverbot in dem betreffenden [X.]raum rechtswidrig war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                             Stresemann                                               Czub

                          Brückner                                                Weinland

Meta

V ZR 115/11

09.03.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 18. April 2011, Az: 1 U 4/10, Urteil

§ 823 Abs 1 BGB, § 858 BGB, §§ 858ff BGB, § 903 S 1 BGB, § 1004 BGB, Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 3 GG, Art 5 Abs 1 GG, § 19 Abs 1 AGG, § 21 AGG, EGRL 43/2000

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.03.2012, Az. V ZR 115/11 (REWIS RS 2012, 8311)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8311


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 1 BvR 879/12

Bundesverfassungsgericht, 1 BvR 879/12, 27.08.2019.


Az. V ZR 115/11

Bundesgerichtshof, V ZR 115/11, 09.03.2012.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 115/11 (Bundesgerichtshof)


V ZR 275/18 (Bundesgerichtshof)

Begründungspflicht für Erteilung eines Hausverbots, hier: Therme


1 BvR 879/12 (Bundesverfassungsgericht)

Nichtannahmebeschluss: Zur Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das Zivilrecht, hier im Falle eines von einer Hotelbetreiberin …


6 U 214/18 (Oberlandesgericht Köln)


VIII ZR 401/18 (Bundesgerichtshof)

Wechselseitige Interessen zwischen Allgemeinem Gleichbehandlungsgesetz und Unternehmerfreiheit bei Mindestalter in einem Wellnesshotel


Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.